Urteil des BGH vom 22.12.2009
BGH (reinigung, stgb, räumlichkeit, teil, strafkammer, gebäude, brandstiftung, verbindung, aufenthalt, stand)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 236/10
vom
15. September 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter besonders schwerer Brandstiftung u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und der Beschwerdeführerin am 15. September 2010 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Wiesbaden vom 22. Dezember 2009 mit den Feststellungen auf-
gehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchter besonders schwe-
rer Brandstiftung in Tateinheit mit fahrlässiger Herbeiführung einer Sprengstoff-
explosion und mit Beihilfe zum versuchten Betrug zu einer Freiheitsstrafe von
drei Jahren verurteilt. Die Angeklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung for-
mellen und materiellen Rechts.
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Das Rechtsmittel hat mit der Sachbeschwerde Erfolg, so dass es eines
Eingehens auf die Verfahrensrüge nicht bedarf.
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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts gewannen die Eheleute
G. die Angeklagte sowie den gesonderten verfolgten Go. dazu, die von
ihnen im Einkaufzentrum S. P. betriebene Textilreinigung in Brand zu
setzen. Bei dem S. P. handelt es sich um ein Einkaufs- und Freizeitzent-
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rum mit Tiefgarage, einer angegliederten Ladenstraße sowie einem Bäderteil
mit Restaurant. In dem Teil der Ladengalerie, in dem auch die Reinigung gele-
gen ist, befindet sich zudem ein Fitness-Studio, das bis Mitternacht geöffnet hat
(UA S. 5).
Gemäß dem gemeinsamen Tatplan betrat die Angeklagte am 3. März
2007 um 21.38 Uhr das Einkaufszentrum. Sie hielt sich anschließend rund
40 Minuten in der Reinigung auf, wobei sie in telefonischem Kontakt mit Go.
stand, der die Ladenstraße auf und ab ging und auf Wachmänner und Passan-
ten achtete. Nachdem die Angeklagte in der Reinigung an zwei Stellen Feuer
gelegt hatte, kam es gegen 22.30 Uhr zu einer explosionsartigen Verpuffung,
die sämtliche Fenster hin zur Ladenpassage beschädigte. Ein Ausbreiten des
Brandes wurde durch die einsetzende Sprinkleranlage verhindert. Die Eheleute
G. meldeten den Schaden, wie zuvor geplant, ihrer Versicherung.
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2. Soweit die Strafkammer die Angeklagte wegen versuchter besonders
schwerer Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 3, § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB
verurteilt hat, hält dies rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Kammer hat
keine ausreichenden Feststellungen hinsichtlich der Voraussetzungen des
§ 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB getroffen.
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Die Reinigung, in der die Angeklagte den Brand gelegt hat, stellt als sol-
che keine Räumlichkeit im Sinne des § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB dar, da sich dort
zur Nachtzeit keine Menschen aufzuhalten pflegten. Nach Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs kann der Tatbestand des § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB indes
auch dann erfüllt sein, wenn ein einheitliches zusammenhängendes Gebäude
nur zu einem Teil Räumlichkeiten enthält, die zum zeitweisen Aufenthalt von
Menschen dienen. Ausschlaggebend für die "Einheitlichkeit" des Gebäudes ist
allein seine bauliche Beschaffenheit. Insoweit genügt es nicht, wenn eine
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Räumlichkeit "angebaut" ist, unmittelbar angrenzt oder sich in räumlicher Nähe
befindet (BGHSt 35, 283, 285; BGH NStZ 1991, 433). Erforderlich ist insbeson-
dere, dass zwischen den verschiedenen Gebäudeteilen eine Verbindung be-
steht, beispielsweise durch ein gemeinsames Treppenhaus (BGHSt 34, 115,
120), einen gemeinsamen Flur oder ineinander übergehende Räume
(BGHSt 35, 283, 286; Wolff LK, 12. Aufl. StGB § 306a Rn. 12, 21 mwN). Gegen
ein einheitliches Gebäude kann das Vorhandensein einer Brandmauer, beson-
derer sonstiger Brandschutzvorrichtungen oder einer nur ausnahmsweise, unter
Beseitigung besonderer Schutzvorrichtungen benutzbaren Verbindung spre-
chen (BGHSt 35, 283, 286).
Ob sich die Reinigung vorliegend mit einer zum Aufenthalt von Men-
schen dienenden Räumlichkeit in einem einheitlichen Gebäude befand, lässt
sich den Feststellungen der Kammer nicht hinreichend deutlich entnehmen.
Das Fitness-Studio - auf das die Strafkammer offensichtlich abstellt - liegt zwar
im gleichen Teil der "Ladengalerie", in dem sich auch die Reinigung befindet.
Weitergehende Feststellungen zur baulichen Beschaffenheit, die eine Bewer-
tung der Einheitlichkeit des Gebäudes zulassen, fehlen indes. Aufgrund der
Feststellungen erscheint es zwar möglich, dass das Fitness-Studio mit der Rei-
nigung über einen gemeinsamen Korridor verbunden ist; dies jedenfalls dann,
wenn die Kammer den Begriff "Ladengalerie" als Korridor und nicht etwa als
Baukomplex als solcher verstanden haben will. Dagegen spricht allerdings,
dass sie den unmittelbar an die Reinigung angrenzenden Teil, der vorliegend
als gemeinsamer Korridor in Betracht käme, abweichend als "Ladenpassage"
bezeichnet (UA S. 8). Unabhängig davon bleibt offen, ob diese vor der Reini-
gung befindliche Passage allseits abgeschlossen ist und damit überhaupt ein
verbindender Raum sein kann. Dies ergibt sich - entgegen der Annahme des
Generalbundesanwalts - auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Ur-
teilsfeststellungen, weshalb auch die Annahme, die Ladenpassage selbst könne
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eine "Räumlichkeit" im Sinne des § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB sein, nicht von den
Feststellungen getragen wird. Dafür fehlt jeglicher Hinweis. Gegen eine allseits
abgeschlossene Passage spricht vielmehr, dass die Kammer - offensichtlich
synonym gemeint - insoweit auch von einer "Ladenstraße" spricht (UA S. 5, 8,
17).
3. Da weitergehende Feststellungen nicht ausgeschlossen sind, war die
Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Auf-
hebung erfasst auch die an sich rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen fahrlässi-
ger Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und Beihilfe zum versuchten Be-
trug, da diese mit dem Brandstiftungsdelikt in Tateinheit stehen.
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Rissing-van Saan
Appl
Krehl
Eschelbach
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