Urteil des BGH vom 09.04.2013
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
II ZR 3/12
Verkündet am:
9. April 2013
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 256 Abs. 1
Der Gesellschafter einer Personengesellschaft hat grundsätzlich ein Interesse an der
Feststellung der Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses. Dies gilt in der Re-
gel auch über das Bestehen der Gesellschaft oder die Zugehörigkeit des Gesell-
schafters
zu
der
Gesellschaft
hinaus
(Fortführung
von
BGH,
Urteil vom 7. Februar 2012 - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917).
BGH, Urteil vom 9. April 2013 - II ZR 3/12 - OLG München
LG München I
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. April 2013 durch den Richter Dr. Strohn als Vorsitzenden, die Richterin
Dr. Reichart und die Richter Dr. Drescher, Born und Sunder
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des 8. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts München vom 30. November 2011 im
Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht
über die Feststellungsanträge des Klägers zu Top 9 und Top 10
(Berufungsanträge zu IV.) entschieden hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Entschei-
dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Be-
rufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind Rechtsanwälte. Sie waren in einer Partnerschaftsge-
sellschaft verbunden. Der Kläger ist zwischen Einreichung und Zustellung der
Klage im vorliegenden Verfahren zum 30. Juni 2010 ausgeschieden. Soweit in
der Revisionsinstanz noch von Bedeutung wurden auf einer Gesellschafterver-
sammlung am 19. Mai 2010 zwei Beschlüsse mit folgendem Wortlaut gefasst:
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zu Top 9,
Herr Dr. H. [der Kläger] wird aufgefordert, die von ihm Anfang Mai
2010 von den Konten der Partnerschaft abgeräumten bzw. entnommenen
Beträge über insgesamt Euro 85.000,00 unverzüglich, bis spätestens
28.5.2010, an die Partnerschaft zurückzuzahlen.
zu Top 10
Herr Dr. H. [der Kläger] wird aufgefordert, die von ihm bereits aus
den Kanzleiräumen entfernten Original-Akten, insbesondere die am Wo-
chenende des 15./16.5.2010 aus der Kanzlei beiseite geschafften Akten in
die Kanzleiräume zurückzubringen; dies gilt vor allem, soweit sie Angele-
genheiten betreffen, bei denen der Partnerschaft Ansprüche (zum Beispiel
auf Auslagenerstattung) zustehen können.
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass diese Beschlüsse nichtig sind,
hilfsweise, dass sie keine Rechtswirkung entfalten. Das Landgericht hat die
Klage insoweit abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung nach § 522
Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Se-
nat zugelassene Revision des Klägers, mit der er sein Begehren weiter verfolgt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers hat Erfolg und führt zur Aufhebung der Ent-
scheidung im angefochtenen Umfang und zur Zurückverweisung an das Beru-
fungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Dem Kläger fehle das gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinte-
resse. Es komme nicht darauf an, ob der Kläger aus der Gesellschaft ausge-
schieden sei. Maßgeblich sei, ob der angefochtene Beschluss Rechtswirkungen
im Verhältnis der Parteien habe. Auswirkungen auf die noch aus der früheren
Gesellschafterstellung nachwirkenden Rechte seien nicht ersichtlich. Die in den
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Gesellschafterbeschlüssen enthaltenen Aufforderungen begründeten keine
Rechtspflicht. Sie wirkten hinsichtlich einer solchen Rechtspflicht nicht konstitu-
tiv. In einem wegen der in den Beschlüssen genannten Aufforderungen an den
Kläger geführten Rechtsstreit würden diese Beschlüsse nur insoweit Wirkung
entfalten, als sie ergangen und vom Kläger zur Kenntnis genommen worden
seien.
II. Dies hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere sind die Voraussetzungen des
§ 256 Abs. 1 ZPO erfüllt.
1. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Be-
schlüsse der Gesellschafter einer Personengesellschaft Rechtsverhältnisse im
Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO (BGH, Urteil vom 21. Oktober 1991 - II ZR 211/90,
NJW-RR 1992, 227; Urteil vom 7. Februar 2012 - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917
Rn. 24; ebenso etwa Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, § 3 III 3, S. 179).
Da die beiden streitigen Beschlüsse Wirkung für die Zukunft haben sollen, han-
delt es sich dabei auch nicht nur um vergangene, sondern um gegenwärtige
Rechtsverhältnisse.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist es für das Beste-
hen eines Feststellungsinteresses nicht erforderlich, dass die in den Gesell-
schafterbeschlüssen enthaltenen Aufforderungen eine Rechtspflicht begründen.
Der Gesellschafter einer Personengesellschaft hat grundsätzlich ein Inte-
resse im Sinn von § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung der Unwirksamkeit
eines Gesellschafterbeschlusses (BGH, Urteil vom 21. Oktober 1991
- II ZR 211/90, NJW-RR 1992, 227; Urteil vom 25. November 2002
- II ZR 69/01, ZIP 2003, 116, 118; Urteil vom 7. Februar 2012 - II ZR 230/09,
ZIP 2012, 917 Rn. 24). Das ergibt sich schon aus seiner Zugehörigkeit zu der
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Gesellschaft. Er muss es nicht hinnehmen, dass über die Wirksamkeit eines
Gesellschafterbeschlusses Rechtsunsicherheit besteht (BGH, Urteil vom
21. Oktober 1991 - II ZR 211/90, NJW-RR 1992, 227; Urteil vom 7. Februar
2012 - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 24). Dies gilt grundsätzlich auch über
das Bestehen der Gesellschaft oder die Zugehörigkeit des Gesellschafters zu
der Gesellschaft hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - II ZR 230/09,
ZIP 2012, 917 Rn. 1, 24). Daher hat auch der nach der Beschlussfassung aus-
geschiedene Gesellschafter im Regelfall ein fortwirkendes Feststellungsinteres-
se.
Es kann dahinstehen, ob Sachverhalte denkbar sind, bei denen mit dem
Ausscheiden ein Feststellungsinteresse entfällt. Denn die in den Beschlüssen
enthaltenen Aufforderungen zur Rückzahlung von Geld und zur Rückgabe von
Akten sollten ersichtlich nicht mit dem Ausscheiden des Klägers aus der Ge-
sellschaft hinfällig werden.
3. Im Übrigen handelt es sich bei den zu Top 9 und Top 10 beschlosse-
nen Aufforderungen nicht nur um eine unverbindliche Meinungsäußerung der
Gesellschafter ohne Rechtsfolgewillen, sondern um die verbindliche Feststel-
lung von bestimmten Handlungspflichten des Klägers. Dafür spricht schon der
Umstand, dass die Beschlüsse förmlich gefasst worden sind und das Abstim-
mungsergebnis vom Versammlungsleiter förmlich festgestellt und protokolliert
worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2002 - II ZR 69/01, ZIP 2003,
116, 118; Urteil vom 7. Februar 2012 - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 25). Mit
diesen Beschlussfassungen sollte die unter den Gesellschaftern streitige Ver-
pflichtung zur Rückzahlung von Beträgen und zur Rückgabe von Akten verbind-
lich festgelegt werden. Dieser Regelungscharakter innerhalb der Gesellschaft
genügt jedenfalls, um ein Interesse des Klägers an der Feststellung der Unwirk-
samkeit der Beschlüsse zu rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 25. November
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2002 - II ZR 69/01, ZIP 2003, 116, 118; Urteil vom 7. Februar 2012
- II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 25).
III. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben und die Sache an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann nicht selbst abschließend
entscheiden, da noch tatrichterliche Feststellungen getroffen werden müssen.
Allerdings ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass
die Beklagten die richtigen Klagegegner und damit passivlegitimiert sind. Die
Nichtigkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung einer Personen-
gesellschaft wird grundsätzlich durch Feststellungsklage gegen die Mitgesell-
schafter geltend gemacht (BGH, Urteil vom 7. Juni 1999 - II ZR 278/98, ZIP
1999, 1391, 1393; Urteil vom 27. April 2009 - II ZR 167/07, ZIP 2009, 1158
Rn. 23 ff.; Urteil vom 1. März 2011 - II ZR 83/09, ZIP 2011, 806 Rn. 19). Das gilt
auch für die Klage eines mittlerweile ausgeschiedenen Gesellschafters (s. BGH,
Urteil vom 7. Februar 2012 - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 1).
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In dem durch die erforderliche Zurückverweisung wiedereröffneten Beru-
fungsrechtszug wird sich das Oberlandesgericht nunmehr mit den geltend ge-
machten formellen und materiellen Beschlussmängeln zu befassen haben.
Strohn Reichart Drescher
Born Sunder
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 09.02.2011 - 15 O 10181/10 -
OLG München, Entscheidung vom 30.11.2011 - 8 U 1162/11 -
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