Urteil des BSG vom 11.09.2001
BSG: ddr, verwaltungsakt, unfallversicherung, rücknahme, amputation, entschädigung, arbeitsunfall, krankenversicherung, republik, menschenwürde
Bundessozialgericht
Urteil vom 11.09.2001
Sozialgericht Chemnitz
Sächsisches Landessozialgericht
Bundessozialgericht B 2 U 32/00 R
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 30. Mai 2000 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 8. Juni 1995 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um die Folgen des Arbeitsunfalles des Klägers vom 8. Februar 1984 (glatteisbedingter Sturz
und Prellung des linken Knies mit Gelenkerguß) und dessen Entschädigung. Konkret umstritten ist die Frage, ob die
am 25. September 1984 durchgeführte Amputation des linken Unterschenkels wesentlich durch den Arbeitsunfall
verursacht worden ist und ob verwaltungsverfahrensrechtlich eine dauerhafte Bindung an den dem Kläger in der
ehemaligen DDR erteilten Ablehnungsbescheid besteht.
Mit Bescheid vom 2. Dezember 1985 lehnte die Betriebsgewerkschaftsleitung der VEB E L den Antrag des am 30.
April 1926 geborenen Klägers, die Unterschenkelamputation links als Folge des Wegeunfalles vom 8. Februar 1984
anzuerkennen, ab, weil es sich nicht um eine Unfallfolge handele. Nachdem ein vom Kläger im Juni 1990 an den
"Kreisgutachter" in F gerichteter Überprüfungsantrag von diesem mit Schreiben vom 27. Juli 1990 abgelehnt worden
war, wandte sich der Kläger mit seinem Anliegen im Juli 1991 an die Berufsgenossenschaft (BG) für Feinmechanik
und Elektrotechnik. Diese leitete den Vorgang an die Beklagte weiter. Nach Beiziehung der vorliegenden ärztlichen
Unterlagen entschied die Beklagte durch Bescheid vom 19. September 1992 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 1993, daß ein Anspruch auf Unfallrente nicht bestehe. Die eingeholten Befund-
und Operationsberichte aus den Jahren 1972 bis 1991 ergäben, daß die Amputation des linken Unterschenkels
eindeutig auf eine Systemerkrankung zurückzuführen sei.
Nach Beweisaufnahme hat das Sozialgericht (SG) Chemnitz die Klage abgewiesen (Urteil vom 8. Juni 1995). Nach
weiterer Beweisaufnahme hat das Landessozialgericht (LSG) auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG und den
Bescheid der Beklagten vom 9. September 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 1993
aufgehoben und festgestellt, daß der Verlust des linken Unterschenkels Folge des am 8. Februar 1984 erlittenen
Arbeitsunfalles ist, und die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Rücknahme des Bescheides der
Betriebsgewerkschaftsleitung VEB Energiebau vom 2. Dezember 1985 eine Verletztenrente nach einer Minderung der
Erwerbsfähigkeit um 50 vH ab 1. Januar 1987 zu gewähren (Urteil vom 30. Mai 2000). Zur Begründung hat das LSG
im wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch gemäß § 44 des Zehnten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB X) zu. Diese Vorschrift sei im vorliegenden Fall anwendbar. Ihre Anwendung scheitere
abweichend von der vom Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 23. März 1999 (SozR 3-8100 Art 19 Nr 5)
vertretenen Auffassung nicht daran, daß von der Verwaltung der DDR erlassene rechtswidrige Bescheide nur unter
den strengen Voraussetzungen des Art 19 Satz 2 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August 1990 (BGBl II
889 ber 1239) - EinigVtr - zurückgenommen werden dürften. Die Beklagte sei nicht nur befugt gewesen, in der Sache
neu zu entscheiden, sie hätte den Anspruch des Klägers auch anerkennen müssen. Nach dem hier anwendbaren
Recht der DDR stehe außer Zweifel, daß es sich bei dem Unfall des Klägers vom 8. Februar 1984 um einen
versicherten Arbeitsunfall gehandelt habe. Überdies habe der Kläger bereits unter Geltung des Rechts der DDR einen
Anspruch auf Verletztenrente gehabt, denn durch diesen Unfall habe er einen Körperschaden von wenigsten 20 %
erlitten. Nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Senats sei die am 25.
September 1984 durchgeführte Amputation des linken Unterschenkels Folge dieses Arbeitsunfalles.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Die Anwendung des
§ 44 SGB X sei rechtsfehlerhaft erfolgt. Die Auffassung des LSG zur Anwendung dieser Vorschrift widerspreche der
gefestigten Rechtsprechung des BSG. In Fortführung der Entscheidungen vom 11. Mai 1995 - 2 RU 26/94 - und vom
18. März 1997 - 2 RU 19/96 - habe das BSG in seinem Urteil vom 23. März 1999 - B 2 U 8/98 R - betont, daß nach
Art 19 Satz 1 und 3 EinigVtr Verwaltungsakte der ehemaligen DDR, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts
ergangen seien, grundsätzlich Bestand haben sollen. Die vom Berufungsgericht dagegen angeführten Argumente
sprächen nicht für eine Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 30. Mai 2000 aufzuheben und die
Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 8. Juni 1995 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des
Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat entgegen der Auffassung des LSG keinen Anspruch, wegen
der Folgen des Arbeitsunfalles vom 8. Februar 1984 aus der gesetzlichen Unfallversicherung entschädigt zu werden.
Der den Anspruch auf Unfallrente ablehnende angefochtene Bescheid erweist sich im Ergebnis als rechtmäßig, denn
die Beklagte als der nach dem Verteilungsschlüssel entsprechend Anl I Kap VIII Sachgebiet I Abschnitt III Nr 1
Buchst c Abs 8 Nr 2 EinigVtr zuständige Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (s BG 1992, 325, 326) ist, wie
der Kläger, an den ihm in der DDR erteilten Bescheid vom 2. Dezember 1985 iS von § 77 SGG gebunden. Dessen
Aufhebung bzw dessen vom LSG angenommene Aufhebbarkeit gemäß § 44 Abs 1 SGB X ist aufgrund der
Vorschriften des Art 19 EinigVtr ausgeschlossen.
Es kann dahinstehen, ob die Beklagte selbst, die in dem angefochtenen Bescheid in vollem Umfang sachlich über
den Anspruch des Klägers auf Unfallrente wegen der Folgen des genannten Arbeitsunfalles entschieden hat, ohne den
Bescheid vom 2. Dezember 1985 zu erwähnen, § 44 Abs 1 SGB X angewendet hat, oder ob es sich um einen, den
Klageweg (neu) eröffnenden sog Zweitbescheid handelt (vgl BSGE 84, 22, 23 = SozR 3-8100 Art 19 Nr 5 mwN), denn
der allein in Bindungswirkung erwachsende Tenor des angefochtenen Bescheides ist im Ergebnis nicht zu
beanstanden. Der Kläger wird dadurch nicht iS des § 54 Abs 2 SGG beschwert.
Prüfungsmaßstab ist allein Art 19 EinigVtr, wonach vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Verwaltungsakte
der Deutschen Demokratischen Republik wirksam bleiben (Satz 1). Sie können nur aufgehoben werden, wenn sie mit
rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des Vertrags unvereinbar sind (Satz 2). Im übrigen bleiben
die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten unberührt (Satz 3). Diese die Anwendung der
Regelungen über die Bestandskraft des Verwaltungsakts ua des SGB X betreffende Bestimmung des EinigVtr ist
auch nach Schaffung der die Anwendung des materiellen Unfallversicherungsrechts ab dem 1. Januar 1992 regelnden
Vorschriften der §§ 1148 ff der Reichsversicherungsordnung anzuwenden, da diese Vorschriften keine Regelungen
über die Bestandskraft von Verwaltungsakten enthalten.
Der Senat hat in inzwischen ständiger Rechtsprechung entschieden, daß Verwaltungsakte der ehemaligen DDR, die
vor Wirksamwerden des Beitritts ergangen sind, grundsätzlich wirksam bleiben. Diese Verwaltungsakte können nur
aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des EinigVtr unvereinbar
sind (BSGE 76, 124, 125 = SozR 3-8100 Art 19 Nr 1; BSGE 80, 119, 122 = SozR 3-1300 § 48 Nr 61; BSGE 84, 22,
26 = SozR aaO). Dieser grundsätzliche Ausschluß gilt für die Anwendbarkeit des § 44 Abs 1 SGB X auf -
möglicherweise - rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte in der ehemaligen DDR nach der
Rechtsprechung des erkennenden Senats in gleicher Weise auch für rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte.
Die Anwendung der insoweit einschlägigen §§ 45, 48 Abs 3 SGB X ist durch Art 19 Satz 2 iVm der Anlage I Kap VIII
Sachgebiet D Abschnitt III Nr 2 EinigVtr mit Wirkung für Zeiträume vor dem 1. Januar 1991 ebenfalls ausgeschlossen
(BSGE 76 aaO; BSGE 80 aaO). Daraus folgt, daß vorbehaltlich der Voraussetzungen des Art 19 Satz 2 EinigVtr die
Aufhebung eines rechtswidrigen nichtbegünstigenden Verwaltungsaktes sowie die Rücknahme eines rechtswidrigen
begünstigenden Verwaltungsaktes ausgeschlossen sind. Die Aufhebung bzw Änderung eines Verwaltungsaktes mit
Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse gemäß § 48 Abs 1 SGB X ist damit nur möglich, wenn die Änderung der
Verhältnisse nach dem 31. Dezember 1990 eingetreten ist. Für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung und
für die Nichtanwendbarkeit des § 44 Abs 1 SGB X hatte dies der 4. Senat des BSG bereits durch Urteil vom 25.
Januar 1994 (- 4 RA 20/92 - SozR 3-1300 § 44 Nr 8) entschieden. Der Rechtsprechung des Senats (BSGE 76, 124,
125 = SozR 3-8100 Art 19 Nr 1; BSGE 80, 119, 122 = SozR 3-1300 § 48 Nr 61; BSGE 84, 22, 26 = SozR aaO) haben
sich inzwischen der 9. Senat des BSG (vgl Beschluss vom 28. Juli 1999 - B 9 VM 4/98 B -; Urteil vom 28. Juni 2000 -
B 9 V 9/99 R - SGb 2000, 547) sowie der 8. Senat des BSG (SozR 3-8100 Art 19 Nr 6 S 26) angeschlossen.
Den gegen diese Auslegung des Art 19 EinigVtr im angefochtenen Urteil vom LSG angeführten Argumenten vermag
sich der Senat nicht anzuschließen. Der Wortlaut der vom LSG zu Art 19 EinigVtr herangezogenen Denkschrift der
Vertragsparteien ist keineswegs zwingend dahin zu verstehen, daß "nur" der Fortbestand der von Behörden der DDR
erlassenen Verwaltungsakte trotz des Wegfalls dieser Behörden gesichert und der ehemaligen DDR rückwirkend das
Rechtssystem der alten Bundesrepublik Deutschland übergestülpt werden sollte. Das widerspräche im übrigen den
allgemeinen Grundsätzen des Inkrafttretens von Gesetzen. Diese erfassen, sofern keine mit dem Rechtsstaatsprinzip
des Art 20 Abs 3 des Grundgesetzes zu vereinbarenden abweichenden Übergangsregelungen geschaffen wurden,
grundsätzlich nur Tatbestände, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes eingetreten sind. Sofern - wie hier - keine
Rückwirkung von Rechtsfolgen angeordnet worden ist, wirkt der zum 1. Januar 1991 in Kraft getretene § 44 Abs 1
SGB X nur für Sachverhalte, die nach seinem Inkrafttreten eintreten (BVerfGE 72, 200, 242; BSGE 62, 191, 195 ff =
SozR 3100 § 1 Nr 39; BSG SozR 3-1300 § 44 Nr 8). Gemäß der Anl 1 Kap VIII Sachgebiet D Abschnitt III Nr 2
EinigVtr sind die Vorschriften des Art 1 und 2 SGB X - und damit auch dessen § 44 - für den Bereich der
Krankenversicherung, Rentenversicherung und Unfallversicherung (erst) ab dem 1. Januar 1991 anzuwenden. Die vor
Inkrafttreten des SGB X liegenden, in der ehemaligen DDR verwirklichten Tatbestände, sind einer Überprüfung im
Rahmen der §§ 44, 45 und 48 Abs 3 SGB X entzogen. Für diese - alten - Tatbestände bietet Art 19 Satz 2 EinigVtr -
entgegen der Auffassung des LSG - nicht zusätzliche, sondern die alleinigen Aufhebungsmöglichkeiten an. Art 19
Satz 3 EinigVtr läßt "im übrigen" nur Raum für die Anwendung der von Art 19 Satz 1 und 2 EinigVtr nicht erfaßten
Vorschriften über die Bestandskraft, konkret § 48 Abs 1 SGB X, in der Zeit nach seinem Inkrafttreten.
Diese Auslegung weicht auch nicht von der Rechtsprechung der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes ab. Das
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat sich in seinem Urteil vom 26. August 1999 (- 3 C 31/98 - Buchholz 111, Art
19 EinigVtr Nr 6) mit der Frage befaßt, ob eine nur unter den Voraussetzungen des Satz 2 des Art 19 EinigVtr
aufhebbare verbindliche Entscheidung eines Rates des Kreises aus dem Jahre 1958 als verbindlich oder als nichtig
und damit unverbindlich zu qualifizieren ist. Nur für die Abgrenzung des rechtswidrigen aber bindenden von dem
offenkundig rechtswidrigen und damit nichtigen und nicht bindenden Verwaltungsakt hat sich das BVerwG auf den in §
43 Abs 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG - (vgl § 39 Abs 3 SGB X) enthaltenen Rechtsgedanken
gestützt, daß ein nichtiger Verwaltungsakt unwirksam und keiner Bestandskraft zugänglich sei. Damit hat es die
gleiche Rechtsauffassung zu Inhalt und Reichweite des Art 19 EinigVtr wie der erkennende Senat vertreten.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 27. Juni 1994 (- VII R 110/93 - BFHE 176, 181) zwar ausgeführt, Art 19
EinigVtr solle nur klarstellen, daß die Wirksamkeit von Verwaltungsakten, die von Behörden der DDR erlassen worden
seien, grundsätzlich nicht mit dem Wegfall der Körperschaft ende, die den Verwaltungsakt erlassen habe, und daß die
Verwaltungsakte der DDR-Behörden keinen erhöhten Bestandsschutz genössen. Diese Ausführungen hat er aber
nicht in tragendem Zusammenhang gemacht. Entscheidungserheblich hat der BFH den angefochtenen Bescheid über
die Nichtigerklärung und Rücknahme einer im Jahr 1990 erfolgten Bestellung zum Steuerberater nicht auf die den §§
44 ff SGB X vergleichbaren verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften der §§ 48 ff VwVfG gestützt, sondern auf
den speziell für die Rückabwicklung von rechtswidrigen Steuerberaterbestellungen in der DDR erst im Jahre 1992
geschaffenen § 46 Abs 1 Satz 2 Alternative 2 des Steuerberatergesetzes abgestellt.
Daß die Voraussetzungen des Art 19 Satz 2 EinigVtr im vorliegenden Fall bezogen auf den Bescheid vom 2.
Dezember 1985 erfüllt sind, ist aufgrund der den Senat gemäß § 163 SGG bindenden tatsächlichen Feststellungen
des LSG nicht anzunehmen. Wie er bereits entschieden hat (BSGE 84, 22, 27 = SozR aaO), ergibt sich ein Verstoß
gegen rechtsstaatliche Grundsätze nicht bereits aus dem Umstand, daß eine Klage gegen die Ablehnungsbescheide
nach DDR-Recht nicht durch Gerichte überprüft werden konnte oder daraus, daß diese Bescheide ggf nach den
damals geltenden DDR-Vorschriften rechtswidrig gewesen sein könnten. Dies würde nämlich bedeuten, daß ggf alle
von den DDR-Behörden erlassenen Verwaltungsakte nach Art 19 Satz 2 EinigVtr aufgehoben werden könnten. Gerade
das sollte aber durch das Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Art 19 Satz 1 und Satz 2 EinigVtr ausgeschlossen
werden. Überdies hat der Senat (aaO) bereits entschieden, daß es keine allgemeingültige Schlußfolgerung
dahingehend gibt, daß ein Verwaltungsakt, selbst wenn er nach den früheren DDR-Vorschriften rechtswidrig sein
sollte, aus diesem Grunde einen so schwerwiegenden Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze darstelle, daß er
nach Art 19 Satz 2 EinigVtr aufgehoben werden müßte (BSGE 84, 22, 27 = SozR aaO). Maßgeblich ist insoweit
lediglich, ob der Verwaltungsakt in der Art seines Zustandekommens oder in seinen Auswirkungen die elementaren
Gerechtigkeitsvorstellungen verletzt, die den Kern des Rechtsstaatsprinzips bilden. Dafür liegen hier keine
Anhaltspunkte vor.
Auch im vorliegenden Fall gelten die weiteren Überlegungen des Urteils (BSGE 84, 22, 27, 28 = SozR aaO). Auch
eine uU zu Unrecht abgelehnte Entschädigung aufgrund einer unzutreffenden Kausalitätsbeurteilung verstößt nicht
gegen rechtsstaatliche Grundsätze. Insbesondere der Grundsatz der Menschenwürde und das Sozialstaatsprinzip
bleiben auch gewahrt, da die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers (Unterschenkelamputation) von seiner
Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung aufgefangen werden. Wie der Senat ebenfalls bereits
entschieden hat (aaO), war Sinn und Zweck der Regelung des Art 19 EinigVtr neben der Zusammenführung beider
Rechtssysteme die Schaffung von Rechtssicherheit, Rechtseindeutigkeit und Rechtsfrieden. Selbst einzelne
Verstöße gegen das ehemalige DDR-Unfallversicherungsrecht oder Verfahrensfehler rechtfertigen keine Aufhebung
der erlassenen Verwaltungsakte, hier des Bescheides vom 2. Dezember 1985. Konkrete Anhaltspunkte für eine rein
willkürliche und deshalb rechtsstaatlich unbeachtliche Entscheidung liegen im vorliegenden Falle nicht vor. Dies
belegt eindrucksvoll die - zwar in Verkennung der verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundlagen getroffene -
Sachentscheidung der Beklagten. Diese hat die Ansprüche des Klägers unter Berücksichtigung der geltenden
Grundsätze der gesetzlichen Unfallversicherung geprüft und abgelehnt und damit in gleicher Weise und mit ähnlicher
Begründung wie in dem ursprünglichen Bescheid vom 2. Dezember 1985 entschieden.
Nach alledem war das angefochtene Urteil des LSG somit aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil
des SG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.