Urteil des BGH vom 12.12.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZR 52/13
vom
12. Dezember 2013
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 3
Der Streitwert einer Klage auf Duldung der Benutzung von Nachbargrund-stücken
zur Herstellung der erforderlichen Verbindung mit einem öffentlichen Weg (Notweg)
bestimmt sich in entsprechender Anwendung von § 7 Alt. 1 ZPO nach dem gemäß
§ 3 ZPO zu schätzenden Interesse des Klägers an der Duldungspflicht des Nach-
barn. Der Wert dieses Interesses entspricht der Wertsteigerung, welche das Grund-
stück des Klägers durch die Gewährung des Notwegrechts erfährt.
BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2013 - V ZR 52/13 - OLG Celle
LG Stade
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Dezember 2013 durch die
Richter Dr. Lemke, Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Czub, die Richterin
Dr. Brückner und den Richter Dr. Kazele
beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem
Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom
30. Januar 2013 wird auf Kosten des Beklagten zu 1, der auch die
durch die Streithilfe auf Seiten des Klägers verursachten Kosten
zu tragen hat, als unzulässig verworfen.
Der
Gegenstandswert
des
Beschwerdeverfahrens
beträgt
30.000
€.
Gründe:
I.
Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks, welches über keine An-
bindung zu einem öffentlichen Weg verfügt. Er nutzte seit Jahrzehnten eine
über das benachbarte Grundstück des Beklagten zu 1 (fortan: Beklagter) füh-
rende Zuwegung. Diese hat der Beklagte Anfang des Jahres 2011 umgepflügt.
Soweit hier von Interesse, hat das Landgericht den Beklagten verurteilt,
die Nutzung eines näher bezeichneten Teils seines Grundstücks zur Herstel-
lung der notwendigen Verbindung des Grundstücks des Klägers mit einem öf-
fentlichen Weg als Notweg zu dulden. Die Berufung des Beklagten ist nur inso-
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weit erfolgreich gewesen, als das Oberlandesgericht die Duldungspflicht von
der Zahlung einer jährlichen Notwegrente von 500
€ abhängig gemacht hat.
Mit der Beschwerde will der Beklagte die Zulassung der Revision gegen
das zweitinstanzliche Urteil erreichen, damit er in dem angestrebten Revisions-
verfahren seinen Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgen kann. Der Kläger
beantragt die Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig, hilfsweise dessen
Zurückweisung.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig, weil der Beklagte nicht - wie geboten
(siehe nur Senat, Beschluss vom 25. Juli 2002 - V ZR 118/02, NJW 2002,
3180) - dargelegt und glaubhaft gemacht hat, dass der Wert der mit der Revisi-
on geltend zu machenden Beschwer 20.000
€ übersteigt (§ 26 Nr. 8 ZPO).
1. Maßgebend für den Wert der Beschwer im Rechtsmittelverfahren ist
das Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der angefochtenen
Entscheidung (Senat, Beschluss vom 12. Juli 2012 - V ZR 19/12, Grundeigen-
tum 2012, 1314 f.). Danach bemisst sich die Beschwer des Beklagten, welche
er in dem angestrebten Revisionsverfahren geltend machen könnte, nach der
Wertminderung, die sein Grundstück durch die Pflicht zur Duldung des Notwegs
erleidet (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Juni 2011 - V ZB 293/10, Grundeigen-
tum 2011, 1080). Die ausgeurteilte Gegenleistung in Form der Notwegrente
bleibt unberücksichtigt. Insoweit gilt nichts anderes als für die Wertbemessung
im Fall der Verurteilung zur Bestellung einer Wegegrunddienstbarkeit (dazu Se-
nat, Beschluss vom 26. März 2009 - V ZR 209/08, Grundeigentum 2009, 715 f.;
Beschluss vom 2. Oktober 2003 - V ZB 18/03, VIZ 2004, 134 - jeweils mwN).
2. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist sein Interesse an der Be-
seitigung der Duldungsverurteilung nicht gleich hoch zu bewerten wie das Inte-
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resse des Klägers an der Verurteilung. Dieses - und damit der Wert der Be-
schwer im Rechtsmittelverfahren bei einer Abweisung der Klage - bemisst sich
nach dem Wert, den das Notwegrecht für sein Grundstück hat (vgl. Senat, Be-
schluss vom 12. Juli 2012 - V ZR 29/12, juris Rn. 3). Von diesem Interesse ist
das Interesse des Beklagten an der Beseitigung der Verurteilung unabhängig.
Beide Interessen stimmen nicht überein.
3. Zu der maßgebenden Wertminderung, die sein Grundstück bei einer
Aufrechterhaltung der Verurteilung erleidet, trägt der Beklagte nichts Konkretes
vor. Er beruft sich lediglich darauf, dass die landwirtschaftliche Nutzung seiner
Ackerflächen durch den Notweg erheblich erschwert würde. Welche Auswir-
kungen dies auf den Grundstückswert hat, legt er nicht dar. Er trägt auch keine
Anhaltspunkte vor, die eine Schätzung der Wertminderung ermöglichen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1 Halbs. 1
ZPO. Die Festsetzung des Gegenstandswerts hat ihre Grundlage in § 3, § 7
Alt. 1 ZPO analog. Anders als für die Bemessung der Beschwer des Beklagten
ist insoweit maßgebend das Interesse des Klägers an der Duldungspflicht des
Nachbarn. Der Wert dieses Interesse entspricht der Wertsteigerung, welche das
Grundstück des Klägers durch die Gewährung des Notwegrechts erfährt (OLG
Jena, JurBüro 1999, 196 f.). Diese Wertsteigerung hat der Kläger mit 30.000
dargelegt. Entgegen einer in der obergerichtlichen Rechtsprechung verbreiteten
Ansicht (OLG Rostock, Grundeigentum 2013, 1002; OLG Köln, JurBüro 2011,
262 f.; OLG Koblenz, JurBüro 2010, 199 f.; OLG Dresden, Beschluss vom
24. Februar 2002 - 11 W 149/02, juris; ebenso Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 3
Rn.
16 „Notweg“) ist die Wertsteigerung nicht gleich der Summe der Herstel-
lungs- und Unterhaltungskosten des Weges zuzüglich der dreieinhalbfachen
Notwegrente. Ein Kläger, der von dem benachbarten Grundstückseigentümer
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die Duldung der Überwegung dessen Grundstücks aufgrund eines Notweg-
rechts erreichen will, hat kein Interesse daran, Kosten für die Herstellung und
Unterhaltung des Weges aufzuwenden; auch hat er kein Interesse an der Zah-
lung einer Rente als Gegenleistung für die Duldungsverpflichtung. Der Wert
seines Grundstücks ändert sich nicht durch das Aufbringen dieser Geldmittel,
sondern allein durch das Notwegrecht. Die mit dessen Ausübung verbundenen
Kosten sind deshalb keine geeignete Grundlage für die Streitwertbemessung.
Lemke
Schmidt-Räntsch
Czub
Brückner
Kazele
Vorinstanzen:
LG Stade, Entscheidung vom 23.02.2012 - 4 O 287/11 -
OLG Celle, Entscheidung vom 30.01.2013 - 4 U 44/12 -