Urteil des BPatG vom 11.10.2001

BPatG (stand der technik, fachmann, dauer, neuheit, offenlegung, aufgabe, eintrag, stand, technik, patg)

BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
2 Ni 26/00
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
11. Oktober 2001
In der Patentnichtigkeitssache
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betreffend das deutsche Patent 32 24 093
hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter
Meinhardt
sowie
die
Richter
Dipl.-Ing. Dr. Henkel,
Gutermuth,
Dipl.-Phys. Ph.D./M.I.T. Cambridge Skribanowitz und Dipl.-Ing. Harrer
für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist für die Beklagte im Kostenpunkt gegen Sicher-
heitsleistung in Höhe von 20.000,-- DM vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 32 24 093 (Streit-
patent), das am 29.6.1982 unter Inanspruchnahme der Priorität der niederländi-
schen Anmeldung 8103184 vom 2. Juli 1981 angemeldet worden ist und ein Ver-
fahren zum Weben auf einer Düsenwebmaschine und eine Düsenwebmaschine
zur Durchführung des Verfahrens betrifft.
Das Streitpatent umfaßt 9 Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 und der
nebengeordnete Anspruch 6 folgenden Wortlaut haben:
"1. Verfahren zum Weben auf einer Düsenwebmaschine, bei wel-
chem die Schußfäden von Vorratsspulen abgezogen, abgemessen
und von einer mit einem Transportfluidum gespeisten Düse in das
Webfach eingetragen werden, dadurch gekennzeichnet, daß man
beim Übergang des Abzugs des Schußfadens von einer Vorrats-
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spule (6a) zur nächstfolgenden (6b) den Speisedruck der Düse (2)
zeitweilig ändert.
6. Webmaschine zur Durchführung des Verfahrens nach An-
spruch 1, mit mindestens einer von einem strömenden Fluidum ge-
speisten Düse zum Eintragen des Schußfadens, mit einer Schußfa-
denvorbereitungseinrichtung zum Abmessen und Abziehen des
Schußfadens von einer stationären Vorratsspule, und mit benach-
bart zur Vorratsspule angeordneten Mitteln zur Aufnahme einer Re-
servespule, dadurch gekennzeichnet, daß zwischen der Vorrats-
spule (6a) und den genannten Mitteln (b) eine Detektionseinrich-
tung (8) angeordnet ist, deren Detektionsbereich beim Übergang
des Fadenabzugs von einer Spule (6a) auf die Reservespule (6b)
von dem die beiden Spulen verbindenden Fadenstück (7) überstri-
chen wird, daß ein Steuerelement (9) für den Speisedruck der Düse
(2) vorgesehen ist, und daß der Ausgang der Detektionseinrichtung
mit dem Steuerelement verbunden ist."
Wegen der Patentansprüche 2 bis 5 und 7 bis 9 wird auf die Patentschrift Bezug
genommen.
Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streit-
patents sei nicht ausreichend deutlich offenbart und gegenüber dem Stand der
Technik nicht patentfähig. Er sei nicht neu (Patentansprüche 1 und 2), beruhe
aber jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Sie beruft sich hierzu auf folgende vorveröffentlichte Druckschriften:
D1
DE 30 43 003 A1, Offenlegung 11. Juni 1981
D2
D3
D4
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D5
und von ihr in der Verhandlung als Anlagen NK 5 bis NK 8 vorgelegte Skizzen und
Tabellen. Die Klägerin beantragt,
das deutsche Patent 32 24 093 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen; der Gegen-
stand des Streitpatents sei ausreichend deutlich offenbart und durch die vorge-
Die Anlagen NK 5 bis 8 seien nicht als Stand der Technik zu berücksichtigen, ihre
Entscheidungsgründe:
Die Klage, mit der die in § 22 Abs. 2 iVm § 21 Abs. 1 Nr. 1 und 2 PatG vorgesehe-
nen Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit und der nicht ausreichend
deutlichen Offenbarung geltend gemacht werden, ist nicht begründet, weil es der
Klägerin nicht gelungen ist, den Senat vom Vorliegen dieser Nichtigkeitsgründe zu
überzeugen.
I.
Das Streitpatent betrifft nach Anspruch 1 ein Verfahren zum Weben auf einer Dü-
senwebmaschine und nach dem nebengeordneten Anspruch 6 eine Webmaschine
zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1. Gemäß seinem Oberbegriff
werden die Schußfäden von Vorratsspulen abgezogen, abgemessen und von ei-
ner mit einem Transportfluidum gespeisten Düse in das Webfach eingetragen.
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Gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 6 weist die Webmaschine entsprechende
Einrichtungen zur Durchführung dieser Verfahrensschritte und eine benachbart zur
Vorratsspule angeordnete Reservespule auf.
In der Streitpatentschrift wird von einem Schußfadeneintrag mittels Impulsüber-
tragung von einem strömenden Transportfluidum auf den Faden ausgegangen,
wie er aus der von der Patentinhaberin stammenden, gattungsgemäßen DE-OS
30 43 003 (D1) bereits bekannt ist. Dort wird bei Schwankungen der Impulsüber-
tragung aufgrund sich ändernder Fadeneigenschaften zur Vermeidung von Web-
fehlern mittels eines Regelverfahrens entweder die Maschinendrehzahl oder das
Schußtransportsystem derart geändert, daß die Dauer des Schußfadeneintrags
mit der Webfachbildung wieder übereinstimmt. Spontane Änderungen, wie sie
beim Fadenwechsel auf die nächstfolgende Vorratsspule auftreten können, wer-
den in dieser Entgegenhaltung nicht genannt.
Aufgabe der Erfindung ist es lt. Sp 1, Z 44-46 der Streitpatentschrift, den Einfluß
des Wechsels von einer Vorratsspule zur anderen auf die Dauer des Schußfade-
neintrags auszuschalten.
Gelöst wird diese Aufgabe gemäß Anspruch 1 dadurch, daß beim Übergang des
Schußfadenabzugs von einer Vorratsspule zur nächsten der Speisedruck der
Düse zeitweilig geändert wird, und gemäß Anspruch 6 dadurch, daß eine Detekti-
onseinrichtung bei Erkennen des die beiden Spulen verbindenden Fadenstücks
die Änderung des Speisedrucks der Düse steuert.
Dadurch werden Einflüsse kompensiert, die beim Fadenübergang von der leeren
auf die nachfolgende Spule aufgrund veränderter Impulsübertragung von einem
Fluidum, wie Luft, auf den Faden auftreten, so daß die für einen ordnungsgemä-
ßen Schußfadeneintrag nötige Zeitdauer auch bei geänderten Mitnahmeeigen-
schaften der Fäden aufgrund eines Spulenwechsels aufrechterhalten wird.
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II.
1. Die Klägerin konnte den Senat nicht davon überzeugen, daß das Verfahren
nach Anspruch 1 nicht ausreichend deutlich offenbart ist.
Als Ansatzpunkt für eine nicht ausreichende Offenbarung beanstandet die Kläge-
rin im Anspruch 1 die Wortfolge „Übergang des Abzugs des Schußfadens“, wor-
unter die Verknüpfungsstelle des Endes des hergehenden Fadens mit dem An-
fang des nachfolgenden Fadens verstanden wird – also diejenige Stelle im
Schußfadenstrang, an der detektierbar ist, wo beim Abziehen des Schußfadens
von der leeren Vorratsspule auf den Schußfaden der nachfolgende Reservespule
„übergegangen“ wird. Dies ist für den Fachmann, einen Fachhochschulingenieur
für Textilmaschinen mit einschlägigen Kenntnissen und Erfahrungen im Webma-
schinenbau, insbesondere Düsenwebmaschinen, ohne weiteres aus der Streitpa-
tentschrift herleitbar, insbes. Sp 1, Z 37-43 und Sp 2, Z 44, wo von „Verknüpfen
der Fäden“ die Rede ist, und die Fig., in welcher im Fadenverlauf die Verknüp-
fungsstelle mit einem Kreuz gezeichnet ist. Damit ist für den Fachmann ausrei-
chend deutlich offenbart, wann und wodurch die Änderung des Speisedrucks aus-
gelöst wird, nämlich zum Zeitpunkt der Erfassung des Übergangs zwischen
Schußfäden verschiedener Spulen im Fadenstrang, also der Verknüpfungsstelle
zwischen beiden Fäden, die aufeinanderfolgend zum Weben des gleichen Gewe-
bes von zwei verschiedenen Vorratsspulen nacheinander abgezogen werden.
Mit dem ebenfalls beanstandeten Begriff „zeitweilig“ im Anspruch 1 wird dem
Fachmann die Lehre gegeben, den Speisedruck vorübergehend abhängig vom
Spulenwechsel nach Maßgabe von Ergebnissen aus einfachen Versuchen oder
Erfahrungswerten hinsichtlich Zeitpunkt, Zeitdauer und Druckhöhe zu ändern. Da
die konkreten Werte für diese Parameter von maschinen- und fadentypischen
Merkmalen, insbesondere auch von der Schnelligkeit bzw Trägheit der Düse ab-
hängen, können sie nicht explizit angegeben und festgelegt werden. Sie sind vom
Fachmann aber auf einfache Weise, wie z.B. durch Routineversuche zu ermitteln.
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Auch wenn der erste Schußfaden der neuen Spule im Anspruch 1 nicht explizit
genannt ist, ist es für den Fachmann selbstverständlich, daß auch der erste
Schußfaden der neuen Spule zum richtigen Zeitpunkt am Webfachende und damit
am gegenüberliegenden Geweberand ankommen muß. Dieses Problem war
schon bei den Vorläufern der schützenlosen Düsenwebmaschinen, den Webma-
schinen mit Spulen- oder Greiferschützen bekannt.
Selbst wenn aufgrund der Trägheit der Steuerung des Speisedrucks ein Vorlauf
für den Beginn der Speisedruckänderung erforderlich ist, was eventuell schon die
letzten Fadenstücke der vorherigen Spule erfaßt und deren nicht zeitgerechten, zu
schnellen Schußeintrag in das Webfach nach sich ziehen kann, bleibt dies in der
Regel ohne Folgen auf die Gewebebildung, weil ein zu schnell eingetragener
Schußfaden vollständig eingetragen. Da beim Übergang von der leeren zur vollen
Spule wegen der in der Regel ungünstigeren Mitnahmeeigenschaften des neuen,
glatteren und weniger gekrümmten Fadens der Schußeintrag in Richtung einer
längeren Dauer tendiert, ist eine Erhöhung des Speisedrucks erforderlich. Dies
kann zwar aufgrund des Vorlaufs einen unnötig schnellen Schußeintrag der letzten
Schußfäden der vorherigen Spule und damit ein Ende des Schußeintrags bereits
vor dem nächsten Webfachwechsel ergeben, was aber in der Regel die Gewebe-
bildung nicht beeinflußt. Wesentlich ist dagegen der ausreichend schnelle Schuß-
eintrag des ersten und seiner folgenden Schußfäden der nächstfolgenden vollen
Spule, weil ein zu spät ankommender Schußfaden unvollständig eingetragen ist
und damit keine ordnungsgemäße Gewebebildung erlaubt . Dies entnimmt der
Fachmann ohne weiteres der Streitpatentschrift, insbesondere der Sp 2, Z 67 bis
Sp 3, Z 10, wobei er auch die, dort in Sp 1, Z 8 – 32 abgehandelte über ein Jahr
ältere D1 mit heranzieht, vor allem hinsichtlich der zeitlichen Abläufe des Schuß-
fadeneintrags (s insbes. S 4 und , Z 1 – S 5, Z 3, in der D1).
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Die außerdem beanstandete Formulierung „man.....ändert“ im Anspruch 1 ist
nichts anderes als die Umgehung des Passivs, wie er in einem Verfahrensan-
spruch üblich ist. Inhaltlich ist aus dieser sprachlichen Variante nichts abzuleiten,
zumal keine manuelle Speisedruckänderung, wie die Klägerin meint.
Das Verfahren nach Anspruch 1 ist daher so deutlich und vollständig offenbart,
daß es ein Fachmann anhand der Patentschrift und der dort genannten sowie ab-
gehandelten D1 aufgrund seines Fach- und Allgemeinwissens mit zumutbarem
Aufwand verwirklichen kann.
2. Die Verfahren nach den Ansprüchen 1 und 2 sind neu.
Die nächstkommende D1 betrifft ein Verfahren und eine Webmaschine zum We-
ben mittels von einem Transportfluidum gespeister Düsen für den Schußeintrag.
Dabei werden die Schußfäden von Vorratsspulen abgezogen, abgemessen und
von den Düsen in das Webfach eingetragen. Durch Messung ihrer Eintragszeit
bzw der daraus ermittelten Transportgeschwindigkeit erfolgt der Vergleich mit der
Zeit, die bei der Webfachbildung für den Schußfadeneintrag zur Verfügung steht.
Bei Abweichungen der Transportgeschwindigkeit durch die sich verändernden
Mitnahmeeigenschaften des Fadens wird bei einem ersten Verfahren (vgl An-
spruch 1 sowie Fig 2 mit zugehöriger Beschreibung) die Maschinendrehzahl und
damit die Dauer der Webfachbildung der geänderten Schußeintragszeit ange-
passt, wogegen bei einem zweiten Verfahren (vgl Anspruch 2 und 3 sowie Fig 3
mit zugehöriger Beschreibung) die die Transportgeschwindigkeit des Schußfadens
bestimmenden Komponenten bei konstantgehaltener Maschinendrehzahl konti-
nuierlich so geregelt werden, daß die Eintragszeit bzw Transportgeschwindigkeit
des Schußfadens wieder der bei der Webfachbildung zur Verfügung stehenden
Schußeintragszeit angepasst wird. Die für die Korrektur des Schußfadeneintrags
entscheidende Ursache ist daher die gemessene Schußzeit bzw die daraus er-
mittelte Transportgeschwindigkeit..
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Von diesen beiden Verfahren der D1 unterscheidet sich das Verfahren nach An-
spruch 1 schon dadurch, daß hier der Übergang von einer Vorratsspule zur
nächstfolgenden Spule gleicher Fadenart, also die Verbindungsstelle des Faden-
endes der leeren Spule mit dem Fadenanfang der vollen Spule, zB durch Ver-
knüpfen (Sp 2, Z 41 – 46) die für die Korrektur des Schußfadeneintrags entschei-
dende Größe ist, um aufgabengemäß den Einfluß des Spulenwechsels auf die
Dauer des Schußeintrags auszuschalten. An dieser Stelle ändern sich in der Re-
gel die Mitnahmeeigenschaften des durchlaufenden Fadens, weil er am Spulen-
anfang eine andere Struktur aufweist als am Spulenende, was die Impulsübertra-
gung des Fadenanfangs beeinflußt. Diese - zB durch die Verknüpfung - erfaßbare
Stelle bewirkt einmalig pro Spule die Auslösung der im Streitpatent, Anspruch 1,
angegebenen Maßnahme zur Lösung der Aufgabe.
Eine derartige, die Korrektur des Schußeintrags direkt auslösende Stelle, die den
Speisedruck der Düse steuert, ist in der D1 nicht beschrieben. Dort erfolgt – wie
dargelegt - erst nach Ermittlung der Schußzeitabweichung eine kontinuierliche
Regelung zur Wiederherstellung der erforderlichen Schußzeit .
Zwar wird in der D1 auch der Begriff „Übergang“ verwendet, hat aber dort die Be-
deutung des Wechsels von einer Garnart auf eine andere, wie es bei einem Ge-
webewechsel der Fall ist, s S 4, Z 16 – 21, und erfordert die Eingabe eines neuen
Vergleichswert für die mittlere Transportgeschwindigkeit, s S 6, Z 13 - 17. Dies hat
jedoch nichts mit dem erfindungsgemäßen Übergang beim Wechsel von Spulen
gleicher Garnart während der Herstellung eines Gewebes mit der gleichen Faden-
art zu tun.
Daher unterscheidet sich das Verfahren nach Anspruch 1 schon durch den Über-
gang beim Spulenwechsel als die die Korrektur der Schußzeit auslösende Ursa-
che in neuheitsbegründender Weise von der D1.
Das Verfahren nach Anspruch 1 unterscheidet sich gegenüber demjenigen nach
der D1 außerdem darin, daß die Maßnahme, die Schußzeit – erfindungsgemäß
durch Änderung des Speisedrucks der Düse – zu beeinflussen, einmal pro Spu-
lenwechsel, eben beim Übergang vom vorherigen auf den folgenden Faden aus-
gelöst wird. Nach dem ersten Verfahren der D1 wird hingegen zur Einhaltung der
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Dauer des Schußeintrags die Maschinendrehzahl geändert, was einen völlig ande-
ren Weg als das erfindungsgemäße Verfahren darstellt. Nach dem zweiten Ver-
fahren der D1 werden die die Transportgeschwindigkeit des Schußfadens be-
stimmenden Komponenten beeinflusst, wobei der D1 nicht explizit zu entnehmen
ist, welche der möglichen Komponenten dies sind. In der D1, s S 8, Z 13, ist zwar
beschrieben, daß der Druck des der Düse zuzuführenden Fluidums in Abhängig-
keit vom Vergleichswert der Regelung nach der D1 vergrößert oder verkleinert
werden kann. Ob daraus der Durchschnittsfachmann ohne weiteres mitliest, daß
damit eine der nach dem zweiten Verfahren der D1 möglichen Komponenten eine
streitpatentgemäße Speisedruckänderung nach Anspruch 1 ist, kann bei der Neu-
heitsbetrachtung dahingestellt bleiben, weil bereits das Unterscheidungsmerkmal
des Übergangs beim Wechsel von Spulen gleicher Garnart das Vorliegen von
Neuheit begründet.
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal gegenüber der D1 liegt darin, daß mit dem
Begriff „zeitweilig“ im Anspruch 1, s II. 1. des Streitpatents, die die Dauer des
Schußeintrags beeinflussende Maßnahme vorübergehend wirkt, also einmalig pro
Spulenwechsel beim Übergang vom vorherigen auf den folgenden Faden. Die Re-
gelung nach den beiden Verfahren der D1 arbeitet dagegen kontinuierlich wäh-
rend des gesamten Webvorgangs – also hauptsächlich außerhalb eines Spulen-
wechsels -, um ständig eine Übereinstimmung der tatsächlichen mit der für eine
ordnungsgemäße Gewebebildung erforderlichen Schußdauer zu erhalten.
Der Streitgegenstand nach Anspruch 1 ist auch gegenüber der D2 neu.
Die DE 25 09 558 A1
(
D2) beschreibt eine Detektionseinrichtung einer Düsen-
webmaschine, wobei zwar der Übergang des Schußfadens von einer Vorratsspule
zur nächstfolgenden erfaßt wird, dieses Signal aber nur zur Längenmessung des
abgezogenen Fadens und nicht wie nach Anspruch 1 des Streitpatents zur Beein-
flussung des Speisedrucks der Düse verwertet wird.
Neuheit besteht auch gegenüber der DE OS 27 01 038 (D5), welche lediglich die
Einzelheiten einer mechanischen Steuerung für die Düse einer Düsenwebma-
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schine beschreibt, wie sie im Streitpatent mit „System 4“ (Sp 2, Z 29 und die Fig)
bezeichnet sind. Nach der D5 dient die Steuerung der Beschränkung des Strö-
mungsmittels bei Stillstand der Webmaschine
und einem
sicheren Wiederstart.
Von einer erfindungsgemäßen Beeinflussung des Speisedrucks der Düse beim
Spulenwechsel ist dort nicht die Rede.
Die übrigen Entgegenhaltungen liegen noch weiter ab und können schon deshalb
nicht als neuheitsschädlich angesehen werden.
Die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Skizzen NK5 – NK8 stellen, so-
weit handschriftliche Diagramme und Eintragungen auf Druckschriften vorliegen,
keinen vorveröffentlichten Stand der Technik dar und sind daher hinsichtlich der
Prüfung auf Patentfähigkeit nicht zu berücksichtigen. Sie dienten lediglich der Un-
terstützung, der Argumentation der Klägerin in technischer Hinsicht.
Der ebenfalls hinsichtlich Neuheit angegriffene, dem Anspruch 1 untergeordnete
Anspruch 2 unterscheidet sich in gleicher Weise wie der Anspruch 1 vom Stand
der Technik. Mit Anspruch 1 wird der allgemeine Fall einer in der Richtung offen-
gelassenen Änderung des Speisedrucks der Düse beansprucht, während das
Verfahren nach Anspruch 2 nur dadurch in vorteilhafter Weise weitergebildet ist,
daß wegen der häufig am Spulenanfang verschlechterten Impulsübertragung der
Speisedruck der Düse erhöht wird. Da dies eine Einschränkung des Verfahrens
nach Anspruch 1 darstellt und schon dieser neu ist, gilt dies auch für den Streitge-
genstand nach Anspruch 2.
Die Verfahren nach den Ansprüchen 1 und 2 sind somit neu.
Die Neuheit der Verfahren bzw Gegenstände der übrigen Ansprüche ist unstrittig,
auch der Senat sieht keinen Anhaltspunkt für fehlende Neuheit.
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3. Die Klägerin konnte den Senat auch nicht davon überzeugen, daß das Verfah-
ren nach Anspruch 1 und die Webmaschine nach Anspruch 6 nicht auf erfinderi-
scher Tätigkeit beruhen.
Die dem Streitpatent nächstkommende D1 läßt schon die zugrundeliegende Auf-
gabe nicht erkennen, denn dort sollen während des Webens auftretende Schwan-
kungen der Impulsübertragung des Transportfluids auf den Faden ausgeglichen
werden, um die Schußeintragszeit möglichst gut an die Webzyklusdauer anzupas-
sen (S 4, Z 22 – 36). Diese Schwankungen werden durch Streuung in der Struktur
und Oberflächenbeschaffenheit des Fadens (S 5, Z 3) hervorgerufen. Daß der
Einfluss des Wechsels von einer Spule auf die nachfolgende gemäß der Aufgabe
des Streitpatents ausgeschaltet werden soll, ist der D1 nicht zu entnehmen. Sie
gibt auch keinen Hinweis auf den Übergang zwischen dem Ende des einen Fa-
dens und dem Anfang des nachfolgenden Fadens der gleichen Art, weil der Begriff
„Übergang“ in der D1 – wie in II. 2. erläutert – dort die Bedeutung des Wechsels
von einer Garnart auf eine andere hat, also ein anderes Gewebe betrifft. Daher
erforderte schon diese neue Aufgabenstellung des Streitpatents, also das Erken-
nen des Einflusses des Fadenübergangs als Lösungsansatz für die Konstanthal-
tung der Schußeintragsdauer, besondere Überlegungen.
Auch die in der D1 enthaltenen Lösungsmittel geben keinen Hinweis, ein Verfah-
ren bzw eine Webmaschine nach den Lehren der Ansprüche 1 und 6 vorzusehen,
denn dort wird zur Vermeidung von Webfehlern mittels eines Regelverfahrens
entweder die Maschinendrehzahl oder die die Schußgeschwindigkeit bestimmen-
den Komponenten des Schußtransportsystems derart geändert, daß die Dauer
des Schußfadeneintrags mit dem Webzyklus, also der Webfachbildung wieder
übereinstimmt. Diese Maßnahmen zielen auf die Vermeidung von unnötig großen
Unterschieden zwischen der Schußzeit und dem Webzyklus, indem bei sog.
trendartigen Änderungen aufgrund sich allmählich ändernder Mitnahmeeigen-
schaften des Fadens kontinuierlich auf die Komponenten des Schußtransport-
systems eingegriffen wird. Spontane Änderungen der Impulsübertragung, wie sie
beim Fadenwechsel auf die nächstfolgende Vorratsspule auftreten, sind in der D1
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nicht angesprochen und könnten dort auch erst erfasst werden, nachdem die Er-
mittlung der Schußgeschwindigkeit eine Abweichung ergeben hat.
Als Komponenten zum Eingriff auf die Schußzeit mögen dem Fachmann auch
schon am Anmeldetag die Konstruktion der Düse selbst oder ihre Transportflui-
dumenergie (S 4, Z 31), der Druck oder die Menge des ihr zuzuführenden Trans-
portfluidums (S 8, Z 11 – 15) bekannt gewesen sein, aber die Auswahl gerade
des Speisedrucks als die zur Lösung nach Anspruch 1 führende Komponente er-
forderte mehr als das durchschnittliche Fachkönnen. Dies anders zu sehen, stellt
- vor allem unter Berücksichtigung des bereits 18 Jahre zurückliegenden Anmel-
detags – eine unzulässige retrospektive Betrachtungsweise der Erfindung dar (vgl
Busse, PatG, 5. Aufl, § 4 Rdnr 26 mit Rsprnachweisen). Dies trifft auch auf den
Einwand zu, daß in der D1 bereits ein Hinweis auf eine automatische Einstellung
der Webmaschine beim Übergang auf eine andere Art von Schußgarn gegeben ist
(S 6, Z 13 – 17), weil – wie in II. 2. dargelegt - dies die Herstellung eines anderen
Gewebes betrifft, was den Fachmann nicht anregt, den Übergang, also die Ver-
bindungsstelle zweier gleicher Schußfäden beim Spulenwechsel gleichbleibender
Garnart während des Webvorgangs eines einheitlichen Gewebes zu erfassen und
damit den Speisedruck der Düse zu ändern.
Der Fachmann hatte aufgrund von D1 nach alldem keinen Anlaß, die erfindungs-
gemäßen Maßnahmen zu treffen, nach Anspruch 1 den Fadenübergang als Aus-
lösung für die Anpassung der Schußzeit auszuwählen sowie diese durch die Spei-
sedruckänderung zu beeinflußen und nach Anspruch 6 ohne vorherige Messung
den Übergang mittels einer Detektionseinrichtung zu erfassen und zur Steuerung
des Speisedrucks zu verwenden. Für fehlende erfinderische Tätigkeit liegen somit
keine durchgreifenden Belege vor.
Dies trifft auch gegenüber der D2 zu, deren Erfassung des Übergangs des
Schußfadens von einer Vorratsspule zur nächstfolgenden nur zur Längenmessung
des abgezogenen Fadens verwertet wird, aber nicht wie nach Anspruch 1 des
Streitpatents zur Beeinflussung des Speisedrucks der Düse dient. Im Falle von
Abweichungen, insbesondere bei einem Wiederstart, wird die Webmaschine nach
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der D2 abgeschaltet (S 5, Abs 2), was mit dem Streitpatent gerade vermieden
wird. Somit führt auch diese Druckschrift nicht zum beanspruchten Verfahren nach
Anspruch 1 und der Webmaschine nach Anspruch 6, sondern weg von der Erfin-
dung. Daher ist auch gegenüber D2 erfinderische Tätigkeit nicht überzeugend wi-
derlegt.
Gleiches gilt für die D5, weil nur die Beschreibung der Steuervorrichtung für die
Düse einer Düsenwebmaschine, mit welcher Steuerung der Strömungsmittelfluß
bei Stillstand der Webmaschine beschränkt und ein sicherer Wiederstart gewähr-
leistet wird, dem Fachmann keine Anregung für das Verfahren nach Anspruch 1
und die Webmaschine nach Anspruch 6 gibt.
Auch eine Kombination der D1, D2 und D5 läßt keine den Fachmann zum Streit-
patent hinführenden Anregungen erkennen. Offensichtlich nahm damals die
Fachwelt in Kauf, daß die Webmaschine beim Spulenwechsel bei zu großer
Schußzeitänderung zur Webfehlervermeidung angehalten werden mußte, obwohl
dies wirtschaftliche Nachteile brachte.
Die übrigen, in der mündlichen Verhandlung auch nicht wieder aufgegriffenen
Druckschriften kommen dem Erfindungsgegenstand nicht näher als die vorste-
hend gewürdigten Schriften.
Diese Sachlage, die keine zweifelsfreie Feststellung eines Nichtigkeitsgrundes
zuläßt, geht zu Lasten der Klägerin (vgl BGH GRUR 91, 522 ff mwN).
Mit dem Bestand der Patentansprüche 1 und 6 haben die auf sie rückbezogenen
Unteransprüche ohne weiteres Bestand, ohne daß es hierzu weiterer Feststellun-
gen bedarf (zu Anspruch 2, vgl auch oben Abschnitt II 2.)
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO,
der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709
ZPO.
Meinhardt
Dr. Henkel
Gutermuth
Skribanowitz
Harrer
Pr