Urteil des BGH vom 28.01.2003

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 25/03
Verkündet am:
23. September 2004
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
InsO §§ 166, 170, 171, 129 ff
Hat der in der Insolvenz absonderungsberechtigte Gläubiger vor Insolvenzeröffnung
sicherungsübereignete Gegenstände in Besitz genommen und verwertet, kann die
Inbesitznahme nicht mit der Begründung angefochten werden, der Masse sei die
Feststellungskostenpauschale
entgangen
(Fortführung
von
BGH,
Urt.
v.
20. November 2003 - IX ZR 259/02, ZIP 2004, 42 ff).
BGH, Urteil vom 23. September 2004 - IX ZR 25/03 - LG Köln
AG Köln
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. September 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Rich-
ter Raebel, Neškovi , Vill und die Richterin Lohmann
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landge-
richts Köln vom 28. Januar 2003 wird auf Kosten des Klägers zu-
rückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist Verwalter in dem am 26. März 2001 eröffneten Insolvenz-
verfahren über das Vermögen der A. S. GmbH (nachfolgend:
Schuldnerin).
Die Schuldnerin hatte der Beklagten mehrere PKW's zur Sicherheit
übereignet. Nach Ziffer 10 des mit der Schuldnerin geschlossenen Rahmenver-
trages vom 16. Februar/24. Mai 1995 war die Beklagte befugt, die Herausgabe
des Sicherungsgutes zu verlangen, wenn Umstände vorlagen, die sie zur frist-
losen Darlehenskündigung berechtigten. Mit Schreiben vom 31. Dezember
2000 teilte die Schuldnerin der Beklagten mit, daß sie zahlungsunfähig sei, und
bat um Abholung der sicherungsübereigneten Fahrzeuge. Am 2. Januar 2001
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beantragte sie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Beklagte kündigte
mit Schreiben vom 3. Januar 2001 die Finanzierungsverträge und verwertete
am 22. Januar und 5. Februar 2001 die PKW's.
Mit Schreiben vom 9. April 2001 hat der Kläger die Inbesitznahme der
Fahrzeuge mit der Begründung angefochten, daß er diese nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens gemäß § 166 InsO hätte verwerten und zumindest gemäß
§ 171 Abs. 1 InsO einen Kostenbeitrag in Höhe von 4 % des Bruttoerlöses hät-
te erzielen können. Er hat daher von der Beklagten auf der Grundlage des an-
gegebenen Bruttoerlöses in Höhe von 149.600 DM die Zahlung von 3.059,57 €
nebst Zinsen verlangt.
Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der zugelassenen
Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat die Klagabweisung auf folgende Erwägungen
gestützt:
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Eine Anfechtung unter dem Gesichtspunkt der inkongruenten Deckung
nach § 131 Abs. 1 InsO scheide aus, weil die Schuldnerin mit der Besitzüber-
tragung auf die Beklagte nur den fälligen Herausgabeanspruch nach Ziffer 10
des Rahmenvertrages vom 16. Februar/24. Mai 1995 erfüllt habe. Der Anfech-
tungstatbestand der kongruenten Deckung nach § 130 Abs. 1 InsO liege eben-
falls nicht vor, weil die Beklagte in ihrer besonderen Rechtsstellung als Inhabe-
rin eines auf Sicherungseigentum gestützten Herausgabeanspruches nicht In-
solvenzgläubigerin sei. Trotz Kenntnis der Beklagten von der eingetretenen
Zahlungsunfähigkeit habe der Kläger auch kein Anfechtungsrecht nach § 132
Abs. 2 InsO i.V.m. § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Allein daraus, daß die Herausgabe
des Sicherungsgutes an die Beklagte die Entstehung des Verwertungsrechts
des Klägers und damit die Belastung der Beklagten mit Feststellungs- und
eventuell auch Verwertungskosten nach den §§ 170, 171 InsO verhindert habe,
ergebe sich keine mit dieser Rechtshandlung verbundene unmittelbare Be-
nachteiligung der Insolvenzgläubiger im Sinne des § 132 InsO. Für eine An-
fechtung nach § 133 InsO habe der Kläger nicht einmal ansatzweise vorgetra-
gen.
II.
Die gegen diese Erwägungen erhobenen Revisionsrügen greifen nicht
durch; dem Berufungsgericht ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen.
Dem Kläger steht wegen der vor Insolvenzeröffnung verwerteten Fahr-
zeuge kein aus Insolvenzanfechtung herrührender Schadensersatzanspruch
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gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 292
Abs. 1, § 989 BGB zu.
1. Der Senat hat in seinem Urteil vom 20. November 2003 - IX ZR
259/02, ZIP 2004, 42 ff entschieden, daß die nach Aufdeckung der Abtretung
vor Insolvenzeröffnung durch den absonderungsberechtigten Gläubiger vorge-
nommene Einziehung einer Forderung nicht mit der Begründung angefochten
werden kann, der Masse sei die Verwertungspauschale entgangen. Zur Be-
gründung hat der Senat darauf verwiesen, daß es keine insolvenzrechtliche
- insbesondere keine anfechtungsrechtliche - Norm gibt, die den Sicherungs-
nehmer bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens an der Ausübung seiner
Rechte hindert. Deshalb sind insoweit Ansprüche der Masse auf eine Feststel-
lungs- oder Verwertungspauschale zu verneinen (vgl. BGHZ 154, 72). Diese
Ausgestaltung der Rechte des Sicherungsnehmers in der Insolvenz des Siche-
rungsgebers schließt es aus, vor der Eröffnung des Verfahrens Forderungsein-
ziehungen, die auch aus insolvenzrechtlicher Betrachtung rechtmäßig vorge-
nommen worden sind, mit Blick auf die nur für die Verwertung nach Verfah-
renseröffnung geltenden Regeln der §§ 170, 171 InsO den Anfechtungsregeln
der §§ 129 ff InsO zu unterwerfen.
Darüber hinaus hat der Senat die Anwendung der Anfechtungsregeln
auch deshalb abgelehnt, weil der Umstand, daß der Masse durch die Entzie-
hung der Forderungen im Eröffnungsverfahren der Anspruch auf die Verwer-
tungspauschale entgeht, keine Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129
InsO darstellt. Dies folgt aus dem - in einer früheren Entscheidung (vgl. BGH,
Urt. v. 9. Oktober 2003 - IX ZR 28/03, ZIP 2003, 2370, 2372) - bereits im ein-
zelnen dargestellten Kostenerstattungsprinzip.
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2. Diese Überlegungen gelten auch für den Streitfall, wenn - wie vom
Berufungsgericht zutreffend angenommen - der Gläubiger vom Schuldner die
Herausgabe der sicherungsübereigneten Fahrzeuge zum Zwecke der Verwer-
tung verlangen kann und diese vor Insolvenzeröffnung verwertet, obwohl hier
Gegenstand des Absonderungsrechts keine Forderung ist und es um die
Feststellungs- und nicht um die Verwertungspauschale geht. Gründe für eine
abweichende Beurteilung sind indes nicht ersichtlich. Die Erwägungen des Se-
nats in seiner Entscheidung vom 20. November 2003 finden ihren Ausgangs-
punkt nicht in den Unterschieden zwischen Verwertungs- und Feststellungs-
pauschale oder zwischen Absonderungsrechten an Forderungen und bewegli-
chen Gegenständen, sondern in dem Verwertungszeitpunkt der vom Absonde-
rungsrecht betroffenen Gegenstände und dem Fehlen einer Gläubigerbenach-
teiligung im Sinne des § 129 InsO. Hierfür ist die Art der Pauschale bzw. der
Gegenstand des Absonderungsrechts ohne Bedeutung.
Fischer Raebel Neškovi
Vill Lohmann