Urteil des BPatG vom 04.02.2010

BPatG (stand der technik, patent, stift, stand, gegenstand, beschwerde, technik, aufgabe, schneider, verwendung)

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
6 W (pat) 22/09
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 101 52 699
- 2 -
hat der 6. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 4. Februar 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr.-Ing.
Lischke sowie der Richter Guth, Dipl.-Ing. Schneider und Dipl.-Ing. Ganzenmüller
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der
Patentabteilung 23 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom
24. Juli 2008 insoweit aufgehoben, als das Patent 101 52 699 mit
folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten wird:
Ansprüche 1 bis 18, eingegangen am 19. Januar 2010,
Beschreibung und Figuren, wie erteilt.
G r ü n d e
I .
Die Patentabteilung 23 des Deutschen Patent- und Markenamts hat das am
19. April 2007 veröffentlichte Patent 101 52 699 mit Beschluss vom 24. Juli 2008
widerrufen.
Die Entscheidung ist damit begründet worden, dass der Gegenstand des gelten-
den Anspruchs 1 nach Haupt- und Hilfsanträgen im Hinblick auf den Stand der
Technik nach der JP 4-328 045 A (D6) und der US 37 44 086 (D2) nicht auf einer
erfinderischen Tätigkeit beruhe.
- 3 -
Gegen diesen das Patent widerrufenden Beschluss richtet sich die Beschwerde
der Patentinhaberin. Sie begründet ihre Beschwerde, legt mit Schriftsatz vom
15. Januar 2010 (eingegangen am 19. Januar 2010) neue Ansprüche 1 bis 18 vor
und beantragt sinngemäß,
den Beschluss vom 24. Juli 2008 insoweit aufzuheben, als das
Patent mit den neuen Ansprüchen 1 bis 18, eingegangen am
19. Januar 2010, im Übrigen wie erteilt, beschränkt aufrecht erhal-
ten wird.
Der geltende Anspruch 1 lautet:
„Möbelscharnier (4) mit Öffnungsmechanik, insbesondere für Mö-
beltüren (2), mit einem Scharniertopf (5), welcher über ein Schar-
nierband (6) mit einem Scharnierarm (12) verbunden ist, welcher
insbesondere einstellbar und feststellbar mit einer Grund-
platte (18) verbunden ist, die an einem Möbelkorpus (1) befestigt
ist, wobei das Scharnierband (6) einen inneren (7) und einen äu-
ßeren Gelenkhebel (9) beinhaltet, welche jeweils über je einen
Gelenkbolzen (8, 10) an dem Scharniertopf (5), als auch an dem
Scharnierarm (12) drehbar angelenkt sind, wodurch zwischen dem
Scharniertopf (5) und dem Scharnierarm (12) eine Art Parallelo-
gramm-Gelenk ausgebildet ist, wodurch die Möbeltüre (2) relativ
zum Möbelkorpus (1) verschwenkbar ist, wobei mindestens ein
elastisch federndes Federelement (22, 22a, 28, 28a, 28b, 28c) auf
den äußeren (9) und/oder inneren Gelenkhebel (7) mittelbar oder
unmittelbar wirkt, wobei durch das Wirken des mindestens einen
elastisch federnden Federelements (22, 22a, 28, 28a, 28b, 28c)
auf den äußeren (9) und/oder inneren Gelenkhebel (7) ein Dreh-
moment zum Öffnen der insbesondere Möbeltüre (2) von der
Schließ-Stellung an über einen definierten Öffnungs-Winkelbe-
- 4 -
reich wirkt, dass das elastisch federnde Federelement (22, 22a,
28, 28a, 28b, 28c) auf einem Stift (15) aufgenommen ist und um
diesen Stift (15) oder mit diesem Stift (15) drehbar ausgebildet ist
und dass das elastisch federnde Federelement (22, 22a, 28, 28a,
28b, 28c) an einem Gelenkhebel des Scharnierbandes (6) befes-
tigt ist, der durch das Federelement nicht beaufschlagt wird.“
Hinsichtlich des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 18 wird auf den Akteninhalt
verwiesen.
Die Einsprechende hat sich zu dem Beschwerdevorbringen nicht geäußert.
Im Prüfungs- und Einspruchsverfahren sind folgende Druckschriften in Betracht
gezogen worden:
-
D1: DE 25 39 197 C2
-
D2: US 37 44 086
-
D3: DE 296 08 315 U1
-
D4: DE 24 08 057 A1
-
D5: JP 4-309 681 A
-
D6: JP 4-328 045 A
-
D7: US 45 32 675
-
D8: US 41 85 415
-
DE 30 31 843 C2
-
DE 101 43 922 A1
-
DE 30 33 817 A1
-
DE 298 17 240 U1
-
DE 298 16 727 U1
-
DE 93 02 444 U1
-
DE 70 21 965 U1
-
DE 696 08 858 T2
- 5 -
-
DE 299 17 107 U1
-
AT 392 996 B
-
AT 291 038
-
EP 0 221 253 B1.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwie-
sen.
II.
Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig, sie hat in der Sache auch inso-
weit Erfolg, als das Patent beschränkt aufrechterhalten wird.
1.
Die geltenden Ansprüche sind zulässig.
Der geltende Anspruch 1 ergibt sich aus den erteilten Ansprüchen 1 und 2 bzw.
den ursprünglichen Ansprüchen 1, 3 und 13, die geltenden Unteransprüche 2
bis 18 entsprechen den erteilten Ansprüchen 3 bis 19.
2.
Der Patentgegenstand erweist sich als patentfähig.
a) Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist neu.
Die Neuheit des Gegenstandes der geltenden Anspruchs 1 gegenüber dem nach-
gewiesenen Stand der Technik wurde seitens der Einsprechenden nicht bestritten,
sie ist auch gegeben, wie eine Überprüfung durch den Senat im Rahmen der
Amtsermittlung ergeben hat und wie die folgenden Ausführungen zeigen.
- 6 -
b) Der Gegenstand des zweifelsfrei gewerblich anwendbaren geltenden An-
spruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Aus der JP 4-328 045 A (D6) ist bekannt ein
Scharnier mit Öffnungsmechanik, insbesondere für Türen 4, mit
einem Scharnierteil 16, welcher über ein Scharnierband mit einem
Scharnierarm 12 verbunden ist, welcher feststellbar mit einer
Grundplatte verbunden ist, die an einem Korpus 2 befestigt ist,
wobei das Scharnierband einen inneren 16 und einen äußeren
Gelenkhebel 17 beinhaltet, welche jeweils über je einen Gelenk-
bolzen 14/19, 15/20 an dem Scharnierteil 18, als auch an dem
Scharnierarm 12 drehbar angelenkt sind, wodurch zwischen dem
Scharnierteil 18 und dem Scharnierarm 12 eine Art Parallelo-
gramm-Gelenk ausgebildet ist, wodurch die Türe 4 relativ zum
Korpus 2 verschwenkbar ist, wobei mindestens ein elastisch fe-
derndes Federelement 22 auf den äußeren 17 und/oder inneren
Gelenkhebel 16 mittelbar oder unmittelbar wirkt, wobei durch das
Wirken des mindestens einen elastisch federnden Federele-
ments 22 auf den äußeren 17 und/oder inneren Gelenkhebel 16
ein Drehmoment zum Öffnen der Türe 4 von der Schließ-Stellung
an über einen definierten Öffnungs-Winkelbereich wirkt und dass
das elastisch federnde Federelement 22 auf einem Stift 14 aufge-
nommen ist und um diesen Stift 14 oder mit diesem Stift 14 dreh-
bar ausgebildet ist (vgl. hierzu auch die zutreffenden Ausführun-
gen im Beschluss des DPMA vom 24. Juli 2008, S. 8 und 9).
Ein derartiges Scharnier soll aufgabengemäß derart weiterentwickelt werden, dass
eine geeignete Öffnungskraft von der Schließ-Stellung an auf die Möbeltüre über
einen definierten Öffnungs-Winkelbereich herrscht (vgl. Abs. [0013] der Streitpa-
tentschrift).
- 7 -
Zur Lösung einer derartigen Aufgabe kann der nachgewiesene Stand der Technik
keine Anregung liefern.
Die US 37 44 086 (D2) offenbart ein Möbelscharnier (Sp. 1, Z. 1 bis 3), bei dem
- wie im Übrigen bei Möbelscharnieren allgemein üblich - ein Scharniertopf Ver-
wendung findet (Pos. 2, 26, 27, 28), jedoch ist dort keine Öffnungsmechanik im
patentgemäßen Sinne vorhanden, so dass von dort auch keine Anregungen zu
Lösung der patentgemäßen Aufgabe kommen können. Denn patentgemäß soll die
Öffnungsmechanik einen Öffnungsdruck auf die Türe von der Schließ-Stellung an
bewirken, wodurch insbesondere bei nicht vorgesehenen Türgriffen ein einfaches,
automatisches Öffnen durch Entriegeln der Türe ermöglicht wird (Abs. [0016] der
Streitpatentschrift). Dies ist in der US 37 44 086 (D2) aber gerade nicht der Fall.
Denn wie sich beispielsweise aus Sp. 4, Z. 44 bis 48 entnehmen lässt, kann dort
die Tür frei bewegt werden und in jeder Zwischenstellung (zwischen „auf“ und
„zu“) verharren, ohne in eine bevorzugte Position gedrängt zu werden.
Somit wird mit der Konstruktion nach der US 37 44 086 (D2) eben gerade keine
Möglichkeit geschaffen, einen Öffnungsdruck auf die Türe von der Schließ-Stel-
lung an zu bewirken. Da dies aber die Intention des Erfinders ist, wird er die US
37 44 086 (D2) nicht weiter in seine Überlegungen einbeziehen, da dort ein ganz
anderes Ziel verfolgt wird. Folglich kann von dieser Druckschrift auch keine Anre-
gung zu einer Konstruktion ausgehen, die einen Öffnungsdruck auf die Türe von
der Schließ-Stellung an bewirken soll, wodurch insbesondere bei nicht vorgesehe-
nen Türgriffen ein einfaches, automatisches Öffnen durch Entriegeln der Türe er-
möglicht wird.
Der übrige Stand der Technik liegt erkennbarerweise noch weiter vom Gegen-
stand des Streitpatents ab, so dass von dort ebenfalls keine Anregung zu der be-
anspruchten Ausgestaltung ausgehen kann.
Der geltende Anspruch 1 ist somit gewährbar.
- 8 -
c)
Unteransprüche
Zusammen mit dem Anspruch 1 sind auch die auf ihn unmittelbar oder mittelbar
rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 18 rechtsbeständig, da sie nicht platt selbst-
verständliche Ausgestaltungen des Gegenstandes nach Anspruch 1 betreffen.
Lischke
Guth
Schneider
Ganzenmüller
Cl