Urteil des BPatG vom 11.12.2015
Stand der Technik, Patentanspruch, Vorbenutzung, Firma
BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
14 W (pat) 34/09
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
11. Dezember 2015
…
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 102 32 997
…
- 2 -
…
2. MIWE Michael Wenz GmbH, 97450 Arnstein,
Einsprechende 2 und Beschwerdegegnerin 2,
Verfahrensbevollmächtigte: Patentanwälte FREISCHEM, Salierring 47-53,
50677 Köln
hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündlichen Verhandlungen vom 2. Dezember 2014 und 11. Dezember 2015
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Maksymiw, des Richters Schell,
der Richterin Dr. Münzberg und des Richters Dr. Jäger
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 10. Juli 2009 hat die Patentabteilung 23
des Deutschen Patent- und Markenamtes das Patent 102 32 997 mit der
Bezeichnung
"Backofen mit hoher Kapazität"
widerrufen.
- 3 -
Dem Beschluss liegen die Patentansprüche 1 bis 13 gemäß Hauptantrag vom
30. März 2009 bzw. gemäß Hilfsantrag vom 26. Juni 2009 zugrunde, von denen
Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag wie folgt lautet:
und Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag gegenüber Patentanspruch 1 gemäß
Hauptantrag zusätzlich im Merkmal d) die Maßgabe aufweist, dass
"die jeweils zur Aufnahme von Backblechen (130) der Größe von
60 cm x 80 cm oder 60 cm x 100 cm geeignet sind".
Der Widerruf wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Gegenstände des
Patentanspruchs 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag gegenüber einer Zusam-
menschau der Entgegenhaltungen
"
E
„1.
"
- 4 -
M1 D·B·Z (Deutsche Bäckerzeitung) 8/98, S. 9 und
D4 DE 198 20 279 A1
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten. Aus M1 sei ein Backofensystem
bekannt, von dem sich der Streitgegenstand nur dadurch unterscheide, dass mehr
als zwei Rollwägen aufgenommen und die Rollwägen automatisch oder halb-
automatisch ein- oder ausgefahren würden. Dazu lehre M1, dass Stikkenöfen
üblicherweise mit drei bis vier Stikkenwagen beschickt würden. Daraus werde für
den Fachmann ohne weiteres die Möglichkeit einer Erhöhung der Backkapazität
eines Backofensystems durch Erhöhung der Anzahl der Rollwägen ersichtlich.
Durch die Erhöhung der Rollwagenanzahl werde es zur Vermeidung der damit
verbundenen erhöhten Verletzungsgefahr zwingend erforderlich, das Ein- und
Ausfahren der Rollwägen automatisch oder halbautomatisch, wie es beispiels-
weise in der D4 gelehrt werde, auszugestalten.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin.
Sie verteidigt ihr Patent mit den jeweiligen Patentansprüchen 1 bis 13 gemäß
Haupt- und Hilfsantrag 1 vom 13. Februar 2012, den jeweiligen Patentan-
sprüchen 1 bis 13 nach Hilfsanträgen 2 und 3 vom 24. November 2014, den
Patentansprüchen 1 bis 13 gemäß Hilfsantrag 4 vom 2. Dezember 2014 und den
Patentansprüchen 1 bis 13 nach Hilfsantrag 5 vom 11. Dezember 2015.
- 5 -
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
Im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 wird im Merkmal d) des Patent-
anspruchs 1 nach Hauptantrag zusätzlich beansprucht, dass die Rollwägen
"jeweils zur Aufnahme von Backblechen (130) der Größe 60 cm x 80 cm oder
60 cm x 100 cm geeignet sind.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Patentan-
spruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass im Merkmal f) das Wort "und" durch
das Wort "oder" ersetzt worden ist.
Dieselbe Änderung im Merkmal f) ist im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3
gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 erfolgt.
"
"
- 6 -
Im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 ist im Merkmal f) des Patentanspruchs 1
gemäß Hilfsantrag 3 zusätzlich die Formulierung "wodurch der Bediener des
Ofens von der körperlich anstrengenden Tätigkeit des Einbringens und Her-
ausziehens der Rollwagen entlastet wird" eingefügt worden.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 unterscheidet sich vom Patentan-
spruch 1 nach Hilfsantrag 4 dadurch, dass im Merkmal d) die Backbleche zur
Aufnahme in den Backraum auf Backbleche der Größe von 60 cm x 100 cm
beschränkt worden ist.
Zum Wortlaut der auf den jeweiligen Patentanspruch 1 rückbezogenen
Patentansprüche 2 bis 13 gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 5 wird auf
den Akteninhalt verwiesen.
Die Patentinhaberin trägt zur Begründung der Beschwerde vor, der Gegenstand
des Patentanspruchs 1 gemäß geltenden Haupt- und Hilfsanträgen 1 bis 5 beruhe
auch gegenüber den Entgegenhaltungen M1 und D4 auf einer erfinderischen
Tätigkeit. Der Stand der Technik liefere keine Anregungen, die Backkapazität im
Backraum eines Wagenofens und die darin befindlichen Radiatoren so zu
vergrößern, dass der Wagenofen mehr als zwei Rollwagen aufnehmen könne.
Desweiteren gebe es keine Hinweise darauf, die Kapazitätserweiterung dadurch
möglich zu machen, dass die Rollwagen automatisch oder halbautomatisch in den
Backofen ein- und ausgefahren würden, um dadurch überhaupt erst schwere
Backwagenzüge handhabbar zu machen und zugleich ein schnelles, effizientes
und sicheres Be- und Entladen zu ermöglichen. Insbesondere könne die D4 nicht
zum Streitgegenstand führen, da die dort verwendete Fördervorrichtung aus-
schließlich der individuellen Förderung einzelner Stikkenwagen in einer Richtung
durch eine gattungsfremde Durchlauf-Kälteanlage diene.
Desweiteren bestreitet die Patentinhaberin die von der Einsprechenden 2 geltend
gemachte Vorbenutzung und trägt vor, die Einsprechende 2 habe weder die
- 7 -
öffentliche Zugänglichkeit der fraglichen Backanlagen noch den weit über 10 Jahre
zurückliegenden Installationszeitpunkt des vermeintlich vorbenutzten Gegen-
stands hinreichend belegen können. Außerdem müsse davon ausgegangen
werden, dass die Mitarbeiter von Anlageherstellern und Montagefirmen zumindest
implizit zur Verschwiegenheit verpflichtet seien. Eine Pflicht zur Verschwiegenheit
ergebe sich auch aus dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und
Lieferant bzw. Monteur. Unabhängig davon ergebe aber ein Vergleich des
patentgemäßen Gegenstands mit dem angeblich vorbenutzten Gegenstand, dass
dieser keine Lösung des dem Streitpatent zugrundeliegenden Problems liefere,
nämlich die gewünschte Vergrößerung der Backfläche. Zudem zeigten die
angeblichen Vorbenutzungen kein automatisches oder halbautomatisches Ein-
und Ausfahren der Backwagen.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag,
den
angefochtenen
Beschluss
der
Patentabteilung
vom
10. Juli 2009 aufzuheben und das Patent im Umfang des
Hauptantrags vom 13. Februar 2012 aufrechtzuerhalten,
hilfsweise im Umfang des Hilfsantrags 1 vom 13. Februar 2012,
weiter hilfsweise im Umfang eines der Hilfsanträge 2 und 3 vom
24. November 2014,
weiter hilfsweise im Umfang des Hilfsantrags 4 vom 2. Dezem-
ber 2014,
weiter hilfsweise im Umfang des Hilfsantrags 5 vom 11. Dezem-
ber 2015,
und die Einsprüche im Übrigen zurückzuweisen.
- 8 -
Zudem regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an, zur Frage der Beweis-
und Darlegungslast hinsichtlich der Feststellung des Zeitpunkts einer erfolgten
offenkundigen Vorbenutzung.
Die Einsprechenden stellen den Antrag,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Einsprechende 1 hält die geltenden Patentansprüche 1 nach Haupt- und
Hilfsantrag 1 für unzulässig erweitert sowohl gegenüber den Ursprungsunterlagen
als auch gegenüber dem erteilten Gegenstand. Denn ursprünglich offenbart und in
der Patentschrift erteilt sei lediglich, dass die Rollwagen automatisch oder
halbautomatisch in den Backraum ein- oder ausgefahren werden, aber nicht dass
sie ein- und ausgefahren werden. Beide Einsprechende sehen zudem die
Patentfähigkeit des Streitgegenstands wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit
als nicht gegeben an. Die Möglichkeit der Verwendung von mehr als zwei
Rollwagen sei bereits aus dem Stand der Technik gemäß M1 oder
Anlage A1 Firmenschrift Daub Hamburg: "Thermo-Roll
– Der
Etagenofen für rollende Beschickung", Franz Daub u.
Söhne
Backofenbau,
Randstr. 1
bis 5,
2000
Hamburg, 4 S., ohne Veröffentlichungsdatum
bekannt, und der automatische oder halbautomatische Transport von Rollwagen
sei bei der rollenden Produktion von Backwaren grundsätzlich bekannt, wie die D4
lehre. Daher lägen die patentgemäßen Merkmale nahe. Auch das zusätzliche
Merkmal der standardisierten Backblechgrößen sei im Stand der Technik offen-
bart. Schließlich sei der Streitgegenstand hinsichtlich des Merkmals f) nicht
nacharbeitbar bzw. ausführbar, da die Streitpatentschrift keine Definition für ein
automatisches Ein- oder Ausfahren der Rollwagen aus dem Backraum enthalte.
- 9 -
Die Einsprechende 2 verweist weiterhin u. a. auf die
D5 DE 195 39 856 C2.
Zudem stützt die Einsprechende 2 ihren Vortrag zur fehlenden Patentfähigkeit auf
zwei ihrer Ansicht nach offenkundig vorbenutzte Backanlagen vom Typ
"THERMO-ROLL" der Firma D
…. Hierzu hat sie eidesstattliche Versicherungen
der Zeugen D
… vom 4. Mai 2015 und Z… vom 30. April 2015
sowie folgende Unterlagen eingereicht:
Anlage M4 "Offenkundige Vorbenutzung", 8 Seiten, davon 6 Sei-
ten Fotoaufnahmen
Anlage M5 Fa. Daub Hamburg GmbH, Aufstellungszeichnung
für Projekt "Birds of Derby", Zeichnungsnr. 100154-
000-00-1.1, Rev.1 vom 23. Oktober 2001
Anlage M6 Vergrößerung des dargestellten Backwagenzugs aus
Anlage 5
Die Offenkundigkeit der angeführten Vorbenutzung sei durch die Anlagen M4 bis
M6 sowie durch die eidesstaatlichen Versicherungen der Zeugen D
… und
Z
… belegt. Durch die offenkundige Vorbenutzung sei ein Backofensystem mit
den Merkmalen a) bis e) vorweggenommen. Das gegenüber dem streitpa-
tentgemäßen Backofensystem fehlende Merkmal f) sei in der beanspruchten
Allgemeinheit bekannt, da das Streitpatent keine Definition der Begriffe
"automatisch" und "halbautomatisch" enthalte. Zudem werde der hintere
Backwagen, wie auch durch die Anlagen A1 und
Anlage A3
"Verkaufserfolg für den Mischling", BÄKO-magazin,
Offizielles Organ der Wirtschaftsorganisation des
Bäcker- und Konditorenhandwerks, 4/91, 2 Seiten
- 10 -
beschrieben, wegen der Kupplung an den davor positionierten Backwagen
automatisch und damit streitpatentgemäß herausgezogen.
Darüber hinaus hat sie zum Nachweis der behaupteten offenkundigen Vor-
benutzung Zeugenbeweis angeboten.
Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 16. Juli 2015 in der mündlichen
Verhandlung vom 11. Dezember 2015 durch uneidliche Vernehmung der Zeugen
D
… und Z… Beweis erhoben. Die Zeugen haben während der
Vernehmung zur Stützung ihrer Aussagen folgende Dokumente vorgelegt:
Anlage Z1
Daub Hamburg GmbH, Protokoll der Projekt-
besprechung vom 10. August 2001 zum Projekt:
Birds of Derby
– Projekt-Nr. 100 154
Anlage Z2
Ahlborn, Maßzeichnung "Thermo-Roll 10 Eta-
gen - Sonder: Backblechmaß 458x762", Verwendung
Daub/Birds of Derby, 14. September 2001
Anlage Z3
Bestellung der Fa. Daub Hamburg GmbH, Bestellung
Nr. 26459-00/70104 vom 24. September 2001,
Schreiben der Fa. Karl Ahlborn Maschinenfabrik KG
an die Fa. Daub Hamburg GmbH vom 12. Oktober
2001,
Karl Ahlborn Maschinenfabrik KG, Lieferschein
Nr. 10039 vom 12. Oktober 2001,
Karl Ahlborn Maschinenfabrik KG, Lieferschein
Nr. 10058 vom 19. Oktober 2001
Anlage Z4
3 Schreiben der Fa. Parchim Backofenbau GmbH an
die Fa. Daub Hamburg GmbH jeweils vom 27. Au-
gust 2001 betreffend Auftragsbestätigungen für
Bestell-Nr.:
26040-00/71374,
25946-00/71374,
25944-00/71374
- 11 -
Fa. Daub Hamburg GmbH, "Thermo-Roll Typ:
RETO", Druckdatum 30. Oktober 2001, 2 Seiten,
Fa. Daub Hamburg GmbH, "Thermo-Roll Typ:
RDTO", Druckdatum 30. Oktober 2001, 2 Seiten
Anlage Z5
Fa. Daub Hamburg GmbH, Maßzeichnung "Thermo-
Roll-Sonderausführung", 14. August 2001
Anlage Z6
Fotografie "Daub Thermo-Roll", ohne Datum
Anlage Z7
Fax-Message von A. Correia, Daub Hamburg GmbH,
an H. Barber, Fa. Benier UK vom 5. Oktober 2001,
3 Seiten einschließlich zwei Anlagen
Zu den Einzelheiten der Zeugeneinvernahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom
11. Dezember 2015 verwiesen sowie wegen der weiteren Einzelheiten auf den
Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne
Erfolg.
1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der gemäß Hauptantrag und
Hilfsanträgen 1 bis 5 verteidigten Fassungen des Streitpatents erweist sich als
nicht patentfähig. Dabei kann es dahinstehen, ob insbesondere die Gegenstände
der Patentansprüche 1 nach Haupt- und Hilfsantrag 1 unzulässig erweitert bzw.
ausführbar offenbart sind. Denn der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in den
verteidigten Fassungen beruht jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
2. Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, ein Backofensystem bereit-
zustellen, welches einerseits eine im Vergleich zum Stand der Technik ver-
größerte Backfläche aufweist und andererseits eine effiziente Be- und Entladung
- 12 -
des Ofensystems bei verminderter Verletzungsgefahr der Bedienperson erlaubt
(vgl. Streitpatent S. 2/11 und 3/11 Abs. [0009]). Dazu gibt das Streitpatent eine
nutzbare Backfläche pro Wagenofen von 10 bis 12 m
2
als üblich im Stand der
Technik an (vgl. Streitpatent, S. 2/11 Abs. [0007]).
Gelöst wird diese Aufgabe durch ein Backofensystem gemäß Patentanspruch 1
nach Hauptantrag mit den Merkmalen:
1
Backofensystem (1), insbesondere zur gewerblichen Anwendung,
aufweisend.
2
einen Wagenofen (10) mit einem Backraum (20) zur Aufnahme von
Rollwagen (100, 110, 120).
3
mindestens einen Rollwagen (100, 110, 120) zur etagenartigen Auf-
nahme von Backblechen (130) oder Backformen, wobei die Back-
bleche (130) oder Backformen Backwaren (150) aufnehmen können.
4
einen oder mehrere beheizbare Radiatoren (200), die im Wesent-
lichen horizontal in den Backraum (20) hineinragen.
5
der Backraum (20) und die Radiatoren (200) so bereitgestellt
werden, dass der Backraum (20) mehr als zwei Rollwagen (100, 110,
120) aufnehmen kann.
6
die Rollwagen (100, 110, 120) mittels einer Kupplung (140) aneinan-
dergekuppelt werden können.
7
die Rollwagen (100, 110, 120) automatisch oder halbautomatisch in
den Backraum (20) ein- und ausgefahren werden.
3. Unter dem Vorrichtungsmerkmal "automatisches oder halbautomatischen Ein-
und Ausfahren" im Merkmal 7 versteht der Fachmann, ein Diplomingenieur des
Maschinenbaus mit Spezialkenntnissen und mehrjähriger Berufserfahrung auf
dem Gebiet des Bäckereiofenbaus, insbesondere des Wagenofenbaus, eine die
manuelle Beförderung von Backwagen in und aus den Wagenofen ersetzende
Tätigkeit, durch die der Bediener des Ofens von der körperlich anstrengenden
- 13 -
Tätigkeit des Einfahrens und Herausziehens der Rollwagen entlastet wird und
zugleich das Verbrennungsrisiko für den Bediener sinkt (vgl. Streitpatentschrift
S. 3/11 Abs. [0020]).
Der Fachmann interpretiert das Merkmal daher nicht als ein aufgrund der
Kupplung der Rollwagen "automatisches" Herausziehen der hinteren Rollwagen,
wenn der vordere Rollwagen manuell aus dem Wagenofen gezogen wird, da somit
weder der Bediener körperlich entlastet wird noch für ihn das Verbrennungsrisiko
sinkt.
4. Die Einsprechende 2 hat eine offenkundige Vorbenutzung des erfindungs-
gemäßen Gegenstands durch die Lieferung, Montage und Inbetriebnahme von
zwei Backanlagen des Typs „THERMO-ROLL“ der Firma D… an die britische
Firma B
… im November 2001 angeführt.
Voraussetzung für die offenkundige Vorbenutzung einer technischen Lehre ist es,
dass diese der Öffentlichkeit durch die Benutzungshandlung zugänglich gemacht
worden ist. Dies setzt sowohl die Zugänglichkeit der Informationsquelle als auch
die Zugänglichkeit der technischen Informationen voraus, die sich aus dieser
Quelle gewinnen lassen (vgl. BGH GRUR 1997, 892, 894 - Leiterplattennutzen),
d.h. die maßgebliche technische Lehre muss anhand der Benutzung objektiv
erkennbar sein, ohne dass es für den Fachmann insoweit weiterer Erläuterungen
bedarf (vgl. BGH GRUR 1996, 747, 752 - Lichtbogen-Plasma-Beschichtungs-
system; sowie Benkard/Melullis, PatG, 11. Aufl., § 3 Rdn. 125; Schulte/Moufang,
PatG, 9. Aufl., § 3 Rdn. 32 und 51). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann
bereits eine einzige, ohne Geheimhaltungsvereinbarung erfolgte Lieferung eines
entsprechenden Gegenstandes ausreichen, um den Tatbestand der offenkundigen
Vorbenutzung zu erfüllen (vgl. BGH GRUR 1999, 976, 977, dort unter
4a) - Anschraubscharnier; sowie Benkard/Melullis, PatG, 11. Aufl., § 3 Rdn. 133).
- 14 -
In seiner Vernehmung hat der Zeuge D
… ausgesagt, dass er am 13. No-
vember 2001 als Monteur der Firma D
… GmbH in Anwesenheit eines
Kollegen der Firma B
… letzte Montagearbeiten und dann die Inbe
triebnahme einer Anlage bei der Firma B
… in E… durchgeführt
habe, ohne dass er vor Durchführung seines Auftrags über etwaige Ver-
traulichkeitsvereinbarungen instruiert worden sei. Eine Besonderheit der fraglichen
Anlage sei dabei insbesondere das Ofenformat gewesen, das zur Aufnahme von
jeweils drei Backwagen ausgelegt gewesen wäre. Nach der Inbetriebnahme habe
er dann noch die Einweisung in die Anlage vorgenommen, insbesondere unter
Berücksichtigung der Besonderheiten hinsichtlich der Kopplung der drei Back-
wagen. Im Hinblick auf die Tatsache, dass die fraglichen Vorgänge bereits über
14 Jahre zurückliegen, hat der Zeuge erklärt, er habe damals die Gelegenheit
genutzt, am Abend des fraglichen Tages ein Nachwuchs-Fußball-Länderspiel
zwischen England und den Niederlanden im Stadion von D
… zu
besuchen. Dort habe er für seinen Sohn ein Trikot gekauft, weshalb er sich an das
Spiel gut erinnern könne. Zur Vorbereitung seiner Aussage habe er dann im
Internet recherchiert und so ermitteln können, dass dieses Spiel am 13. No-
vember 2001 stattgefunden habe. Ergänzend hat der Zeuge im Verlauf seiner
Aussage Kopien von Bestellung, Lieferscheinen, Schreiben der Firmen P
…
GmbH und D
… GmbH, Auftragsbestätigung und
Maßzeichnungen sowie Fotografien des Backwagensystems "D
… - "
vorgelegt, die als Anlagen zum Protokoll genommen wurden (vgl. Anlagen Z1
bis Z6).
Der Zeuge Z
… hat in seiner Vernehmung ausgesagt, dass er als Projektleiter der
Firma D
… GmbH mit der Abwicklung des betreffenden Vertrags
beauftragt gewesen sei, bei dem es um die Lieferung, Montage und Inbe-
triebnahme von mehreren Backöfen des Typs "THERMO-ROLL" mit jeweils drei
Backwagen an die Firma B
… in E… gehandelt habe, der über die
Firma B
…, der eigentlichen Auftraggeberin, abgewickelt worden sei. Aus
dem fraglichen Vertrag vom 31. Juli 2001 ergebe sich für ihn, dass die Backanlage
- 15 -
im Bereich Oktober, November 2001 ausgeliefert worden sei. Hinsichtlich etwaiger
Verzögerungen ließe sich den Akten nichts entnehmen. Für die Abwicklung des
Auftrages seien zu keinem Zeitpunkt Geheimhaltungspflichten vereinbart worden.
Während seiner Tätigkeit für die Firma D
… GmbH habe es in der
gesamten Zeit überhaupt nur einen einzigen Fall einer Vertraulichkeitsverein-
barung gegeben, und dabei habe es sich nicht um den hier maßgeblichen Auftrag
gehandelt. Auch in den Akten finde sich keine Geheimhaltungsvereinbarung, was
aber der Fall sein müsse, wenn sie für diesen vereinbart worden wäre.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest,
dass der Gegenstand der von der Einsprechenden behaupteten Vorbenutzung,
wie er durch die Fotos gemäß Anlage M4 zum Einspruchsschriftsatz der Ein-
sprechenden 2 vom 28. August 2008 und die Aufstellungszeichnung gemäß
Anlage M5 zum Beschwerdeschriftsatz der Einsprechenden 2 vom 30. März 2015
dokumentiert ist und durch die Aussagen der Zeugen D
… und Z…
geschildert wurde, seit dem 13. November 2001 und damit bereits mehrere
Monate vor dem Anmeldetag des Streitpatents bei der Firma B
…
betriebsfertig installiert war. Darüber hinaus hat die Beweisaufnahme ergeben,
dass die Lieferung der fraglichen Backanlagen vom Typ „THEMO ROLL" ohne
jegliche Geheimhaltungsvereinbarungen erfolgt ist. Insoweit sind insbesondere die
glaubwürdigen und unzweideutigen Aussagen der beiden Zeugen zu berücksich-
tigen. Auch aus den sonst ersichtlichen Umständen zu der fraglichen Bestellung
bzw. Lieferung ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für ein gegenseitiges
Interesse der Vertragsparteien an einer Geheimhaltung bzw. für eine implizite
Verschwiegenheitspflicht der an der Vertragsabwicklung beteiligten Mitarbeiter.
Soweit die Patentinhaberin in diesem Zusammenhang vorgetragen hat, Mitarbeiter
von Anlageherstellern und Montagefirmen seien generell bereits aus arbeits-
rechtlichen Aspekten zur Verschwiegenheit verpflichtet, hat dies weder die
Zeugeneinvernahme bestätigt noch hat die Patentinhaberin sonstige Belege für
ihre Behauptung vorgelegt.
- 16 -
Bei dieser Sachlage ist die Kenntnis von der Erfindung mit der Lieferung der
Öffentlichkeit preisgegeben und die jedenfalls nicht fernliegende Möglichkeit
geschaffen worden, dass beliebige Dritte von ihr Kenntnis nehmen können (vgl.
BGH GRUR 1996, 747, 752 - Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem). So ist im
vorliegenden Fall davon auszugehen, dass der Gegenstand der Vorbenutzung
außer Mitarbeitern der drei an dem Auftrag bzw. der Lieferung beteiligten
Vertragsparteien D
… GmbH, B… und B… of D… weiteren
fachkundigen Dritten, wie bspw. Mitarbeitern von Wartungsfirmen, zugänglich
gewesen ist. Auch die Patentinhaberin hat keine konkreten Anhaltspunkte be-
nannt, die für einen gegenteiligen Geschehensablauf sprechen könnten. Soweit
sie den Zeitpunkt bzw. die Offenkundigkeit der Benutzungshandlungen ganz
allgemein in Frage gestellt hat, ist sie die erforderlichen Belege für ihre
Behauptung schuldig geblieben.
5. Die demnach offenkundig vorbenutzten und damit zum Stand der Technik
zählenden Backanlagen weisen die Merkmale 1 bis 6 des Patentanspruchs 1
gemäß Hauptantrag auf. So zeigen die Fotoaufnahmen der offenkundigen Vor-
benutzung bei der Fa. B
… of D… gemäß Anlage M4 ein Backofensystem der
Fa. D
… vom Typ "THERMO-ROLL" mit der Bezeichnung RETO - SX08
Nr. 100154 aus dem Jahr 2001 (vgl. Anlage M4 Abb. 1, 2a und 2b i. V. m. S. 2/8
Z. 4; vgl. Anlage M5 rechts unten). Bei dem Backofensystem "THERMO-ROLL" für
die Fa. B
… of D… handelt es sich um einen Thermoöl-Radiatorenofen mit
mehreren in den Backraum hineinragenden Radiatoren (vgl. Anlage M4 Abb. 5
bis 7 und 14; vgl. Anlage Z1 Tab. Z. 104, 107; vgl. Anlage Z7 S. 2 Tab. Z. 15),
wobei der Backraum zur Aufnahme von drei aneinander gekuppelten Rollwagen
bestimmt ist (vgl. Anlage M4 Abb. 6, 7, 12 und 13, vgl. Anlage M5, M6 und Z1
Tab. Z. 103). Somit ist lediglich das Merkmal 7 betreffend das automatische oder
halbautomatische Ein- und Ausfahren der Rollwagen in den Backraum der
offenkundigen Vorbenutzung gemäß Anlage M4 nicht explizit zu entnehmen. Der
Fachmann zieht eine Automatisierung zur Lösung der streitpatentgemäßen Auf-
gabe schon wegen der Verbesserung der Sicherheit für das Bedienpersonal in
- 17 -
Betracht. Denn bei Vorrichtungen, die mit hohen oder tiefen Temperaturen
arbeiten, liegt die Automatisierung der Beschickung immer im Blickfeld des
Fachmanns (vgl. D4 Patentanspruch 1, Fig. 1, Sp. 1 Z. 3 bis 15 und Sp. 3 Z. 22
bis 26; vgl. D5 Patentanspruch 1 und Fig. 2). Damit gehört die Automatisierung als
ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes
Mittel ihrer Art nach zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen
Ingenieurs. Es besteht somit Veranlassung zu ihrer Heranziehung, zumal sich die
Nutzung ihrer Funktionalität in dem zu beurteilenden Zusammenhang als objektiv
zweckmäßig darstellt und keine besonderen Umstände feststellbar sind, die eine
Anwendung aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden
oder sonst untunlich erscheinen lassen (vgl. BGH GRUR 2014, 647 Ls. - Farb-
versorgungssystem). Somit beruht das Backofensystem gemäß Patentanspruch 1
des Hauptantrags gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung, dokumentiert
durch Anlagen M4 bis M6 und Z1 bis Z7, in Zusammenschau mit dem allgemeinen
Fachwissen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Argumentation, dass mit dem patentgemäßen Backofen eine Vergrößerung
der Backfläche über die im Stand der Technik bekannte Backfläche hinaus
erreicht werde, welche vom Backofensystem gemäß der geltend gemachten
Vorbenutzung aufgrund der Probleme bei der Handhabbarkeit der Rollwagen mit
vergrößerter Backfläche nicht nahe gelegt werde, kann nicht durchgreifen, weil im
Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag die Backflächengröße in keinster Form
definiert ist und daher eine Vergrößerung oder Verkleinerung gegenüber dem
Stand der Technik auch nicht festzustellen ist. Die Vergrößerung kann daher nur
auf die beanspruchte Anzahl der Rollwagen auf mehr als 2 gemäß Merkmal 5
bezogen werden. Ein Einsatz von mehr als 2 Rollwagen war jedoch naheliegend.
Die nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 13 gemäß Hauptantrag teilen das
Schicksal des Patentanspruchs 1 (vgl. BGH, GRUR 2007, 862 - Informa-
tionsübermittlungsverfahren II; BGH, GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicher-
heizgerät; BPatG GRUR 2009, 46 - Ionenaustauschverfahren).
- 18 -
6. Das streitpatentgemäße Backofensystem ist auch in den Fassungen gemäß
den Hilfsanträgen 1 bis 5 mangels Beruhen auf erfinderischer Tätigkeit nicht
patentfähig.
6.1.
Der Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet
sich vom Gegenstand nach Patentanspruch 1 des Hauptantrags nur dadurch,
dass im Merkmal 5 die Rollwagen durch folgendes Merkmal präzisiert werden:
5.1
die jeweils zur Aufnahme von Backblechen (130) der Größe
von 60 cm x 80 cm oder 60 cm x 100 cm geeignet sind
Bei den nunmehr beanspruchten Backblechgrößen handelt es sich um für die
Beschickung von Wagenöfen übliche Euro-Bleche, die aufgrund ihrer Normierung
die im Patentanspruch 1 angegebenen Größen aufweisen (vgl. M1 mi. Sp.
le. Abs.; M3 le. S. Tab. Spalte "Blechgrößen"). Diese Euro-Bleche bei der Lösung
der streitpatentgemäßen Aufgabe zu berücksichtigen, lag nicht nur aus Gründen
der Verfügbarkeit sondern auch aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nahe. Denn
zum einen sind diese problemlos verfügbar und müssen nicht als Sonder-
anfertigung gefertigt werden. Zum anderen sind sie wegen der guten Verfügbarkeit
und der Vermeidung von Sonderanfertigung auch günstiger in der Beschaffung
und damit wirtschaftlicher. Der Fachmann hatte somit eine mit einer hinreichenden
Erfolgserwartung versehene Veranlassung, diese Euro-Bleche mit den bean-
spruchten Abmaßen zur Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe zu berück-
sichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2013 - X ZR 141/10, juris Rn. 30). Das
Merkmal 5.1 kann somit nicht das Beruhen des Streitgegenstands auf erfinde-
rischer Tätigkeit begründen.
6.2.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Pa-
tentanspruch 1 nach Hauptantrag ebenso wie Patentanspruch 1 gemäß Hilfs-
antrag 3 vom Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lediglich durch den Ersatz der
Formulierung "ein- und ausgefahren" durch die Formulierung "ein- oder
- 19 -
ausgefahren" im Merkmal 7. Da aber der Fachmann auch bei der Formulierung
"ein- und ausgefahren" im Hauptantrag und Hilfsantrag 1 ein Ein- oder Ausfahren
der Rollwagen versteht, weil ein gleichzeitiges Ein- und Ausfahren weder
zweckmäßig noch technisch möglich ist und in der Beschreibung der
Streitpatentschrift auch die Formulierung mit "oder" offenbart ist
(vgl. Streitpatent S. 3/11 Abs. [0020]), wird durch die Formulierung in den
Hilfsanträgen 2 und 3 dem Streitgegenstand gemäß Haupt- bzw. Hilfsantrag 1
sachlich nichts hinzugefügt. Es gelten daher für die jeweiligen Patentansprüche 1
nach den Hilfsanträgen 2 und 3 dieselben Argumentationen, so dass auch der
Streitgegenstand in den Fassungen gemäß Hilfsantrag 2 und 3 aus der offen-
kundigen Vorbenutzung in Kombination mit dem Fachwissen nahe gelegt ist.
6.3.
Im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 wurde der Patentanspruch 1 in
der Fassung des Hilfsantrags 3 im Merkmal 7 zusätzlich durch folgendes Merkmal
ergänzt:
7.1
wodurch der Bediener des Ofens von der körperlich an-
strengenden Tätigkeit des Einbringens und Herausholens
der Rollwagen entlastet wird.
Das Merkmal 7.1 präzisiert lediglich das im Merkmal 7 beanspruchte Vor-
richtungsmerkmal "automatisches oder halbautomatisches Ein- oder Ausfahren
der Rollwagen" in Form einer Zweckangabe. Gemäß der Beschreibung in der
Streitpatentschrift wird durch das automatische oder halbautomatische Ein- oder
Ausfahren der Rollwagen in den Backraum eine Entlastung des Bedieners des
Ofens von der körperlich anstrengenden Tätigkeit des Einbringens und Her-
ausziehens der Rollwagen bewirkt (vgl. Streitpatentschrift S. 3/11 Abs. [0020]). Da
somit Merkmal 7.1 nur die Zuschreibung einer Wirkung, die durch das Merkmal 7
eintreten soll, jedoch keine zusätzlichen Anforderungen an die räumlich-kör-
perliche oder funktionale Ausgestaltung des automatischen oder halbauto-
matischen Ein- oder Ausfahrens der Rollwagen enthält (vgl. BGH GRUR 2010,
- 20 -
916, 918 Rn. [14] - Klammernahtgerät), beinhaltet auch der Patentanspruch 1
gemäß Hilfsantrag 4 wie der nach Hilfsantrag 3 keinen anderen Gegenstand als
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1, so dass Patentanspruch 1 nach Hilfsan-
trag 4 aus denselben Gründen nahe gelegt und damit nicht patentfähig ist.
6.4. Hilfsantrag 5
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 5 unterscheidet sich
vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 4 dadurch, dass
nunmehr im Merkmal 5.1 nur noch Backbleche der Größe von 60 cm x 100 cm
angegeben sind. Dabei handelt es sich aber weiterhin um normierte Euro-
Backbleche (vgl. M3 le. S. Tab. Spalte "Blechgrößen"), so dass auch für den
Streitgegenstand in dieser Fassung dieselben Argumente gelten wie für die
Gegenstände der Patentansprüche 1 der vorhergehenden Anträge.
Der Einwand der Patentinhaberin, dass mit dem konkretisierten Merkmal 5.1
gemäß Hilfsantrag 5 die Obergrenze der Backkapazität von 12 m
2
für Wagenöfen
aus dem Stand der Technik (vgl. Streitpatent S. 2/11 Abs. [0007]), die im Übrigen
auch für den geltend gemachten vorbenutzten Wagenofen Birds of Derby gelte,
überwunden werde, kann auch im Zusammenhang mit dem Hilfsantrag 5 nicht
überzeugen. Denn die Backkapazität ist weder beansprucht noch ergibt sich diese
zwangsläufig aus der Backblechgröße, da auch Rollwagen mit einer anderen
Etagenanzahl als die im Abs. [0007] der Streitpatentschrift angegebenen 10
Etagen verwendet werden, wie sich beispielsweise aus den Angaben der zu
Backfläche, Blechgrößen und Backplattenzahl in der Wagenöfen-Übersicht der M3
ergibt (vgl. M3 S. 18 Tab.).
6.5. Die jeweils nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 13 gemäß den Hilfs-
anträgen 1 bis 4 teilen das Schicksal des jeweiligen Patentanspruchs 1 nach den
Hilfsanträgen 1 bis 4 (vgl. BGH, GRUR 2007, 862 - Informationsübermittlungs-
- 21 -
verfahren II; BGH, GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät; BPatG
GRUR 2009, 46 - Ionenaustauschverfahren).
Die Patentinhaberin hat keine Gründe geltend gemacht, dass die Merkmale der
nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 13 gemäß Hilfsantrag 5 das Beruhen des
Streitgegenstands auf erfinderischer Tätigkeit begründen könnten. Auch nach
Ansicht des Senats werden darin lediglich einfache und fachübliche bauliche
Maßnahmen vorgeschlagen, die zudem großteils im Stand der Technik vorbe-
schrieben sind (vgl. Anlage M4 Abb. 8 und Abb. 14 sowie M1 li. Sp. Abs. 3 und
re. Sp. vorle. Abs.). Die Patentansprüche 2 bis 13 gemäß Hilfsantrag 5 teilen
daher das Schicksal des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 5.
III.
Die von der Anmelderin angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht
veranlasst, da keine der Voraussetzungen des § 100 Abs. 2, Nr. 1 und 2 PatG
vorlag. Die von der Patentinhaberin mit ihrer Anregung verbundene Frage zur
Beweis- und Darlegungslast hinsichtlich der Feststellung des Zeitpunkts einer
erfolgten offenkundigen Vorbenutzung zeigt keine klärungsbedürftigen Aspekte
auf. Diese Beweis- und Darlegungslast richtet sich nach den allgemeinen,
zivilprozessualen Verfahrensregeln (vgl. Musielak/Voit, ZPO 12. Aufl., § 286,
Rdn. 32 f.; MüKoZPO/Prütting, 4. Aufl., § 286, Rdn. 110 ff.) und ist auch für das
Patentrecht bzw. hier für den Nachweis einer offenkundigen Vorbenutzung durch
die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits explizit beantwortet worden (vgl.
BGH GRUR 1962, 518, 521 - Blitzlichtgerät; vgl. hierzu im Übrigen auch
Busse/Keukenschrijver, PatG 7. Aufl., § 3 Rdn. 194; Schulte/Moufang, PatG,
9. Aufl., § 3 Rdn. 31, jeweils m. w. N.). Danach obliegt die Beweis- und Dar-
legungslast hinsichtlich der Feststellung des Zeitpunkts einer erfolgten offen-
kundigen Vorbenutzung stets dem Gegner des Schutzrechtsinhabers, der sich auf
den betreffenden Zeitpunkt beruft, hier also der Einsprechenden 2. Diese hat mit
- 22 -
den von ihr ins Verfahren eingebrachten Beweismitteln den von ihr behaupteten
Zeitpunkt zur vollen Überzeugung des Gerichts nachgewiesen. Nachdem die
Einsprechende 2 den Beweis für ihre von der Schutzrechtsinhaberin bestrittenen
Behauptungen erbracht hat, entspricht es ebenfalls allgemein bekannten zivil-
prozessualen Grundsätzen (vgl. für das Patentrecht etwa Schulte, PatG, 9. Aufl.,
Einl., Rdn. 143, m. w. N.), dass es dann die Obliegenheit der Beweisgegnerin
ist - hier also der Patentinhaberin - diese Überzeugung wieder zu beseitigen,
indem beim Gericht Zweifel an der Richtigkeit der Beweisbehauptung geweckt
werden. Ein solcher Gegenbeweis wurde vorliegend jedoch nicht geführt. Vielmehr
wurde die geltend gemachten Benutzungshandlungen und deren Offenkundigkeit
lediglich in Frage gestellt, ohne hierfür konkrete und belastbare Nachweise zu
erbringen, was angesichts der detaillierten Beweisführung der Einsprechenden 2
nicht ausreichend ist.
IV.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Verfahrensbeteiligten das Rechtsmittel der
Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat,
ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1.
das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
- 23 -
5.
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6.
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Beschlusses von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin
oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt beim
Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, eingereicht werden.
Maksymiw
Schell
Münzberg
Jäger
Me