Urteil des BSG vom 06.03.2003
BSG: eintritt des versicherungsfalls, eintritt des versicherungsfalles, dispositionen treffen, kaufmännischer angestellter, anfechtungsklage, zukunft, anhörung, veröffentlichung, eingriff
Bundessozialgericht
Urteil vom 06.03.2003
Sozialgericht Hamburg S 11 RA 549/01
Bundessozialgericht B 4 RA 35/02 R
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. April 2002 aufgehoben. Die
Aufhebung des Rechts auf Rente wegen Berufsunfähigkeit im Bescheid vom 15. Januar 2001 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2001 wird aufgehoben. Im Übrigen wird der Rechtsstreit zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die monatlichen Zahlungsansprüche des Klägers aus dem ihm
bindend zuerkannten Recht auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) auf Grund des materiell-rechtlichen,
einzelanspruchsvernichtenden Übersicherungseinwandes wegen eines Hinzuverdienstes ab 1. März 2001 entziehen
durfte.
Der im Jahre 1943 geborene Kläger war als Schiffsmakler tätig. Im Jahre 1968 hatte er einen Unfall. Die Beklagte
gewährte zunächst Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) (Bescheid vom 29. April 1968). Nachdem der Kläger wieder
eine Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter aufgenommen hatte, wurde ihm seit April 1969 Rente wegen BU
zuerkannt (Bescheid vom 12. Februar 1969).
Mit Schreiben vom 7. November 2000 bat die Beklagte den Kläger im Rahmen einer Nachprüfung der weiteren
Rentenberechtigung um die Beantwortung verschiedener Fragen, ua zu seinem Gehalt aus der ausgeübten
Beschäftigung, das er ab 1. Januar 2001 beziehen werde. In einem Formblatt wies sie zugleich auf die seit 1. Januar
1996 geltende Neuregelung über die Einhaltung von Hinzuverdienstgrenzen hin, die für Rentenbezieher, deren Rente
wegen BU bereits vor dem 1. Januar 1996 begonnen habe, ab 1. Januar 2001 gelte.
Nachdem der Kläger angegeben hatte, er werde ab 1. Januar 2001 voraussichtlich ein Einkommen aus
nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von monatlich DM 5.750 beziehen, hob die Beklagte mit Bescheid vom 15. Januar
2001 den Rentenbescheid vom 12. Februar 1969 mit Wirkung für die Zukunft ab 1. März 2001 auf. Außerdem teilte sie
mit, dass die Rente ab 1. Februar 2001 nicht mehr gezahlt werde. Eine Aufhebung mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der
Änderung der Verhältnisse werde noch geprüft. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte zurück,
nachdem dieser innerhalb der gesetzten Frist nicht begründet worden war (Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2001).
Nach Anhörung (Schreiben vom 2. Februar 2001) hob die Beklagte den Rentenbescheid vom 12. Februar 1969 auch
mit Wirkung ab 1. Januar 2001 auf und forderte die Überzahlung für Januar 2001 in Höhe von DM 1.103,45 zurück
(Bescheid vom 29. Oktober 2001).
Die am 6. August 2001 erhobene Klage, mit der die Aufhebung des Bescheids vom 15. Januar 2001 idF des
Widerspruchsbescheids vom 10. Juli 2001 begehrt worden ist, ist ohne Erfolg geblieben (Urteil vom 11. April 2002).
Das SG hat ausgeführt: Die seit 1. Januar 2001 geltende Regelung des § 313 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB
VI) sei von der Beklagten zutreffend umgesetzt worden. Im Falle des Klägers führe sie wegen des von ihm aus der
Beschäftigung erzielten Einkommens zum Wegfall der Rentenzahlung. Die gesetzliche Regelung verstoße nicht
gegen Art 14 Grundgesetz (GG), denn sie bewege sich in den durch diese Vorschrift gesetzten Schranken. Die
Regelung stelle keinen Totalentzug dar. Die Rente werde in voller oder teilweiser Höhe gezahlt, wenn das Einkommen
ganz oder teilweise entfalle. Die gesetzliche Neuregelung sei zudem für Bestandsrentner erst mit einer zeitlichen
Verzögerung umgesetzt worden.
Mit der vom SG zugelassenen und mit Zustimmung der Beklagten eingelegten Sprungrevision rügt der Kläger eine
Verletzung von Art 14 GG. Renten der Sozialversicherung würden vom Schutzbereich dieser Bestimmung erfasst. §
313 SGB VI sei eine verfassungswidrige Inhalts- und Schrankenbestimmung. Diese Vorschrift sei nicht
verhältnismäßig. Es sei ein unzumutbares Sonderopfer, nach über 32 Jahren auf die Rente wegen BU verzichten zu
müssen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. April 2002 sowie den Bescheid der
Beklagten vom 15. Januar 2001 idF des Widerspruchsbescheids vom 10. Juli 2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Sprungrevision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. April
2002 zurückzuweisen.
Sie habe § 313 SGB VI zutreffend angewandt. Diese Regelung verstoße nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art
14 GG; sie sei eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§
124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
II
A. Die Sprungrevision des Klägers ist zulässig.
Die Voraussetzungen des § 161 SGG liegen vor. Die Erklärung der Beklagten, mit der diese der Einlegung der
Sprungrevision zugestimmt hat, genügt den formellen Erfordernissen des § 161 Abs 1 SGG. Die Zustimmung des
Gegners zur Einlegung der Sprungrevision ist auch dann formgerecht iS des § 161 Abs 1 Satz 1 und Satz 3 zweite
Alternative SGG erteilt, wenn der Revisionsführer - wie hier - die ihm per Telefax übermittelte, vom Revisionsgegner
eigenhändig unterzeichnete Zustimmungserklärung zunächst seinerseits per Telefax an das Revisionsgericht
weitergeleitet hat (BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 13) und anschließend innerhalb der Rechtsmittelfrist mit der Original-
Revisionsschrift das Original-Telefax, mit dem die Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision erteilt wurde, beifügt
(BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 10).
Die Sprungrevision genügt auch den Formerfordernissen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG. Obwohl sich weder in der
Revisionsschrift noch in der Revisionsbegründung der erforderliche Antrag findet, ist der Forderung genügt, dass die
Begründung der Revision einen bestimmten Antrag enthalten muss. Das Antragserfordernis soll gewährleisten, dass
bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist Klarheit darüber besteht, welchen Urteilsausspruch der Revisionsführer
vom Revisionsgericht begehrt. Das BSG hat es deshalb als ausreichend angesehen, wenn die Revisionsbegründung
eindeutig ergibt, welches prozessuale Ziel der Revisionskläger erreichen will (BSG SozR 1500 § 164 Nr 8 und Nr 10;
BSG USK 94100 S 534; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 35; BSG Breithaupt 1998, 327, 328; BSG Beschluss vom
17. Dezember 2002 - B 4 RA 30/01 R). Die Ausführungen des Klägers lassen hier keine Zweifel daran, dass er vom
BSG die Aufhebung des angefochtenen Urteils des SG und die der angefochtenen Entziehungsentscheidungen
begehrt, weil nach seiner Ansicht ein gegen Art 14 GG verstoßender Eingriff in das Recht auf Rente wegen BU
vorliege.
B. Die Sprungrevision des Klägers ist begründet, soweit das SG seine Anfechtungsklage gegen die Aufhebung seines
(Stamm-)Rechts auf Rente wegen BU abgewiesen hat. Im Übrigen führt die Sprungrevision außer zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils auch zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Dessen
Feststellungen reichen zur abschließenden Entscheidung über den Entzug der monatlichen Zahlungsansprüche aus
dem Recht auf BU-Rente nicht aus. Entgegen der Ansicht des SG regeln die §§ 313, 96a SGB VI keinen
Anrechnungs-, sondern einen rechtlich (und wirtschaftlich) andersartigen Übersicherungseinwand.
1. Auf die isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) des Klägers hin ist im Revisionsverfahren nur über die
Rechtmäßigkeit der im Bescheid vom 15. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juli 2001
von der Beklagten erlassenen Verwaltungsakte zu entscheiden. Spätere Verwaltungsakte, insbesondere in dem von
der Beklagten in der Revisionserwiderung genannten Bescheid vom 29. Oktober 2001, sind vom SG weder benannt
worden noch hatte der Kläger sie in der Tatsacheninstanz angefochten. Die Entziehungsentscheidung mit Wirkung nur
für Bezugszeiträume in der Vergangenheit vom 29. Oktober 2001 ist auch nicht nach § 96 SGG Gegenstand der
Klage geworden, denn sie hat die Regelung im Bescheid vom 15. Januar 2001 (Aufhebung des Rechts auf BU-Rente
mit Wirkung nur für die Zukunft) nicht abgeändert oder ersetzt.
2. Ermächtigungsgrundlage für die Entscheidung der Beklagten kann nur § 48 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB X) sein. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den
tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen
haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Die Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft ist hier am 1. März 2001
wirksam geworden.
a) Der in die Rechtsposition des Klägers eingreifende Verwaltungsakt im Bescheid vom 15. Januar 2001 ist nicht
bereits wegen Verletzung der gebotenen Anhörung rechtswidrig und damit schon wegen eines Verfahrensfehlers
aufzuheben (§ 24 Abs 1 SGB X iVm § 41 Abs 2 SGB X und § 42 Satz 2 SGB X). Zwar ist gemäß § 24 Abs 1 SGB X
dem Beteiligten (grundsätzlich) Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu
äußern, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in dessen Rechte eingreift. Dies ist hier nicht geschehen. Eine
Ausnahme von dieser Anhörungspflicht ergibt sich jedoch aus § 24 Abs 2 Nr 3 SGB X. Danach kann von der
Anhörung abgesehen werden, wenn von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder
in einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll. Diese Ausnahmevorschrift greift
hier ein.
Welche Haupttatsachen für eine den Anforderungen des § 24 Abs 1 SGB X genügende Anhörung mitzuteilen sind,
beurteilt sich - auf Grund der materiell-rechtlichen Rechtsansicht der Behörde - nach der Entscheidungserheblichkeit
anhand der Ermächtigungsgrundlage für den jeweiligen Eingriff (vgl BSG SozR 3-2600 § 315a Nr 3 S 12 f; BSGE 69,
247, 252 = BSG SozR 3-1300 § 24 Nr 4 S 9 f). Die Beklagte ist ersichtlich davon ausgegangen, dass es für die
Anwendung des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X iVm §§ 96a, 313 SGB VI genügt, in tatsächlicher Hinsicht das
Einkommen, das voraussichtlich bezogen wird (zB Arbeitsentgelt aus nichtselbstständiger Arbeit), festzustellen. Von
den insoweit vom Kläger gemachten Angaben ist sie nicht zu seinen Ungunsten abgewichen und konnte deshalb von
der Anhörung nach § 24 Abs 2 Nr 3 SGB X absehen.
b) Die Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 15. Januar 2001, "den Rentenbescheid vom 12. Februar 1969"
aufzuheben, ist jedoch auf die isolierte Anfechtungsklage hin insoweit aufzuheben, als damit auch das (Stamm-)Recht
auf Rente wegen BU aufgehoben wurde. Insoweit haben sich die rechtlichen Verhältnisse im Vergleich zu den
Verhältnissen, die bei Erlass des Rentenbescheids vom 12. Februar 1969 vorlagen, nicht wesentlich geändert. Eine
wesentliche Änderung iS des § 48 SGB X liegt vor, sobald die bisherige Regelung (§ 31 SGB X) auf Grund einer nach
ihrer Bekanntgabe eingetretenen Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht mehr mit demselben Regelungsinhalt
erlassen werden dürfte (vgl BSG Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 58/01 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Der ab
1. Januar 1996 in der Erwerbsminderungsversicherung eingeführte Übersicherungseinwand bei Überschreiten einer
Hinzuverdienstgrenze, der ab 1. Januar 2001 auch auf Bestandsrenten erstreckt wurde, betrifft (anders als bei
Hinzuverdienstgrenzen für Renten wegen Alters vor Vollendung des 65. Lebensjahres in § 34 Abs 2 und 3 SGB VI)
nicht das Stammrecht auf Rente selbst (dazu: BSG SozR 3-2600 § 34 Nr 1 S 3), sondern vernichtet (ganz oder
teilweise) bei Überschreiten einer Hinzuverdienstgrenze im jeweiligen Monat ausschließlich den für den jeweiligen
Monat aus dem Stammrecht entstandenen Einzelanspruch auf Zahlung (vgl BSG Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 4
RA 23/02 R, zur Veröffentlichung vorgesehen; dazu auch BT-Drucks 13/3150 S 42 zu Nr 15a).
aa) Sofern ein Stammrecht auf Rente wegen BU nach Maßgabe des bis Ende 2000 gültigen § 43 Abs 1 bis 4 SGB VI
aF (vgl seither § 240 SGB VI) entstanden war, bestimmte seit dem 1. Januar 1996 bis Ende 2000 der § 43 Abs 5
SGB VI idF des Art 1 Nr 8 Buchst c des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und
anderer Gesetze (SGB VI-ÄndG) vom 15. Dezember 1995 (BGBl I 1824): "Eine Rente wegen Berufsunfähigkeit wird
abhängig vom erzielten Hinzuverdienst (§ 96a Abs 2 Nr 2 SGB VI) in voller Höhe, in Höhe von zwei Dritteln oder in
Höhe von einem Drittel geleistet". Gemeint war hingegen, dass die Rente wegen BU abhängig vom Hinzuverdienst nur
zu zwei Dritteln, einem Drittel oder überhaupt nicht zu zahlen war. Lag also in einem bestimmten Monat ein für diesen
erzielter Hinzuverdienst vor, war er den in § 96a Abs 2 Nr 2 SGB VI ausgestalteten drei Gruppen von individuellen
Hinzuverdienstgrenzen gegenüberzustellen. Falls der erzielte Verdienst eine dieser Grenzen überstieg, wurde der
Einzelanspruch, der in Höhe des Wertes des Stammrechts entstanden war, in dem in § 43 Abs 5 SGB VI bestimmten
Umfang vernichtet. Durch die Übergangsregelung des § 302b Abs 1 SGB VI idF des Art 1 Nr 61 SGB VI-ÄndG
wurden, abweichend von diesem Grundsatz, Versicherte, deren Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bereits
vor dem 1. Januar 1996 begonnen hatte (Bestandsrentner), von der Anwendung der vorgenannten Bestimmungen über
die Hinzuverdienstgrenzen bis zum 31. Dezember 2000 ausgenommen.
bb) Mit Wirkung vom 1. Januar 2001 wurden durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit (EM-ReformG) vom 20. Dezember 2000 (BGBl I 1827) die bisherigen Arten von Rechten auf Renten
wegen Erwerbs- und Berufsunfähigkeit durch zwei neue Arten von Rechten auf Renten wegen Erwerbsminderung
ersetzt und die Regelungen betreffend den Übersicherungseinwand wegen Überschreitens einer Hinzuverdienstgrenze
neu gestaltet. Bestand am 31. Dezember 2000 ein Recht auf eine Rente wegen BU, ordnete § 313 Abs 1 SGB VI idF
des Art 1 Nr 58 des EM-ReformG eine entsprechende Anwendung des § 96a SGB VI unter Beachtung der
Hinzuverdienstgrenzen des Abs 3 an. § 313 Abs 2 Nr 1 SGB VI übernahm die bisherige - wie oben gesagt: zu
berichtigende - Formulierung des § 43 Abs 5 SGB VI (ohne die Verweisung auf § 96a Abs 2 Nr 2 SGB VI). Danach
wird abhängig vom erzielten Hinzuverdienst Rente wegen BU in Höhe von zwei Dritteln, von einem Drittel oder
überhaupt nicht geleistet. Damit gilt die bisherige Hinzuverdienstregelung bei Renten wegen BU für Bestandsrentner
fort (vgl BT-Drucks 14/4230 S 30 zu Nr 58). Zugleich wurde sie aber auch auf sog Altfälle erstreckt, also auf
Bestandsrentner mit Rentenbezug vor 1996 (wie beim Kläger). Auch die ab 1. Januar 2001 für Bestandsrenten
geltende Hinzuverdienstregelung des § 313 SGB VI iVm § 96a SGB VI ist demnach (nicht auf das Stammrecht
bezogen und kein Anrechnungseinwand, sondern) als (einzel-)anspruchsvernichtender Übersicherungseinwand
ausgestaltet, der das Stammrecht unberührt lässt. Dies hat das SG in seinem Urteil und hat die Beklagte im
angefochtenen Bescheid vom 15. Januar 2001 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juli 2001) nicht
beachtet, als sie "den Rentenbescheid vom 12. Februar 1969" mit Wirkung ab 1. März 2001 insgesamt aufhob und
damit nicht nur ab diesem Zeitpunkt die aus dem Stammrecht erwachsenden monatlichen Zahlungsansprüche,
sondern auch das Stammrecht auf Rente wegen BU selbst vollständig entzog.
3. Der Bescheid vom 15. Januar 2001 verlautbart aber - als geringeren Eingriff im Vergleich mit dem ausgesprochenen
Totalentzug des Stammrechts - auch die Aufhebung der - mit der Anerkennung des Stammrechts zugleich
verlautbarten Zuerkennung der monatlichen Zahlungsansprüche, die zu Beginn eines jeden Kalendermonats für diesen
(= Bezugszeit) aus ihm als dessen Rechtsfrüchte nach materiellem Recht grundsätzlich entstehen. Dieser Teil der
Aufhebungsentscheidung entspricht der Feststellung, dass ab 1. März 2001 jeder monatliche Einzelanspruch
untergegangen ist, weil der Kläger wegen seines Hinzuverdienstes überversichert wäre. Ob die Abweisung der
isolierten Anfechtungsklage durch das SG auch insoweit zu Recht erfolgt ist, kann auf Grund der Feststellungen des
SG nicht abschließend beurteilt werden. Der Rechtsstreit ist deshalb unter völliger Aufhebung des Urteils des SG
insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2
SGG). Da alle für eine Entscheidung in der Sache wesentlichen tatsächlichen Feststellungen fehlen, war § 170 Abs 4
Satz 1 SGG nicht anzuwenden, um dem Kläger beide Tatsacheninstanzen zu erhalten.
a) Zur Aufhebung der Zuerkennung der aus dem Stammrecht auf Rente wegen BU entstandenen monatlichen
Zahlungsansprüche ab 1. März 2001 (also mit Wirkung für die Zukunft) wäre die BfA nur befugt (und verpflichtet)
gewesen, wenn eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X eingetreten
wäre. Die og Rechtsänderung zum 1. Januar 2001 wäre für den Kläger nur "wesentlich" geworden, wenn er für Monate
nach diesem Zeitpunkt (hier: ab 1. März 2001) jeweils einen Hinzuverdienst erzielt hätte, der eine der individuell zu
ermittelnden Hinzuverdienstgrenzen des § 313 Abs 3 Nr 2 Buchst c SGB VI überschritten hätte. Dann wäre der
jeweils betroffene Einzelanspruch für den jeweiligen Monat - ganz oder teilweise - auf Grund des materiell-rechtlichen,
stets von Amts wegen zu beachtenden Übersicherungseinwandes untergegangen. Nur dann und insoweit wäre die BfA
ermächtigt und verpflichtet gewesen, den Anspruchsuntergang festzustellen und die Zuerkennung (auch) dieser
Rechtsfrüchte aufzuheben.
Die Feststellung des Überschreitens einer bestimmten Hinzuverdienstgrenze bei einer Rente wegen BU setzt eine
monatliche Gegenüberstellung des für den jeweiligen Monat erzielten Hinzuverdienstes mit den in § 313 Abs 3 Nr 2
SGB VI ausgestalteten drei Gruppen von individuellen Hinzuverdienstgrenzen voraus (vgl BSG Urteil vom 17.
Dezember 2002 - B 4 RA 23/02 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Falls der erzielte Hinzuverdienst eine dieser
individuellen Grenzen übersteigt, wird der Einzelanspruch in dem in § 313 Abs 2 Nr 1 SGB VI genannten Umfang
vernichtet. Verwaltungstechnisch werden nach § 313 Abs 3 Nr 2 SGB VI die individuellen Hinzuverdienstgrenzen aus
dem Produkt des Hinzuverdienstfaktors, des aktuellen Rentenwerts (§ 68 SGB VI) und den individuell erworbenen
Entgeltpunkten (EP) (§ 66 Abs 1 Nr 1 bis 3 SGB VI) des letzten Kalenderjahres vor Eintritt der BU errechnet. Die
individuelle Mindestgrenze in jeder der drei Gruppen ist erreicht, wenn 0,5 EP, hingegen die Höchstgrenze, wenn die
jeweiligen EP in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze (Anlage 2b zum SGB VI) eingesetzt werden. Übersteigt der
monatliche Hinzuverdienst das 52,5-fache (Hinzuverdienstfaktor) des Produkts aus aktuellem Rentenwert (= ein
monatlicher Geldbetrag) und den EP aus dem letzten Kalenderjahr vor Eintritt der BU, ist ein Drittel des monatlichen
Zahlungsanspruchs untergegangen (Buchst a). Ist der monatliche Hinzuverdienst höher als dieses Produkt mit dem
Hinzuverdienstfaktor von 70, sind zwei Drittel des Zahlungsanspruchs für diesen Monat erloschen (Buchst b). Ist der
monatliche Hinzuverdienst höher als das genannte Produkt, vervielfältigt mit dem Hinzuverdienstfaktor 87,5 (Buchst
c), ist der ganze monatliche Zahlungsanspruch entfallen. Wird also die höchste individuelle Hinzuverdienstgrenze
überschritten, geht der Zahlungsanspruch vollständig unter (vgl § 313 Abs 1 SGB VI iVm § 96a Abs 1 Satz 1 SGB
VI).
b) Die Beklagte hat vorliegend im Rahmen einer Prognose, der die Angaben des Klägers zu seinem voraussichtlichen
Hinzuverdienst zu Grunde gelegt wurden, den künftigen Hinzuverdienst festgestellt und auf dieser Grundlage die
monatlichen Zahlungsansprüche ab 1. März 2001 vollständig entzogen. Für diesen Eingriffsakt auf Prognosebasis gibt
es keine parlamentsgesetzliche Ermächtigung (ebenso wenig für Regelungen durch einstweilige Verwaltungsakte).
Diese Rechtswidrigkeit des Eingriffs im Zeitpunkt seines Erlasses führt jedoch nicht notwendig zur Aufhebung. Denn
für die gerichtlichen Entscheidungen über die Anfechtungsklage hiergegen kommt es auf die Sach- und Rechtslage im
Zeitpunkt des Abschlusses der letzten Tatsacheninstanz an. Zwar ist bei einer isolierten Anfechtungsklage
grundsätzlich die Sach- und Rechtslage bei Erlass des angefochtenen Verwaltungsaktes maßgeblich. Dies gilt jedoch
nicht stets bei der Aufhebung von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung, wenn diese sich - wie hier - nicht in einer
einmaligen Verfügung oder in einer Statusfeststellung erschöpfen, sondern auf Dauer ein Rechtsverhältnis mit
wiederkehrenden oder regelmäßigen Pflichten oder Rechten begründen, ändern oder feststellen. Bei diesen wirkt auch
die Aufhebung der Zuerkennung von abhängigen Rechten (hier: Rechtsfrüchten) über den Zeitpunkt des Erlasses
hinaus, jedenfalls soweit sie auf einen oder mehrere Zeiträume bezogen ist. Es sind demnach alle Rechts- und
Sachverhaltsänderungen bis zur letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanzen zu berücksichtigen (vgl
BSGE 61, 203, 205), die für die Beurteilung der objektiven Rechtmäßigkeit des Eingriffsakts bedeutsam sind.
Das SG hat deshalb festzustellen, welchen Hinzuverdienst der Kläger ab 1. März 2001 bis zur mündlichen
Verhandlung für jeden Monat brutto erzielt hat und diesen Monat für Monat den ebenfalls vom SG zu ermittelnden
individuellen Hinzuverdienstgrenzen des Klägers gegenüber zu stellen. Hierbei wird das SG zu überprüfen haben, ob
die Beklagte den Rangstellenwert des Klägers aus dem letzten Kalenderjahr vor Eintritt des Versicherungsfalls der
BU, der mit dem der EU, also 1968, eingetreten war, zutreffend festgesetzt hat. Es ist daher gerichtlich zu klären,
welche Werteinheiten aus Beitragszeiten und beitragslosen Zeiten der Kläger im Jahr 1967 nach dem AVG erlangt
hat. Der Betrag ist durch 100 zu teilen, falls er nicht schon auf EP umgestellt wurde. Der Quotient gibt die EP.
Feststellungen über die vom Kläger 1967 erlangten rentenrechtlichen Zeiten, über deren Anrechenbarkeit und über die
versicherten Arbeitsverdienste sind bislang weder im Bescheid vom 15. Januar 2001 noch im Widerspruchsbescheid
noch im Urteil des SG enthalten.
4. Die ab 1. Januar 2001 auch für Bestandsrentner, wie den Kläger, geltenden Regelungen über den
Übersicherungseinwand bei Überschreiten der Hinzuverdienstgrenzen bei Rente wegen BU (§ 313 Abs 1, Abs 2 Nr 1
und Abs 3 Nr 2 SGB VI idF des EM-ReformG iVm § 96a Abs 1 SGB VI) sind im Grundsatz verfassungsgemäß. Der
Senat hat bereits mit Urteil vom 17. Dezember 2002 (B 4 RA 23/02 R, zur Veröffentlichung vorgesehen) entschieden,
dass die ab 1. Januar 1996 geltenden Hinzuverdienstregelungen bei Rente wegen BU (§§ 43 Abs 5, 66 Abs 4, 96a
Abs 1, Abs 2 Nr 2 SGB VI idF des SGB VI-ÄndG) im Grundsatz und bei verfassungskonformer Auslegung den
verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art 14 Abs 1 GG und Art 3 Abs 1 GG genügen. Dabei hat es der Senat
ausdrücklich offen gelassen, ob dies auch für die nähere Ausgestaltung der drei Gruppen von Hinzuverdienstgrenzen
im Einzelnen, insbesondere für die Hinzuverdienstfaktoren, gilt. Dies kann auch hier offen bleiben, solange nicht
feststeht, dass es auf eine - und auf welche - Hinzuverdienstgrenze ankommt. Jedenfalls ist die Einbeziehung der
Bestandsrentner in diese Regelungen ab 1. Januar 2001 durch § 313 SGB VI verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden.
a) Der in den Hinzuverdienstgrenzen ausgestaltete anspruchsvernichtende Einwand beschränkt den Schutzbereich
der individualgrundrechtlichen Eigentumsgarantie und berührt den allgemeinen Gleichheitssatz. Er muss sich daher an
Art 14 Abs 1 GG iVm Art 3 Abs 1 GG messen lassen. Die Einführung eines solchen Übersicherungseinwands ist
durch sachliche Gründe gerechtfertigt, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen.
Das subjektiv-öffentliche Recht des Versicherten auf Rente wegen BU in voller Höhe seines Rechts wird hier wegen
Übersicherung durch die Minderung oder den Wegfall der Rechtsfrucht des monatlich entstandenen und fällig
gewordenen Zahlungsanspruchs eingeschränkt (anspruchsvernichtender Einwand - vgl BSGE 82, 83, 86 f = SozR 3-
2600 § 93 Nr 7 S 49 f). Die Personengruppe, die einen Hinzuverdienst über einer Hinzuverdienstgrenze erzielt, wird
gegenüber den Personen, die keinen oder nur einen geringeren Hinzuverdienst haben, ungleich behandelt. Letztere
erhalten bei gleicher Vorleistung die Rente ungekürzt ausbezahlt, während die andere Personengruppe nur einen
Bruchteil des Werts oder überhaupt keine Zahlungen erhält.
Rechte auf Versichertenrenten und "Rentenanwartschaften" (Anwartschaftsrechte) aus der gesetzlichen
Rentenversicherung genießen den Schutz der Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 Satz 1 GG (vgl BVerfGE 95, 143,
160 f; 100, 1, 31 ff). Die konkrete Reichweite des Schutzes ergibt sich aber stets (BVerfGE 58, 300, 330 ff) erst aus
der bereichsspezifischen gesetzlichen Bestimmung von Inhalt und - hier einschlägig - Schranken des Eigentums, die
nach Art 14 Abs 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers ist (vgl BVerfGE 53, 257, 292). Wie bereits ausgeführt,
lassen die Regelungen über den Übersicherungseinwand bei der Rente wegen BU das Stammrecht unberührt. Sie
haben Auswirkungen auf die Höhe der monatlichen Zahlungsansprüche. Verfassungsrechtlich handelt es sich insoweit
um eine Schrankenbestimmung, weil dadurch für die Gruppe der Berechtigten, die einen Hinzuverdienst über den
Hinzuverdienstgrenzen erzielen, die Rechtsposition - abweichend vom gesetzlichen Normalfall - umgestaltet wird (vgl
BSGE 82, 83, 88 f = SozR 3-2600 § 93 Nr 7 S 51 f). Schrankenbestimmungen müssen stets verhältnismäßig sein.
Der Eingriff in individuelle entstandene Rechte und Anwartschaften muss in einem angemessenen Verhältnis zu dem
mit dem Gesetz verfolgten (verfassungsgemäßen) Zweck stehen. Darüber hinaus bedürfen Schrankenbestimmungen
immer auch eines Sachgrundes, der Art und Ausmaß der Abweichung von der Normalregelung rechtfertigt. Dies deckt
sich in diesem Zusammenhang mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen, welche auch durch den allgemeinen
Gleichheitssatz gestellt werden (vgl BSGE 82, 83, 90 = SozR 3-2600 § 93 Nr 7 S 52 mit Hinweisen auf die
Rechtsprechung des BVerfG).
b) Der Übersicherungseinwand genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art 14 Abs 1 GG und Art 3 Abs
1 GG. Er ist dazu bestimmt (vgl BT-Drucks 13/2590 S 19, 23 zu Nr 5; BT-Drucks 13/3150 S 42 zu Nr 15a) die
(irreführend "Lohnersatzfunktion" genannte) Funktion des Ersatzes von versichertem Erwerbseinkommen (Ersatzes
von versichertem Arbeitsverdienst iS von §§ 14, 15 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)) der Rente wegen BU
zu stärken. Dazu soll verhindert werden, dass der Versicherte durch Rente und Hinzuverdienst aus einer
Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit ein höheres Gesamteinkommen erzielen kann, als vor dem Eintritt des
Versicherungsfalles versichert war. Auch in der Sparte der Erwerbsminderungsversicherung ist nämlich der
Versicherungsgegenstand, bei dessen Verlust oder Minderung die Versicherungsleistung zum Ausgleich zu erbringen
ist, der in der Rentenversicherung beitragsbelastet gewesene Arbeitsverdienst. Dieser wird - anders als bei
Lohnersatzleistungen - nicht durch das im letzten maßgeblichen Zeitraum Erlangte, sondern durch die im bisherigen
Versicherungsverlauf erbrachte Vorleistung für die Rentenversicherung repräsentiert, die technisch (seit 1992) in EP
bemessen wird. Der Umfang des Ausgleichs, den die Versicherungsleistung (hier Rente wegen BU) bewirken soll, wird
durch das im Rentenartfaktor ausgestaltete Sicherungsziel festgelegt (§§ 63 Abs 4, 67 SGB VI); es betrug bei Renten
wegen BU zwei Drittel des Versicherungsgegenstandes, also keine Vollsicherung (Rentenartfaktor 1,0). Ist aber der
Versicherungsgegenstand trotz Eintritt des Versicherungsfalls nicht oder nur geringfügig gemindert worden, verfehlt
die Versicherungsrente ihren gesetzlichen Zweck. Es besteht insoweit eine Übersicherung. Der Zweck, diese zu
begrenzen, ist verfassungsgemäß.
c) Auch gegen die Begrenzungswirkung bestehen (vorbehaltlich der Ausdifferenzierungen im Einzelnen, auf die es hier
nicht ankommt), keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Zweck der Rente wegen BU ist es, bei
dauerhaft gesundheitsbedingtem Verlust eines versicherungspflichtig betätigten besonderen beruflichen
Leistungsvermögens, die daraus sich langfristig ergebenden Nachteile für das Einkommensniveau des Versicherten
und seine Alterssicherung teilweise auszugleichen. Sicherungsziel der Rente wegen BU ist der Nachteilsausgleich in
Höhe von zwei Dritteln der Vollversicherung in Form der Altersrente (bis 31. Dezember 1991 Steigerungssatz 1:1,5 -
§§ 1253 Abs 1, 1254 Abs 1 RVO; §§ 30 Abs 1, 31 Abs 1 AVG; ab 1. Januar 1992: Rentenartfaktor 0,6667:1,0 ab 1.
Januar 2001 nur noch: 0,5 - §§ 63 Abs 4, 67 Nr 1 und 2 SGB VI). Sie ist deshalb auf Hinzuverdienst hin angelegt,
wobei dieser in der Regel nur in einer unter halbschichtigen Beschäftigung oder vollschichtig in einem nach seiner
Qualität unzumutbaren Verweisungsberuf erzielt werden kann. Anderenfalls ist schon kein Versicherungsfall der BU
eingetreten (zum Versicherungsfall der BU näher: BSGE 78, 207, 208 ff = SozR 3-2600 § 43 Nr 13 S 19 ff; BSG SozR
3-2600 § 43 Nr 14 S 39 ff). Soll dem Versicherten nach Eintritt des Versicherungsfalls der BU kein dadurch bedingter
Schaden am zuvor versichert gewesenen Arbeitsverdienst bleiben, ist es notwendig, dass er (bei Altfällen) das
weitere Drittel hinzuverdienen kann. Eine Übersicherung kann überhaupt erst dann vorliegen, wenn diese
Vollsicherung (brutto) wesentlich überschritten wird, wenn also der Versicherte aus Hinzuverdienst und BU-Rente ein
Einkommen hat, das wesentlich mehr als das 1,5-fache des vollen Wertes des Rechts auf BU-Rente beträgt.
Gemessen an diesem Sicherungsziel enthalten die Hinzuverdienstgrenzen bei Renten wegen BU eine die Betroffenen
keinesfalls übermäßig belastende Regelung. Der anspruchsvernichtende Einwand der Übersicherung ist
zukunftsgerichtet im Grundsatz eine offensichtlich nicht unverhältnismäßige Konkretisierung einer im Grundrecht
selbst angelegten Schranke. Die Regelung ermöglicht einen Hinzuverdienst, bei dem das Einkommen aus der Rente
wegen BU und erzieltem Hinzuverdienst eindeutig im Bereich der Übersicherung liegt. Die dreifach gestuften Gruppen
von Hinzuverdienstgrenzen hängen (in der Regel) von den individuellen Vorleistungen für die Rentenversicherung (in
EP bemessen) im letzten Kalenderjahr vor Eintritt der BU ab. Auch die ausnahmsweise heranzuziehenden
Mindesthinzuverdienstgrenzen sind noch erheblich und decken bei weitem den in der BU-Versicherung versicherten
Schaden ab. Ab 1. Januar 2001 war - gemessen an der Untergrenze - bis zu einem monatlichen Hinzuverdienst von
DM 1.275,23 (52,5 x 48,58 x 0,5) Rente wegen BU in Höhe ihres vollen Wertes zu zahlen. Rente in Höhe von zwei
Dritteln ihres vollen Wertes war bis zu einem monatlichen Hinzuverdienst von DM 1.700,30 (70 x 48,58 x 0,5) zu
erfüllen. Anspruch auf eine monatliche Zahlung in Höhe von einem Drittel bestand bis zu einem Hinzuverdienst von
DM 2.125,38 (87,5 x 48,58 x 0,5). War im letzten Kalenderjahr vor Eintritt der BU ein höherer Rangstellenwert (EP) als
0,5 (bis zu den jährlichen Höchstwerten an EP nach der Anlage 2b zum SGB VI) erzielt worden, konnten
entsprechend der Formel noch höhere Hinzuverdienste rentenunschädlich erzielt werden.
d) Auch die für Bestandsrentner getroffene Regelung genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen eines
schonenden Übergangs vom alten ins neue Recht (vgl BVerfGE 53, 336, 351; 58, 300, 351; 70, 101, 114; 71, 137,
144). Durch § 302b Abs 1 SGB VI idF des Art 1 Nr 61 SGB VI-ÄndG wurde Versicherten, deren Rente wegen BU
bereits vor dem 1. Januar 1996 begonnen hatte, eine Übergangsfrist von fünf Jahren eingeräumt und dieser
Personenkreis bis zum 31. Dezember 2000 vom Anwendungsbereich der ab 1. Januar 1996 in Kraft getretenen
Hinzuverdienstregelungen ausgenommen (vgl BT-Drucks 13/3150 S 44 zu Nr 47). Dem hat die Neufassung des § 313
SGB VI Rechnung getragen, mit der sichergestellt wurde, dass ab 1. Januar 2001 für Versicherte, die bereits Rente
wegen BU beziehen, die bisherigen Hinzuverdienstregelungen fortgelten (vgl BT-Drucks 14/4230 S 30 zu Nr 58).
Die mit der Umgestaltung der Zahlungsansprüche für Bestandsrentner verbundene tatbestandliche Rückanknüpfung
greift nicht unverhältnismäßig in bestehende Rechte ein. Da die Regelung, wie bereits ausgeführt, nicht das
Stammrecht, sondern als anspruchsvernichtender Einwand nur die daraus erwachsenden monatlichen
Zahlungsansprüche berührt, wenn bestimmte Hinzuverdienstgrenzen überschritten werden, ist damit kein dauerhafter
Entzug einer erworbenen Rechtsposition verbunden. In einem Zeitraum von fünf Jahren konnten Versicherte, die
bereits Renten wegen BU bezogen, sich auf die Neuregelung einstellen. Dabei konnten diejenigen, die einen
Hinzuverdienst erzielten, entsprechende Dispositionen treffen, sich insbesondere vom Rentenversicherungsträger
beraten lassen, wie sich ihr voraussichtlicher Hinzuverdienst auf die künftigen Zahlungsansprüche aus der Rente
wegen BU und damit auf ihr Gesamteinkommen auswirken wird. Daraus konnten sie Konsequenzen ziehen, ob und
inwieweit sie einen Hinzuverdienst beibehalten. Entschied sich der Versicherte dafür, weiterhin einen Hinzuverdienst
über den Hinzuverdienstgrenzen zu erzielen, musste er mit einer Minderung oder einem Wegfall seiner monatlichen
Zahlungsansprüche aus der Rente wegen BU rechnen. Passte er seinen Hinzuverdienst den Hinzuverdienstgrenzen
an, konnte er weiterhin die monatliche Zahlung einer Rente wegen BU in Höhe des vollen Werts oder in Höhe von
einem Drittel oder von zwei Dritteln beanspruchen. Der mit der Neuregelung für Bestandsrentner verbundene Verlust
überwiegt demnach nicht die Bedeutung des gesetzlichen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit (vgl BVerfGE 70,
101, 114).
5. Nach alledem hat die Beklagte die Zuerkennung der monatlichen Zahlungsansprüche aus dem dem Kläger bindend
zuerkannten Recht auf Rente wegen BU nur dann rechtmäßig ab 1. März 2001 aufgehoben, wenn ab diesem Zeitpunkt
der für den jeweiligen Monat erzielte Hinzuverdienst die individuelle Hinzuverdienstgrenze des § 313 Abs 3 Nr 2
Buchst c SGB VI überschritten hat. Da das SG weder Feststellungen dazu getroffen hat, welchen (Brutto-)
Hinzuverdienst der Kläger ab diesem Zeitpunkt monatlich erzielt hat, noch darüber, welchen Arbeitsverdienst er im
Kalenderjahr vor Eintritt der EU/BU (1967) hatte, ist das Urteil des SG insgesamt aufzuheben und der Rechtsstreit
insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückzuverweisen.
6. Die Kostenentscheidung bleibt dem SG vorbehalten.