Urteil des BSG vom 02.12.2010
BSG: sinn und zweck der norm, alterszulage, anerkennung, eingriff, verwaltungsakt, anpassung, rückforderung, kinderlähmung, anhörung, amt
Bundessozialgericht
Urteil vom 02.12.2010
Sozialgericht Speyer S 12 V 1/08
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz L 4 VK 2/09
Bundessozialgericht B 9 V 1/10 R
Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. November 2009
und des Sozialgerichts Speyer vom 12. Februar 2009 insoweit aufgehoben, als sie die Gewährung von Alterszulage
für die Zeit ab August 2006 betreffen. In diesem Umfang wird die Klage abgewiesen. Der Beklagte hat der Klägerin ein
Zehntel ihrer außergerichtlichen Kosten für alle Rechtszüge zu erstatten.
Gründe:
I
1
Streitig ist die Erhöhung der Schwerbeschädigtengrundrente der Klägerin nach dem BVG um die sogenannte
Alterszulage wegen Vollendung des 65. Lebensjahres.
2
Die am 13.4.1941 geborene Klägerin musste im Frühjahr 1945 mit ihren Eltern aus Pommern fliehen. Sie leidet an
einer Verkrüppelung des linken Fußes. Mit Bescheid vom 7.5.1954 stellte das Versorgungsamt Landau/Pfalz als
Schädigungsfolge eine "Wadenbeinnervlähmung nach Kinderlähmung" mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)
um 30 vH fest. Zugleich wurde der Klägerin Beschädigtengrundrente gewährt.
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Nachdem in der Folgezeit die Schädigungsfolgen durch Bescheid vom 28.6.1973 neu bezeichnet und mit einer MdE
von 40 vH bewertet worden waren, erhöhte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 15.8.1995 die MdE auf 50 vH und
bezeichnete die Schädigungsfolgen als "Wadenbeinnervenlähmung links mit Hohlfuß- und Hammerzehenbildung,
Schwielenbildung auf der Fußsohle und Fehlstellung des gesamten Fußes, Muskelminderung des linken Beines".
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Einen im Mai 2005 von der Klägerin gestellten Antrag, der auf Erhöhung des Grades der Behinderung nach dem
Schwerbehindertenrecht wegen Verschlimmerung gerichtet war, fasste das Amt für soziale Angelegenheiten Landau
auch als Neufeststellungsantrag nach dem BVG auf und veranlasste eine orthopädische Begutachtung durch Dr. L ...
Dieser kam in seinem Gutachten vom 14.12.2005 zu der Beurteilung, dass nach den jetzt vorliegenden
röntgenologisch/kernspintomografischen Befunden der Lendenwirbelsäule und dem Ergebnis der Untersuchung mit
Sicherheit davon auszugehen sei, dass die Lähmung des linken Beines mit Klumpfußbildung nicht in ursächlichem
Zusammenhang mit einer Schädigung des linken Beines während der Vertreibung und Flucht stehe und daher nicht
als Kriegsfolgeschaden anzusehen sei. Die Leiden seien vielmehr ursächlich auf eine angeborene
Segmentationsstörung, eine Bogenschlussanomalie, dh einer Missbildung sowohl der knöchernen Wirbelsäule als
auch des Rückenmarkes, zurückzuführen.
5
Ab dem 1.4.2006 wurde der Klägerin die um die Alterszulage nach § 31 Abs 1 Satz 2 BVG erhöhte Grundrente
überwiesen, ohne dass darüber durch Bescheid entschieden worden war.
6
Nach mit Schreiben vom 5.7.2006 erfolgter Anhörung der Klägerin traf das Amt für soziale Angelegenheiten Landau
mit Bescheid vom 25.9.2006 folgende Entscheidungen:
"1. Es wird festgestellt, daß die mit Bescheid vom 07.05.1954 erfolgte Anerkennung Wadenbeinnervlähmung nach
Kinderlähmung - MdE gemäß § 30 Absatz 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) 30 v.H. - zweifelsfrei unrichtig im Sinne
der §§ 1 Absatz 3 Satz 3 BVG und 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ist. Ebenso sind die mit
Bescheiden vom 28.06.1973 (Schädigungsfolgenbezeichnung: Wadenbeinnervenlähmung mit Hohlfuß und
Hammerzehenbildung sowie Hornschwielenbildung auf der Fußsohle li. - Erhöhung der MdE auf 40 v.H.) und
15.08.1995 (Schädigungsfolgenbezeichnung: Wadenbeinnervenlähmung links mit Hohlfuß- und Hammerzehenbildung,
Schwielenbildung auf der Fußsohle und Fehlstellung des gesamten Fußes, Muskelminderung des linken Beines -
Erhöhung der MdE auf 50 v.H.) erfolgten Neufeststellungen zweifelsfrei unrichtig im Sinne des § 45 SGB X.
2. Diese Bescheide können jedoch wegen Ablaufs der Zweijahresfrist nach § 45 Ab. 3 Satz 1 SGB X nicht mehr
zurückgenommen werden.
3. Bei zukünftigen Änderungen ist § 48 Absatz 3 SGB X zu beachten.
4. Die auf Grund von Rentenanpassungen zukünftig sich ergebenden Grundrentener- höhungen (MdE 50 v.H.) werden
weiterhin erfolgen.
5. Der anhängige Rentenerhöhungsantrag vom 20.05.2005 wird abgelehnt.
6. Der für die Zeit von April 2006 bis Juli 2006 zuviel gezahlte Betrag in Höhe von insge- samt 96,- EUR wird von
Ihnen gemäß § 50 SGB X zurückgefordert."
7
Zur Begründung wurde ausgeführt: Nach dem Ergebnis des eingeholten ärztlichen Gutachtens sei die mit den
eingangs erwähnten Bescheiden erfolgte Anerkennung der angeführten Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolge
iS des § 1 BVG zweifelsfrei unrichtig iS von § 1 Abs 3 Satz 3 BVG und § 45 SGB X. Da die Zweijahresfrist des § 45
Abs 3 Satz 1 SGB X bereits verstrichen sei, sei eine Rücknahme der zweifelsfrei unrichtigen Bescheide über die
Anerkennung der Schädigungsfolgen nicht mehr möglich. Trotz der in dieser Situation anwendbaren Vorschrift des §
48 Abs 3 SGB X müsse der derzeit gezahlte Betrag als bestandsgeschützte Leistung weiter gewährt werden.
Außerdem seien nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die regelmäßigen
Rentenanpassungen (Grundrentenerhöhungen) zu gewähren. Die Gewährung einer Alterszulage nach § 31 Abs 1
letzter Satz BVG stelle allerdings eine Änderung zu Gunsten des Betroffenen dar, die eine Anwendung des § 48 Abs
3 SGB X nach sich ziehe. Das habe zur Folge, dass die Alterszulagenerhöhung der Grundrente nicht gewährt werden
könne. In den Monaten April bis Juli 2006 sei der Klägerin ohne Rechtsgrundlage eine um 24 Euro zu hohe Leistung
gezahlt worden. Der Betrag in Höhe von 4 Monaten x 24 Euro = 96 Euro müsse daher gemäß § 50 SGB X
zurückerstattet werden. Den Widerspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wies das Landesamt für Soziales,
Jugend und Versorgung Rheinland-Pfalz durch Widerspruchsbescheid vom 10.12.2007 mit im Wesentlichen gleicher
Begründung zurück.
8
Gegenüber dem daraufhin von ihr angerufenen Sozialgericht Speyer (SG) hatte die Klägerin zunächst schriftsätzlich
beantragt, den Bescheid vom 25.9.2006 bezüglich des Verfügungssatzes Nr 6 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 10.12.2007 aufzuheben und das beklagte Land zu verurteilen, ihr ab April 2006 die
Alterszulage nach § 31 Abs 1 BVG zu gewähren. In der mündlichen Verhandlung des SG hat die Klägerin ihren Antrag
auf die Aufhebung des Verfügungssatzes Nr 6 des Bescheides vom 25.9.2006 beschränkt. Durch Urteil vom
12.2.2009 hat das SG diesem Klageantrag entsprochen. In den Entscheidungsgründen heißt es ua, dass der Klägerin
mit der erfolgten Aufhebung des Verfügungssatzes Nr 6 aus den angefochtenen Bescheiden letztlich die von ihr
begehrte Alterszulage zustehe.
9
Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) hat die dagegen vom Beklagten geführte Berufung zurückgewiesen
(Urteil vom 25.11.2009). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
10
Zu Recht habe das SG den angefochtenen Bescheid - soweit er angefochten gewesen sei - aufgehoben. Der Klägerin
stehe gemäß § 31 Abs 1 Satz 2 BVG eine erhöhte Grundrente zu. Nach dieser Bestimmung erhöhe sich die
Grundrente für Schwerbeschädigte, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, bei einem Grad der Schädigungsfolgen
(GdS) von 50 um 24 Euro bzw ab 1.7.2009 um 25 Euro (§ 31 Abs 1 BVG idF vom 17.7.2009). Ab April 2006 hätten die
Voraussetzungen der Erhöhung nach § 31 Abs 1 Satz 2 BVG vorgelegen, da die Klägerin in diesem Monat ihr 65.
Lebensjahr vollendet gehabt habe und mit einem GdS von 50 Schwerbeschädigte sei.
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Diese Erhöhung entfalle nicht nach § 48 Abs 3 SGB X. Nach dieser Vorschrift dürfe die wegen einer zu Gunsten des
Betroffenen eingetretene Änderung nach § 48 Abs 1 oder 2 SGB X neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag
hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft des rechtswidrigen begünstigenden
Verwaltungsaktes, der nach § 45 SGB X nicht mehr zurückgenommen werden könne, ergebe. Zwar seien die
Grundlagenbescheide vom 7.5.1954, 28.6.1973 und 15.8.1995 rechtswidrig, da darin Schädigungsfolgen zu Unrecht
anerkannt worden seien, die, wie sich durch neuere medizinische Erkenntnisse herausgestellt habe, nicht auf
schädigende Tatbestände im Sinne des BVG zurückzuführen seien. Wegen Fristablaufes könnten diese Bescheide
indes nicht mehr zurückgenommen werden, wovon der Beklagte zu Recht ausgegangen sei.
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Gemäß § 62 Abs 3 Satz 1 BVG sei bei Versorgungsberechtigten, die wie die Klägerin das 65. (gemeint: 55.)
Lebensjahr vollendet hätten, der GdS wegen einer Änderung infolge neuer medizinisch-wissenschaftlicher
Erkenntnisse nicht niedriger festzusetzen, wenn er in den letzten zehn Jahren seit der Feststellung nach dem BVG
unverändert geblieben sei. Da diese Voraussetzungen vorlägen, komme eine Abschmelzung nach § 48 Abs 3 SGB X
nicht in Betracht. Nach der Rechtsprechung des BSG habe der Gesetzgeber mit der Regelung des § 62 Abs 3 BVG
zu erkennen gegeben, dass ein über 55-jähriger Bezieher von laufenden Versorgungsbezügen gegen einen Eingriff in
seinen sozialen Besitzstand, der auf einem langjährig anerkannten, wenngleich unzutreffenden GdS beruhe,
weitgehend geschützt sein solle. Dies lasse sich nur erreichen, wenn der Versorgungsberechtigte gegen einen Eingriff
in diesen Besitzstand nicht nur wegen einer durch eine Änderung der Verhältnisse rechtswidrig gewordenen, sondern
auch wegen einer ursprünglich rechtswidrigen Anerkennung geschützt werde.
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Dagegen bleibe es nach der Rechtsprechung des BSG bei sonstigen, nicht die regelmäßigen Anpassungen der
Leistungen betreffenden Änderungen der Verhältnisse zu Gunsten des Berechtigten bei der Anwendung des § 48 Abs
3 SGB X und damit bei einer sogenannten Abschmelzung. Derjenige, dessen MdE gemäß § 48 Abs 3 BVG nicht
mehr verändert werden könne, könne sich nur darauf verlassen, dass ihm die Leistungen mit den sich aus der
Dynamisierung ergebenden Erhöhungen so verblieben, wie es dem endgültig festgestellten MdE-Grad entspreche. Der
Versorgungsberechtigte sei nur gegen die Herabsetzung des MdE-Grades geschützt, nicht aber gegen sonstige, nicht
die Dynamisierung betreffende Änderungen der Verhältnisse. Hinsichtlich der Alterszulage greife indes der Schutz des
§ 62 Abs 3 BVG wie bei der Dynamisierung, denn es handele sich ebenfalls um eine gesetzliche Erhöhung der
Versorgungsleistungen, nicht aber um eine Erhöhung wegen Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse.
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Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Nach Verzicht auf die
Rückforderung rügt er zur Begründung die Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der Auffassung des LSG habe
das BSG mit seinem Urteil vom 12.12.1995 (SozR 3-3100 § 62 Nr 2) entschieden, dass der besondere
Bestandsschutz für über 55-jährige Beschädigte nach § 62 Abs 3 Satz 1 BVG einer Abschmelzung nach § 48 Abs 3
SGB X nur bei den regelmäßigen Rentenanpassungen (§ 56 BVG) entgegenstehe, und für die Fälle der
Leidensverschlimmerung bereits deutlich gemacht, dass darauf die sich auf die regelmäßige Rentenanpassung
beschränkende Rechtsprechung nicht auszudehnen sei. Gleiches müsse für die zugrunde liegende Fallkonstellation
gelten. Es bestehe keine Veranlassung, die BSG-Rechtsprechung, die sich auf regelmäßige Rentenanpassungen
beschränke, auf andere Änderungen der Verhältnisse zu Gunsten des Berechtigten anzuwenden.
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Für die Fälle der Leidensverschlimmerung habe die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits judiziert. Nach der
Auffassung des Beklagten könne in der Erhöhung nach § 31 Abs 1 Satz 2 BVG keine "Anpassung" der Grundrente,
sondern vielmehr eine Erhöhung aufgrund geänderter tatsächlicher Umstände, nämlich der Vollendung des 65.
Lebensjahres gesehen werden. Demgegenüber handele es sich bei der Rentenanpassung nach § 56 BVG nicht um
eine tatsächliche, sondern um eine rechtliche Änderung, die in der Anpassung der Rente um den gesetzlich
festgelegten Anpassungsfaktor liege. Entscheidend sei letztlich, dass der Grundrentenerhöhung nach § 31 Abs 1 Satz
2 BVG eine tatsächliche Änderung außerhalb der Rentenanpassung zugrunde liege. Insofern sei die Erhöhung der
Grundrente wegen dieser tatsächlichen Änderung "zugunsten der Berechtigten" durch die Anwendung von § 48 Abs 3
SGB X auszuschließen. Dem stünden Vertrauensgesichtspunkte auch nicht entgegen, denn Berechtigte hätten durch
die Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X keine Rentenkürzung zu befürchten.
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Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. November 2009 sowie das Urteil
des Sozialgerichts Speyer vom 12. Februar 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
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Sie schließt sich dem angefochtenen Urteil an. Ergänzend trägt sie vor, dass der vom Beklagten vertretenen
Auffassung das Urteil des BSG vom 28.7.1999 - B 9 V 18/98 R - entgegenstehe.
19
Mit Schriftsatz vom 25.11.2010 hat der Beklagte erklärt, dass eine Rückforderung der Alterszulage für die Monate
April bis Juli 2006 nicht weiter geltend gemacht werde. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis in der mündlichen
Verhandlung angenommen.
II
20
Die Revision des Beklagten ist zulässig und begründet.
21
Durch das von der Klägerin angenommene Teilanerkenntnis des Beklagten ist der Rechtsstreit insoweit erledigt (§ 101
Abs 2 SGG), als er die Rückforderung der ohne Verwaltungsakt für die Zeit von April bis Juli 2006 gezahlten
Alterszulage betraf (vgl § 50 Abs 2 SGB X). Ihren verbleibenden Anspruch auf Gewährung von Alterszulage für die
Zeit ab August 2006 verfolgt die Klägerin mit einer zulässigen Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG).
Wie in der Begründung des insoweit angefochtenen Bescheides vom 25.9.2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 10.12.2007 hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, hat der Beklagte damit auch
die Alterszulage für die Zeit ab August 2006 versagt. Dementsprechend hat die Klägerin mit Schriftsatz vom
30.4.2008 vor dem SG beantragt, den Beklagten unter Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts zur Gewährung
von Alterszulage zu verurteilen. Soweit die Klägerin ihren Klageantrag in der mündlichen Verhandlung des SG vom
12.2.2009 dahin gefasst hat, dass der Bescheid vom 25.9.2006 bezüglich des Verfügungssatzes Nr 6 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2007 aufzuheben sei, liegt darin unter Berücksichtigung des erkennbar
geltend gemachten Anspruchs (vgl § 123 SGG) keine Einschränkung des Klagegegenstandes. Davon sind auch beide
Vorinstanzen ausgegangen. Sie haben in ihren jeweiligen Entscheidungsgründen ausgeführt, dass die Klägerin
Anspruch auf Alterszulage nach § 31 Abs 1 BVG habe.
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Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist die Klage nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 25.9.2006 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2007 ist in dem noch angefochtenen Umfang rechtlich nicht zu
beanstanden.
23
In formeller Hinsicht bestehen gegen den angefochtenen Bescheid keine Bedenken. Insbesondere ist eine Anhörung
nach § 24 SGB X durchgeführt worden. In materieller Hinsicht hat der Beklagte für die Zeit ab August 2006 zutreffend
entschieden, dass die Klägerin wegen der gemäß § 48 Abs 3 SGB X durchzuführenden Abschmelzung keinen
Anspruch auf Erhöhung ihrer Grundrente nach § 31 Abs 1 Satz 2 BVG (Alterszulage) hat. Auch bei
Versorgungsberechtigten, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und deren GdS in den letzten zehn Jahren
unverändert geblieben ist (§ 62 Abs 3 Satz 1 BVG), ist die Erhöhung der Grundrente wegen Vollendung des 65.
Lebensjahres gemäß § 48 Abs 3 SGB X auszusparen, soweit eine rechtswidrige Anerkennung von Schädigungsfolgen
nach § 45 SGB X nicht mehr zurückgenommen werden kann.
24
Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 Satz 2 BVG. Sie ist als Schwerbeschädigte anerkannt; der
ihr zuerkannte GdS beträgt 50 (§ 31 Abs 2 BVG). Sie hat zudem im April 2006 ihr 65. Lebensjahr vollendet, so dass
ihr nach der zu § 31 BVG ergangenen allgemeinen Verwaltungsvorschrift die Erhöhung der Grundrente um die
Alterszulage vom Geburtsmonat an zu gewähren gewesen wäre. Der damit an sich gegebene Anspruch der Klägerin
auf Erhöhung der Grundrente ist indes gemäß § 48 Abs 3 Satz 1 SGB X ab August 2006 ausgeschlossen.
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Nach § 48 Abs 3 SGB X darf die neu festzustellende Leistung für den Fall, dass ein rechtswidriger begünstigender
Verwaltungsakt nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden darf und eine Änderung nach § 48 Abs 1 oder Abs 2
SGB X zu Gunsten des Betroffenen eingetreten ist, nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach
ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Die Vorschrift schreibt damit für den Fall, das ein rechtswidriger
begünstigender Verwaltungsakt nicht (mehr) zurückgenommen werden kann und eine wesentliche Änderung in den
tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen zu Gunsten des Betroffenen eingetreten ist, zwingend ein "Aussparen"
der an sich aufgrund der wesentlichen Änderung zu Gunsten des Betroffenen zu gewährenden Erhöhung vor (BSG
SozR 4-1300 § 48 Nr 10 RdNr 18). Sie legt eine zwingende Ausnahme von einer an sich nach § 48 Abs 1 oder Abs 2
SGB X gebotenen Umsetzung einer zu Gunsten des Begünstigten eingetretenen Änderung der tatsächlichen oder
rechtlichen Verhältnisse fest (Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 48 RdNr 29). Dieses "Aussparen" der
Erhöhung bzw das "Einfrieren" der bisherigen Leistung bzw das "Abschmelzen" des errechneten Erhöhungsbetrages
(Steinwedel in KassKomm, Stand Juli 2010, § 48 SGB X RdNr 59, 61) soll einerseits den Vertrauens- oder
Bestandsschutz für den Zahlbetrag wahren, andererseits aber auch verhindern, dass "Unrecht weiter wächst"
(Steinwedel, aaO, RdNr 59 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG; BSG SozR 4-1300 § 48 Nr 10 RdNr 19).
26
Seinem Wortlaut nach ist § 48 Abs 3 Satz 1 SGB X auf "Leistungen" zugeschnitten, die sich in einem "Betrag"
ausdrücken lassen (Steinwedel, aaO, RdNr 64), wird aber auch bei solchen Fehlern des Ursprungsbescheides
entsprechend angewendet, welche den Grund einer Leistung erfassen (BSG SozR 1300 § 48 Nr 48, 51; Steinwedel,
aaO; BSG SozR 4-1300 § 48 Nr 10 mwN). Klassischer Anwendungsfall des § 48 Abs 3 Satz 1 SGB X ist somit der
Fall einer zu Unrecht bewilligten Geldleistung, deren Gewährung nicht zurückgenommen werden kann. Sie wird von
zukünftigen Erhöhungen, also etwa der regelmäßigen (jährlichen) gesetzlichen Anpassung der Rente ausgenommen
(vgl Schütze, aaO, RdNr 30 mwN).
27
§ 48 Abs 3 SGB X gilt grundsätzlich auch für die Grundrente nach dem BVG. Allerdings steht gemäß § 37 Satz 1
SGB I die Geltung des Ersten und Zehnten Buches des SGB für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuchs (für
das Soziale Entschädigungsrecht s § 68 Nr 7 SGB I) unter dem Vorbehalt abweichender Regelungen in den übrigen
Büchern. Nach § 37 Satz 2 SGB I sind von diesem Abweichungsvorbehalt nur die §§ 1 bis 17 und 31 bis 36 SGB I
ausgenommen. Als gemäß § 37 Satz 1 SGB I beachtliche Vorschrift, die von § 48 Abs 3 SGB X Abweichendes
bestimmt, ist nach der Rechtsprechung des BSG § 62 Abs 3 BVG anzusehen. Nach dessen Satz 1 ist bei
Versorgungsberechtigten, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, der GdS wegen Besserung des
schädigungsbedingten Gesundheitszustandes oder einer Änderung der Verordnung nach § 30 Abs 17 BVG infolge
neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht niedriger festzusetzen, wenn er in den letzten zehn Jahren
seit Feststellung nach diesem Gesetz unverändert geblieben ist. Entsprechendes gilt nach § 62 Abs 3 Satz 2 BVG für
die Schwerstbeschädigtenzulage, wenn deren Stufe in den letzten zehn Jahren seit Feststellung unverändert
geblieben ist.
28
§ 62 Abs 3 Satz 1 BVG schließt nach seinem Wortlaut einen Eingriff in bestandskräftig geschützte Rechte nur in den
Fällen aus, in denen wegen einer Besserung des Gesundheitszustandes die anerkannte MdE/der anerkannte GdS an
sich herabzusetzen wäre. Seit seinem Urteil vom 29.8.1990 (9a/9 RV 32/88 - SozR 3-3100 § 62 Nr 1) wendet das
BSG § 62 Abs 3 Satz 1 BVG aber nicht nur gegen einen Eingriff wegen einer rechtswidrig gewordenen, sondern in
entsprechender Anwendung auch bei einer von Anfang an rechtswidrigen Anerkennung an (s auch BSG Urteil vom
15.12.1999 - B 9 V 26/98 R - SozR 3-3100 § 62 Nr 4). Dies wird aus dem "Rechtsgedanken", also den Sinn und
Zweck der Norm hergeleitet (s weiter BSG Urteil vom 12.12.1995 - 9 RV 26/94 - SozR 3-3100 § 62 Nr 2). Hinsichtlich
der unrichtigen Beurteilung des Gesundheitszustandes für den Anspruch auf Schwerstbeschädigtenzulage hat das
BSG gleichsinnig entschieden (BSG Urteil vom 28.7.1999 - B 9 V 18/98 R - SozR 3-3100 § 62 Nr 3).
29
Zugleich hat das BSG aus § 62 Abs 3 Satz 1 BVG hergeleitet, dass bei dem in der Vorschrift näher beschriebenen
Personenkreis die alljährlichen Anpassungen der Versorgungsrente nach § 56 BVG und den entsprechenden
Anpassungsverordnungen nicht der Abschmelzung nach § 48 Abs 3 SGB X unterliegen (BSG SozR 3-3100 § 62 Nr 1,
3 und 4). Der Gesetzgeber hat in § 62 Abs 3 BVG zu erkennen gegeben, dass ein über 55-jähriger Bezieher von
laufenden Versorgungsbezügen vor einem Eingriff in seinen sozialen Besitzstand weitgehend bewahrt sein soll. Daher
ist dieser Personenkreis auch gegen ein (zeitweiliges) Aussetzen der sog Dynamisierung der Leistung geschützt (s
insgesamt BSG SozR 3-3100 § 62 Nr 4 S 17). Angesichts des mit der Dynamisierung verfolgten Zweckes,
Rentenbezieher vor einem durch allgemeinen Kaufkraftschwund eintretenden Wertverlust der Rente zu schützen, sie -
sofern vorhanden - an der durch Lohnsteigerungen insgesamt bewirkten Kaufkraftsteigerung zu beteiligen und damit
insgesamt den Wert der Rente im gesamtwirtschaftlichen Vergleich zu erhalten, verhindert § 62 Abs 3 Satz 1 BVG,
wie er vom BSG verstanden wird, dadurch eine Entwertung der Versorgungsleistung, dass er einer Abschmelzung der
jeweiligen Anpassungsbeträge entgegensteht.
30
Dagegen schließt § 62 Abs 3 Satz 1 BVG nicht die Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X auf die Zahlung einer
Alterszulage aus. Diese Leistung wird nicht zur Wahrung des sozialen Besitzstandes gewährt. Vielmehr stellt die
Zahlung der Alterszulage nicht nur nach dem Wortlaut des § 31 Abs 1 Satz 2 BVG, sondern auch wirtschaftlich eine
Erhöhung der Grundrente aus besonderem Anlass dar. § 31 Abs 1 Satz 2 BVG setzt eine Änderung der tatsächlichen
Verhältnisse, nämlich die Vollendung des 65. Lebensjahres, voraus. Diese Änderung trifft bei jedem
Leistungsberechtigten individuell und nicht - wie die jährlichen Anpassungen - für alle Leistungsberechtigten
gleichzeitig ein. Der Senat sieht es insoweit nicht als gerechtfertigt an, den besonderen Schutz des § 62 Abs 3 BVG
auf diese Fallgestaltung zu erstrecken (vgl dazu BSG SozR 3-3100 § 62 Nr 4 S 18 f).
31
Die Voraussetzungen des § 48 Abs 3 Satz 1 SGB X sind im vorliegenden Falle erfüllt. Dass die in den Bescheiden
vom 7.5.1954, 28.6.1973 und 15.8.1995 erfolgten Feststellungen einschließlich der Gewährung der Grundrente nach
einer MdE von zunächst 30 vH, später 40 vH und zuletzt über mehr als zehn Jahre 50 vH rechtswidrig waren, steht
aufgrund des insoweit bestandskräftigen Bescheides des Beklagten vom 25.9.2006 fest. Ebenso ist aufgrund des
Bescheides vom 25.9.2006 zwischen den Beteiligten geklärt, dass diese rechtswidrig begünstigenden
Verwaltungsakte nicht mehr zurückgenommen werden können. Durch die Erfüllung der Voraussetzungen des § 31
Abs 1 Satz 2 BVG ist ab April 2006 eine Änderung nach § 48 Abs 1 SGB X zu Gunsten der Klägerin eingetreten.
32
Nach § 48 Abs 3 SGB X darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der
Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Ohne Berücksichtigung der Bestandskraft der
ursprünglichen Bewilligungs- bzw Änderungsbescheide stünde der Klägerin keine Grundrente zu. Eine
Rentenerhöhung nach § 31 Abs 1 Satz 2 BVG ist daher ausgeschlossen. Zwar darf sich die Abschmelzung nicht
rückwirkend auf bereits ergangene Neufeststellungsbescheide und tatsächlich erfolgte Leistungserhöhungen
erstrecken (vgl dazu BSGE 63, 266, 269 = SozR 3642 § 9 Nr 3; Schütze, aaO, RdNr 31), der Beklagte war jedoch
nicht gehindert, die Alterszulage für die Zeit ab August 2006 zu versagen. Insoweit lag nämlich weder ein
Bewilligungsbescheid noch eine Zahlung vor.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt das durch das Teilanerkenntnis des Beklagten
bedingte teilweise Obsiegen der Klägerin.