Urteil des BGH vom 17.07.2008
MobilPlus-Kapseln Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 220/05 Verkündet
am:
2.
Oktober
2008
Walz
Justizamtsinspektor
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ
: nein
BGHR
:
ja
MobilPlus-Kapseln
UWG §§ 3, 4 Nr. 11; LFGB § 11 Abs. 1 Satz 1; DiätV § 1
Ein Nährstoffbedarf ist bereits dann medizinisch bedingt, wenn die an bestimm-
ten Beschwerden, Krankheiten oder Störungen leidenden Personen einen be-
sonderen Nutzen aus der kontrollierten Aufnahme bestimmter Nährstoffe ziehen
können.
BGH, Urt. v. 2. Oktober 2008 - I ZR 220/05 - OLG München
LG München I
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 17. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 29. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts München vom 17. November 2005 unter
Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und
insoweit aufgehoben, als der Beklagten das Inverkehrbringen des
Mittels "A. MobilPlus-Kapseln" als diätetisches Lebensmittel
für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät) untersagt
worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Be-
rufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger, der Verband Sozialer Wettbewerb e.V., dem unter anderem
eine Vielzahl von Unternehmen aus der Arzneimittelbranche angehört, macht
gegen die Beklagte Unterlassungsansprüche im Zusammenhang mit dem Ver-
1
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trieb von "A. MobilPlus-Kapseln" (im Folgenden: MobilPlus-Kapseln) als
diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät)
und der Werbung hierfür sowie einen Anspruch auf Erstattung von Abmahnkos-
ten geltend.
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Die Beklagte bewarb in der Zeitschrift "R.
", Ausgabe
6/2002, auf Seite 12 (Anlage K 4) die von ihr vertriebenen MobilPlus-Kapseln
mit den Aussagen "Rheuma? Arthrose? Entzündete Gelenke? MobilPlus-Kap-
seln mit EPA + Rheumadiät helfen!". Das Mittel wird auf der Umverpackung und
in der Gebrauchsanweisung als diätetisches Lebensmittel für besondere medi-
zinische Zwecke bezeichnet. Eine Kapsel enthält 0,5 g Omega-3-Fettsäuren,
darunter 0,3 g Eicosapentaensäure (im Folgenden: EPA) und 15 mg Vitamin E.
Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 24. Juli 2002 (Anlage
K 9) ab. Die Beklagte lehnte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungser-
klärung zunächst ab.
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Mit Schriftsatz vom 27. Mai 2003 gab die Beklagte eine strafbewehrte
Unterlassungserklärung ab, in der sie sich verpflichtete, es zu unterlassen, im
geschäftlichen Verkehr für das Mittel MobilPlus-Kapseln mit folgender Ge-
brauchsanweisung zu werben: "In den ersten vier Wochen täglich drei Kapseln.
Anschließend reicht eine Kapsel pro Tag." Ferner teilte sie mit, dass die Ge-
brauchsanweisung künftig laute: "Täglich drei Kapseln im Rahmen einer fleisch-
armen Diät mit etwas Flüssigkeit einnehmen."
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Der Kläger hat beantragt, der Beklagten zu untersagen,
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im geschäftlichen Verkehr
1. das Mittel "A. MobilPlus-Kapseln" als diätetisches Lebensmittel für be-
sondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät) in den Verkehr zu bringen,
2. für das Mittel "A. MobilPlus-Kapseln" zu werben:
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"Rheuma? Arthrose? Entzündete Gelenke?
MobilPlus-Kapseln mit EPA + Rheumadiät helfen",
sofern dies geschieht wie in der Werbeanzeige im "R. ",
Heft 6/2002, Seite 12.
Ferner hat er die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Abmahn-
kosten in Höhe von 139,20 € nebst Zinsen begehrt.
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Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
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Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben
(OLG München GRUR-RR 2006, 139 = ZLR 2006, 77). Das Berufungsgericht
hat den Unterlassungstenor zu I 1 nach Maßgabe des in der Berufungsinstanz
geänderten Klagebegehrens des Klägers dahingehend gefasst, dass der Be-
klagten nunmehr untersagt wird,
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im geschäftlichen Verkehr das Mittel "A. MobilPlus-Kapseln" als diäteti-
sches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät) in den
Verkehr zu bringen, sofern dies gemäß den im Tenor des Berufungsurteils wie-
dergegebenen Abbildungen der Umverpackung und der Gebrauchsanweisung
geschieht, hinsichtlich der Einnahmeempfehlung sowohl auf der Umverpackung
als auch auf der Gebrauchsanweisung mit der Maßgabe, dass eine Einnahme
im Umfang von täglich drei Kapseln im Rahmen einer fleischarmen Diät emp-
fohlen wird.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr auf
Abweisung der Klage gerichtetes Begehren weiter. Der Kläger beantragt, das
Rechtsmittel zurückzuweisen.
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Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe der mit dem
Klageantrag zu 1 geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1,
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§§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB, § 1 Abs. 4a, § 14b
Abs. 1 DiätV zu. Der Unterlassungsanspruch nach dem Klageantrag zu 2 sei
aus § 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB begründet.
Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten folge aus § 683 Satz 1, §§ 677,
670 BGB. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Bezeichnung "diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische
Zwecke (bilanzierte Diät)" sei für das Mittel "MobilPlus-Kapseln" irreführend
(§ 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB). Denn der Beklagten sei der ihr obliegende
Beweis nicht gelungen, dass das genannte Mittel die Voraussetzungen eines
diätetischen Lebensmittels für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Di-
ät) gemäß § 1 Abs. 4a, § 14b Abs. 1 DiätV erfülle. Der Sachverständige Prof.
Dr. H. habe nachvollziehbar dargelegt, dass Personen, die an entzündli-
chen Gelenkerkrankungen wie Rheuma und Arthrose litten, keinen ausreichend
gesicherten medizinisch bedingten, von den allgemeinen Ernährungsempfeh-
lungen abweichenden Bedarf an den Nährstoffen hätten, die in dem Mittel
"MobilPlus-Kapseln" enthalten seien.
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Die beanstandete Werbung (Anlage K 4) mit dem Text "Rheuma? Ar-
throse? Entzündete Gelenke? MobilPlus-Kapseln mit EPA + Rheumadiät hel-
fen" enthalte krankheitsbezogene Werbeaussagen i.S. von § 12 Abs. 1 Nr. 1
LFGB (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG a.F.). Nach § 3 Abs. 1 DiätV gelte abweichend
von § 12 Abs. 2 Nr. 2 LFGB (§ 18 Abs. 2 Satz 2 LMBG a.F.) das Verbot des
§ 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG a.F.) auch für diätetische Le-
bensmittel. Die Ausnahmevorschrift des § 3 Abs. 2 DiätV, nach der krankheits-
bezogene Werbeaussagen für diätetische Lebensmittel in bestimmten, erschöp-
fend aufgeführten Fällen zulässig seien, sei im Streitfall nicht einschlägig. So-
weit in § 3 Abs. 2 Nr. 4 lit. f DiätV Gicht genannt werde, rechtfertige diese Be-
stimmung die beanstandete Werbung schon deshalb nicht, weil die Werbung
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nicht die nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 lit. f DiätV zulässige Formulierung "zur besonde-
ren Ernährung bei Gicht im Rahmen eines Diätplanes" verwende. Im Streitfall
könne offenbleiben, ob bei bilanzierten Diäten, die die Voraussetzungen des § 1
Abs. 4a, § 14b Abs. 1 DiätV erfüllten, im Hinblick auf die Kennzeichnungsvor-
schrift des § 21 DiätV - unbeschadet des § 3 DiätV - eine krankheitsbezogene
Werbung für bilanzierte Diäten zulässig sei, da der Beklagten der ihr obliegende
Beweis nicht gelungen sei, dass bei dem Produkt "MobilPlus-Kapseln" die Vor-
aussetzungen für ein diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische
Zwecke (bilanzierte Diät) gemäß § 1 Abs. 4a, § 14b Abs. 1 DiätV vorlägen.
II. Die Revision der Beklagten hat teilweise Erfolg. Sie führt hinsichtlich
der Verurteilung zur Unterlassung des Inverkehrbringens nach dem Urteilstenor
zu I 1 zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung (dazu
unten 1.). Soweit die Beklagte zur Unterlassung der beanstandeten Werbung
und zur Zahlung der Abmahnkosten verurteilt worden ist, bleibt die Revision
ohne Erfolg (dazu unten 2.).
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1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Bezeichnung "diäteti-
sches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät)" für
die "MobilPlus-Kapseln" der Beklagten sei irreführend i.S. von § 11 Abs. 1
Satz 2 Nr. 1 LFGB, weil der Beklagten nicht der ihr obliegende Beweis gelun-
gen sei, dass ihr Mittel die Voraussetzungen einer bilanzierten Diät nach § 1
Abs. 4a, § 14b Abs. 1 DiätV erfülle. Die Revision rügt mit Recht, dass die bis-
lang getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die Annahme einer Irre-
führung durch die Bezeichnung des Mittels als bilanzierte Diät nicht tragen.
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a) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen,
dass dem Kläger gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch nach § 8
Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 LFGB, § 1
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UWG a.F. i.V. mit § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 lit. b LMBG zusteht, wenn die
"MobilPlus-Kapseln" der Beklagten nicht die Anforderungen an eine bilanzierte
Diät nach § 1 Abs. 4a, § 14b DiätV erfüllen. Bei den Vorschriften der § 11
LFGB, § 17 LMBG über irreführende Werbung handelt es sich um Marktverhal-
tensregelungen i.S. von § 4 Nr. 11 UWG, § 1 UWG a.F. (vgl. zu § 17 LMBG
BGH, Urt. v. 3.4.2003 - I ZR 203/00, GRUR 2003, 631, 632 = WRP 2003, 883
- L-Glutamin). Die Bezeichnung eines Mittels als bilanzierte Diät ist irreführend
im Sinne der genannten Vorschriften, wenn dieses Mittel nicht die Vorausset-
zungen eines diätetischen Lebensmittels für besondere medizinische Zwecke
nach § 1 Abs. 4a, § 14b DiätV erfüllt.
b) Nach § 1 Abs. 4a Satz 1 DiätV sind diätetische Lebensmittel für be-
sondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten) Erzeugnisse, die auf beson-
dere Weise verarbeitet oder formuliert und für die diätetische Behandlung von
Patienten bestimmt sind. Sie dienen entweder der Ernährung von Patienten, bei
denen die Aufnahme oder Verarbeitung gewöhnlicher Lebensmittel oder be-
stimmter darin enthaltener Nährstoffe aus bestimmten, in § 1 Abs. 4a Satz 2
Fall 1 DiätV angeführten Gründen beeinträchtigt ist, oder der Ernährung von
Patienten mit einem sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf, für deren
diätetische Behandlung eine Modifizierung der normalen Ernährung, andere
Lebensmittel für eine besondere Ernährung oder eine Kombination aus beiden
nicht ausreichen (§ 1 Abs. 4a Satz 2 Fall 2 DiätV). Ein Nährstoffbedarf ist, wie
sich aus § 1 Abs. 4a Satz 3 Nr. 1 und 2 DiätV ergibt, dann medizinisch bedingt,
wenn bestimmte Beschwerden, Krankheiten oder Störungen vorliegen, die ei-
nen besonderen Ernährungsbedarf zur Folge haben. Der besondere Ernäh-
rungsbedarf kann darin bestehen, dass die Patienten aufgrund der Beschwer-
den, Krankheiten oder Störungen, insbesondere aus den in § 1 Abs. 4a Satz 2
Fall 1 DiätV genannten Gründen, unterernährt sind. Ein Nährstoffbedarf ist aber
auch dann medizinisch bedingt (§ 1 Abs. 4a Satz 2 Fall 2 DiätV), wenn auf-
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grund der Beschwerden, Krankheiten oder Störungen sonstige besondere Er-
nährungserfordernisse bestehen, denen mit einer diesen Erfordernissen ange-
passten Nährstoffformulierung entsprochen werden kann (vgl. auch Erwä-
gungsgrund 1 der Richtlinie 1999/21/EG der Kommission v. 25. März 1999 über
diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, ABl. EG Nr. L
091 v. 7.4.1999, S. 29). Das kann, wie § 1 Abs. 2 Nr. 1 lit. b DiätV zu entneh-
men ist, bereits dann der Fall sein, wenn die an den bestimmten Beschwerden,
Krankheiten oder Störungen leidenden Personen einen besonderen Nutzen aus
der kontrollierten Aufnahme bestimmter Nährstoffe ziehen können.
Eine bilanzierte Diät dient i.S. von § 1 Abs. 4a Satz 2 DiätV der Ernäh-
rung von Patienten mit einem speziellen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf,
wenn sie zur Deckung dieses Bedarfs bestimmt ist und sich, wie sich aus § 1
Abs. 2 Nr. 2 DiätV ergibt, auch für diesen Ernährungszweck eignet (vgl.
Rathke/Gründig in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand der Kommentierung:
1. März 2007, § 1 DiätV Rdn. 89a). Nach § 14b Abs. 1 Satz 1 DiätV muss die
Herstellung von bilanzierten Diäten auf vernünftigen medizinischen und diäteti-
schen Grundsätzen beruhen. Bilanzierte Diäten müssen sich gemäß den An-
weisungen des Herstellers sicher und nutzbringend verwenden lassen und
wirksam sein in dem Sinne, dass sie den besonderen Ernährungserfordernis-
sen der Personen entsprechen, für die sie bestimmt sind (§ 14b Abs. 1 Satz 2
DiätV). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat, wie das Berufungsgericht
mit Recht angenommen hat, die Beklagte als Herstellerin und Vertreiberin des
als bilanzierte Diät beworbenen Mittels darzulegen und gegebenenfalls zu be-
weisen. Die Diätverordnung enthält zwar keine ausdrücklichen Regelungen
darüber, welchen Anforderungen an den Nachweis der Wirksamkeit i.S. von
§ 14b Abs. 1 Satz 2 DiätV zu stellen sind und wer den Nachweis zu führen hat.
Der nationale Verordnungsgeber hat davon abgesehen, den insoweit in Art. 3
Satz 2 der Richtlinie 1999/21/EG enthaltenen Zusatz, dass die Wirksamkeit
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durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Daten zu belegen ist, in die Diät-
verordnung zu übernehmen. Diese Klarstellung ist jedoch unter dem Gesichts-
punkt der richtlinienkonformen Auslegung von § 14b Abs. 1, § 1 Abs. 4a DiätV
ergänzend heranzuziehen (vgl. Herrmann, Rechtliche Problemstellungen bei
ergänzenden bilanzierten Diäten in arzneitypischer Darreichungsform, 2008,
S. 253 f. m.w.N.). Daraus folgt zum einen, dass an den Nachweis der Wirksam-
keit einer bilanzierten Diät grundsätzlich keine höheren Anforderungen zu stel-
len sind als an die wissenschaftliche Absicherung einer sonstigen gesundheits-
bezogenen Wirkungsbehauptung. Zum anderen ist dieser Regelung zu entneh-
men, dass derjenige, der die bilanzierte Diät herstellt und vertreibt, grundsätz-
lich ihre Wirksamkeit i.S. von Art. 3 Satz 2 der Richtlinie 1999/21/EG (§ 14b
Abs. 1 Satz 2 DiätV) darzulegen und zu beweisen hat.
c) Das Berufungsgericht hat seine Annahme, dass Personen, die an ent-
zündlichen Gelenkerkrankungen wie Rheuma und Arthrose litten, keinen aus-
reichend gesicherten medizinisch bedingten, von den allgemeinen Ernährungs-
empfehlungen abweichenden Nährstoffbedarf an den Stoffen hätten, die in dem
Mittel "MobilPlus-Kapseln" enthalten seien, im wesentlichen auf die Ausführun-
gen des Sachverständigen Prof. Dr. H. gestützt. Die Revision beanstandet
zu Recht, dass sich weder den Ausführungen des Berufungsgerichts noch den
von ihm in Bezug genommenen Darlegungen des Sachverständigen hinrei-
chend entnehmen lässt, ob bei Patienten mit entzündlichen Gelenkerkrankun-
gen schon kein durch dieses Leiden bedingter besonderer Nährstoffbedarf be-
steht oder ob ein solcher Bedarf zwar gegeben ist, das Mittel der Beklagten je-
doch nicht der Deckung dieses Bedarfs i.S. des § 1 Abs. 4a Satz 2 Fall 2 DiätV
dient, weil seine Wirksamkeit und Erforderlichkeit zur Erreichung des angege-
benen Ernährungszwecks nicht hinreichend nachgewiesen ist.
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aa) Die Beklagte hat geltend gemacht, bei Rheuma- und Arthrosepatien-
ten bestehe ein erhöhter Bedarf an EPA. Sie hat dies damit begründet, dass mit
der üblichen Ernährung in großen Mengen die Omega-6-Fettsäure Arachidon-
säure aufgenommen werde, die die Bereitschaft des Organismus zur Entwick-
lung und Unterhaltung von Entzündungen fördere. Dagegen bestehe in der Er-
nährung ein relativer Mangel an Omega-3-Fettsäuren wie beispielsweise EPA.
Diese besäßen entzündungs- und schmerzhemmende Eigenschaften. EPA sei
in der Lage, die Arachidonsäure im Körper zu "verdrängen", so dass bei einer
ausreichenden Aufnahme von EPA die entzündungs- und schmerzfördernde
Wirkung der Arachidonsäure verringert werde. Es bestehe ein Missverhältnis in
der Bilanz des Verzehrs entzündungsfördernder und entzündungshemmender
Nährstoffe. Daraus entstehe ein erhöhter Verzehrbedarf an entzündungshem-
menden Nährstoffen bei gleichzeitiger Verringerung des Verzehrs entzündungs-
fördernder Nährstoffe.
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bb) Da das Berufungsgericht zur Aufnahme von Omega-3- und Omega-
6-Fettsäuren mit der normalen Ernährung sowie zur entzündungshemmenden
bzw. entzündungsfördernden Wirkung dieser Stoffe keine gegenteiligen Fest-
stellungen getroffen hat, ist für die rechtliche Beurteilung in der Revisionsin-
stanz insoweit von dem tatsächlichen Vorbringen der Beklagten auszugehen.
Danach kann ein sonstiger medizinisch bedingter Bedarf an den in dem Mittel
der Beklagten enthaltenen Nährstoffen nicht verneint werden. Denn für die An-
nahme eines solchen Bedarfs genügt es, dass Patienten mit entzündlichen Ge-
lenkerkrankungen aufgrund ihres Leidens einen erhöhten Bedarf an der Zufuhr
von Nährstoffen mit entzündungshemmender Wirkung haben.
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cc) Nach den bislang getroffenen Feststellungen kann die grundsätzliche
Eignung der in dem Mittel der Beklagten enthaltenen Nährstoffe, diesen beson-
deren Bedarf zu decken, nicht verneint werden. Der Sachverständige Prof.
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Dr. H. , dessen Darlegungen zur Wirkung von Omega-3-Fettsäuren das
Berufungsgericht gefolgt ist, hat sich insbesondere auf eine Metaanalyse der
anerkannten US-amerikanischen Agency for Health Research and Quality aus
dem Jahre 2004 zur Wirkung von Omega-3-Fettsäuren bei Erkrankungen mit
rheumatoider Arthritis gestützt. Diese Analyse enthält die Feststellung, dass
Omega-3-Fettsäuren bei Patienten mit rheumatoider Arthritis zu einer Senkung
des Bedarfs an antientzündlichen Medikamenten führen. Der Sachverständige
hat bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsge-
richt insoweit eingeräumt, dass gewisse Effekte nachweisbar sein mögen; eine
wissenschaftliche Notwendigkeit zur Verabreichung der entsprechenden Stoffe
existiere aber nicht. Zu der Studie von Prof. Dr. A. aus dem Jahre 2003, die,
wie die Revision geltend macht, eine Einsparung von Medikamenten von ca.
20% bis 25% belegt, hat der Sachverständige Prof. Dr. H. ausgeführt, er
habe an dieser Studie keine Zweifel. Bereits in seiner ergänzenden schriftlichen
Stellungsnahme vom 2. November 2005 hatte der Sachverständige in seiner
zusammenfassenden Bewertung darauf hingewiesen, dass in randomisierten
kontrollierten klinischen Studien an kleineren, heterogenen Patientengruppen
Omega-3-Fettsäuren in Dosierungen zwischen 0,8 und 4,6 g am Tag die periar-
tikulären Weichteilbeschwerden signifikant mildern und den Bedarf an Gluko-
kortikoiden verringern.
Kommt den in dem Mittel der Beklagten enthaltenen Omega-3-Fett-
säuren - und demzufolge diesem Mittel insgesamt - gleichfalls die Wirkung zu,
dass ihre Aufnahme durch Patienten mit entzündlichen Gelenkerkrankungen
eine Verringerung des Bedarfs an antientzündlichen Medikamenten zur Folge
hat, dann dienen sie der Deckung eines sonstigen medizinischen Nährstoffbe-
darfs i.S. von § 1 Abs. 4a Satz 2 Fall 2 DiätV. Denn in der Verringerung des
Bedarfs an antientzündlichen Medikamenten liegt ein besonderer Nutzen (vgl.
§ 1 Abs. 2 Nr. 1 lit. b DiätV), den an entzündlichen Gelenkerkrankungen leiden-
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de Patienten aus der Aufnahme der genannten Nährstoffe ziehen können. Dies
genügt für die Annahme, dass das Mittel der Beklagten für einen medizinisch
bedingten Ernährungszweck bestimmt und geeignet ist. Da das Berufungsge-
richt es hat dahinstehen lassen, ob für die Patienten, für die das Mittel der Be-
klagten bestimmt ist, eine Modifizierung der normalen Ernährung, andere Le-
bensmittel für eine besondere Ernährung oder eine Kombination aus beiden
ausreichen, ist auch insoweit für die rechtliche Beurteilung in der Revisionsin-
stanz von dem Vorbringen der Beklagten auszugehen, dass dies nicht der Fall
ist.
d) Da das Berufungsurteil hinsichtlich der Verurteilung zur Unterlassung
des Inverkehrbringens des Mittels der Beklagten als bilanzierte Diät schon aus
diesem Grunde keinen Bestand haben kann, kann offenbleiben, ob auch die
weiteren Rügen der Revision gegen die Würdigung der übrigen von dem Sach-
verständigen Prof. Dr. H. herangezogenen Studien über die Wirkung von
Omega-3-Fettsäuren bei entzündlichen Gelenkerkrankungen durch das Beru-
fungsgericht durchgreifen. Jedenfalls fehlt der Annahme des Berufungsgerichts,
ein ausreichend gesicherter medizinisch bedingter Nährstoffbedarf sei nicht
nachvollziehbar dargelegt, auch insoweit die Grundlage, als es zum einen keine
hinreichenden Feststellungen zu dem von der Beklagten behaupteten Bedarf
getroffen hat (vgl. oben unter II 1 c aa) und zum anderen von einem zu engen
Begriff des medizinisch bedingten Nährstoffbedarfs ausgegangen ist (vgl. oben
unter II 1 b und c cc).
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2. Die Revision der Beklagten ist dagegen unbegründet, soweit sie sich
gegen die Verurteilung zur Unterlassung der beanstandeten konkreten Werbe-
aussagen richtet.
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a) Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass es
sich bei dem Verbot der krankheitsbezogenen Werbung nach § 12 Abs. 1 Nr. 1
LFGB, § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG um eine Marktverhaltensregelung i.S. von § 4
Nr. 11 UWG, § 1 UWG a.F. handelt (vgl. zu § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG BGH, Urt.
v. 4.12.1997 - I ZR 125/95, GRUR 1998, 493, 494 = WRP 1998, 505 - Gelenk-
Nahrung; Urt. v. 22.4.1999 - I ZR 159/96, GRUR 1999, 1007, 1008 = WRP
1999, 915 - Vitalkost). Die Annahme des Berufungsgerichts, die beanstandete
Werbung enthalte krankheitsbezogene Werbeaussagen i.S. von § 12 Abs. 1
Nr. 1 LFGB, § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG, weil die Linderung der genannten Erkran-
kungen durch die Einnahme von MobilPlus-Kapseln in Aussicht gestellt werde,
lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Revision erhebt insoweit auch kei-
ne Rügen.
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b) Entgegen der Auffassung der Revision ist ein Verstoß gegen das Ver-
bot der krankheitsbezogenen Werbung auch dann nicht zu verneinen, wenn es
sich bei dem Mittel der Beklagten - wovon für die rechtliche Beurteilung in der
Revisionsinstanz auszugehen ist - um eine bilanzierte Diät i.S. von § 1 Abs. 4a
DiätV handelt. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 LFGB (§ 18 Abs. 2 Satz 2 LMBG), § 3
Abs. 1 DiätV gilt das Verbot des § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB (§ 18 Abs. 1 Nr. 1
LMBG) auch für diätetische Lebensmittel. Einer der in § 3 Abs. 2 DiätV genann-
ten Ausnahmefälle liegt, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt
hat, nicht vor. Auf die Frage, ob über die in § 3 Abs. 2 DiätV genannten Fälle
hinaus eine krankheitsbezogene Werbung auch dann zulässig ist, wenn es sich
bei den betreffenden Angaben um Pflichtangaben gemäß § 21 Abs. 1 und 2
DiätV oder um nach § 21 Abs. 3 DiätV erlaubte Angaben handelt, kommt es im
Streitfall nicht an. Denn die beanstandete Werbung der Beklagten beschränkt
sich nicht auf nach diesen Bestimmungen vorgeschriebene oder erlaubte An-
gaben. Es werden nicht nur das Mittel der Beklagten sowie die Erkrankungen
genannt, für die es bestimmt ist (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 DiätV), sondern es wird dar-
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über hinaus damit geworben, dass das Mittel der Beklagten bei diesen Erkran-
kungen hilft. Wie insbesondere aus § 3 Abs. 2 Nr. 2 und 3 DiätV folgt, ist ein
derartiger Hinweis auf eine "helfende" Wirkung des beworbenen Mittels weder
nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 DiätV noch nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 DiätV zur Beschrei-
bung der Eigenschaften und Merkmale geboten, denen das Lebensmittel seine
Zweckbestimmung verdankt. Selbst bei den in § 3 Abs. 2 Nr. 2 und 3 DiätV aus-
drücklich genannten Lebensmitteln ist lediglich die Aussage "geeignet zur Be-
handlung von…" erlaubt. Auf eine heilende Wirkung darf lediglich bei den in § 3
Abs. 2 Nr. 2 DiätV genannten Lebensmitteln hingewiesen werden, wenn diese
zur Heilung geeignet sind, und auch dann nur durch die zusätzliche Bezeich-
nung "Heilnahrung".
3. Da die Abmahnung mit Schreiben vom 24. Juli 2002 jedenfalls hin-
sichtlich der Beanstandung der konkreten Werbeaussagen berechtigt war, hat
der Kläger, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, einen
Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Abmahnkosten in Form einer
Kostenpauschale nach § 683 Satz 1, §§ 677, 670 BGB auch der Höhe nach
(vgl. Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26.
Aufl., §
12
Rdn. 1.99).
27
III. Die Revision ist somit zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die Ver-
urteilung zur Unterlassung der konkreten Werbung und zur Zahlung der Ab-
mahnkosten richtet. Im Übrigen ist das Berufungsurteil auf die Revision der Be-
klagten aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist im Umfang der Aufhe-
bung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da sie insoweit noch nicht
zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO).
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Sollte es im wiedereröffneten Berufungsrechtszug darauf ankommen, ob
- wie das Landgericht angenommen hat - i.S. von § 1 Abs. 4a Satz 2 DiätV eine
Modifizierung der normalen Ernährung zur diätetischen Behandlung ausreicht,
wird sich das Berufungsgericht mit den dagegen gerichteten Angriffen in der
Berufungsbegründung der Beklagten zu befassen haben, mit denen diese gel-
tend gemacht hat, dass eine fischölreiche Ernährung mit normalen Lebensmit-
teln zur Aufnahme der erforderlichen Menge an Omega-3-Fettsäuren auf Dauer
nicht praktikabel und zudem infolge der erhöhten Fettaufnahme mit schädlichen
Folgen für die Gesundheit der Patienten verbunden sei. Unter einer normalen
Ernährung i.S. von § 1 Abs. 4a Satz 2 DiätV ist eine solche Ernährung zu ver-
stehen, die insbesondere hinsichtlich der Art und Eigenschaften der verzehrten
Lebensmittel sowie des Umfangs und der Dauer des Verzehrs im Rahmen der
üblichen Ernährungsgewohnheiten des betreffenden Patientenkreises liegt. Ei-
ne Modifizierung der normalen Ernährung reicht zur diätetischen Behandlung
nicht aus, wenn sich mit ihr die besonderen medizinischen Zwecke nicht oder
nicht sicher erreichen lassen, die Modifizierung nicht praktikabel oder für den
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Patienten unzumutbar ist (vgl. Stellungnahme des Arbeitskreises Lebensmittel-
chemischer Sachverständiger der Länder und des BVL, DLR 2006, 236, 238;
Kügel, ZLR 2003, 265, 273 f.; Herrmann aaO S. 120 m.w.N.).
Bornkamm Pokrant Büscher
Bergmann
Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 02.07.2003 - 1 HKO 21690/02 -
OLG München, Entscheidung vom 17.11.2005 - 29 U 4024/03 -