Urteil des BGH vom 06.10.2004

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 131/08 Verkündet
am:
17. Juni 2009
Ring,
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 535, 536
Eine Mietwohnung in einem älteren Gebäude weist, wenn nicht vertraglich etwas an-
deres vereinbart ist, in schallschutztechnischer Hinsicht keinen Mangel auf, sofern
der Trittschallschutz den zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden DIN-
Normen entspricht. Das gilt auch dann, wenn während der Mietzeit in der Wohnung
darüber der Fußbodenbelag ausgetauscht wird und sich dadurch der Schallschutz
gegenüber dem Zustand bei Anmietung der Wohnung verschlechtert (Abgrenzung zu
Senatsurteil vom 6. Oktober 2004 - VIII ZR 355/03, NJW 2005, 218).
BGH, Urteil vom 17. Juni 2009 - VIII ZR 131/08 - LG Duisburg
AG
Oberhausen
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. April 2009 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
Dr. Frellesen, die Richterinnen Hermanns und Dr. Hessel sowie den Richter
Dr. Achilles
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 13. Zivilkammer
des Landgerichts Duisburg vom 15. April 2008 wird zurückgewie-
sen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist Mieterin einer Eigentumswohnung der Klägerin in einem
um das Jahr 1970 errichteten Gebäude. Die Streithelfer der Klägerin sind Ei-
gentümer der darüber gelegenen Wohnung. Nachdem sie in ihrer Wohnung den
früher vorhandenen PVC-Belag durch Bodenfliesen ersetzt hatten, rügte die
Beklagte das Vorhandensein von Schallbrücken. In einem von der Klägerin ge-
gen die Streithelfer eingeleiteten selbständigen Beweisverfahren stellte ein
Sachverständiger fest, dass mit 61 dB zwar die Trittschall-Anforderungen der im
Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltenden DIN 4109 - Schallschutz im
Hochbau - in der Fassung von 1962 (maximal 63 dB), nicht aber diejenigen der
DIN 4109 in der Fassung von 1989 (maximal 53 dB) eingehalten und dass
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durch die Fliesen Schallbrücken entstanden waren. Die Beklagte minderte des-
halb ab Juli 2002 die Miete um monatlich 30 % der Nettomiete (125,11 €) und
behielt weitere 20 % (83,40 €) zurück.
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Mit ihrer Klage hat die Klägerin Zahlung der rückständigen Beträge bis
April 2005 (35 Monate x 208,51 €) in Höhe von 7.297,85 € und Ersatz der Kos-
ten des selbständigen Beweisverfahrens von 2.769,21 €, jeweils nebst Zinsen,
verlangt. Das Amtsgericht hat der Klage lediglich in Höhe von 1.459,50 € (10 %
der Nettomiete) nebst Zinsen stattgegeben. Mit ihrer - auch von den Streithel-
fern geführten - Berufung hat die Klägerin ihren erstinstanzlich geltend gemach-
ten Anspruch auf rückständige Miete in vollem Umfang weiterverfolgt und die
Klage um rückständige Miete für die Zeit von Mai 2005 bis Dezember 2007 in
Höhe von 5.337,60 € (32 Monate x 166,80 € = 40 % der Nettomiete) nebst Zin-
sen erweitert. Das Landgericht hat unter teilweiser Abänderung des Urteils des
Amtsgerichts der Mietklage in vollem Umfang stattgegeben und die Beklagte
zur Zahlung von weiteren 11.175,95 € nebst Zinsen verurteilt. Dagegen wendet
sich die Beklagte mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
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I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit
dies für das Revisionsverfahren noch von Interesse ist, ausgeführt:
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Die Klägerin habe gemäß § 535 Abs. 2 BGB über die bereits erstinstanz-
lich zugesprochenen Beträge hinaus Anspruch auf Zahlung aller weiteren von
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der Beklagten im Zeitraum von Juli 2002 bis Dezember 2007 nicht gezahlten
Restmieten in Höhe von 11.175,95 €. Die Beklagte könne sich weder nach
§ 536 Abs. 1 BGB auf eine Minderung des Mietzinses noch auf ein Zurückbe-
haltungsrecht berufen, weil die gemietete Wohnung nicht mängelbehaftet ge-
wesen sei.
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Trittschallfreiheit sei bei Anmietung der Wohnung nicht vereinbart wor-
den. Es komme deshalb nur darauf an, ob die Mietsache den technischen Nor-
men genüge, die zur Zeit ihrer Errichtung gegolten hätten. Das sei hinsichtlich
der DIN 4109 in der Fassung von 1962 der Fall. Der darin festgelegte Tritt-
schallschutzwert von 63 dB werde nach den Feststellungen des vom Beru-
fungsgericht beauftragten Sachverständigen J. eingehalten.
Zwar könne ein Mieter nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts-
hofs erwarten, dass der Vermieter, der bauliche Änderungen vornehme, dabei
den Lärmschutzanforderungen der zur Zeit des Umbaus geltenden DIN-Normen
genüge. Eine reine Veränderung des Bodenbelags werde jedoch in der Recht-
sprechung jedenfalls zum Wohnungseigentumsrecht nicht als bauliche Ände-
rung angesehen. Gleiches müsse im Wohnraummietrecht gelten. Die Arbeiten
der Streithelfer seien in diesem Rahmen geblieben. Nach dem Gutachten des
Sachverständigen J. sei es nicht in einem solchen Ausmaß zu Eingrif-
fen in die Zwischendecke gekommen, dass es gerechtfertigt sei, die Einhaltung
neuerer Schallnutznormen zu fordern.
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II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand, so dass die
Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat der Klägerin zu Recht
einen Anspruch auf Zahlung der rückständigen Miete für die Zeit von Juli 2002
bis Dezember 2007 zuerkannt, weil die vermietete Wohnung nicht mit einem
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Mangel behaftet ist, so dass weder die Miete gemäß § 536 Abs. 1 BGB gemin-
dert ist noch der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht an der Miete zusteht.
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1. Ein Mangel ist eine für den Mieter nachteilige Abweichung des tat-
sächlichen Zustandes der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand.
Maßgeblich sind daher, wie das Berufungsgericht zutreffend gesehen hat, in
erster Linie die Vereinbarungen der Parteien (Senatsurteil vom 6. Oktober 2004
- VIII ZR 355/03, NJW 2005, 218, unter II 1). Vertragliche Abreden über Art und
Umfang des Trittschallschutzes der vermieteten Wohnung oder über deren
Lärmfreiheit im Allgemeinen sind nach den von der Revision nicht angegriffenen
Feststellungen des Berufungsgerichts hier jedoch nicht getroffen worden.
2. Fehlen ausdrückliche Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsa-
che, so ist jedenfalls die Einhaltung der maßgeblichen technischen Normen ge-
schuldet. Dabei ist nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich der bei der Er-
richtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen (Senatsurteile vom
26. Juli 2004 - VIII ZR 281/03, WuM 2004, 527, unter II A 1 b bb, und vom
6. Oktober 2004, aaO). Danach genügt die Wohnung der Beklagten den gebo-
tenen schallschutztechnischen Standards. Zur Zeit der Errichtung des Gebäu-
des galt für die Schalldämmung die DIN-Norm 4109 in der Fassung von 1962.
Deren Werte werden nach den unbeanstandet gebliebenen Feststellungen des
Berufungsgerichts auch nach dem Austausch des Bodenbelags in der Woh-
nung der Streithelfer eingehalten.
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3. Nach der Rechtsprechung des Senats kann allerdings der Mieter er-
warten, dass Lärmschutzmaßnahmen getroffen werden, die den Anforderungen
der zur Zeit des Umbaus geltenden DIN-Normen genügen, wenn der Vermieter
selbst bauliche Veränderungen vornimmt, die zu Lärmimmissionen führen kön-
nen (Senatsurteil vom 6. Oktober 2004, aaO). Der Senat hat dies in einem Fall
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entschieden, in dem das über der Wohnung des Mieters gelegene Dachge-
schoss zunächst nur als Abstellraum gedient hatte und während der Mietzeit
von dem Vermieter erstmals als Wohnung ausgebaut und genutzt worden ist.
Das Berufungsgericht hat jedoch zu Recht angenommen, dass der jetzt zu be-
urteilende Sachverhalt damit nicht vergleichbar ist. Die Maßnahmen, die die
Beklagte beanstandet, sind schon nicht von der Klägerin als Vermieterin selbst,
sondern von den Streithelfern vorgenommen worden, die Eigentümer der über
der Wohnung der Beklagten gelegenen Wohnung sind. Vor allem aber sind die-
se Maßnahmen von der Intensität des Eingriffs in die Gebäudesubstanz her
dem erstmaligen Ausbau eines Dachgeschosses für eine Wohnnutzung nicht
gleichzustellen. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen
des Berufungsgerichts haben die Streithelfer in ihrer Wohnung nur den Boden-
belag ausgetauscht; der darunter liegende Estrich und die Geschossdecke sind
unverändert geblieben. Es handelt sich also ausschließlich um solche Arbeiten,
die aufgrund der Abnutzung des Fußbodens zum Zwecke der Instandhaltung
der Wohnungsausstattung von Zeit zu Zeit erforderlich sind, ohne dass damit
eine Veränderung oder Modernisierung des Gebäudes als solchem einhergeht.
Bei einem bloßen Austausch des Fußbodenbelags in der Oberwohnung,
sei es durch den Vermieter selbst, sei es durch einen anderen Sondereigentü-
mer, kann der Mieter nicht erwarten, dass die Maßnahme so durchgeführt wird,
dass der Trittschallschutz anschließend den höheren Anforderungen der zur
Zeit des Austauschs geltenden DIN-Normen genügt. Die damit verbundenen
Eingriffe in die Gebäudesubstanz sind - anders als der erstmalige Ausbau des
Dachgeschosses zur Wohnnutzung - mit einem Neubau oder einer grundlegen-
den Veränderung des Gebäudes nicht vergleichbar. Der Mieter kann deshalb
nicht verlangen, dass bei ihrer Durchführung höhere Lärmschutzwerte eingehal-
ten werden, als sie bis dahin für das Gebäude galten.
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4. Der Mieter kann, sofern nicht etwas anderes vereinbart ist, auch nicht
erwarten, dass Veränderungen des Fußbodenbelags in der Wohnung über ihm,
sei es durch den Vermieter selbst, sei es durch einen anderen Sondereigentü-
mer, unterbleiben, wenn dadurch die schallschutztechnische Situation zwar ver-
schlechtert wird, der Trittschallschutz aber - wie hier - auch nach der Verände-
rung den technischen Normen genügt, die bei Errichtung des Gebäudes galten
und deren Einhaltung vom Vermieter geschuldet ist (siehe oben unter 2). Dafür
kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht darauf an, ob der Ver-
mieter selbst nach § 14 Nr. 1 WEG von dem handelnden Wohnungseigentümer
Unterlassung der Maßnahme oder jedenfalls deren fachgerechte Ausführung
zum Zwecke der Verringerung der Lärmimmissionen verlangen könnte. Weist
das Gebäude im Zeitpunkt der Begründung des Mietverhältnisses tatsächlich
einen schallschutztechnischen Standard auf, der höher ist, als der Mieter nach
den maßgeblichen technischen Normen vom Vermieter verlangen kann, kann
der Mieter im Allgemeinen nicht davon ausgehen, dass der Vermieter ihm ge-
genüber dafür einstehen will, dass dieser Zustand während der gesamten Dau-
er des Mietverhältnisses erhalten bleibt. Mangels konkreter - hier weder von der
Revision angeführter noch sonst ersichtlicher - Anhaltspunkte für die Übernah-
me einer dahingehenden Verpflichtung durch den Vermieter kann der Mieter
vielmehr sowohl zu Beginn des Mietverhältnisses als auch im weiteren Verlauf
nur erwarten, dass die für den Schallschutz einschlägigen DIN-Normen ein-
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gehalten werden. Das ist in der Wohnung der Beklagten, wie ausgeführt, der
Fall.
Ball
Dr. Frellesen
Hermanns
Dr. Hessel
Dr. Achilles
Vorinstanzen:
AG Oberhausen, Entscheidung vom 28.03.2006 - 32 C 1298/05 -
LG Duisburg, Entscheidung vom 15.04.2008 - 13 S 128/06 -