Urteil des BSG vom 09.04.2002

BSG: ddr, juristische person, gesellschaft mit beschränkter haftung, einführung in das recht, feststellung des tatbestandes, zugehörigkeit, anwartschaft, wirtschaftsrecht, anwendungsbereich

Bundessozialgericht
Urteil vom 09.04.2002
Sozialgericht Berlin
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Bundessozialgericht B 4 RA 3/02 R
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 15. November 2001 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem nach
Nr 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für den Kläger
Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und entsprechende Verdienste
festzustellen.
Der am 1. Juni 1942 geborene Kläger erlernte vom September 1958 bis Februar 1961 den Beruf eines
Elektromechanikers in dem VEB B ... Anschließend war er - mit Unterbrechung durch Wehrdienst - bei der Interflug
Gesellschaft für Internationalen Flugverkehr mbh Berlin (nachfolgend: Interflug) als Flugzeugmechaniker beschäftigt.
Im Juli 1969 bestand er die Prüfung als Ingenieur in der Fachrichtung "Elektrische Maschinen und Geräte". Von
September 1969 bis Oktober 1991 war er zunächst als Flugingenieur (im Sozialversicherungsausweis von 1970 bis
1977 als "Bordmechaniker" bezeichnet) und ab 1980 als Flugnavigator tätig.
Im September 1999 machte der Kläger bei der Beklagten geltend, dass seine Beschäftigungszeiten vom 1.
September 1969 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech iS von § 5 AAÜG festzustellen seien. Die
Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die Interflug sei weder ein volkseigener Betrieb noch einem
solchen gleichgestellt gewesen (Bescheid vom 23. Februar 2000, Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2000).
Das SG hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom 29. Januar 2001). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil
vom 15. November 2001). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, dass dem Kläger eine Versorgungszusage bis
zum 30. Juni 1990 nicht erteilt worden sei. Er könne auch nicht gemäß § 5 Abs 1 AAÜG verlangen, dass seine
Beschäftigungszeiten bei der Interflug Pflichtbeitragszeiten in der Rentenversicherung gleichgestellt würden. Er habe
zwar nach den Regelungen der Versorgungsordnung vom 17. August 1950 und der hierzu ergangenen 2.
Durchführungsbestimmung (2. DB) vom 24. Mai 1951 auf Grund seines Berufsabschlusses als Ingenieur und der
tatsächlich ausgeübten Beschäftigung zum Kreis der begünstigten Personen gehört; er habe seine Tätigkeit jedoch
nicht in einem volkseigenen Betrieb oder einem gleichgestellten Betrieb ausgeübt, wie es für eine Zuordnung zu
diesem Versorgungssystem erforderlich gewesen wäre. Die Rechtsvorgängerin, die 1954 gegründete Deutsche
Lufthansa der DDR, habe zwar die rechtliche Stellung eines volkseigenen Betriebes gehabt; dies habe jedoch nicht für
den Status der Interflug gegolten. Nachdem auf Grund einer Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs in Den
Haag der Name "Deutsche Lufthansa der DDR" abzuändern gewesen sei, sei am 8. September 1958 die Interflug als
GmbH gegründet worden. Der Umstand, dass sie den geltenden Prinzipien der sozialistischen Wirtschaftsführung
unterworfen gewesen sei, ändere nichts daran, dass es sich nicht um einen "volkseigenen" Betrieb gehandelt habe.
Die Interflug sei eine Handelsgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit gewesen, die rechtlich nicht im staatlichen
Eigentum gestanden habe; hieran ändere auch nichts, dass das Ministerium für Verkehrswesen in der DDR der
Gesellschafter mit der höchsten Stammeinlage und die übrigen Gesellschafter volkseigene Betriebe gewesen seien.
Der Auffassung des Klägers, die Nichteinbeziehung der Interflug in das Zusatzversorgungssystem der technischen
Intelligenz sei ein "Redaktionsversehen", sei nicht zu folgen.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er trägt vor, das LSG habe seine Entscheidung auf den
tragenden "Rechtssatz" gestützt, dass ehemalige Mitarbeiter der Interflug wegen der Tatsache, dass ihre Tätigkeit bei
dieser Gesellschaft nicht in einem volkseigenen Betrieb und nicht in einem solchen gleichgestellten Betrieb ausgeübt
worden sei, nicht in die AVItech gemäß der Anlage 1 Nr 1 zum AAÜG einzubeziehen seien. Das LSG habe zu Recht
die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Diese ergebe sich daraus, dass der tragende
"Rechtssatz" im LSG-Urteil einer Überprüfung bedürfe. Die vorliegende Rechtsfrage sei klärungsbedürftig, weil der
nach den objektiven Auslegungskriterien des Bundesrechts zu interpretierende § 5 AAÜG nicht zu erkennen gebe, für
welche Mitarbeiter in welchen Betrieben der DDR eine Einbeziehung in die AVItech gegeben sei und eine
Entscheidung des BSG zur Einordnung der Interflug nicht vorliege. Die Frage habe Bedeutung für eine Vielzahl von
Fällen. Sie sei auch klärungsfähig. Wie sich aus einem Vermerk (des Generaldirektors) vom 3. Februar 1959 ergebe,
habe das staatliche Vertragsgericht bei der Regierung der DDR auf Antrag der Interflug festgestellt, dass diese ein
den volkseigenen Betrieben und sozialistischen Genossenschaften gleichgestellter Betrieb iS des § 2 Abs 1 Nr 3 des
Vertragsgesetzes vom 11. Dezember 1957 gewesen sei. Entgegen der Auffassung des LSG sei diese Beurteilung
nicht nur dahin zu verstehen, dass die Interflug den geltenden Prinzipien der sozialistischen Wirtschaftsführung
unterworfen gewesen sei, sondern dass sie die Rechtsstellung eines volkseigenen Betriebes gehabt habe. Diese
Beurteilung ergebe sich auch aus den Vermögensverhältnissen der Interflug, den von ihr zu leistenden "Aufgaben"
(gemeint wohl: "Abgaben"), der von ihr abzuschließenden Versicherung sowie der Art und Weise ihrer Liquidation.
Demzufolge seien mehreren Mitarbeitern der Interflug Versorgungszusagen aus dem System der AVItech erteilt
worden. Der Kläger benennt insoweit 15 Mitarbeiter namentlich, davon zwölf mit ihren jeweiligen
Versicherungsnummern, während er bei zwei genannten Mitgliedern den Vermerk "nicht bestätigt" angefügt hat.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 15. November 2001 und das Urteil des
Sozialgerichts Berlin vom 29. Januar 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2000 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Zeitraum vom 1.
September 1969 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen
Intelligenz (Anlage 1 Nr 1 zum AAÜG) sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte
festzustellen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Interflug sei kein volkseigener Produktionsbetrieb im Sinne
der AVItech gewesen. Zu den vom Kläger konkret benannten Einbeziehungen sei zu bemerken, dass sieben
Mitarbeiter auf Grund eines Einzelvertrages einbezogen worden seien; in einem weiteren Fall sei die in einem früheren
Beschäftigungsbetrieb zugesicherte Altersversorgung weitergeführt worden. In zwei Fällen habe eine
Zusatzversorgung nicht bestätigt werden können. Schließlich habe die Neueinbeziehung von vier weiteren Mitarbeitern
ausschließlich Direktoren der Interflug betroffen. Demzufolge seien in der DDR Techniker und Ingenieure der Interflug
in dieses Zusatzversorgungssystem nicht einbezogen worden.
II
Die statthafte Revision ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Die Revisionsbegründung genügt den Anforderungen des § 164 Abs 2 SGG. Hierbei ist unschädlich, dass sie
weitgehend den Eindruck vermittelt, als wolle der Kläger nicht eine - vom LSG schon zugelassene - Revision, sondern
eine Nichtzulassungsbeschwerde iS des § 160a SGG begründen. Die Begründung lässt jedoch noch erkennen, dass
der Kläger die Verletzung einer bundesrechtlichen Norm rügen will (§§ 162, 164 Abs 2 Satz 3 SGG). Er weist auf die
nach seiner Auffassung gebotene Auslegung des § 5 Abs 1 AAÜG hin und macht damit zugleich geltend, dass das
LSG diese Norm mit Blick auf Zeiten seiner Tätigkeit bei der Interflug "falsch" angewandt, also eine bundesrechtliche
Norm verletzt habe. Des Weiteren setzt er sich mit der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts auseinander und legt
dar, warum dieser Auffassung nicht zu folgen sei. Schließlich enthält die Revisionsbegründung den notwendigen
Sachantrag. Die Revisionsbegründung genügt damit insgesamt den Anforderungen des § 164 Abs 2 SGG.
2. Die Revision ist nicht begründet. Die Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt Bundesrecht nicht.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Begehren des Klägers, die Beklagte unter Aufhebung der
vorinstanzlichen Entscheidungen und der angefochtenen Ablehnung zu verpflichten, die Zeiten seiner Beschäftigung
bei der Interflug vom 1. September 1969 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech und damit als
Tatbestände von gleichgestellten Pflichtbeitragszeiten (§ 5 AAÜG) iS des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB
VI) sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Verdienste festzustellen. Dieses Begehren verfolgt der Kläger
zulässig mit einer Kombination von Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen. Die Klagen sind auch insoweit zulässig,
als der Kläger von der Beklagten begehrt, die im genannten Zeitraum tatsächlich erzielten Verdienste festzustellen.
Dies war zwar nicht ausdrücklich Gegenstand seines Antrags im Verwaltungsverfahren und die Beklagte hat hierüber
im angefochtenen Bescheid nicht ausdrücklich - negativ - entschieden. Sie hat aber die für dieses Begehren
entscheidende Vorfrage des Vorliegens von "Zugehörigkeitszeiten" abschlägig beschieden.
In der Sache hat das LSG die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen. Dieser hat keinen Anspruch gemäß §
8 Abs 3 Satz 1 iVm Abs 1 und 2 AAÜG darauf, dass die Beklagte die strittigen Zeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zur
AVItech sowie die dabei tatsächlich erzielten Verdienste feststellt. Diese einzige für sein Begehren in Betracht
kommende Anspruchsgrundlage ist nicht anwendbar, weil er am 1. August 1991 keinen Versorgungsanspruch und
keine Versorgungsanwartschaft iS von § 1 Abs 1 des an diesem Tag in Kraft getretenen AAÜG hatte.
Originäre rentenrechtliche Zeiten hat der Kläger während des strittigen Zeitraums im System der bundesdeutschen
Rentenversicherung nicht zurückgelegt, sondern er war ausschließlich in der DDR versichert. Die Berücksichtigung
von Tatsachen, die für DDR-Sicherungssysteme erheblich waren, und der dort erlangten Berechtigungen ist in der
bundesrechtlichen Rentenversicherung nur erlaubt, soweit besondere bundesrechtliche Grundlagen dies anordnen.
Seit dem 1. Januar 1992 dürfen darüber hinaus die Regelungen der früheren Zusatz- und Sonderversorgungssysteme
(Versorgungssysteme) nicht weiter angewandt werden (§ 2 Abs 2 Satz 2 AAÜG). Für die Ersetzung der zum 31.
Dezember 1991 in das Rentenversicherungsrecht des Beitrittsgebiets überführten und im so genannten
Gesamtanspruch aufgehobenen (früher versorgungsrechtlichen) Berechtigungen gilt das AAÜG.
Auf dessen Grundlage ist das Begehren des Klägers darauf gerichtet, seine Beschäftigungszeiten bei der Interflug bis
30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit und damit die Tatbestände von gleichgestellten Pflichtbeitragszeiten zu
einem Versorgungssystem der DDR (hier: AVItech iVm § 5 AAÜG) festzustellen. Die besonderen
rentenversicherungsrechtlichen Vorschriften des AAÜG ua über gleichgestellte Pflichtbeitragszeiten (§ 5 aaO), in
diesen als versichert geltenden Arbeitsverdiensten (§ 8 Abs 1 aaO), über besondere Beitragsbemessungsgrenzen
hierfür (§§ 6 und 7 AAÜG) und über Arbeitsausfalltage erkennen den hieraus Berechtigten - beitragsunabhängige -
Rangstellenwerte (Entgeltpunkte) zu. Sie verdrängen die allgemeinen Gleichstellungsregeln der §§ 248 Abs 3, 256a
SGB VI. Dies kann sich bezüglich der Höhe einer SGB VI-Rente zu Gunsten (vor allem, wenn die Möglichkeiten der
FZR nicht vollständig ausgeschöpft wurden), aber auch zu Ungunsten eines Versorgungsberechtigten auswirken (vor
allem, wenn die besonderen Beitragsbemessungsgrenzen des § 6 Abs 2 und 3 sowie § 7 AAÜG zur Anwendung
kommen) oder zu einem gleichen Rentenwert führen (vor allem, wenn in der DDR die Möglichkeiten der FZR ab 1971,
insbesondere aber ab 1978 (Beitragsentrichtung bis zur tatsächlich erzielten Verdiensthöhe) genutzt wurden).
Im Feststellungsverfahren des Versorgungsträgers nach § 8 AAÜG, das dem Vormerkungsverfahren des § 149 Abs 5
SGB VI ähnlich und außerhalb des Rentenfeststellungsverfahrens des Rentenversicherungsträgers durchzuführen ist
(stellv Urteil des Senats vom 18. Juli 1996, SozR 3-8570 § 8 Nr 2), konnte der Kläger schon deshalb keinen Erfolg
haben, weil er vom (persönlichen) Anwendungsbereich des AAÜG nicht erfasst wird.
a) Maßstabsnorm ist insoweit § 1 Abs 1 AAÜG. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (=
Versorgungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben
worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem
Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten
(Satz 2). Ausgehend vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens (1. August 1991) differenziert § 1 Abs 1 AAÜG zwischen
zwei Tatbeständen: Satz 1 stellt auf erworbene und bei Inkrafttreten des AAÜG bestehende Ansprüche und
Anwartschaften ab (= am 1. August 1991 rechtlich existente Versorgungsberechtigungen); Satz 2 betrifft - früher
einmal - von der DDR zuerkannte, aber vor Inkrafttreten des AAÜG (genauer: bis zum 30. Juni 1990; dazu unten)
rechtmäßig verloren gegangene "Anwartschaften" und begründet insoweit ab 1. August 1991 rechtlich fingierte
Anwartschaften.
1 Abs 1 AAÜG setzt als Norm des Bundesrechts die bundesrechtliche Bedeutung der Ausdrücke "Anspruch" und
"Anwartschaft" voraus. Demzufolge erfasst der Ausdruck "Anspruch" hier jedenfalls die in § 194 BGB umschriebene
Berechtigung, an die auch § 40 Abs 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch anknüpft, aber auch das
Versorgungsstammrecht, welches in die Rentenversicherung des Beitrittsgebiets zum 31. Dezember 1991 überführt
wurde. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" (gesetzlich undefiniert) entsprechend dem bundesdeutschen
Rechtsverständnis (vgl hierzu ua Vorlagebeschluss des Senats vom 16. Dezember 1999, B 4 RA 18/99 R, Umbruch
S 31 ff) eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis
auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Versorgungsfalls erfüllt sind. Auch § 1 Abs 1 AAÜG geht hiervon aus. Dies
belegt insbesondere Satz 2, wenn er von einem "Verlust der Anwartschaft" (und konsequenterweise - anders als Satz
1 - nicht auch des Anspruchs) bei einem Ausscheiden aus dem System "vor dem Leistungsfall" spricht, also zu
einem Zeitpunkt, in dem ein Anspruch (= Vollrecht) noch nicht bestand.
Einen Anspruch auf Versorgung hatte der Kläger am 1. August 1991 nicht; denn der Versorgungsfall war nicht
eingetreten. Für den Ausgang des Rechtsstreits kommt es somit allein darauf an, ob er am 1. August 1991 gemäß § 1
Abs 1 AAÜG Inhaber einer bestehenden (Satz 1) oder fingierten (Satz 2) Anwartschaft war. Beides ist zu verneinen.
b) Der Kläger hatte keine Anwartschaft im Versorgungssystem der AVItech, sodass er nicht vom Anwendungsbereich
des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erfasst wird.
Soweit diese Norm auf den "Anwartschaftserwerb" abstellt, gibt sie nicht zu erkennen, nach welchen rechtlichen
Kriterien sich der Erwerb vollzogen haben muss. Dies ist nur nach Bundesrecht zu beurteilen. Vorrangig sind insoweit
die originär bundesrechtlichen Regelungen im EinigVtr und nachrangig und lückenfüllend diejenigen Regelungen der
Versorgungssysteme aus der DDR maßgeblich, die seit dem 3. Oktober 1990 zu sekundärem und partiellen
Bundesrecht geworden waren, und zwar allein auf Grund der Anwendungsanordnung und nach Maßgabe ihrer
Ausgestaltung im EinigVtr vom 31. August 1990 (BGBl II 889), der auf Grund des Zustimmungsgesetzes vom 23.
September 1990 (BGBl II 885) in Bundesrecht transformiert worden ist.
In der Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 zum EinigVtr (nachfolgend: Nr 9 EinigVtr) bestimmte
Buchst b Satz 2, dass bis zur Überführung der erworbenen Ansprüche und Anwartschaften in die Rentenversicherung
(spätestens zum 31. Dezember 1991) die leistungsrechtlichen Regelungen der jeweiligen Systeme weiter anzuwenden
waren, soweit sie mit dem EinigVtr, dem Grundgesetz (GG) und dem europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar
waren. Demzufolge waren ab 3. Oktober 1990 (dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Beitritts der noch in der DDR
zu diesem Zeitpunkt gegründeten Länder) - nur - die bundesrechtskonformen Regelungen der jeweiligen
Versorgungssysteme lediglich als sekundäres und partielles Bundesrecht anzuwenden. Nach diesen - und vorrangig
auch den einschlägigen originär bundesrechtlichen - Vorschriften bestimmt sich damit, ob ein Anspruch oder eine
Anwartschaft iS des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erlangt worden war.
Mit Blick auf diesen bundesrechtlichen Anwendungsbefehl des EinigVtr und auf den Zeitpunkt der Überführung
konnten "Ansprüche" aus einem Versorgungssystem gegen den jeweiligen Versorgungsträger noch bis spätestens
zum 31. Dezember 1991 entstehen; sofern am 3. Oktober 1990 eine Anwartschaft bestanden hatte, konnte diese
unter Anwendung der Versorgungsregelungen bis zu jenem Zeitpunkt zum Vollrecht erstarken. Demgegenüber war ein
"Erwerb" von Anwartschaften bereits zu einem früheren Zeitpunkt nicht mehr möglich. Dies folgt aus dem
Neueinbeziehungsverbot der Nr 9 Buchst a Satz 1 Halbsatz 2 EinigVtr. Danach waren Neueinbeziehungen in einem
noch nicht geschlossenen System ab 3. Oktober 1990 rechtlich nicht mehr zulässig, dh schlechthin verboten, ggf
unwirksam. Damit konnten Anwartschaften in einem solchen System ab 3. Oktober 1990 nicht mehr erworben werden.
Nr 9 EinigVtr enthält also ein Verbot der Neueinbeziehung. Dieses ist im EinigVtr nur durch die primären
vertragsrechtlichen Regelungen in Art 9 Abs 2, 17 und Art 19 EinigVtr modifiziert worden.
Darüber hinaus hat der EinigVtr auch Einbeziehungen auf Grund der von der DDR erlassenen Versorgungsregelungen
schon ab 1. Juli 1990 für unwirksam erklärt. Dies folgt aus den versorgungsrechtlichen Regelungen im
Rentenangleichungsgesetz (RAnglG) vom 28. Juni 1990 (GBl I 495), das von der DDR erlassen worden war, ab 3.
Oktober 1990 aber sekundäres Bundesrecht geworden ist. Danach ist dessen Neueinbeziehungsverbot bereits ab 1.
Juli 1990 zu beachten. Gemäß § 22 Abs 1 RAnglG sind alle schon von der DDR als Zusatzversorgungssysteme
erkannten zusätzlichen Versorgungsregelungen mit Wirkung vom 30. Juni 1990 geschlossen. Damit sind in diesen
Systemen Neueinbeziehungen ab 1. Juli 1990 grundsätzlich nicht mehr rechtlich wirksam. Das RAnglG gilt zwar erst
ab 3. Oktober 1990 als sekundäres und partielles Bundesrecht (Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr 8
zum EinigVtr). Jedoch folgt aus dem in ihm verfügten und bundesrechtlich bestätigten Neueinbeziehungsverbot, dass
rückschauend Anwartschaften in einem Zusatzversorgungssystem grundsätzlich nur bis zum 30. Juni 1990 entstehen
konnten. Obwohl zu diesem Zeitpunkt das RAnglG noch kein Bundesrecht war, gebietet daher das
Neueinbeziehungsverbot des EinigVtr, bundesrechtlich grundsätzlich auf den 30. Juni 1990 abzustellen, soweit die
tatsächlichen Voraussetzungen für den Erwerb einer Versorgungsberechtigung nach Bundesrecht zum 1. August 1991
zu bestimmen sind. Somit ist bei der Prüfung, ob die tatsächlichen Voraussetzungen des § 1 Abs 1 AAÜG erfüllt
sind, insoweit grundsätzlich auf die am 30. Juni 1990 gegebene Sachlage abzustellen. Soweit originäre
bundesrechtliche Regelungen nicht eingreifen, kommt es auf die in der DDR grundsätzlich zu diesem Zeitpunkt
maßgeblich gewesenen "letzten Fassungen" des Teils der Versorgungsregelungen an, der am 3. Oktober 1990 zu
sekundärem Bundesrecht geworden ist.
Bei der Prüfung, ob das AAÜG wegen Bestehens einer Versorgungsanwartschaft am 1. August 1991 überhaupt
anzuwenden ist (§ 1 Abs 1 aaO), ist also rechtlich auf das im Zeitpunkt seines Inkrafttretens geltende Bundesrecht
abzustellen. Am 1. August 1991 hatten die - bundesrechtskonformen - Regelungen der Versorgungssysteme und des
RAnglG kraft des Anwendungsbefehls des EinigVtr die Qualität von - sekundärem - Bundesrecht. Das
Neueinbeziehungsverbot (der Nr 9 EinigVtr und des RAnglG) zwingt jedoch (außer in den Fällen der Art 19 und Art 9
Abs 2 EinigVtr sowie spezieller (Art 17 EinigVtr) Rehabilitierungsentscheidungen), für die Feststellung des
Tatbestandes sowie der Fassung der Versorgungsregeln auf die am 30. Juni 1990 gegebene Sachlage abzustellen.
Wird danach der Betroffene vom Anwendungsbereich des § 1 Abs 1 AAÜG erfasst, überführt das Gesetz durch § 4
Abs 5 AAÜG diese Anwartschaft in die Rentenversicherung und bestimmt insoweit, dass die speziell
rentenversicherungsrechtlichen §§ 5 bis 8 AAÜG anzuwenden sind. Hingegen erfolgte die Überführung von
Versorgungsansprüchen durch § 2 Abs 2 Satz 1 und Abs 2a Satz 1 iVm § 4 Abs 1 bis 4 AAÜG.
Demgegenüber haben - worauf beiläufig hingewiesen wird - bei der rentenversicherungsrechtlichen Prüfung der
Voraussetzungen gleichgestellter Pflichtbeitragszeiten nach § 5 AAÜG die abstrakt-generellen Regelungen der
jeweiligen Versorgungssysteme keine rechtsmaßstäbliche Bedeutung. Bei § 5 AAÜG geht es nur um die Frage, ob ein
iS von § 1 AAÜG Versorgungsberechtigter früher entgeltliche Beschäftigungen oder selbstständige Tätigkeiten
verrichtet hat, die ihrer Art nach (also nach abstrakt-generellen Merkmalen) von einem (grundsätzlich) am 30. Juni
1990 in der DDR bestehenden Versorgungssystem erfasst war. Bei § 1 Abs 1 AAÜG kommt es hingegen auf eine
nach Bundesrecht am 1. August 1991 bestehende Versorgungsberechtigung des Einzelnen an, bei § 5 AAÜG
demgegenüber bundesrechtlich darauf, ob die von ihm ausgeübte Beschäftigung ihrer Art nach, dh in abstrakt-
genereller Sicht zu dem Ausschnitt der Arbeitswelt gehörte, für welchen die DDR am 30. Juni 1990 ein besonderes, im
AAÜG aufgelistetes Versorgungssystem eingerichtet hatte. Insoweit (§ 5 AAÜG) haben die Versorgungsregelungen
nicht die Bedeutung von maßstäblichem Bundesrecht, sondern sind als rechtshistorische Tatsachen zur
Beantwortung nur dieser vom Bundesrecht aufgeworfenen Frage heranzuziehen.
Am 30. Juni 1990 hatte der Kläger die Voraussetzungen für eine Versorgungsanwartschaft nicht erfüllt. Ihm war keine
Position in der DDR zuerkannt worden, auf Grund welcher er bei Eintritt des Versorgungsfalls vom DDR-
Versorgungsträger die im jeweiligen System hierfür vorgesehenen Leistungen hätte bekommen müssen. Das
bundesrechtliche Neueinbeziehungsverbot in Nr 9 Buchst a Satz 1 Halbsatz 2 EinigVtr (iVm § 22 Abs 1 RAnglG)
macht deutlich, dass der EinigVtr in Bezug auf Versorgungssysteme nur solche Personen erfassen wollte, die bereits
vor dem 1. Juli 1990 von der DDR in das System "einbezogen" worden waren. Die Anordnung, bis zum 31. Dezember
1991 "die leistungsrechtlichen Vorschriften der jeweiligen Versorgungssysteme weiter anzuwenden", bezog sich daher
(grundsätzlich) nur auf Personen, die am Tag vor dem 1. Juli 1990 in ein Versorgungssystem konkret einbezogen
waren (stRspr seit BSGE 72, 50, 61 ff = SozR 3-8570 § 10 Nr 1).
Eine solche Einbeziehung erfolgte in der AVItech grundsätzlich durch eine Entscheidung des zuständigen
Versorgungsträgers der DDR. Lag sie vor, war der Begünstigte ohnehin nach Art 19 Satz 1 EinigVtr wegen dieses im
Regelfall bindend gebliebenen Verwaltungsaktes (im bundesrechtlichen Sinne) in ein Versorgungssystem einbezogen.
Gleiches gilt für die Einbeziehung durch eine Rehabilitierungsentscheidung (Art 17 EinigVtr). Ferner ist auch derjenige
iS von Nr 9 EinigVtr einbezogen, dessen Einbeziehung zwar durch einen weiteren Verwaltungsakt des
Versorgungsträgers der DDR aufgehoben worden war, wenn dieser Aufhebungsakt jedoch unter Anwendung der
Grundsätze des Art 19 Satz 2 oder 3 EinigVtr durch Verwaltungsakt wieder "beseitigt" worden oder rechtlich
unbeachtlich ist; denn dann gilt der ursprüngliche Verwaltungsakt fort, mit dem die Einbeziehung verfügt worden war.
Darüber hinaus sind auch einbezogen diejenigen, die eine Versorgungsanwartschaft auch ohne Versorgungszusage
hatten, weil in dem System - zumindest für sie - ein besonderer Akt der Einbeziehung nicht vorgesehen war (BSG
SozR 3-8120 Kapitel VIII H III Nr 9, dort Nr 2). Schließlich gehören nach Art 19 Satz 1 EinigVtr dem Kreis der
Einbezogenen auch diejenigen an, denen durch Individualentscheidung (Einzelentscheidung, zB auf Grund eines
Einzelvertrages) eine Versorgung in einem bestimmten System zugesagt worden war, obgleich sie von dessen
abstrakt-generellen Regelungen nicht erfasst waren.
1 Abs 1 AAÜG hat zwar nicht mehr auf das "Einbezogensein" abgestellt, aber das Verbot der Neueinbeziehung
gerade auch nicht aufgehoben, sondern nur weiter modifiziert. Dieses Gesetz spricht in Satz 1 aaO - anders als Nr 9
Buchst a EinigVtr - nicht von der Einbeziehung in ein Versorgungssystem (vor dem 3. Oktober 1990), die
grundsätzlich nur durch DDR-Akt erfolgt sein konnte, sondern stellt auf Ansprüche und Anwartschaften "auf Grund der
Zugehörigkeit" zu einem solchen System (am 1. August 1991) ab. Schon dies bedeutet eine Erweiterung des vom
AAÜG erfassten Personenkreises gegenüber Nr 9 EinigVtr. Dadurch wird zum einen der möglichen Korrektur von
Unrechtsakten durch Art 19 Satz 2 und 3 EinigVtr sowie der Möglichkeit von Rehabilitierungsentscheidungen
Rechnung getragen; zum anderen wird ua ein Wertungswiderspruch zu § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG vermieden.
Nach dieser Norm findet das AAÜG auch auf Personen Anwendung, die eine früher erworbene Anwartschaft nach den
Regeln der Versorgungssysteme in der DDR rechtmäßig wieder "verloren", also auch am 30. Juni 1990 (und damit am
1. August 1991) gerade keine Anwartschaft hatten, also am 3. Oktober 1990 nicht einbezogen waren. Zur Vermeidung
ua eines Wertungswiderspruchs zwischen Satz 2 und Satz 1 des § 1 Abs 1 AAÜG sowie zu Art 19 Satz 2 und 3
EinigVtr und zur Begünstigung der von der DDR offensichtlich willkürlich Einbezogenen durch Art 19 Satz 1 EinigVtr
ist § 1 Abs 1 AAÜG verfassungskonform (Art 3 Abs 1 GG) ausdehnend so auszulegen, dass eine
Versorgungsanwartschaft "auf Grund der Zugehörigkeit" bei Nicht-Einbezogenen nicht nur in den vorgenannten sowie
in den Fällen der Gleichstellung durch Satz 2 aaO besteht, sondern auch dann, wenn jemand auf Grund der am 30.
Juni 1990 gegebenen Sachlage einen fiktiven "Anspruch auf Versorgungszusage" rückschauend nach den zu
Bundesrecht gewordenen Regelungen der Versorgungssysteme gehabt hätte (zum Ganzen: Senatsurteile vom 9. April
2002, B 4 RA 31/01 R - zur Veröffentlichung vorgesehen - und B 4 RA 42/01 R).
Der Kläger hatte am 1. August 1991 keine Versorgungsanwartschaft. Eine Versorgungszusage des
Versorgungsträgers ist ihm nicht erteilt worden. Er gehörte ferner nicht auf Grund einer Einzelentscheidung dem Kreis
der Versorgungsberechtigten an. Ihm ist auch früher in der DDR keine Versorgung zugesagt worden, die später
(rechtswidrig) aufgehoben oder nach den Regeln der Versorgungssysteme (rechtmäßig) entfallen wäre. Es liegt auch
keine ihn insoweit begünstigende Rehabilitierungsentscheidung vor. Schließlich ist er den Einbezogenen auch nicht
auf Grund verfassungskonformer Auslegung des § 1 Abs 1 AAÜG gleichzustellen; denn er hätte - bundesrechtlich
betrachtet - am 30. Juni 1990 keinen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt.
Die maßgeblichen Regelungen ergeben sich insoweit aus den Texten der Verordnung über die zusätzliche
Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (nachfolgend:
VO-AVItech) vom 17. August 1950 (GBl 844) und der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech
(nachfolgend: 2. DB) vom 24. Mai 1951 (GBl 487). Die 1. Durchführungsbestimmung vom 26. September 1950 (GBl
1043) hat für die Auslegung nur historische Bedeutung; denn sie ist durch die 2. DB zum 1. Mai 1951 außer Kraft
gesetzt worden (§ 10 Abs 2 der 2. DB). Für das Sprachverständnis dieser Texte kommt es grundsätzlich auf den
staatlichen Sprachgebrauch der DDR am 30. Juni 1990 an, an den der Bundesgesetzgeber am 3. Oktober 1990
angeschlossen hat.
Nicht alle Regelungen der AVItech sind Bundesrecht geworden. Dies betrifft die Vorschriften über die Zuteilung von
Versorgungszusagen (§ 3 der 2. DB). Sie sind ua schon deshalb kein Bundesrecht geworden, weil sie wegen des
Einbeziehungsverbotes gegenstandslos geworden sind. Überhaupt wurden alle Regelungen kein Bundesrecht, die eine
bewertende oder eine Ermessensentscheidung eines Betriebes, Direktors, einer staatlichen Stelle der DDR etc
vorsahen. Die dafür erforderlichen Entscheidungen könnten nur auf der Grundlage des von der SED-Ideologie
geprägten Systems getroffen werden; es ist im Bundesrecht schlechthin ausgeschlossen, solches nachzuholen.
Schon deshalb sind nur solche Regelungen am 3. Oktober 1990 Bundesrecht geworden, die bundesrechtlich als
zwingende Bestimmungen gebundenen Verwaltungshandelns verstanden werden können. Hierzu gehören mit Blick auf
die "Zugehörigkeit" und "Versorgungsanwartschaft" im Wesentlichen § 1 VO-AVItech in der Bedeutung, die er durch §
1 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 sowie § 2 der 2. DB gefunden hat. Die anderen Texte haben hierfür nur ergänzende
Bedeutung im Zusammenhang mit der historischen Auslegung (zum Ganzen: Senatsurteile vom 9. April 2002, B 4 RA
31/01 R - zur Veröffentlichung vorgesehen - und B 4 RA 42/01 R).
Im strittigen Zeitraum vom 1. September 1969 bis 30. Juni 1990 hatte der Kläger ausschließlich Tätigkeiten als
Flugingenieur und Flugnavigator bei der Interflug GmbH verrichtet. Dieses Unternehmen war weder von der AVItech
noch von einem anderen Versorgungssystem iS der Anlagen 1 und 2 zum AAÜG erfasst. In der AVItech hätte der
Kläger nach den zu Bundesrecht gewordenen Regeln dieses Systems und auf Grund der am 30. Juni 1990 gegebenen
Sachlage keinen fiktiven bundesrechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt.
Ein solcher Anspruch hängt von drei (persönlichen, sachlichen und betrieblichen) Voraussetzungen ab. Generell war
dieses System eingerichtet für
(1) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen und
(2) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben, und zwar
(3) in einem volkseigenen oder diesem gleichgestellten Produktionsbetrieb (Industrie, Bauwesen).
Dies folgt aus § 1 VO-AVItech iVm § 1 Abs 1 und 2 der 2. DB.
Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hatte der Kläger im Juli 1969 die Ingenieurprüfung in der
Fachrichtung "Elektronische Maschinen und Geräte" bestanden. Er war demzufolge berechtigt, die Berufsbezeichnung
"Ingenieur" zu führen. Ab September 1969 war er entsprechend dieser beruflichen Qualifikation bei der Interflug GmbH
tätig. Damit erfüllt er die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die AVItech. Sein
(bundesrechtlich fiktiver) Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage scheitert jedoch daran, dass er weder in
einem volkseigenen (Produktions-)Betrieb noch in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt war. Für die
bundesrechtliche Bedeutung des Ausdrucks "volkseigener Betrieb" iS des Versorgungsrechts kommt es auf den
staatlichen Sprachgebrauch der DDR am 30. Juni 1990 an, an den der Bundesgesetzgeber angeknüpft hat. Dieser
erschließt sich in erster Linie aus den einschlägigen Verordnungen der DDR (siehe unten). Er umfasst nur
"volkseigene" Produktionsbetriebe der Industrie und des Bauwesens.
aa) Die Interflug GmbH war kein volkseigener Betrieb. Auf die weitere versorgungsrechtliche Einschränkung, nämlich
dass es sich um einen volkseigenen "Produktions-"Betrieb gehandelt haben muss (dazu Senatsurteile vom 9. und 10.
April 2002, B 4 RA 41/01 R und B 4 RA 10/02 R, beide zur Veröffentlichung vorgesehen), ist hier nicht weiter
einzugehen. Dieses versorgungsrechtliche Sprachverständnis fügt sich im Übrigen in den historischen Kontext des
DDR-Binnenrechts ein.
Die Interflug war eine GmbH und damit nach gesellschaftsrechtlichem Status bzw der Gesellschaftsform kein
volkseigener Betrieb (nachfolgend: VEB) iS der bundesrechtlichen AVItech. Der staatliche Sprachgebrauch der DDR
im Bereich der AVItech und deren Staatspraxis hierzu (Stand: 30. Juni 1990) geben keinen Beleg, die DDR habe zum
Stichtag die Interflug GmbH versorgungsrechtlich als VEB und ferner als Produktionsbetrieb qualifiziert.
Die zum Teil andere Beurteilung in der Literatur der DDR betrifft den sonstigen Binnen-Rechtsbereich der DDR und
stützt sich im Wesentlichen darauf, dass die Rechtsstellung der Interflug, ihre Struktur und Leitung den für einen VEB
geltenden Prinzipien der sozialistischen Wirtschaftsführung entsprochen hätten und diese Prinzipien im
Gesellschaftsvertrag ausgestaltet worden seien (so Autorenkollektiv unter Leitung von Teuchert, Luftrecht,
Staatsverlag der DDR, Berlin 1987, S 149). Diese Auffassung lässt - beiläufig (obiter dictum) gesprochen - außer
Acht, dass die Interflug GmbH als Betrieb der volkseigenen Wirtschaft zwar in wesentlichen Bereichen
wirtschaftsrechtlich einem VEB gleichstand, rechtlich aber nicht den Status eines VEB hatte. Dies wiederum
berücksichtigt die zivilrechtliche Literatur der DDR, indem sie darauf verweist, dass bestimmte für die Volkswirtschaft
bedeutsame Betriebe nicht als VEB organisiert wurden, sondern aus einer Reihe von Gründen als Gesellschaften im
Rahmen des "sanktionierten Rechts", so zB die SDAG Wissmut und die Mitropa als Aktiengesellschaften und die
Interflug als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Autorenkollektiv unter Leitung von Göhring und Posch, Zivilrecht,
Teil 1, Staatsverlag der DDR, Berlin 1981, S 107 f). Mit Blick auf die unterschiedlichen Organisationsformen, aber
weitgehenden Gleichstellungen im Wirtschaftsrecht der DDR mögen Nonn/Wölki (Zum Luftverkehrsrecht in der
Bundesrepublik Deutschland und der DDR - Haftungsfragen von Lufthansa und Interflug -, Recht in Ost und West
(ROW) 1987, 208, 210) ausgeführt haben, die in der Rechtsform der GmbH gegründete Interflug sei "nach ihrem
Inhalt" ein VEB gewesen, auch wenn zum Beleg (Fußnote 38, die dortige Seitenangabe bezieht sich noch auf die
Ausgabe 1979) insoweit auf die anders akzentuierte Aussage des Autorenkollektivs unter Leitung von Teuchert (aaO)
Bezug genommen wird.
Schon die unterschiedlichen Rechts- bzw Gesellschaftsformen und die unterschiedlichen Rechtsgrundlagen erlauben
es nicht, von einer Identität der rechtlichen Bedeutungen von "VEB" und "GmbH" im Binnenrecht der DDR,
geschweige denn von einer solchen gerade im Versorgungsrecht der AVItech in der DDR am 30. Juni 1990 zu
sprechen. Das wäre auch mit der historischen Entwicklung der Interflug GmbH nicht vereinbar.
Nach Kriegsende untersagten die Regelungen des Potsdamer Abkommens und die hierzu ergangenen Proklamationen
des Alliierten-Kontrollrates deutschen Gesellschaften und Behörden den Betrieb eines Luftverkehrs auf dem Gebiet
des Deutschen Reiches. In der Bundesrepublik wurde 1951 die "AG für Luftverkehrsbedarf" gegründet, die seit August
1954 unter dem Namen "Deutsche Lufthansa AG" firmierte und ein Jahr später die Genehmigung zur Aufnahme des
planmäßigen Luftverkehrs im Bundesgebiet erhielt. Im Mai 1954 war in Ost-Berlin die Fluggesellschaft "Deutsche
Lufthansa" als VEB gegründet worden (nachfolgend: VEB-DLH; vgl zu dessen Statut: Beschluss vom 15. Februar
1956, GBl I 205; ersetzt durch Beschluss vom 14. November 1957, GBl I 579; dieser wiederum ersetzt durch
Anordnung vom 12. Juli 1962, GBl II 469). 1956 nahm der VEB-DLH den Luftverkehr auf, und zwar zunächst begrenzt
auf Staaten des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW). Mit der Ausweitung des Luftverkehrs auf nicht
sozialistische Staaten ergaben sich rechtliche Probleme durch teilweise Überschneidungen mit dem Streckennetz der
bundesdeutschen Lufthansa. Nachdem der internationale Gerichtshof allein dieser das Recht zuerkannt hatte, den
Namen "Deutsche Lufthansa" zu führen, durften Flugzeuge des VEB-DLH unter diesem Namen nicht mehr Flughäfen
westlicher Länder anfliegen. Deshalb wurde 1958 die Interflug gegründet, allerdings nicht als VEB, sondern als GmbH
(erste Gesellschafter waren der VEB-DLH, die VVB Flugzeugindustrie Dresden, das Deutsche Reisebüro und der
VEB-Deutrans. Später waren Gesellschafter das Ministerium für Verkehrswesen, das Deutsche Reisebüro und der
VEB-Deutrans). Der Grund für die Wahl dieser Rechtsform dürfte darin bestanden haben, dass die DDR-Gesellschaft
auf den internationalen Flughäfen in einer dem Westen bekannten Gesellschaftsform auftreten wollte (so Nonn/Wölki,
aaO, S 210). Ferner mögen Haftungsprobleme ebenfalls bestimmend gewesen sein (dazu Autorenkollektiv unter
Leitung von Teuchert, Luftfahrt, aaO, S 149, dort Fußnote 12). Jedenfalls war die Abwahl der Rechtsform "VEB"
staatlich bezweckt.
Die Interflug GmbH nahm 1959 den Flugverkehr auf, und zwar von westlichen Staaten nach Leipzig aus Anlass der
dortigen Messe. Damit bestanden zunächst in der DDR zwei Fluggesellschaften. Mit der Begründung, der Aufwand für
den Betrieb zweier Gesellschaften sei zu groß, übernahm die Interflug zum 1. September 1963 auf Anordnung des
Ministerrats den gesamten Luftverkehr auf den DDR-Luftverkehrslinien und damit auch alle vom VEB-DLH
wahrgenommenen Aufgaben. Der VEB-DLH wurde aufgelöst (Anordnung vom 28. August 1963, GBl II 626; zum
Ganzen: Nonn/Wölki, aaO, S 209 f).
Die Interflug ist somit - anders als der VEB-DLH - nicht als VEB, sondern als GmbH gegründet worden und hat diese
gesellschaftsrechtliche Rechtsform bis zu ihrer Auflösung beibehalten. Rechtsgrundlage war das GmbH-Gesetz vom
20. April 1892 (RGBl 1892, 377) idF vom 20. Mai 1898 (RGBl I 846), das in der DDR als Teil des dortigen
Wirtschaftsrechts fortgalt. Demgegenüber galten - ebenfalls als Teil des Wirtschaftsrechts - für einen VEB andere
spezielle Rechtsvorschriften.
Während die verstaatlichten Betriebe als VEB von 1948 bis 1951 unselbstständige Abteilungen der Vereinigung
volkseigener Betriebe (VVB) waren, wurden die VVB 1952 aufgelöst (1958 wieder eingeführt; dazu: Pleyer, Die
rechtliche Stellung des VVB im Neuen Ökonomischen System, Deutschland-Archiv 1968, 109) und mit der Einführung
des Prinzips der wirtschaftlichen Rechnungsführung wurde ihren "Abteilungen" als VEB eigene Rechtspersönlichkeit
verliehen (vgl hierzu: Pleyer, aaO; Ziesche, Die Rechtsstellung des volkseigenen Produktionsbetriebes in der DDR
seit 1945, Dissertation, Köln 1971, S 10 f, 48 ff). Insoweit bildete bei Gründung des VEB-DLH die VO über
Maßnahmen zur Einführung des Prinzips der wirtschaftlichen Rechnungsführung vom 20. März 1952 (GBl 225) die
maßgebliche Rechtsgrundlage. Diese VO wurde später durch die VO über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des
volkseigenen Produktionsbetriebes vom 9. Februar 1967 (GBl II 121) iVm der VO über das Verfahren der Gründung
und Zusammenlegung von volkseigenen Betrieben vom 16. Oktober 1968 (GBl II 965) ersetzt. An deren Stelle trat
dann im Wesentlichen die VO über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der volkseigenen Betriebe, Kombinate und
VVB vom 28. März 1973 (GBl I 129), die wiederum weithin durch die VO über volkseigene Kombinate,
Kombinatsbetriebe und volkseigene Betriebe vom 8. November 1979 (GBl I 355) ersetzt wurde (nachfolgend:
KombinatsVO 1979). Mit Blick auf den hier maßgeblichen Stichtag für die bundesrechtliche Anknüpfung (30. Juni
1990) ist auf den staatlichen Sprachgebrauch der DDR abzustellen, wie er sich aus der KombinatsVO 1979 und der zu
ihr führenden Entwicklung ablesen lässt. Er zeigt deutlich, dass eine "GmbH" kein "VEB" war.
Ein VEB wurde durch Entscheidung des zuständigen staatlichen oder wirtschaftsleitenden Organs gegründet (§ 35
Abs 1 Satz 1 KombinatsVO 1979). Er war einem Staatsorgan oder wirtschaftsleitenden Organ unterstellt (§ 31 Abs 1
Satz 1 KombinatsVO 1979). Er konnte ein Statut haben (§ 31 Abs 5 KombinatsVO 1979). Ferner führte er einen
Namen, der die Bezeichnung "VEB" enthalten musste und trat unter diesem Namen im Rechtsverkehr auf (§ 31 Abs 3
KombinatsVO 1979). Er war in das Register der volkseigenen Wirtschaft einzutragen (§ 31 Abs 2 KombinatsVO
1979). Demgegenüber wurde die GmbH nicht durch staatliche Entscheidung, sondern auf Grund eines
Gesellschaftsvertrags (§§ 2, 3 GmbHG) gegründet. Sie erlangte Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das
Handelsregister (§ 11 Abs 1 GmbHG). Sie führte auch nicht die Bezeichnung "VEB", sondern die Firma der
Gesellschaft musste die zusätzliche Bezeichnung "mit beschränkter Haftung" enthalten (§ 4 Abs 2 GmbHG). Ferner
musste die GmbH ein Stammkapital haben, wobei die von den Gesellschaftern übernommenen Stammeinlagen ihren
Geschäftsanteilen entsprechen mussten (§§ 5, 14 GmbHG). Des Weiteren musste die GmbH einen Geschäftsführer
haben, der von den Gesellschaftern oder anderen Personen zu bestellen war (§ 6 GmbHG); insoweit könnte auf Grund
gesellschaftsvertraglicher Vereinbarungen zB auch das zuständige Staatsorgan oder wirtschaftsleitende Organ der
DDR zur Bestellung befugt gewesen sein. Für das Sprachverständnis der DDR ist ausschlaggebend, dass die für die
GmbH maßgeblichen Kriterien (wie Gesellschaftsvertrag, Gesellschafter, Geschäftsführer, Stammkapital,
Geschäftsanteile) und das besonders ausgestaltete Rechtsverhältnis der GmbH zu den Gesellschaftern (vgl dazu §
13 ff GmbHG) den Organisationsformen völlig fremd waren, die sie als "VEB" bezeichnete. Einen Hinweis darauf, die
DDR habe in der AVItech die Interflug GmbH am 30. Juni 1990 gleichwohl versorgungsrechtlich als "VEB" und ferner
als Produktionsbetrieb eingeordnet, gibt es nicht.
Im Übrigen war die Interflug GmbH auch kein volkseigener Kombinatsbetrieb oder volkseigenes Kombinat. Die
Struktur der Interflug wies zwar gewisse kombinatsähnliche Elemente auf, da sie in verschiedene, allerdings rechtlich
nicht selbstständige Bereiche untergliedert war, nämlich die Betriebe Verkehrsflug, Flughäfen, Agrarflug,
Forschungsflug, Industrie- und Fernerkundungsflug sowie Flugsicherung. Einem Kombinat, das mit vertikalen
Konzernen mit verschiedenen Produktionsstufen vergleichbar war, entsprach die Interflug jedoch weder in ihrem
ausdrücklichen rechtlichen Status noch dem inneren Wesen nach (so auch Autorenkollektiv unter Leitung von
Teuchert, Luftrecht, aaO, S 150; vgl im Übrigen zum Kombinat, insbesondere nach der KombinatsVO 1979: Mampel,
Die Rechtsstellung der Kombinate in der DDR, ROW 1982, 49). Erst recht war sie nach dem staatlichen
Sprachgebrauch der DDR kein Kombinatsbetrieb.
bb) Die Interflug war ferner kein Betrieb iS des § 1 Abs 2 der 2. DB, der durch diese Vorschrift einem volkseigenen
Produktionsbetrieb gleichgestellt war.
1 Abs 2 der 2. DB listet bestimmte Arten von wissenschaftlichen Einrichtungen und Bildungsinstitutionen, bestimmten
Betrieben sowie wirtschaftsleitenden Organen auf und stellt sie dem volkseigenen Produktionsbetrieb gleich. Aus dem
Bereich des Verkehrswesens werden ausdrücklich Betriebe der Eisenbahn und Schifffahrt benannt, nicht aber
Betriebe der Luftfahrt. Dies ist mit Blick auf den Zeitpunkt des Erlasses der 2. DB nachvollziehbar; denn im Jahre
1951 bestanden in der DDR wegen des von den Alliierten verfügten Verbotes noch keine deutschen Luftfahrtbetriebe.
Die gemäß § 5 VO-AVItech ermächtigten Ministerien haben § 1 Abs 2 der 2. DB bis zum 30. Juni 1990 nicht ergänzt,
im Blick auf die Interflug GmbH gerade auch nicht, nachdem 1954 der VEB-DLH und 1958 die Interflug GmbH
gegründet worden waren. Als Verkehrs- und damit Dienstleistungsbetrieb zählte schon der VEB-DLH nicht zu den
(generell einbezogenen volkseigenen) Produktionsbetrieben. Erst recht hätte bis zum Stichtag eine Ergänzung des § 1
Abs 2 der 2. DB erfolgt sein müssen, wenn der Interflug GmbH generell versorgungsrechtlich der Status eines
gleichgestellten Betriebes verliehen worden wäre.
Die am 30. Juni 1990 nicht gegebene versorgungsrechtliche Gleichstellung kann nicht dadurch ersetzt werden, dass
die Interflug GmbH im Wirtschaftsrecht (und sonstigem Binnenrecht) der DDR weitgehend einem VEB gleichgestellt
war. Es kommt nämlich bundesrechtlich nicht auf diese "wirtschaftsrechtliche", sondern allein auf die
versorgungsrechtliche Gleichstellung iS des § 1 Abs 2 der 2. DB an; denn nur hieran hat Nr 9 EinigVtr angeknüpft, ua
schon aus dem Grunde, um auszuschließen, dass nicht abschätzbare finanzielle Lasten auf die Beitrags- und
Steuerzahler der Bundesrepublik Deutschland übertragen würden. Bei Abschluss des EinigVtr sind die
Vertragsparteien auch nicht etwa stillschweigend davon ausgegangen, eine DDR-GmbH sei versorgungsrechtlich als
VEB einzuordnen. Positive Anhaltspunkte hierfür gibt es nicht. Dem stehen auch die - trotz aller binnenrechtlichen
Gleichstellungen prägenden - DDR-rechtlichen Unterschiede zwischen beiden Rechtsformen entgegen.
Wie ein VEB war auch die GmbH ein Wirtschaftsrechtssubjekt iS des DDR-Rechts, das insoweit die
Wirtschaftsrechtssubjekte in wirtschaftsleitende Organe (= bestimmte Staatsorgane) und Wirtschaftseinheiten
unterteilte (dazu: Autorenkollektiv unter Leitung von Heuer, Wirtschaftsrecht, Staatsverlag der DDR, Berlin 1985, S 65
ff). Insoweit listete § 2 Abs 1 Vertragsgesetz der DDR (nachfolgend: VG; hier idF vom 25. März 1982, GBl I 293) alle
Organisationsformen der sozialistischen Volkswirtschaft auf, die vom Oberbegriff "Wirtschaftseinheit" erfasst wurden.
Während ua die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und VEB außerhalb eines Kombinats ausdrücklich
benannt wurden (Nr 1 bis 3 aaO), wurde zB die GmbH nicht aufgeführt. Diese Gesellschaftsform wurde jedoch von Nr
6 aaO erfasst, die allgemein auf "andere Betriebe und Einrichtungen, die staatliche Aufgaben und Planauflagen
erhalten", abstellt. Auch wenn in der DDR-Literatur zum VG und zum Wirtschaftsrecht in diesem Zusammenhang
beispielhaft nur die AG benannt wird (Autorenkollektiv unter Leitung von Walter, Kommentar zum Gesetz über das
Vertragssystem in der sozialistischen Wirtschaft vom 25. März 1982, hrsg vom Staatlichen Vertragsgericht beim
Ministerrat der DDR, Staatsverlag der DDR, Berlin 1989, S 43; Autorenkollektiv unter Leitung von Heuer,
Wirtschaftsrecht, aaO, S 76), unterfiel auch die Interflug als GmbH dem § 2 Abs 1 Nr 6 VG. Sie war nicht nur wie das
Kombinat, der Kombinatsbetrieb oder der VEB außerhalb eines Kombinats juristische Person (vgl zur Rechtsfigur der
juristischen Person im sozialistischen Recht: Autorenkollektiv unter Leitung von Göhring und Posch, Zivilrecht, Teil 1,
aaO, S 102 ff; ferner auch Sárközi, Die "juristische Person" in den sozialistischen Ländern, RabelsZ 47, S 1 ff),
sondern arbeitete als für die Volkswirtschaft bedeutsamer Betrieb auf der Basis des Volkseigentums, ohne allerdings
als VEB organisiert zu sein (dazu oben). Hieraus resultierte ihre Einordnung als Wirtschaftseinheit unter § 2 Abs 1 Nr
6 VG. Zugleich folgten hieraus die weiteren auch vom Kläger aufgezeigten rechtlichen Gleichstellungen.
Die Interflug war nicht Eigentümer der von ihr genutzten Flugplätze und Flugzeuge. Beide standen im Volkseigentum
(verfassungsrechtlich seit 1968 bzgl der Transportmittel der Luftfahrt ausdrücklich festgeschrieben in Art 12 Abs 1 der
Verfassung vom 6. April 1968 (GBl I 199) bzw vom 7. Oktober 1974 (GBl I 432)). Das gesamtgesellschaftliche
Volkseigentum bildete die wichtigste der drei Erscheinungsformen des sozialistischen Eigentums, auf dem die
Volkswirtschaft der DDR beruhte (Art 9 Abs 1, 10 der Verfassung vom 7. Oktober 1974); es gab der Wirtschaft ihr
"sozialistisches Antlitz" und übte die "führende Rolle" aus (Autorenkollektiv unter Heuer, Wirtschaftsrecht, aaO, S 36).
In der "systemimmanenten Logik" erforderte das sozialistische Eigentum staatliche Leitung und Planung. Demzufolge
waren nicht nur Kombinate und VEB staatlicher Leitung und Planung unterstellt, sondern ebenfalls die Interflug als
GmbH; sie unterstand dem Ministerium für Verkehrswesen (§ 4 Abs 2 des Gesetzes über die Luftfahrt
(Luftfahrtgesetz) vom 27. Oktober 1983, GBl I 277); dabei wurde die staatliche Leitungsmacht noch dadurch verstärkt,
dass der Stellvertreter des Ministers "in Personalunion" zugleich Generaldirektor der GmbH war und insoweit die
gesellschaftsrechtliche Funktion des Geschäftsführers ausübte (dazu Autorenkollektiv unter Leitung von Teuchert,
Luftrecht, aaO, S 146 f).
Als volkseigene Wirtschaftseinheit unterlag die Interflug nicht nur staatlicher Leitung und Planung, sondern auch dem
1952 für VEB eingeführten Prinzip der wirtschaftlichen Rechnungsführung. Da in Bezug auf Volkseigentum allein der
Staat die Eigentümerstellung beanspruchte, wurde der Interflug GmbH - wie anderen volkseigenen
Wirtschaftseinheiten - hinsichtlich der zur Verfügung gestellten Produktionsmittel nur eine so genannte
Fondsinhaberschaft zugestanden (dazu: Autorenkollektiv unter Leitung von Heuer, Wirtschaftsrecht, aaO, S 244 ff;
ferner Brunner, Einführung in das Recht der DDR, 2. Aufl, 1979, Verlag C. H. Beck, S 98 ff). Ferner folgte aus dem
Status als Wirtschaftseinheit der volkseigenen Wirtschaft, dass die Interflug den für solche Betriebe geltenden
versicherungsrechtlichen Vorschriften unterlag, wie der Kläger zu Recht geltend macht. Insoweit wird ua auf das
Gesetz über die Versicherung der volkseigenen Wirtschaft vom 15. November 1968 (GBl I 355) und die Anordnung
über die Bedingungen für die Pflicht- und freiwilligen Versicherungen der volkseigenen Wirtschaft bei der Deutschen
Auslands- und Rückversicherungs-AG (DARAG) vom 19. November 1968 (GBl II 957) verwiesen (vgl auch:
Autorenkollektiv unter Leitung von Teuchert, Luftrecht, aaO, S 218). Darüber hinaus könnte sehr viel dafür sprechen,
dass die Interflug nicht nur als GmbH in das Handelsregister, sondern als Einrichtung, die nach dem Prinzip der
wirtschaftlichen Rechnungsführung arbeitete und juristische Person war, auch in das Register der volkseigenen
Wirtschaft eingetragen war (vgl § 1 Abs 2 Nr 4 der VO über die Führung des Registers der volkseigenen Wirtschaft,
hier idF vom 10. April 1980, GBl I 115).
Im Wirtschaftsleben der DDR wurde also die Interflug GmbH auf Grund ihrer Stellung als volkseigene
Wirtschaftseinheit rechtlich weitgehend ua wie ein VEB behandelt. Insoweit trifft die vom Kläger zitierte Aussage des
Staatlichen Vertragsgerichts bei der Regierung der DDR im Vermerk des damaligen Generaldirektors der Interflug vom
3. Februar 1959 zu, dass die Interflug gemäß § 2 Abs 1 Nr 3 VG (damals idF vom 11. Dezember 1957, GBl I 627;
entspricht inhaltlich § 2 Abs 1 Nr 6 VG idF vom 25. März 1982), ein Betrieb war, der den VEB (und sozialistischen
Genossenschaften) gleichgestellt war. Insoweit überrascht es auch nicht, dass die Interflug später, wie vom Kläger
angemerkt, als so genannter "Treuhand-Betrieb" liquidiert worden ist. Denn auf Grund der Fondsinhaberschaft am
Volkseigentum wurde die Interflug vom Anwendungsbereich sowohl der VO zur Umwandlung von volkseigenen
Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften vom 1. März 1990 (GBl I 107), die noch auf die
"Wahrung" des Volkseigentums zielte, als auch des Gesetzes zur Privatisierung und Reorganisation des
volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) vom 17. Juni 1990 (GBl I 300) erfasst.
Der Kläger verkennt jedoch, dass es versorgungsrechtlich nicht darauf ankommt, ob ein Betrieb "wirtschaftsrechtlich"
einem VEB gleichstand, sondern darauf, ob § 1 Abs 2 der 2. DB selbst eine solche Gleichstellung vorgenommen hat.
Die dort getroffene Auswahl ihrer Art nach gleichgestellter Betriebe und Einrichtungen erfasste aber gerade nicht
Betriebe der Luftfahrt. Nur in dieser am 30. Juni 1990 vorliegenden Fassung konnte die Vorschrift am 3. Oktober 1990
sekundäres Bundesrecht werden.
Dass die Interflug GmbH am 30. Juni 1990 von der DDR dem betrieblichen Anwendungsbereich der AVItech nicht
zugeordnet worden war, wird auch durch die vom Kläger vorgetragene und von der Beklagten bestätigte Staatspraxis
dokumentiert. Insoweit hat er namentlich 15 Mitarbeiter der Interflug benannt, die zwischen 1958 und 1990 in die
AVItech einbezogen worden seien, davon zwölf mit ihrer jeweiligen Versicherungsnummer. Die Beklagte hat hierzu
unwidersprochen vorgetragen, dass sieben der vom Kläger benannten Mitarbeiter auf der Grundlage eines
Einzelvertrages (also entsprechend § 1 Abs 3 der 2. DB) durch eine Einzelentscheidung einbezogen gewesen seien
und in einem weiteren Fall die in einem früheren Beschäftigungsverhältnis zugesicherte Versorgung fortgeführt worden
sei. Vier weitere Einbeziehungen hätten ausschließlich Direktoren betroffen. Danach ist in 32 Jahren keine der
Einbeziehungen erfolgt, weil die Interflug GmbH als VEB oder versorgungsrechtlich gleichgestellter Betrieb angesehen
worden ist. Die mit Blick auf den Personalbestand der Interflug GmbH nur außerordentlich geringe Zahl von
einbezogenen Personen und darüber hinaus noch die Gründe für deren Einbeziehung, bestätigen somit, dass
offensichtlich auch im Rechtsleben der DDR die Interflug GmbH bis zuletzt nicht als ein von der VO-AVItech und von
ihrer 2. DB erfasster Betrieb angesehen worden ist.
Eine nachträgliche Korrektur der im Bereich der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme am 30. Juni 1990 gegebenen
abstrakt-generellen Regelungen der DDR, ist, auch soweit sie in sich willkürlich sind, durch die vollziehende oder die
rechtsprechende Gewalt nicht zulässig. Der EinigVtr hat grundsätzlich nur die Übernahme zum 3. Oktober 1990
bestehender Versorgungsansprüche und -anwartschaften von "Einbezogenen" in das Bundesrecht versprochen und
Neueinbeziehungen ausdrücklich verboten (§ 22 Abs 1 RAnglG als Bundesrecht und Nr 9 Buchst a EinigVtr). Das
Verbot der Neueinbeziehung auf Grund von "DDR-Versorgungsregelungen" ist verfassungsgemäß. Eine Erweiterung
des einbezogenen Personenkreises durch vollziehende Gewalt oder Rechtsprechung über die in § 1 Abs 1 AAÜG
selbst angelegte Modifikation hinaus wäre hingegen verfassungswidrig (Art 20 Abs 3 GG).
Die mit dem genannten Inhalt zu sekundärem Bundesrecht gewordenen Vorschriften sind verfassungsgemäß, weil der
Bundesgesetzgeber selbst an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung dieser
Versorgungssysteme in der DDR ohne Willkürverstoß anknüpfen durfte. Art 3 Abs 1 und 3 GG gebietet nicht, von
jenen historischen Fakten, aus denen sich die aufgezeigten Ungleichheiten ergeben, abzusehen, und sie
"rückwirkend" zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen. Die Begünstigung der damals
Einbezogenen hat der Deutsche Bundestag als ein Teilergebnis der Verhandlungen im EinigVtr angesichts der
historischen Bedingungen hinnehmen dürfen (vgl BVerfGE 100, 138, 190 f = SozR 3-8570 § 7 Nr 1). Er hat in § 1 Abs
1 AAÜG in begrenztem Umfang DDR-Willkür - wie aufgezeigt - ausgeschaltet. Zu einer Totalrevision des mit Beginn
des 31. Dezember 1991 in das Rentenversicherungsrecht des Beitrittsgebiets überführten und aus der DDR
stammenden Versorgungsrechts und insbesondere dessen willkürlicher Handhabung war er schon deswegen nicht
verpflichtet, weil er diesen gesamten Rechtsbereich ab 1. Januar 1992 einem rechtsstaatlichen Grundsätzen im
Wesentlichen genügenden Gesetz, nämlich dem SGB VI, unterstellt hat. Darüber hinaus tritt keine Perpetuierung
versorgungsspezifischer DDR-Willkür im bundesrechtlichen Rentenversicherungsrecht ein. Im Übrigen kann der Kläger
auch ohne Anwendung von § 6 Abs 1 AAÜG dieselben Rangstellenwerte (Entgeltpunkte) im SGB VI erreichen wie bei
Anwendung des AAÜG. Dies gilt für alle Beschäftigungszeiten vor 1971 ohnehin. Ab Einführung der FZR hängt dies
allerdings davon ab, ob er von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, sich auch in der FZR in dem dort vorgesehenen
"Höchstumfang" zu versichern. Da er von der DDR niemals eine Versorgungszusage erhalten hatte, konnte er auch zu
keinem Zeitpunkt die FZR-Sicherung wegen eines Vertrauens auf Zusatzversorgung im Alter hintanstellen.
3. Da der Kläger am 1. August 1991 keine Versorgungsanwartschaft hatte, unterliegt er nicht dem Anwendungsbereich
des AAÜG. Damit hat er keinen Anspruch gegen die Beklagte, Zeiten der Zugehörigkeit zu einem
Zusatzversorgungssystem und die dabei erzielten tatsächlichen Verdienste festzustellen. Die Revision des Klägers
konnte keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.