Urteil des BGH vom 07.11.2006
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VIII ZB 38/06
vom
7. November 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
ZPO § 522 Abs. 2, 3
Die gemäß § 522 Abs. 3 ZPO unanfechtbare Zurückweisung der Berufung durch ein-
stimmigen Beschluss des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO) kann auch
nicht in Anwendung des Grundsatzes der Meistbegünstigung mit der Begründung
angefochten werden, die Entscheidung sei in der falschen Form ergangen, weil das
Berufungsgericht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache oder die Erforder-
lichkeit einer Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder
zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung verkannt habe und deshalb über
die Berufung richtigerweise durch Urteil hätte entscheiden müssen.
BGH, Beschluss vom 7. November 2006 - VIII ZB 38/06 - OLG Koblenz
LG Trier
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. November 2006 durch
den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Wolst, die Richterin Dr. Milger,
den Richter Dr. Koch und die Richterin Dr. Hessel
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revi-
sion in dem Beschluss des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
Koblenz vom 13. März 2006 und die Rechtsbeschwerde der Klä-
gerin gegen den vorgenannten Beschluss werden als unzulässig
verworfen.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Wert des Beschwerdegegenstands: 47.698,81 €
Gründe:
I.
Die Klägerin hat die Beklagte in erster Instanz vor dem Landgericht er-
folglos auf Kaufpreisrückzahlung und auf Schadensersatz in Anspruch genom-
men. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin nach einem ent-
sprechenden Hinweis durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO
zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin in erster
Linie im Wege der Nichtzulassungsbeschwerde, hilfsweise im Wege der
Rechtsbeschwerde. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, das
Berufungsgericht hätte über die Berufung nicht durch Beschluss nach § 522
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Abs. 2 ZPO entscheiden dürfen, sondern durch Urteil entscheiden müssen, weil
die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung sei, zumindest aber eine Ent-
scheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts erfordere.
II.
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Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Es ist weder als Nichtzulassungsbe-
schwerde (§ 544 ZPO) noch als Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) statthaft.
1. Beschlüsse nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO, durch die die Berufung als
unbegründet zurückgewiesen wird, sind gemäß § 522 Abs. 3 ZPO unanfecht-
bar. Sie sind damit auch der von der Beschwerdeführerin erstrebten Nachprü-
fung darauf entzogen, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Voraussetzun-
gen, unter denen die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen
ist, zu Unrecht als gegeben angenommen hat und demzufolge über die Beru-
fung statt durch Beschluss durch Urteil hätte entscheiden müssen, das
- gegebenenfalls nach erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde - mit der Revi-
sion angreifbar wäre.
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2. Ein anderes Ergebnis lässt sich entgegen der Auffassung der Be-
schwerdeführerin auch nicht aus dem Grundsatz der Meistbegünstigung herlei-
ten.
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Danach ist, wenn das Gericht die falsche Entscheidungsform gewählt
hat, neben dem Rechtsmittel, welches nach der Art der tatsächlich ergangenen
Entscheidung statthaft ist, auch das Rechtsmittel zulässig, das bei einer in der
richtigen Form getroffenen Entscheidung gegeben wäre, da den Parteien durch
das fehlerhafte Verfahren keine Nachteile entstehen dürfen (st. Rspr., z.B.
BGHZ 98, 362, 364 f.).
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Dieser Fall ist hier nicht gegeben. Das Berufungsgericht hat - ausgehend
von seiner Beurteilung der Erfolgsaussicht der Berufung, der Frage der grund-
sätzlichen Bedeutung der Sache und der Erforderlichkeit einer Entscheidung
des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer ein-
heitlichen Rechtsprechung - in der richtigen Form des Beschlusses nach § 522
Abs. 2 ZPO entschieden.
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Die vorgelagerte Frage, ob die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung
hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, ist keine
Frage der Wahl der richtigen oder falschen Entscheidungsform, deren Ein-
schätzung seitens des Berufungsgerichts in der Revisionsinstanz unter Anwen-
dung des Meistbegünstigungsprinzips korrigiert werden könnte. Denn auch die
Frage, ob das Berufungsgericht insoweit - und nicht nur, wie die Beschwerde-
führerin meint, bezüglich der Erfolgsaussicht der Berufung - die gesetzlichen
Voraussetzungen einer Beschlusszurückweisung zu Recht oder zu Unrecht be-
jaht hat, ist durch § 522 Abs. 3 ZPO der Nachprüfung durch den Bundesge-
richtshof entzogen, so dass in der Revisionsinstanz nicht festgestellt werden
kann, ob das Berufungsgericht mit dem Zurückweisungsbeschluss die falsche
Entscheidungsform gewählt hat.
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III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Ball
Dr. Wolst
Dr. Milger
Dr. Koch
Dr. Hessel
Vorinstanzen:
LG Trier, Entscheidung vom 14.07.2005 - 6 O 100/04 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 13.03.2006 - 10 U 1063/05 -