Urteil des BGH vom 12.03.2014
BGH: einziehung, sexuelle handlung, missbrauch, abend, gesamtstrafe, strafrichter, anstiftung, computer, zubehör, beihilfe
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 S t R 5 6 2 / 1 3
vom
12. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 12. März 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Dortmund vom 22. Februar 2013 mit den zugehöri-
gen Feststellungen aufgehoben,
a) im Fall II.1 der Urteilsgründe;
b) in den Fällen II.2 zu 1 und II.2 zu 2 der Urteilsgründe; in-
sofern bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatge-
schehen jedoch aufrechterhalten;
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
d) im Ausspruch über die Einziehung
– auch soweit es die
Mitangeklagte I. betrifft
– der bei den Angeklagten
sichergestellten Laptops mit Ladekabeln, der bei den
Angeklagten sichergestellten Kameras und der bei dem
Angeklagten sichergestellten Mappe mit CDs und DVDs.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache
a) im Fall II.1 der Urteilsgründe an das Amtsgericht
– Straf-
richter
– Bochum zurückgegeben,
b) in den Fällen II.2 zu 1 und II.2 zu 2 der Urteilsgründe so-
wie hinsichtlich der Gesamtstrafe und der Einziehung zu
neuer Verhandlung und Entscheidung
– auch über die
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Kosten der Rechtsmittel
– an eine andere Jugendkam-
mer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen, versuchten
schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem
Missbrauch eines Kindes, sexuellen Missbrauchs eines Kindes und Besitzes
kinderpornografischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren
und drei Monaten und die nicht revidierende Mitangeklagte I. wegen schwe-
ren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit
sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen, versuchten schweren sexuellen
Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes
und mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfrei-
heitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ferner hat es unter anderem die Einzie-
hung der „bei den Angeklagten sichergestellten Laptops mit zugehörigen Lade-
kabeln, der bei den Angeklagten sichergestellten Kameras“ und der bei dem
Angeklagten S. sichergestellten Mappe mit CDs und DVDs angeordnet.
Die Revision des Angeklagten hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Er-
folg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II.1 der Urteilsgründe wegen
Besitzes kinderpornografischer Schriften kann nicht bestehen bleiben, weil das
Landgericht für die Entscheidung sachlich nicht zuständig war.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 29. August 2012 das beim
Amtsgericht
– Strafrichter – Bochum rechtshängige Verfahren gegen den Ange-
klagten wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften übernommen und zu
dem bei ihm bereits rechtshängigen Verfahren wegen schweren sexuellen
Missbrauchs von Kindern und anderem hinzuverbunden. Dieser Beschluss ist
unwirksam, weil die Verbindung neben der örtlichen auch die sachliche Zu-
ständigkeit betraf und deshalb nur durch das Oberlandesgericht Hamm als dem
gemeinschaftlichen oberen Gericht (§ 4 Abs. 2 StPO) angeordnet werden konn-
te (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2013
– 2 StR 127/13, wistra 2013, 321;
Urteil vom 23. März 2006
– 3 StR 458/05, Rn. 2; Urteil vom 30. August 1968
– 4 StR 335/68, BGHSt 22, 232, 234 f.). Da die Prozessvoraussetzung der
sachlichen Zuständigkeit vom Revisionsgericht nach § 6 StPO von Amts wegen
zu beachten ist und eine Nachholung der Verbindungsentscheidung durch den
Senat nicht erfolgen konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 8. August 2001
– 2 StR 285/01, NStZ-RR 2002, 257, bei Becker), war das Verfahren wegen
Besitzes kinderpornografischer Schriften in entsprechender Anwendung des
§ 355 StPO an das Amtsgericht Bochum zurückzugeben (vgl. BGH, Beschluss
vom 9. Mai 2000
– 4 StR 105/00, Rn. 6).
2. Die auf § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB gestützte Verurteilung des Ange-
klagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in den Fällen II.2
zu 1 und II.2 zu 2 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Be-
denken.
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a) Nach den Feststellungen führte die Mitangeklagte I. am 9. Dezem-
ber 2011 gegen 10.00 Uhr in einem Zeitraum von 20
Minuten „gemäß einem
gemeinsamen Tatplan auf Initiative des Angeklagten“ zwei verschieden große
Vibratoren abwechselnd mehrfach über teils kürzere, teils längere Zeiträume in
den Anus und die Vagina ihrer zu diesem Zeitpunkt drei Jahre alten Tochter
ein. Das Geschehen wurde von dem Angeklagten zur eigenen
sexuellen Befriedigung mit seiner Digitalkamera gefilmt. Zwischenzeitlich forder-
te er die Mitangeklagte I. auf, das Gleitgel zu erneuern. Kurz bevor der An-
geklagte die Videoaufzeichnung abbrach, äußerte er gegenüber der Mitange-
klagten I.
, „es sei ja auch am Abend noch Zeit“ (Fall II.2 zu 1 der Urteils-
gründe). Gegen Abend desselben Tages wiederholte sich dieses Geschehen in
einem in etwa entsprechenden Zeitraum, wobei der Angeklagte hiervon nun-
mehr Fotos fertigte (Fall II.2 zu 2 der Urteilsgründe).
b) Diese Feststellungen belegen nicht, dass sich der Angeklagte jeweils
eines schweren sexuellen Missbrauchs gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB
schuldig gemacht hat.
Der Tatbestand des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB ist hinsichtlich der Be-
schreibung der sexuellen Handlung § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB nachgebil-
det (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 31 f.) und stellt eine Qualifikation gegenüber
§ 176 Abs. 1 und 2 StGB dar. Als Täter nach § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB kann
daher nur bestraft werden, wer entweder selbst („eigenhändig“) entsprechend
§ 176 Abs. 1 StGB Körperkontakt zu dem Kind aufnimmt (BGH, Beschluss vom
26. August 1998
– 2 StR 357/98, NStZ-RR 1999, 321, 322, bei Pfister; Urteil
vom 7. September 1995
– 1 StR 236/95, BGHSt 41, 242, 243) und dabei mit
ihm den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt
oder an sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper
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verbunden sind (Hörnle in: LK-StGB, 12. Aufl., § 176a Rn. 45; vgl. BGH, Be-
schluss vom 8. November 2011
– 4 StR 468/11, NStZ-RR 2012, 45; Urteil vom
22. April 1999
– 4 StR 3/99, BGHR StGB § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Mittäter 1,
jeweils zu § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB) oder wer entsprechend § 176 Abs. 2
StGB das Kind dazu bestimmt, eine der genannten Handlungen an einem Drit-
ten vorzunehmen oder von diesem an sich vornehmen zu lassen (vgl. BGH,
Urteil vom 30. September 2004
– 4 StR 134/04, NStZ 2005, 152, 153; Hörnle in:
LK-StGB, 12. Aufl., § 176a Rn. 46). Nach den Feststellungen hat nur die Mitan-
geklagte I. an dem Tatopfer eine mit dem Eindringen in dessen Körper ver-
bundene sexuelle Handlung (Einführen der Vibratoren) vorgenommen. Dass
der Angeklagte auf die Geschädigte eingewirkt hat, damit sie die Missbrauchs-
handlungen der Mitangeklagten I. an sich vornehmen lässt, kann den Fest-
stellungen ebenfalls nicht entnommen werden.
c) Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entschei-
dung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgesche-
hen können bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die hierzu nicht in
Widerspruch stehen, sind möglich. Dabei wird der neue Tatrichter auch zu prü-
fen haben, ob sich der Angeklagte einer Anstiftung oder einer Beihilfe zum
schweren sexuellen Missbrauch gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1, §§ 26, 27 StGB
schuldig gemacht hat.
3. Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen II.1 und II.2 zu 1
und 2 zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
4. Die ohne jede nähere Erläuterung aus § 74 StGB hergeleitete Ent-
scheidung über die Einziehung der bei „den Angeklagten sichergestellten Lap-
tops mit Ladekabeln und der
„bei den Angeklagten sichergestellten Kameras“
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hat schon deshalb keinen Bestand, weil weder die Urteilsformel noch die
Urteilsgründe eine hinreichende Bezeichnung der betroffenen Gegenstände
enthalten und deshalb weder für die Vollstreckungsbehörde, noch für die Betei-
ligten Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht (vgl. dazu BGH, Be-
schluss vom 20. Juni 2007
– 1 StR 251/07, wistra 2007, 427 f.; Urteil vom
15. März 1994
– 1 StR 179/93, Rn. 40, insoweit in BGHSt 40, 97 und NStZ
1994, 390 nicht abgedruckt). Da dieser Rechtsfehler auch die Mitangeklagte
I. betrifft, war die Aufhebung insoweit auf sie zu erstrecken (§ 357 Satz 1
StPO).
Sofern sich die Einziehung auch auf den bei dem Angeklagten im Fall II.1
der Urteilsgründe sichergestellten Laptop und die im Fall II.2 zu 1 verwendete
Digitalkamera bezieht, wird ihr auch durch die insoweit erfolgte Aufhebung des
Schuldspruchs die Grundlage entzogen. Gleiches gilt für die im Fall II.1 sicher-
gestellten 18 CDs/DVDs.
Im Fall einer erneuten Verurteilung des Angeklagten wegen Besitzes
kinderpornografischer Schriften gemäß § 184b Abs. 4 StGB wird zu beachten
sein, dass nur die verwendeten Speichermedien als Beziehungsgegenstände
nach § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB zwingend einzuziehen sind, während der für
Lade- und Speichervorgang verwendete Computer nebst Zubehör als Tatwerk-
zeug lediglich der fakultativen Einziehung nach § 74 Abs. 1 2. Alt. i.V.m. § 184b
Abs. 6 Satz 3 StGB unterliegt. In beiden Fällen ist im Hinblick auf den Grund-
satz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob gemäß § 74b Abs. 2 StGB die
Einziehung zunächst vorbehalten bleibt und weniger einschneidende Maßnah-
men zu treffen sind, wenn auch auf diese Weise der Einziehungszweck erreicht
werden kann (BGH, Urteil vom 16. Januar 2014
– 4 StR 370/13, Rn. 21; Be-
schluss vom 8. Februar 2012
– 4 StR 657/11, NStZ 2012, 319; Beschluss vom
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11. Januar 2012
– 4 StR 612/11, Rn. 5; Beschluss vom 28. November 2008
– 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69 Rn. 3). Dies könnte hier durch eine endgültige
Löschung der inkriminierten Bilddateien geschehen (vgl. BGH, Beschluss vom
11. Januar 2012
– 4 StR 612/11, Rn. 3).
Mutzbauer
Cierniak
Franke
Bender
Quentin