Urteil des BGH vom 10.10.2002

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
VII ZR 315/01
Verkündet am:
10. Oktober 2002
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGB § 641
Der Werklohn wird trotz berechtigter Abnahmeverweigerung fällig, wenn der Auftrag-
geber nicht mehr Erfüllung, sondern wegen der mangelhaften Leistung nur noch
Schadensersatz oder Minderung verlangt.
BGH, Urteil vom 10. Oktober 2002 - VII ZR 315/01 - OLG Naumburg
LG Magdeburg
- 2 -
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Oktober 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die
Richter Dr. Haß, Dr. Wiebel, Prof. Dr. Kniffka und Bauner
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Naumburg vom 3. August 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Beru-
fungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin macht Werklohn in Höhe von noch 1.049.628,88 DM für
Bauleistungen geltend. Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Werk-
lohn sei nicht fällig, weil er die Abnahme zu Recht wegen Mängeln verweigert
habe. Er hat unter anderem mit dem Anspruch auf Ersatz der Mängelbeseiti-
gungskosten aufgerechnet, die er zunächst mit 314.696,40 DM, später mit 1,4
Mio. DM beziffert hat.
- 3 -
Das Landgericht hat die Klage als zur Zeit unbegründet abgewiesen. Die
Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren An-
spruch weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht richtet sich nach den
bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Werklohn nicht fällig, weil
der Beklagte die Bauleistung der Klägerin nicht abgenommen habe. Er habe die
Abnahme zu Recht wegen wesentlicher Mängel verweigert. Das Flachdach und
die gläserne Wintergartenüberdachung wiesen beträchtliche Undichtigkeiten
auf.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht
hat verkannt, daß ein Abrechnungsverhältnis besteht, so daß es für die Fällig-
keit des Werklohns auf die Abnahme nicht ankommt.
- 4 -
1. Das Berufungsgericht hat, ohne nach dem deutschen Kollisionsrecht
zu prüfen, welches materielle Recht für den Vertrag der Parteien berufen ist,
deutsches materielles Recht angewandt. Das erweist sich als zutreffend.
Auf das Vertragsverhältnis der Parteien ist nach dem deutschen interna-
tionalen Schuldvertragsrecht deutsches materielles Recht anzuwenden, Artikel
27 ff. EGBGB.
Die Parteien haben die VOB/B und die Anwendung verschiedener DIN-
Normen vereinbart. Darin liegt unter Berücksichtigung der sonstigen Vertrags-
umstände die stillschweigende Wahl deutschen Rechts (vgl. BGH, Urteil vom
14. Januar 1999 - VII ZR 19/98, BauR 1999, 631 = ZfBR 1999, 193).
2. Es kann dahinstehen, inwieweit die von der Revision erhobenen Rü-
gen berechtigt sind. Das Berufungsurteil kann schon deshalb keinen Bestand
haben, weil seine Auffassung, der Werklohn sei wegen der berechtigten Ab-
nahmeverweigerung zur Zeit nicht fällig, rechtsfehlerhaft ist.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Werklohn
trotz berechtigter Abnahmeverweigerung fällig, wenn der Auftraggeber nicht
mehr Erfüllung, sondern wegen der mangelhaften Leistung nur noch Scha-
densersatz oder Minderung verlangt. Es findet dann eine Abrechnung der bei-
derseitigen Ansprüche statt (BGH, Urteil vom 23. November 1978 - VII ZR
29/78, BauR 1979, 152 = NJW 1979, 549, 550; Urteil vom 13. September 2001
- VII ZR 113/00, BauR 2001, 1897, 1899, NZBau 2002, 28, 30; Urteil vom 16.
Mai 2002 - VII ZR 479/00, BauR 2002, 1399, 1400 = NJW 2002, 3019).
b) So liegt der Fall hier. Der Beklagte hat nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts wegen der geltend gemachten Mängel mit Ansprüchen in
Höhe der Mängelbeseitigungskosten aufgerechnet. Aus den in Bezug genom-
- 5 -
menen Schriftsätzen des Beklagten ergibt sich, daß er keine Mängelbeseitigung
mehr fordert, sondern nur noch Schadensersatz.
III.
Das Berufungsurteil kann deshalb keinen Bestand haben. Die Sache ist
an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird zu klären haben, ob
und in welcher Höhe die Werklohnforderung und die zur Aufrechnung gestellten
Forderungen bestehen.
Dressler Haß Wiebel
Kniffka Bauner