Urteil des BSG vom 29.07.2004

BSG: witwenrente, ddr, arbeitsentgelt, veröffentlichung, rechtsgrundlage, vergleich, verminderung, gleichbehandlungsgebot, lebensversicherung, anwartschaft

Bundessozialgericht
Urteil vom 29.07.2004
Sozialgericht Stralsund
Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern
Bundessozialgericht B 4 RA 45/03 R
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 18. Juni 2003
wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt von der Beklagten höhere Witwenrente.
Die Klägerin war die Ehefrau des 1906 geborenen Dr. R. B. (nachfolgend: Versicherter). Diesem war in der DDR ab 1.
Dezember 1966 das Recht auf eine Ehrenpension für Kämpfer gegen den Faschismus zuerkannt worden. Ab 1.
Dezember 1971 bezog der Versicherte eine Altersrente (AR) aus der Sozialpflichtversicherung und eine
Zusatzaltersrente (Zusatz-AR) aus dem Zusatzversorgungssystem der Altersverssorgung der Intelligenz an
wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR (AVIwiss). Die Renten
wurden zum 1. Juli 1990 auf DM-Beträge umgestellt. Dadurch belief sich die AR aus der Sozialversicherung auf
370,00 DM und die Zusatz-AR aus der AVIwiss auf 1.710,80 DM (Gesamtbetrag beider Renten: 2.080,80 DM). Die
Ehrenpension wurde zunächst in Höhe von 1.700,00 DM (Pension: 1.500,00 DM + Kinderzuschlag: 200,00 DM) und
ab 1. Mai 1992 als Entschädigungsrente in Höhe von 1.400,00 DM gezahlt.
Das Recht auf Zusatz-AR aus der AVIwiss wurde zum 31. Dezember 1991 in die Rentenversicherung des
Beitrittsgebiets überführt. Ab 1. Januar 1992 wurden beide Rechte durch ein Recht auf Regelaltersrente (RAR) aus
dem SGB VI ersetzt. Die Beklagte legte der Feststellung des Wertes der SGB VI-Rente ua 42,7551 Entgeltpunkte
(EP) Ost (Bescheid vom 18. Mai 1994) zu Grunde (Monatsbetrag anfänglich 1.007,74 DM). Ab 1. Januar 1992 hatte
das Recht des Versicherten auf RAR jedoch den höheren Wert des "weiterzuzahlenden Betrages" von 2.223,13 DM
(Gesamtzahlbetrag für Dezember 1991 erhöht um 6,84 vH), da dieser jeweils den (dynamisierten) Monatsbetrag der
SGB VI-Rente und den durch den Einigungsvertrag (EinigVtr) geschützten Zahlbetrag von 2.080,80 DM überstieg.
Der Versicherte starb am 12. Dezember 1999. Nach den Feststellungen des LSG ist es in einem Bescheid vom 23.
Mai 2000 bestandskräftig abgelehnt worden, der Klägerin das Recht auf eine Entschädigungsrente für Hinterbliebene
zuzuerkennen. Die Beklagte erkannte der Klägerin im Bescheid vom 7. Juli 2000 das Recht auf eine (große)
Witwenrente zu. Deren Wert stellte sie für das sog Sterbevierteljahr (1. Januar bis 31. März 2000) mit 1.796,14 DM
und ab 1. April 2000 mit 1.077,69 DM fest (der Monatsbetrag minderte sich durch Einkommensanrechnung und Abzug
von Versicherungsbeiträgen). Dieser Wertfeststellung legte sie ua die für den Wert der AR des Versicherten
maßgeblichen 42,7551 EP zu Grunde.
Im Widerspruchsverfahren nahm die Beklagte im Bescheid vom 27. November 2000 eine Neufeststellung für das
Sterbevierteljahr vor. Sie setzte den monatlichen Rentenwert für diesen Zeitraum in Höhe des Nettobetrages der AR
des Versicherten für Dezember 1999 mit 2.043,07 DM fest. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück, soweit die
Klägerin eine Neufeststellung des Wertes ihres Rechts auf Witwenrente unter Zugrundelegung von EP begehrte, die
sich aus dem durch den EinigVtr besitzgeschützten Zahlbetrag errechnen (Widerspruchsbescheid vom 3. April 2001).
Während des Klageverfahrens nahm die Beklagte weitere Neufeststellungen vor. Zunächst stellte sie im Hinblick auf
die Neuregelungen im Zweiten Gesetz zur Änderung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2.
AAÜG-ÄndG) im Bescheid vom 2. November 2001 den Wert des Rechts des Versicherten auf AR für die Zeit vom 1.
Mai bis 31. Dezember 1999 neu fest. Für die sog Vergleichsrente ermittelte sie 44,8758 EP. Durch Einstellung dieses
Rangwertes in die Rentenformel ergab sich jedoch kein Wert, der betragsmäßig den "weiterzuzahlenden Betrag"
überstieg. Des Weiteren nahm sie für den genannten Zeitraum eine Neufeststellung unter Zugrundelegung des durch
den EinigVtr besitzgeschützten Zahlbetrages vor. Zum Zwecke der jährlichen Anpassungen dieses Betrages
errechnete sie hieraus 50,2124 EP. Auf der Grundlage des dynamisierten Zahlbetrages stellte sie den Wert des
Rechts des Versicherten auf AR ab 1. Mai 1999 mit monatlich 2.392,62 DM und ab 1. Juli 1999 mit 2.424,76 DM fest.
In einem weiteren Bescheid vom 3. April 2002 setzte die Beklagte auch den Wert des Rechts der Klägerin auf
Witwenrente neu fest. Für das Sterbevierteljahr stellte sie diesen mit 1.885,23 DM fest, ohne die im Bescheid vom 27.
November 2000 vorgenommene Wertfestsetzung (2.043,07 DM) aufzuheben. Der festgesetzte monatliche Wert des
Rentenrechts ab 1. April 2000 belief sich auf 1.131,14 DM. Den Wertfeststellungen legte die Beklagte jeweils 44,8758
EP zu Grunde. Für die nachfolgenden Zeiträume erhöhte sich der Rentenwert entsprechend den jährlichen
Anpassungen.
Das SG Stralsund hat die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der Bescheide vom 7. Juli 2000 und 27. November
2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. April 2001 sowie des Bescheides vom 3. April 2002 verurteilt,
"der Berechnung der Witwenrente der Klägerin ab 01.01.2000 50,2124 EP aus der Versicherung des verstorbenen Dr.
R. B. zugrunde zu legen" (Urteil vom 28. November 2002).
Während des Berufungsverfahrens erkannte die Beklagte an, den sich aus der Neufeststellung im Bescheid vom 3.
April 2002 ergebenden Nachzahlungsbetrag an die Klägerin auszuzahlen. Daraufhin hat das LSG die Beklagte
entsprechend ihrem Anerkenntnis verurteilt; im Übrigen hat es auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG
aufgehoben und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 18. Juni 2003). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die
Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung des Wertes ihres Witwenrentenrechts unter Zugrundlegung von EP,
die sich aus dem besitzgeschützten Zahlbetrag des Versicherten errechneten. Hierfür bestehe keine Rechtsgrundlage.
Hinterbliebenenrenten seien nicht bloß im verminderten Umfang weitergezahlte Versichertenrenten, sondern
eigenständige Renten, die auf einem eigenständigen Versicherungsfall beruhten und deren Wert eigenständig
festgestellt werde. Hierbei seien die persönlichen EP ohne besondere Bindungswirkung an die an den Versicherten
ergangenen "Rentenbescheide" anhand eines eigenständig ermittelten Versicherungsverlaufs neu festzustellen. Eine
Abweichung von diesen Grundsätzen beinhalte § 88 Abs 2 SGB VI insoweit, als er bestimme, mindestens die
persönlichen EP, die bei der Feststellung des Wertes der Versichertenrente des Verstorbenen berücksichtigt worden
seien, auch der Feststellung des Wertes der Hinterbliebenenrente zu Grunde zu legen. Die zum Zwecke der
Dynamisierung des besitzgeschützten Zahlbetrages des Versicherten gemäß § 307b Abs 5 SGB VI ermittelten EP
seien keine echten EP und unterfielen nicht dem Schutzbereich des § 88 Abs 2 SGB VI. Eine Wertfeststellung auf
Grund des durch den EinigVtr geschützten Zahlbetrages des Versicherten sehe § 4 Abs 4 AAÜG nur für
Hinterbliebene vor, deren Rente in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 1996 beginne. Innerhalb dieses
Zeitraumes sei der Versicherungsfall des Todes nicht eingetreten.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 88 Abs 2, 307b Abs 5 SGB VI. Sie macht geltend, die
gemäß § 307b Abs 5 SGB VI aus dem besitzgeschützten Zahlbetrag zu ermittelnden EP seien auch im Rahmen des
§ 88 Abs 2 SGB VI zu beachten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 18. Juni 2003
aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stralsund vom 28. November 2002
zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die angefochtene Entscheidung rechtlich nicht zu beanstanden sei. Ergänzend trägt sie
vor, dass eine Wertfeststellung nach § 307b SGB VI nicht in Betracht komme, weil die Klägerin nicht
Bestandsrentnerin sei. Da sie die große Witwenrente erst ab 1. Januar 2000 beziehe, könne sie auch nicht eine
Berücksichtigung des dem Versicherten garantierten Zahlbetrages verlangen; die Stichtagsregelung in § 4 Abs 4
AAÜG sei verfassungsgemäß. Mit Blick auf § 88 Abs 2 SGB VI hätten lediglich die EP aus der Vergleichsrente bei
der Feststellung des Wertes der Witwenrente zu Grunde gelegt werden dürfen. Der durch den EinigVtr geschützte
Zahlbetrag des Versicherten sei ein "aliud", das nicht auf in EP bewerteten Vorleistungen des Versicherten beruhe
und somit nicht von § 88 Abs 2 SGB VI erfasst werde.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2
SGG).
II
Die Revision ist unbegründet.
Gegenstand der Revision ist das Begehren der Klägerin, das Urteil des LSG vom 18. Juni 2003 aufzuheben und die
Berufung der Beklagten gegen die erstinstanzliche Entscheidung zurückzuweisen. In der Sache strebt die Klägerin
somit die Wiederherstellung des Urteils des SG vom 28. November 2002 an, in dem die Beklagte - entsprechend dem
Sachantrag der Klägerin - verpflichtet worden ist, den Wert des Rechts der Klägerin auf Witwenrente unter
Zugrundelegung von 50,2124 EP des Versicherten neu festzustellen.
Nach dem Wortlaut ihres vor dem SG gestellten Klageantrages verfolgt die Klägerin ihr Begehren in Kombination von
Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG). Ob sie sinngemäß auch die Verurteilung der Beklagten zur
Zahlung von monatlichen Geldbeträgen in Höhe des neu festzustellenden Wertes ihres Rentenrechts begehrt hat (so
genannte unechte Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs 4 SGG), kann dahin stehen. Denn auch mit diesem
Begehren hätte sie keinen Erfolg haben können.
Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen.
1. Streitgegenstand des Klageverfahrens war das Begehren der Klägerin, den Wert ihres Rechts auf Witwenrente unter
Zugrundelegung von 50,2124 EP neu festzusetzen. Nur hierüber hat das SG entschieden. Dagegen war nicht
Gegenstand dieser Entscheidung, ob die Beklagte im Bescheid vom 3. April 2002 zu Unrecht den Wert des
Witwenrentenrechts für das Sterbevierteljahr mit 1.885,23 DM festgesetzt hat, ohne nach vorheriger Anhörung der
Klägerin die für diesen Zeitraum getroffene und bindend gewordene monatliche Wertfeststellung von 2.043,07 DM im
Bescheid vom 27. November 2000 aufzuheben. Da allein die Beklagte Berufung eingelegt hat, hat das LSG zutreffend
nur über die vom SG ausgeurteilte Neufeststellungsverpflichtung der Beklagten befunden. Nur diese Entscheidung
des LSG ist damit Gegenstand der Revision.
2. Zutreffend hat das LSG ferner ausgeführt, dass Klagegegenstand - entgegen der Auffassung des SG - nur der
wertfeststellende Verwaltungsakt im Bescheid vom 3. April 2002 ist. Dieser hat die vorhergehenden wertfeststellenden
Verwaltungsakte ersetzt (§ 96 SGG). Er ist, soweit er von der Klägerin angefochten worden ist, rechtmäßig.
a) Bei dieser Wertfestsetzung war die Beklagte nicht an die vorherige Feststellung des Wertes des Rechts des
Versicherten gebunden.
Mit Blick auf ihr Recht auf Witwenrente macht die Klägerin zwar ein aus dem Rechtsverhältnis zwischen Versichertem
und Rentenversicherungsträger abgeleitetes, jedoch eigenständiges Recht geltend, also nicht ein kraft
Rechtsnachfolge auf sie übergegangenes Recht des Versicherten (Urteil des Senats vom 29. Oktober 2002, SozR 3-
2600 § 307b Nr 10). Der Tod des Versicherten ist in der gesetzlichen Rentenversicherung ein eigenständiger
Versicherungsfall (§ 33 Abs 1 und 4 SGB VI), mit dem die Anwartschaft des verheirateten Versicherten, die eine
Lebensversicherung auf den eigenen Todesfall zu Gunsten des Ehegatten umfasst (sog Eigenversicherung), zu einem
Vollrecht der Witwe auf Rente gegen den Träger erstarkt (§ 46 SGB VI; dazu eingehend BSG-Urteil vom 29. Januar
2004 - B 4 RA 29/03 R, zur Veröffentlichung vorgesehen).
b) Ob die Beklagte den hier allein streitigen Wert des Rechts auf Witwenrente zutreffend festgestellt hat, bestimmt
sich nach der Rentenformel der §§ 63 Abs 6, 64 SGB VI. Danach ist der Monatsbetrag der Rente das Produkt aus
Zugangsfaktor, Summe der persönlichen EP im Sinne von Rangstellenwerten (= Rangwert), Rentenartfaktor und
aktuellem Rentenwert. Diese Rentenformel gilt seit Einführung der bundesdeutschen Rentenversicherung zum 1.
Januar 1992 auch im Beitrittsgebiet, wobei wegen historisch bedingter Besonderheiten ggf lediglich besondere EP
(Ost) und ein besonderer aktueller Rentenwert (Ost) einzustellen sind (§ 254b SGB VI).
aa) Den Zugangsfaktor hat die Beklagte zutreffend mit 1,0 zu Grunde gelegt (§ 77 Abs 2 Nr 4 Buchst a SGB VI). Die
Klägerin zieht zu Recht auch nicht in Zweifel, dass die Beklagte den jeweils zutreffenden aktuellen Rentenwert (§§ 63
Abs 7, 65, 68, 69 SGB VI bzw hier §§ 255a bis 255d SGB VI) eingestellt hat. Des Weiteren hat die Beklagte
jedenfalls im streitbefangenen Bescheid vom 3. April 2002 beachtet, dass der Rentenartfaktor für die ersten drei
Monate nach dem Todesmonat (so genanntes Sterbevierteljahr) mit 1,0 und anschließend mit 0,6 einzustellen ist (§
67 Nr 6 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung durch das Rentenreformgesetz 1992 (RRG
1992) vom 18. Dezember 1989). Auch die Summe der EP hat die Beklagte zutreffend mit 44,8758 berücksichtigt. Für
das Begehren der Klägerin, diese mit 50,2124 einzustellen, ist eine Rechtsgrundlage nicht gegeben.
bb) Gemäß § 66 Abs 2 Nr 2 SGB VI sind ua bei einer Witwenrente die EP des verstorbenen Versicherten Grundlage
für die Ermittlung der persönlichen EP der Witwe, also des Produkts aus der Summe der EP und des Zugangsfaktors,
das die Rangstelle der Witwe unter den Rentnern festschreibt.
Was unter EP zu verstehen ist, bestimmt § 63 Abs 2 SGB VI. Danach wird das in den einzelnen Kalenderjahren durch
Beiträge versicherte Arbeitsentgelt und -einkommen in EP umgerechnet; die Versicherung eines Arbeitsentgelts oder -
einkommens in Höhe des Durchschnittsentgelts eines Kalenderjahres (Anlage 1 zum SGB VI) ergibt einen vollen EP.
EP sind somit Quotienten, die sich aus der Relation von individuellem versicherten Arbeitsentgelt oder -einkommen
zum Durchschnittsentgelt des jeweiligen Kalenderjahres ergeben (zur Ermittlung der EP für beitragsfreie Zeiten vgl §
63 Abs 3 SGB VI). EP bewerten damit die individuelle Vorleistung, die der Einzelne in der gesetzlichen
Rentenversicherung im Vergleich zu den anderen Versicherten erbracht hat.
(1.) EP im Sinne des § 63 Abs 2 SGB VI sind auch die nach § 307b Abs 3 SGB VI ermittelten EP, deren
Berücksichtigung der verstorbene Ehemann der Klägerin als Bestandsrentner im Sinne des § 307b Abs 1 Satz 1 SGB
VI für die Ermittlung des Wertes einer sog Vergleichsrente beanspruchen konnte (§ 307b Abs 1 Satz 2 SGB VI). Die
Regelungen zur Ermittlung derartiger EP entsprechen den Grundsätzen des § 307a SGB VI. Hierbei handelt es sich
nicht um eine "besondere Rentenberechnung", also um eine von den §§ 64, 254b Abs 1 SGB VI abweichende
Rentenformel. Es wird lediglich für jedes Arbeitsjahr in der DDR jeweils ein bestimmter Vorleistungswert
(Rangstellenwert) in EP Ost festgesetzt. Dieser wird als Durchschnittswert der relevanten Vorleistung des
Bestandsrentners in den letzten 20 Jahren vor Beginn seiner Bestandsrente bestimmt (vgl hierzu ua: Urteil des
Senats vom 31. März 2004, B 4 RA 39/03 R, mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen). Es handelt sich somit nur um
ein besonderes Verfahren zur Ermittlung des relativen Wertes der Vorleistung, indem nicht auf das gesamte
Versicherungsleben, sondern auf einen 20-Jahreszeitraum abgestellt wird.
Da es sich bei den aus diesen gemäß den §§ 5 bis 8 AAÜG und § 248 Abs 3 SGB VI gleichgestellten Vorleistungen
mit dem Zugangsfaktor 1 ermittelten persönlichen EP um solche im Sinne des § 66 Abs 2 Nr 2 SGB VI handelt,
waren diese deshalb bereits in Anwendung dieser Norm einzustellen. Sie haben schon den Wert des Rechts des
verstorbenen Versicherten auf AR mit bestimmt. Da es nachfolgend keine für die Klägerin nachteilige Änderung
bezüglich dieser persönlichen EP gegeben hat, kommt es auf die "Bestandsschutzregel" des § 88 Abs 2 SGB VI
nicht an, die aber zum Ansatz der selben Zahl an EP geführt hätte; denn es handelt sich um EP des Versicherten, die
der von diesem bezogenen Rente aus eigener Versicherung zu Grunde gelegen haben.
(2.) Die aus dem besitzgeschützten Zahlbetrag des EinigVtr gemäß § 307b Abs 5 SGB VI ermittelten EP sind keine
solchen im Sinne der §§ 63 Abs 2, 66 Abs 2 Nr 2 und 88 Abs 2 SGB VI.
Sie beruhen nicht auf einem kalenderjährlichen Vergleich der (hier: fiktiven) Vorleistung des Versicherten mit einer
durchschnittlichen Vorleistung an produktiver Arbeit und bewerten ihn auch nicht. Damit hat der besitzgeschützte
Zahlbetrag nichts zu tun. Er spiegelt keine rentenversicherungsrechtlich erhebliche Vorleistung wider. Seine
Schutzfunktion besteht darin, eine unverhältnismäßige Verminderung der in der DDR zuerkannten Alterssicherung
abzuwehren, wenn und soweit die an den Kriterien der Vorleistung gemessene SGB VI-Rente dies nicht verhindert,
ferner die wertmäßig durch die Überführung der Bestandsrenten in die Rentenversicherung des Beitrittsgebiets und
ihre Ersetzung durch eine SGB VI-Rente ab 1. Januar 1992 verursachten Einbußen auszugleichen und darüber hinaus
zu gewährleisten, dass er sich nicht inflationsbedingt fortlaufend verringert. Er wird deshalb allein aus staatlichen
Haushaltsmitteln finanziert. Es handelt sich um ein eigenständiges Recht, das sich nicht aus der Systematik der
gesetzlichen Rentenversicherung herleiten lässt, ihr vielmehr fremd und auf keinen Tatbestand in der gesetzlichen
Rentenversicherung zurückzuführen ist (stellvertretend: Urteil des Senats vom 31. Juli 2002, SozR 3-2600 § 307b Nr
9).
Soweit der durch den EinigVtr geschützte Zahlbetrag als höchster der vier nach § 307b SGB VI zu beachtenden
Vergleichswerte den Wert des Rentenrechts des Versicherten bestimmt, mutieren die aus ihm verwaltungstechnisch
errechneten EP nicht zu Werten einer Vorleistung und damit nicht zu EP des verstorbenen Versicherten im Sinne des
§ 66 Abs 2 Nr 2 SGB VI, die Grundlagen der persönlichen EP der Witwe werden könnten. Es handelt sich nämlich
nicht um EP, die der Wertermittlung des Rechts auf Rente aus der eigenen Versicherung gemäß den Vorgaben der §§
63, 64 SGB VI dienten. Ihr Zweck ist allein verwaltungstechnischer Art und erschöpft sich darin, eine mit den
vorhandenen Programmen leicht ausführbare Technik für die Dynamisierung dieses rentenversicherungsfremden
Zahlbetrages zu schaffen, um so ohne "technische Probleme" den Wert eines fremden eigenständigen Rechts
fortlaufend anpassen zu können (BT-Drucks 14/5640, Begründung zu Art 2 Nr 5, S 18).
3. Die Festsetzung des Wertes ihres Rechts auf Witwenrente nach einem (zu dynamisierenden) besitzgeschützten
Zahlbetrag als höchstem Vergleichswert kann die Klägerin nicht beanspruchen.
Auf die Regelungen des § 307b SGB VI kann sie sich nicht berufen, weil sie nicht Bestandsrentnerin im Sinne des
Abs 1 Satz 1 aaO ist. Als Zugangsrentnerin hätte sie die Wertfeststellung in Höhe des besitzgeschützten
Zahlbetrages ihres verstorbenen Ehemannes nur beanspruchen können, wenn die Witwenrente bis zum 31. Dezember
1996 begonnen hätte (§ 4 Abs 4 Satz 7 AAÜG). Diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin nicht.
Die Stichtagsregelung des § 4 Abs 4 Satz 7 AAÜG ist nicht verfassungswidrig. Die Norm verstößt nicht gegen Art 14
Abs 1 GG. Eigentumsschutz haben Rentenrechte und -anwartschaften des Beitrittsgebiets nur, soweit sie als
subjektive Rechte mit Inkrafttreten des GG im Beitrittsgebiet (3. Oktober 1990) oder durch spätere Bundesgesetze
anerkannt worden sind. Neben Bestandsrentnern war die Zahlbetragsgarantie rentennahen Jahrgängen durch den
EinigVtr nur bis 30. Juni 1995 eingeräumt worden. Diejenigen, die nach diesem Stichtag ein Vollrecht erwarben,
können sich nicht auf Art 14 Abs 1 GG berufen (hierzu stellvertretend: Urteil des Senats vom 10. April 2003, SozR 4-
2600 § 260 Nr 1). Dies gilt entsprechend, soweit § 4 Abs 4 Satz 7 AAÜG erstmals für Hinterbliebene einen bis zum
31. Dezember 1996 begrenzten "Besitzschutz" geschaffen hat.
Die Stichtagsregelung verletzt nicht das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG oder den aus Art 2 Abs 1 GG
fließenden rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (dazu näher: Urteil des Senats vom 10. April 2003
(aaO)).
4. Die Revision der Klägerin war als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.