Urteil des BPatG vom 09.03.2006

BPatG: stand der technik, registrierung, vergleich, identifizierung, patentanspruch, transportmittel, farbe, fig, auszug, epa

BPatG 253
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
2 Ni 16/05 (EU)
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
9. März 2006
In der Patentnichtigkeitssache
- 2 -
betreffend das europäische Patent 0 752 137
(DE 595 07 251)
hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 9. März 2006 unter Mitwirkung …
für Recht erkannt:
1. Das europäische Patent 0 752 137 wird mit Wirkung für das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig er-
klärt.
2. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Beklagten sind eingetragene Inhaber des Europäischen Patents 0 752 137
(Streitpatent), das am 13. März 1995 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der
deutschen Voranmeldungen 44 08 650 vom 15. März 1994 und 195 02 689 vom
28. Januar 1995 als Euro-PCT Anmeldung eingereicht wurde, ein „Identifikations-
und Kontrollsystem für Verarbeitungs- und/oder Transportgut“ betrifft und vom
Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 595 07 251 geführt wird.
- 3 -
Das Patent umfasst 23 Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 in der
Verfahrenssprache Deutsch folgenden Wortlaut hat:
„Verfahren zur Überwachung und/oder Steuerung eines vorgege-
benen Transport- und/oder Verarbeitungsablaufs mittels der indi-
viduellen Registrierung vor und der späteren Erkennung während
des Ablaufs eines jeden Transport- und/oder Verarbeitungs-
und/oder Bearbeitungsgutes oder dessen, es während des Ab-
laufs haltenden Transportvorrichtung wie Haken, Kisten oder der-
gleichen als Objekt an verschiedenen Stationen,
dadurch gekennzeichnet,
-
dass von einem jeden vereinzelten Objekt zumindest aus-
schnittsweise ein Bild durch eine elektronische Kamera auf-
genommen wird, bevor das Objekt den Transport- und/oder
Verarbeitungsablauf durchläuft,
-
dass von einem Bildverarbeitungsprogramm aus dem aufge-
nommenen und digitalisierten Bild die das Objekt (4) in ein-
deutiger Weise charakterisierenden Merkmale der originären
Oberfläche und/oder Gestalt des Objektes, insbesondere in-
dividuelle Kanten, Vertiefungen, Erhebungen, Löcher
und/oder Helligkeit und/oder Farbschwankungen, Formen
und Abmessungen des Objektes (4) extrahiert werden,
-
dass die extrahierten Merkmale in einem das Objekt in-
dividualisierenden Merkmalscode zusammengefasst und zur
Registrierung des Objekts (4) abgespeichert werden,
-
dass während des Transport- und/oder Verarbeitungsab-
laufes von einem jeden einzelnen Objekt (4) ein weiteres Bild
von wenigstens einer weiteren elektronischen Kamera (8)
einer Kontrollstation (12) aufgenommen wird,
- 4 -
-
dass von einem Bildverarbeitungsprogramm aus jedem der
weiteren aufgenommenen und digitalisierten Bildern erneut
die ein jedes Objekt (4) in eindeutiger Weise charakterisie-
renden Merkmale extrahiert werden,
-
dass diese extrahierten Merkmale für jedes Objekt in einem
weiteren, dieses Objekt individualisierenden Merkmalscode
zusammengefasst werden und
-
dass durch Vergleich dieser weiteren individualisierenden
Merkmalscodes mit den abgespeicherten individualisieren-
den Merkmalscodes ein jedes der Objekte während des
Transport- und/oder Verarbeitungsablaufs identifizierbar ist.“
Wegen der auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 23 wird
auf die Patentschrift EP 0 752 137 B1 Bezug genommen.
Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Pa-
tentanspruchs 1 gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung
hinaus. Die Priorität der beiden Voranmeldungen werde zu Unrecht in Anspruch
genommen. Der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, da er nicht
neu sei, zumindest sich aber für den Fachmann in nahe liegender Weise aus dem
Stand der Technik ergebe. Sie beruft sich hierzu auf folgende Druckschriften:
D1
AUTY)
D2
MAEDA)
D2b
Japanisches Original D2 (S. 519-522)
D3
MASADA)
- 5 -
D4
BLITCHINGTON)
D5
KAPPNER)
D6
Vortrag auf der Konferenz „VMEbus in Factory Automa-
tion“ 27./28. November 1990 mit dem Thema „Das Robot-
Vision-System VIRO zur flexiblen Teileerkennung und
Präzisionsbeschickung von Bearbeitungsmaschinen“
KOY-OBERTHÜR I)
D7
Vortrag auf der „International Conference on Robotics and
Automation”, Mai 1992, mit dem Thema „The Robot Vision
System VIRO for Flexible Part Recognition and Loading of
KOY-
OBERTHÜR II)
D8
Vortrag auf Symposion „Bildverarbeitung '93“ mit dem
Thema „Klarschriftlesen im Materialfluss“ S.
317
-
335,
KOY-OBERTHÜR III)
D9
LEMELSON)
D10
PLANT)
D11
LU)
D12
HOEHNE)
D13
SCHÖNE
D14
BOTHE
- 6 -
D15
MEYERHOFF
D16
D17
SAGER/SCHMEHL
D18
Zamperoni
tung, Vieweg-Verlag 1989
Ferner stützt sich die Klägerin auf folgende Unterlagen:
K2:
Auszug Patentregister
K3:
Merkmalsanalyse
K4:
DE 44 08 650 A1
K5:
DE 195 02 689 A1
K6:
Schreiben Beklagtenvertreter vom 4. August 1998 an EPA
K7:
Internationaler vorläufiger Prüfungsbericht vom
7. Mai 1996 (PCT/EP 95/ 00922)
K8:
Schreiben Beklagtenvertreter vom 12. Januar 1999 an
EPA
K9:
Patentverletzungsklage vom 10. März 2005 zum LG
Hamburg
K10:
Schreiben RAe A… vom 10. Januar 2006 im Verfahren LG
Hamburg 315 O 167/05
- 7 -
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 0 752 137 mit Wirkung für das Hoheitsge-
biet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig
zu erklären.
Die Beklagten beantragen,
die Klage, soweit sie sich gegen das beschränkt verteidigte Patent
richtet, abzuweisen.
Sie verteidigen das Streitpatent mit einem Patentanspruch 1 in folgender Fassung:
„Verfahren zur Überwachung und/oder Steuerung eines vor-
gegebenen Transport- und/oder Verarbeitungsablaufs mittels der
individuellen Registrierung vor und der späteren Erkennung
während des Ablaufs einer jeden Transportvorrichtung wie Haken,
Kisten oder dergleichen als Objekt an verschiedenen Stationen,
dadurch gekennzeichnet,“…[weiter wie im Wortlaut des erteilten
Patentanspruchs 1].
An diesen beschränkten Patentanspruch
1 sollen sich die
Patentansprüche 2 bis 21 (unter Wegfall der erteilten Ansprü-
che 22 und 23) anschließen“.
Sie treten den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und halten
das Streitpatent in seiner beschränkten Fassung für patentfähig.
Zur Stützung ihres Vorbringens verweisen sie auf:
B1:
Auszug Genossenschaftsregister AG Münster vom
19. Mai 2005 (GnR 307)
- 8 -
Entscheidungsgründe:
Die Klage, mit der die in Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 und 3 IntPatÜG, Artikel 138
Absatz 1 lit. a und c EPÜ i. V. m. Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56 EPÜ vorge-
sehenen Nichtigkeitsgründe des Hinausgehens über den Inhalt der ursprünglichen
Anmeldeunterlagen (oben lit. c) und der mangelnden Patentfähigkeit (oben lit. a)
geltend gemacht werden, ist zulässig und zumindest bezüglich des letztgenannten
Nichtigkeitsgrundes auch begründet begründet.
I.
Das Streitpatent ist ohne Sachprüfung insoweit für nichtig zu erklären, als es über
die von den Beklagten nur noch beschränkt verteidigte Fassung hinausgeht (vgl.
Benkard, PatG 9. Aufl., § 22 Rn. 33 mit Rechtsprechungsnachweisen).
II.
Das Verfahren nach dem Streitpatent in der verteidigten Fassung ist für nichtig zu
erklären, da es nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Art. 56 EPÜ).
1. Die von den Beklagten vorgenommene Beschränkung ist zulässig, da von
mehreren in der erteilten Fassung des Streitpatents mit der Formulierung
„und/oder“ beanspruchten Alternativen in der verteidigten Fassung einige durch
Weglassen nicht mehr beansprucht bzw. die Unteransprüche 22 und 23 insgesamt
nicht mehr verteidigt werden.
Bezüglich der weitergehenden Klage kann offen bleiben, ob der Gegenstand des
Streitpatents in seiner beschränkt verteidigten Fassung über den Inhalt der An-
meldung in der eingereichten Fassung hinausgeht, da er, wie nachfolgend aus-
geführt, jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
- 9 -
Nachdem der Senat zu dieser Auffassung aufgrund von Entgegenhaltungen ge-
langt ist, die bereits vor den beanspruchten Prioritätszeitpunkten zum Stand der
Technik gehörten, bedarf auch die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die
Prioritäten zu Unrecht in Anspruch genommen wurden und welche Auswirkungen
dies gegebenenfalls hätte, keiner Erörterung.
2. In der verteidigten Fassung bezieht sich das Streitpatent auf ein Verfahren zur
Überwachung und/oder Steuerung eines vorgegebenen Transport- und/oder Ver-
arbeitungsablaufs mittels der individuellen Registrierung vor und der späteren Er-
kennung während des Ablaufs einer jeden Transportvorrichtung als Objekt an ver-
schiedenen Stationen.
In der Beschreibung wird einleitend ausgeführt, dass es in Verarbeitungsbetrie-
ben, Distributionsbetrieben und Lagereien üblicherweise eine Vielzahl von ver-
schiedenen Verarbeitungsstationen und Transportstrecken gebe, die die verschie-
denen Objekte durchlaufen müssten. Dabei müsse ein ordnungsgemäßer Ablauf
der verschiedenen Verarbeitungs- und Transportschritte sichergestellt werden.
Hierzu seien bereits mehrere Verfahren bekannt. Bei dem in der DE 37 11 237 A1
beschriebenen Verfahren würden die Transportmittel mit Transpondern versehen,
in denen unterschiedliche Codes gespeichert seien. Eine automatische Überwa-
chung und Steuerung der Arbeits- und Transportabläufe der Transportmittel inner-
halb des Betriebes erfolge durch Abfragen der Codes an Abfragestationen. Eine
ähnliche Methode sei aus der EP 0 433 756 A1 bekannt, bei der dem zu transpor-
tierenden Gut eine Kontroll- und Überwachungseinheit fest zugeordnet werde.
Weiter wird ausgeführt, dass eine andere übliche Methode darin bestehe, an dem
Transportmittel Markierungen oder Identifizierungsmittel wie Balkencodes, Etiket-
ten mit Klarschriftzeichen o. ä. anzubringen. Nachteil dieser bekannten Verfahren
sei, dass die Transportmittel speziell mit Identifizierungsmitteln ausgestattet wer-
den müssten, die dem Verschleiß, der Verschmutzung oder der Beschädigung
unterlägen, so dass sie nach gewisser Zeit nicht mehr richtig gelesen werden
könnten.
- 10 -
Als dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe wird entsprechend die Schaffung
eines Verfahrens zur Überwachung und/oder Steuerung eines vorgegebenen
Transport- und/oder Verarbeitungsablaufs von Transport- und/oder Verarbeitungs-
gut genannt, welches ohne speziell an den Transportmitteln angebrachte Identifi-
zierungsmittel oder Markierungen sicher und zuverlässig arbeitet (vgl. Abs. 0013
der Streitpatentschrift).
Das zur Lösung dieser Aufgabe im Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung
beanspruchte Verfahren, hier zum leichteren Vergleich mit einer Gliederung ver-
sehen, lautet:
„Verfahren zur Überwachung und/oder Steuerung eines vorgege-
benen Transport- und/oder Verarbeitungsablaufs mittels der indi-
viduellen Registrierung vor und der späteren Erkennung während
des Ablaufs einer jeden Transportvorrichtung wie Haken, Kisten
oder dergleichen als Objekt an verschiedenen Stationen,
dadurch gekennzeichnet,
a) dass von einem jeden vereinzelten Objekt zumindest aus-
schnittsweise ein Bild durch eine elektronische Kamera aufge-
nommen wird, bevor das Objekt den Transport- und/oder
Verarbeitungsablauf durchläuft,
b) dass von einem Bildverarbeitungsprogramm aus dem aufge-
nommenen und digitalisierten Bild die das Objekt (4) in
eindeutiger Weise charakterisierenden Merkmale der
originären Oberfläche und/oder Gestalt des Objektes,
insbesondere individuelle Kanten, Vertiefungen, Erhebungen,
Löcher und/oder Helligkeit und/oder Farbschwankungen,
Formen und Abmessungen des Objektes (4) extrahiert
werden,
- 11 -
c) dass die extrahierten Merkmale in einem das Objekt
individualisierenden Merkmalscode zusammengefasst und zur
Registrierung des Objekts (4) abgespeichert werden,
d) dass während des Transport- und/oder Verarbeitungsablaufes
von einem jeden einzelnen Objekt (4) ein weiteres Bild von
wenigstens einer weiteren elektronischen Kamera (8) einer
Kontrollstation (12) aufgenommen wird,
e) dass von einem Bildverarbeitungsprogramm aus jedem der
weiteren aufgenommenen und digitalisierten Bildern erneut die
ein jedes Objekt (4) in eindeutiger Weise charakterisierenden
Merkmale extrahiert werden,
f) dass diese extrahierten Merkmale für jedes Objekt in einem
weiteren, dieses Objekt individualisierenden Merkmalscode
zusammengefasst werden und
g) dass durch Vergleich dieser weiteren individualisierenden
Merkmalscodes mit den abgespeicherten individualisierenden
Merkmalscodes ein jedes der Objekt während des Transport-
und/oder Verarbeitungsablaufs identifizierbar ist.“
3. Das Verfahren nach dem Anspruch 1 vermittelt dem Fachmann, einem Ingeni-
eur oder Informatiker mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Bild-
verarbeitung, die Schritte, mit denen eine bestimmte Transportvorrichtung als Ob-
jekt registriert und während eines Transport- und/oder Verarbeitungsablaufs über-
wacht oder gesteuert werden kann. Dabei ist nicht ein bestimmter Transport- oder
Steuerungsablauf Gegenstand des Verfahrens, sondern die Art und Weise der
Identifizierung der Transportvorrichtung als Objekt während eines solchen Ablaufs.
- 12 -
Vor Beginn eines Transport- und/oder Verarbeitungsablaufs erfolgt nach den
Schritten a) bis c) eine Registrierung (im Sinne einer Identifizierung) jedes verein-
zelten Objektes. Hierzu wird von einer elektronischen Kamera zumindest aus-
schnittsweise ein Bild des Objekts aufgenommen. Aus dem aufgenommenen Bild
sollen mittels eines Bildverarbeitungsprogramms Merkmale extrahiert werden, die
das Objekt in eindeutiger Weise charakterisieren. Als zu extrahierende Merkmale
sind in Schritt b) solche der Oberfläche und/oder der Gestalt des Objekts genannt.
Beispielhaft wird auf individuelle Kanten, Vertiefungen, Erhebungen, Löcher
und/oder Helligkeit oder Farbschwankungen, Formen und Abmessungen des Ob-
jekts hingewiesen. Um die Objekte auch ohne speziell angebrachte Identifizie-
rungsmittel sicher identifizieren zu können, wird der Fachmann unter den ge-
nannten Merkmalen solche als charakteristisch auswählen, denen im Einzelfall
hohe Unterscheidungskraft zwischen den einzelnen Objekten bzw. Transportvor-
richtungen zukommt. Auch eine bestimmte Art der Bildverarbeitung schlägt der
Anspruch nicht vor, so dass der Fachmann insoweit auf die zum Prioritätszeitpunkt
des Streitpatents gängigen Bildverarbeitungsmethoden verwiesen ist.
Die extrahierten Merkmale sollen nach Schritt c) zu einem Merkmalscode zusam-
mengefasst werden, der abgespeichert wird. Auch die Art der Zusammensetzung
des Merkmalscodes gibt der Anspruch nicht vor, sondern überlässt sie dem zielge-
richteten fachmännischen Handeln. Denkbar ist, dass der Merkmalscode bspw.
Teile aufweist, in denen Informationen zu Gestalt oder zur Oberflächenfarbe co-
diert sind.
Mit der Abspeicherung des Merkmalscodes ist ein individuelles Objekt registriert.
Zur Identifizierung eines individuellen Objekts während eines Transport- und/oder
Verarbeitungsablaufs wird nach den Schritten d) bis f) an einer Kontrollstation ein
Bild des Objektes aufgenommen und in der gleichen Weise daraus ein Merkmals-
code erzeugt, wie in den Schritten a) bis c) angegeben.
Mit dem in Schritt g) angegebenen Vergleich des von einem Objekt an der Kon-
trollstation erzeugten Merkmalscodes mit den bei der Registrierung abgespei-
cherten Merkmalscodes kann das Objekt (wieder) erkannt werden.
- 13 -
Der Fachmann wird dabei auf Grund seiner Fachkenntnisse ergänzen, dass eine
Wiedererkennung nur dann gelingen kann, wenn der an der Kontrollstation er-
zeugte Merkmalscode mit dem vom selben Objekt vor dem Transport- und/oder
Verarbeitungsablauf zur Identifizierung gewonnenen Merkmalscode übereinstimmt
oder diesem ähnlicher ist als jeder andere der gespeicherten Merkmalscodes.
Das Streitpatent vermittelt sonach dem Fachmann ausreichend deutlich und voll-
ständig, wie eine Transportvorrichtung während eines Transport- und/oder Verar-
beitungsablaufs identifiziert werden kann, ohne dass sie mit speziellen Identifizie-
rungsmitteln oder Markierungen versehen ist.
4. Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung ist
dem Fachmann jedoch aus der DE 32 08 135 A1 (D13) nahe gelegt.
In dieser Druckschrift ist ein Verfahren zur Identifikation und Erkennung von Ge-
genständen beschrieben, das eine sichere automatische Gegenstandsidentifika-
tion ermöglichen soll (vgl. S. 8, Z. 8 - 11). Das Verfahren kann zur Überwachung
eines Transportablaufs eingesetzt werden, bspw. bei der Einlagerung von Büchern
in ein Lager und der nachfolgenden Auslagerung, ist aber offensichtlich auch
tauglich für jeden anderen Ablauf, bei dem eine Erkennung stattfinden soll.
Bei diesem Verfahren werden die Gegenstände -mithin auch Transportvorrichtun-
gen- am Wareneingang in einer Vorrichtung zur optronischen Merkmalserkennung
u. a. von Diodenzeilenkameras optisch abgetastet. Die Ausgangsbildsignale der
Kameras werden einer Datenverarbeitungsanlage zugeführt, die daraus ein Hel-
ligkeitsgebirge erzeugt. Die jeweils von den Gegenständen gewonnenen Hellig-
keitsgebirge werden in der Datenverarbeitungsanlage gespeichert (vgl. S. 8,
Z. 19 - 23 mit Fig. 1, S. 2, Z. 4 - 10; S. 3, Z. 1 - 4).
Am Warenausgang ist eine weitere Vorrichtung zur optronischen Merkmalserken-
nung mit einer Diodenzeilenkamera angeordnet, aus deren Ausgangsbildsignalen
eine Datenverarbeitungsanlage ebenfalls ein Helligkeitsgebirge erzeugt (vgl. S. 8,
Z. 25 - 28 mit Fig. 2, S. 3, Z. 6 - 12).
- 14 -
Die Identifizierung des am Warenausgang abgetasteten Gegenstandes unter den
am Wareneingang registrierten Gegenständen erfolgt durch einen Vergleich die-
ses Helligkeitsgebirges mit den am Wareneingang gewonnenen und in der Daten-
verarbeitungsanlage gespeicherten Helligkeitsgebirgen (S. 3, Z. 19 - 24).
Neben dieser Identifizierung durch Helligkeitsgebirge schlägt die D 13 zur Erhö-
hung der Sicherheit bei der Erkennung von Gegenständen noch weitere Maßnah-
men vor, so die Vermessung des Formats der Gegenstände mit der Kamera (vgl.
S. 9, Z. 11 - 14), oder die Bestimmung der Farbe (Farbort) des Gegenstandes mit
optischen Sensoren (vgl. S. 10, Z. 9 - 18).
Das in der D 13 beschriebene Verfahren weist aber nicht nur die Grundzüge des
Verfahrens nach dem Streitpatent auf, sondern legt dem Fachmann auch die in
der verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1 genannten Schritte zur Merk-
malsextraktion und zur Merkmalscodegewinnung nahe.
Die in den Schritten b) und e) genannte Maßnahme, dass die Merkmalsextraktion
mit einem Bildverarbeitungsprogramm vorgenommen wird, das aus dem aufge-
nommenen und digitalisierten Bild die das Objekt in eindeutiger Weise charakteri-
sierenden Merkmale der originären Oberfläche und/oder Gestalt extrahiert, ist
durch die Ausführungen auf S. 9, Z. 11 - 32 der D 13 angeregt. Dort ist ausgeführt,
dass die Ausgangsbildsignale der Diodenzeilenkameras 4, 5 bzw. 16 einer Sys-
temhardware-Einrichtung 11 bzw. 22 zugeführt werden. In S. 12, Z. 4 - 10 ist
hierzu ergänzt, dass die Systemhardware-Einrichtung 22 bei der Erzeugung von
linearen Helligkeitsgebirgen „mit Hilfe eines Bildspeichers mit nachgeschalteter
Software arbeitet“. Im Zusammenhang mit der beabsichtigten Erkennung von Ge-
genständen versteht der Fachmann diese Ausführungen so, dass die von einer
der Kameras aufgenommenen Bilder von einem Bildverarbeitungsprogramm auf
Helligkeitsunterschiede hin ausgewertet werden. Hierbei versteht es sich von
selbst, dass Helligkeitsunterschiede für charakteristische Merkmale der Oberflä-
che und Gestalt des Gegenstandes stehen, bspw. für Vertiefungen oder Kanten.
Was die in den Schritten c) und f) genannte Zusammenfassung der aus den Ob-
jekten extrahierten Merkmale in einem Merkmalscode und die Durchführung des
- 15 -
Vergleichs nach Schritt g) unter Zugrundelegung der Merkmalscodes anbelangt,
so kann diese, jedenfalls in der beanspruchten allgemeinen Form, eine erfinderi-
sche Leistung nicht begründen.
Wie ausgeführt, werden bei dem Verfahren nach der D 13 von einem Gegenstand
nicht nur das Helligkeitsgebirge, sondern auch das Format und die Farbe als opti-
sche Merkmale ermittelt. Da die Erfassung der weiteren Merkmale der Erhöhung
der Sicherheit bei der Erkennung der Gegenstände dienen soll, war es für den
Fachmann nahe liegend, dem zur Identifizierung eines Gegenstandes dienenden
Vergleich entsprechend Schritt g) nicht nur das Helligkeitsgebirge zu unterziehen,
sondern gleichzeitig auch die weiteren vom Gegenstand erhobenen optischen
Merkmale. Diesen Vergleich von einer Datenverarbeitungsanlage durchführen zu
lassen setzt zwangsläufig eine Codierung der einzelnen optischen Merkmale,
bspw. der Farbe voraus. Im Rahmen der Datenverarbeitung drängte es sich dem
Fachmann dann geradezu auf, verschiedene codierte Merkmale eines Objektes zu
einem Merkmalscode zusammenzufassen.
Die Inhaber des Streitpatents machen geltend, dass die D 13 das Verfahren nach
dem Anspruch 1 in der verteidigten Fassung nicht nahe legen könne, weil das dort
beschriebene Verfahren nicht geeignet sei, ein individuelles Objekt zu erkennen,
sondern nur eine Klasse von gleichen Objekten. So könne bei der Wiedererken-
nung eines eingelagerten Buches nur erkannt werden, ob es sich um ein Buch mit
dem gewünschten Titelblatt handele, nicht aber um welches Exemplar der Vielzahl
von Bücher mit gleichen Titelblatt.
Dieses Argument vermag nicht durchzugreifen. Denn für den Fachmann war beim
Nachvollzug des bekannten Verfahrens durchaus offensichtlich, dass eine grund-
legende Voraussetzung für die Unterscheidung von beliebigen Gegenständen war,
dass die zu unterscheidenden Gegenstände auch Unterschiede aufwiesen und
diese Unterschiede in den abgetasteten Helligkeitsgebirgen oder den anderen op-
tischen Merkmalen ihren Niederschlag fanden. Aus dieser Voraussetzung ergab
sich für den Fachmann notwendigerweise, dass für die Unterscheidung von ähnli-
chen oder gleichen Gegenständen bei der Merkmalsextraktion der Aufwand so
- 16 -
weit zu treiben war, bspw. die Auflösung zu erhöhen war, bis sich ein Unterschied
einstellte.
Darüber hinausgehende Maßnahmen, die im Besonderen auf die Unterscheid-
barkeit von ähnlichen oder gleichen Objekten gerichtet sind, finden sich im An-
spruch 1 in der verteidigten Fassung nicht.
Der Anspruch 1 konnte daher auch in der verteidigten Fassung keinen Bestand
haben.
5. Die Unteransprüche 2 bis 21 waren ebenfalls für nichtig zu erklären, da weder
geltend gemacht wurde noch ersichtlich ist, dass die in ihnen enthaltenen
Merkmale dem Gegenstand des Anspruchs 1 etwas hinzufügen, was eine erfinde-
rische Tätigkeit begründen könnte.
III.
Als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß §§ 84
Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 99 Abs. 1 PatG, 709 ZPO.
gez.
Unterschriften