Urteil des BGH vom 11.10.2007
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 105/06
Verkündet
am:
11. Oktober 2007
Preuß
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BRAO § 49b Abs. 5; BGB § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2
Den Mandanten trifft die Beweislast dafür, dass der Rechtsanwalt seiner Hinweis-
pflicht aus § 49b Abs. 5 BRAO nicht nachgekommen ist. Der Anwalt muss allerdings
konkret darlegen, in welcher Weise er belehrt haben will.
BGH, Urteil vom 11. Oktober 2007 - IX ZR 105/06 - LG Braunschweig
AG
Wolfsburg
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer, die
Richter Dr. Ganter und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Detlev
Fischer
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landge-
richts Braunschweig vom 27. April 2006 wird auf Kosten des Be-
klagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte hatte von seiner damaligen Arbeitgeberin eine fristlose
Kündigung erhalten. Deshalb beauftragte er die klagenden Rechtsanwälte, sei-
ne Interessen gegenüber der Arbeitgeberin wahrzunehmen. Zwischen den Par-
teien ist streitig, ob der Kläger zu 2 den Beklagten gemäß § 49b Abs. 5 BRAO
darauf hingewiesen hat, die anwaltliche Vergütung richte sich nach dem Ge-
genstandswert. Mit Kostennote vom 15. Juni 2005 brachten die Kläger für die
Abrechnung einen Gegenstandswert von 30.000 € in Ansatz und berechneten
für ihre Tätigkeit 2.485,18 €. Hierauf entrichtete der Beklagte 580 €.
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Den Restbetrag machen die Kläger klageweise geltend. Das Amtsgericht
hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte keinen
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Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabwei-
sungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.
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I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, § 49b Abs. 5 BRAO habe nicht nur
berufsrechtliche Relevanz, sondern eine unmittelbare zivilrechtliche Bedeutung.
Der Beklagte trage die Beweislast dafür, dass die Kläger nicht gemäß § 49b
Abs. 5 BRAO darauf hingewiesen haben, die anwaltliche Vergütung werde nach
dem Gegenstandswert bemessen. Aus der Norm selbst und den Gesetzesma-
terialien ergebe sich kein Aufschluss über die Beweislast. Es müsse daher bei
der allgemeinen Regel verbleiben, nach der jede Partei die Voraussetzungen
einer für sie günstigen Norm zu behaupten und nachzuweisen habe. Eine Um-
kehr der Beweislast sei nicht geboten, weil sonst die Vertrauensbeziehung zwi-
schen Anwalt und Mandant über Gebühr belastet werde, wenn der Anwalt be-
strebt sein müsse, sich im Hinblick auf mögliche Regressprozesse eine Be-
weisunterlage zu schaffen.
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II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
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1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass § 49b
Abs. 5 BRAO auch zivilrechtliche Bedeutung aufweist. Dies steht im Einklang
mit der nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Senatsentscheidung vom
24. Mai 2007. Danach ist der Rechtsanwalt, der den Mandanten vor Übernah-
me des Auftrags schuldhaft nicht darauf hinweist, dass sich die für seine Tätig-
keit zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, dem Man-
danten zum Ersatz des hierdurch verursachten Schadens verpflichtet (BGH,
Urt. v. 24. Mai 2007 - IX ZR 89/06, NJW 2007, 2332).
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Wie der Senat ausgeführt hat, muss der Anwalt gemäß § 49b Abs. 5
BRAO, wenn sich seine Gebühren nach dem Gegenstandswert richten (§ 2
Abs. 1 RVG), seinen Mandanten vor Übernahme des Auftrags hierauf hinwei-
sen. Grund für diese Neuregelung war der Umstand, dass es in der Vergan-
genheit immer wieder zu Unzuträglichkeiten geführt hatte, wenn Mandanten vor
allem bei hohen Gegenstandswerten von der Abrechnung "überrascht" wurden.
Dabei ging der Gesetzgeber davon aus, dass nach einem entsprechenden Hin-
weis ein Mandant, der die Folgen dieser Form der Gebührenberechnung nicht
abschätzen kann, den Rechtsanwalt hierzu näher befragt. Die vorvertragliche
Pflicht, den zukünftigen Mandanten gemäß § 49b Abs. 5 BRAO zu belehren,
dient in erster Linie dem Schutz des Mandanten. Eine schuldhafte Verletzung
dieser Pflicht führt deshalb gemäß § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB zur Scha-
densersatzpflicht des Rechtsanwalts (BGH, Urt. v. 24.
Mai 2007, aaO
S. 2333 f).
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2. Zu Recht hat das Berufungsgericht ferner angenommen, dass der
Mandant im Rahmen eines geltend gemachten Schadensersatzanspruches die
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Beweislast dafür trägt, der Anwalt sei seiner Hinweispflicht nach § 49b Abs. 5
BRAO nicht nachgekommen.
a) In der Entwurfsbegründung wird lediglich der Schutzzweck der Rege-
lung zu Gunsten des Mandanten angesprochen. Die Frage der Rechtsfolgen
eines Verstoßes gegen die in § 49b BRAO normierte vorvertragliche Unterrich-
tungsverpflichtung wird dagegen nicht erörtert. Es fehlen daher auch Ausfüh-
rungen dazu, wer bei Annahme einer Ersatzpflicht wegen eines unterlassenen
Hinweises die Beweislast hinsichtlich der Verletzung der Unterrichtungsver-
pflichtung zu tragen hat.
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b) Im Schrifttum wird - bezogen auf § 49b BRAO - überwiegend die An-
sicht vertreten, der Anwalt müsse nachweisen, dass er seiner Hinweispflicht
Genüge getan habe (Madert in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe,
RVG, 17. Aufl. § 4 Rn. 99; Braun in Hansens/Braun/N. Schneider, Praxis des
Vergütungsrechts, Rn.
147; Hansens RVGreport 2004, 443, 449; Rick
AnwBl. 2006, 648, 650; dagegen Zugehör in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee,
Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 805). Dieser Ansicht kann nicht ge-
folgt werden.
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aa) Die Hinweispflicht des § 49b BRAO dient der Konkretisierung der
allgemeinen Berufspflicht des Rechtsanwaltes und soll den Mandanten insbe-
sondere bei hohen Gegenstandswerten auf die Abrechnungsgrundlage der von
ihm zu entrichtenden Vergütung aufmerksam machen und ihm die Möglichkeit
eröffnen, gegebenenfalls weitere Fragen hierzu an den Anwalt zu richten (vgl.
BT-Drucks. 15/1971 S. 232 zu Art. 4 Abs. 18). Zivilrechtlich handelt es sich
hierbei um eine Beratungspflicht. Daher sind hierauf die allgemeinen Rechts-
grundsätze anzuwenden.
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bb) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trägt derje-
nige, der eine Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung behauptet, dafür
die Beweislast. Die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen
Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei die be-
hauptete Fehlberatung substantiiert bestreiten und darlegen muss, wie im Ein-
zelnen beraten bzw. aufgeklärt worden sein soll. Dem Anspruchsteller obliegt
dann der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft (BGHZ 126, 217, 225;
166, 56, 60; BGH, Urt. v. 16. September 1981 - IVa ZR 85/80, WM 1982, 13,
16; v. 5. Februar 1987 - IX ZR 65/86, WM 1987, 590, 591; v. 9. November 1989
- IX ZR 261/88, WM 1990, 115 f; v. 3. Dezember 1992 - IX ZR 61/92, WM 1993,
510, 512; v. 10. Dezember 1998 - IX ZR 358/97, WM 1999, 645, 646).
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c) Eine Beweislastumkehr oder Beweiserleichterung ergibt sich auch
nicht aus dem Gesichtspunkt der Verletzung einer Dokumentationsobliegenheit.
Nach dem Sachvortrag der Parteien hat der Kläger zu 2 die Erfüllung seiner
Hinweispflicht aus § 49b Abs. 5 BRAO zwar nicht schriftlich dokumentiert. Eine
Obliegenheit oder Pflicht zur Dokumentation bestand aber auch nicht. Sie ergibt
sich weder aus dem Anwaltsvertrag noch aus dem ihm vorausgehenden vorver-
traglichen Schuldverhältnis.
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Aus einem Schuldverhältnis kann sich zwar gemäß § 242 BGB eine Do-
kumentationspflicht des Vertragspartners ergeben, der die Belange des ande-
ren wahrzunehmen hat und dabei Maßnahmen oder Feststellungen trifft, die der
andere nicht selbst erkennen oder beurteilen kann (vgl. BGH, Urt. v.
15. November 1984 - IX ZR 157/83, WM 1985, 138, 139). Eine solche Pflicht,
die etwa Ärzte trifft (BGHZ 72, 132, 138; BGH, Urt. v. 6. Juli 1999 - VI ZR
290/98, NJW 1999, 3408, 3409 f), besteht aber bei der Beratung durch Rechts-
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anwälte und Steuerberater (vgl. BGH, Urt. v. 1. Oktober 1987 - IX ZR 117/86,
NJW 1988, 200, 203 und v. 13. Februar 1992 - IX ZR 105/91, NJW 1992, 1695,
1696; ferner Sieg in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee aaO Rn. 782 f) ebenso we-
nig wie bei der Anlageberatung durch Kreditinstitute (BGHZ 166, 56, 61).
3. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Be-
klagte die geltend gemachte Verletzung der Hinweispflicht aus § 49b Abs. 5
BRAO nicht nachgewiesen hat. Die Kläger haben substantiiert dargelegt, dass
der Kläger zu 2 den Beklagten darauf hingewiesen hat, die Anwaltsvergütung
richte sich nach dem Gegenstandswert. Beweis für das Gegenteil hat der Be-
klagte nicht angetreten.
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Dr.
Gero
Fischer
Dr.
Ganter
Vill
Lohmann
Dr.
Detlev
Fischer
Vorinstanzen:
AG Wolfsburg, Entscheidung vom 28.12.2005 - 12 C 228/05 -
LG Braunschweig, Entscheidung vom 27.04.2006 - 8 S 42/06 (002) -