Urteil des BGH vom 16.10.2013
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 52/12
Verkündet am:
16. Oktober 2013
Schick
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VVG a.F. § 8 Abs. 4 Satz 1 und 4 in der Fassung vom 17. Dezember 1990; HWiG §
2 Abs. 1 Satz 2 und 4 in der Fassung vom 16. Januar 1986; VerbrKrG § 7 Abs. 2
Satz 2 und 3 in der Fassung vom 17. Dezember 1990
1. Die Kündigung eines Versicherungsvertrages steht einem späteren Widerruf je-
denfalls dann nicht entgegen, wenn der Versicherungsnehmer über sein Wider-
rufsrecht nicht ausreichend belehrt wurde.
2. Das Widerrufsrecht gemäß § 8 Abs. 4 VVG a.F. erlischt bei analoger Anwendung
der Regelungen in §§ 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nach
beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung.
BGH, Urteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12 - OLG Celle
LG Hannover
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin
Mayen,
die
Richterin
Harsdorf -Gebhardt,
die
Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller auf di e
mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2013
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des
8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 2. Fe-
bruar 2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Rückabwicklung eines Lebensversicherung s-
vertrages.
Dessen Abschluss beantragte er bei der Beklagten im März 1993
mit Wirkung ab April 1993. Auf der zweiten Seite des vom Kläger unte r-
zeichneten Antragsformulars ist am Ende eines Absatzes mit Hinweisen
zu verschiedenen Punkten eine Widerrufsbelehrung abgedruckt. Zwi-
schen diesem Absatz und der Unterschriftszeile befindet sich ein weit e-
rer Absatz mit anderen Informationen. Beide Absätze sind im Antrag s-
formular nicht durch die Schriftgröße, aber insgesamt durch Fettdruck
hervorgehoben.
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Nachdem der Kläger ab Vertragsbeginn sieben Jahre lang die m o-
natlichen Prämien gezahlt hatte, kündigte er im Februar 2000 die L e-
bensversicherung, woraufhin die Beklagte 3.240,17 DM als Rückkaufs-
wert auszahlte. Zehn Jahre später ließ der Kläger durch anwaltliches
Schreiben vom 15. Februar 2010 erklären, dass "dem Vertragsabschluss
… gemäß § 5a VVG a.F. widersprochen" werde, und die Rückzahlung al-
ler geleisteten Prämien zuzüglich Anlagezinsen abzüglich des ausge-
zahlten Rückkaufswertes fordern.
Der Kläger meint, in dem Widerspruch liege ein wirksamer Wider-
ruf nach § 8 Abs. 4 VVG in der vom 1. Januar 1991 bis zum 28. Juli 1994
gültigen Fassung. Die Belehrung im Antragsformular sei nich t ausrei-
chend, da nicht gewährleistet sei, dass der Antragsteller hiervon Kenn t-
nis nehme. Daher habe die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung des Kl ä-
gers ist vom Oberlandesgericht zurückgewiesen worden. Hiergegen rich-
tet sich die Revision des Klägers, der auf Widerruf seiner Vertragserkl ä-
rung gestützte Bereicherungsansprüche weiter verfolgt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Versicherungs-
vertrag nicht wirksam widerrufen worden. Ein Widerrufsrecht ergebe sich
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nicht aus dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses anwendbaren § 8
Abs. 4 VVG in der vom 1. Januar 1991 bis zum 28. Juli 1994 gültigen
Fassung, da die Widerrufsfrist von zehn Tagen nach Unterzeichnung des
Antrags abgelaufen sei. Der Kläger sei über sein Widerrufsrecht or d-
nungsgemäß belehrt worden. Eine besondere drucktechnische Gesta l-
tung der Belehrung sei nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. nicht erforderlich. Sie
müsse, um ihren Zweck zu erreichen, umfassend, unmissverständlich
und aus Sicht des Versicherungsnehmers eindeutig sein. Diesen Anfo r-
derungen genüge die Belehrung, die im Antragsformular in Fettschrift
unmittelbar über der Unterschriftszeile abgedruckt sei. Auf die Frag e der
Rechtsfolgen einer unterbliebenen Belehrung komme es daher nicht an .
Offen bleiben könne auch, ob mit dem Versicherungsvertrag eine
Zahlungserleichterung im Sinne des bis zum 31. Dezember 2001 gültigen
§ 1 Abs. 2 VerbrKrG verbunden gewesen sei, da nach § 7 Abs. 2 Satz 3
VerbrKrG das Widerrufsrecht spätestens ein Jahr nach Abgabe der auf
den Abschluss des Kreditvertrages gerichteten Willenserklärung des
Verbrauchers erloschen sei.
Im Übrigen stehe einem Widerruf entgegen, dass sich der Kläger
für die Durchführung des Vertrages und die Inanspruchnahme der Vers i-
cherungsleistungen entschieden habe; damit sei sein Wahlrecht erl o-
schen.
II. Das Berufungsurteil hält im Ergebnis der rechtlichen Überprü-
fung stand. In dem Widerspruch "gemäß § 5a VVG a.F." liegt kein wirk-
samer Widerruf nach § 8 Abs. 4 VVG in der vom 1. Januar 1991 bis zum
28. Juli 1994 gültigen Fassung (im Folgenden: a.F.).
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1. Zu Recht ist das Berufungsgericht von der Anwendbarkeit des
§ 8 Abs. 4 VVG a.F. ausgegangen. § 5a VVG in der ab dem 29. Juli 1994
gültigen Fassung findet nach Art. 16 § 11 des Dritten Durchführungsge-
setzes/EWG zum VAG vom 21. Juli 1994 (BGBl. 1994 I, S. 1630) keine
Anwendung auf Versicherungsverträge, die - wie hier - bis zum 31. De-
zember 1994 zu von der Aufsichtsbehörde genehmigten Versicherungs-
bedingungen geschlossen wurden.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war allerdings
die in § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. bestimmte Widerrufsfrist von zehn T a-
gen ab Unterzeichnung des Versicherungsantrages zum Zeitpunkt des
Widerrufs im Februar 2010 noch nicht abgelaufen, da der Kläger nicht
ordnungsgemäß im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F. belehrt worden
war. Die Widerrufsfrist beginnt in entsprechender Anwendung der Reg e-
lungen in § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG in der Fassung vom 16. Januar 1986
und § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG in der Fassung vom 17. Dezember 1990
erst mit einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Bele h-
rung über das Widerrufsrecht.
a) Der Kläger ist nicht im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F.
über sein Widerrufsrecht belehrt worden.
aa) Ihrem Wortlaut nach enthält die Vorschrift zwar keine über die
Schriftlichkeit hinausgehenden Vorgaben zur Form der Belehrung. In
zwei Beschlüssen vom 16. November 1995 hat der Bundesgerichtshof
jedoch zu § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F. klargestellt, dass eine gesetzlich
angeordnete Belehrung, damit sie ihren Zweck erreichen kann, inhaltlich
möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher
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eindeutig sein muss. Weiter erfordert der Zweck einer solchen Vorschrift,
dem auch der Sinngehalt des Wortes "Belehrung" entspricht, eine Form
der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trägt. Deshalb kann
nur eine Erklärung, die darauf angelegt ist, den Angesprochenen au f-
merksam zu machen und das Wissen, um das es geht, zu vermitteln, als
Belehrung angesehen werden (BGH, Beschlüsse vom 16. November
1995 - I ZR 25/94, VersR 1996, 221 unter I 2 und I ZR 175/93, VersR
1996, 313 unter II 1; ebenso KG r+s 2003, 98; zustimmend: Johannsen/
Johannsen in Bruck/Möller, VVG 8. Aufl. Bd. 3 Anm. E7 S. 302; ähnlich
OLG Stuttgart VersR 1995, 202, 204; für eine drucktechnisch deutlich
gestaltete Belehrung: Prölss in Prölss/Martin, VVG 25. Aufl. § 8 Anm. 10;
Claussen, JR 1991, 360, 363; Schimikowski, ZfV 1991, 632, 635; Teske,
NJW 1991, 2793, 2798; a.A.: Koch, VersR 1991, 725, 729).
bb) Die Form der Belehrung im Antragsformular genügt diesen A n-
forderungen nicht; sie ist zur Aufklärung des Versicherungsnehmers über
sein Widerrufsrecht nicht geeignet. Die Belehrung ist am Ende eines län-
geren Absatzes abgedruckt, der weitere Informationen, unter anderem
über das Erfordernis wahrheitsgemäßer Angaben, über die Unzweckm ä-
ßigkeit der Aufgabe einer bestehenden Versicherung, über die Verwe n-
dung der Beiträge und über die Entwicklung der Rückkaufswerte enthält.
Innerhalb dieses Absatzes ist der Hinweis auf das Widerrufsrecht nicht
hervorgehoben; vielmehr ist der Absatz insgesamt fettgedruckt. Der Hi n-
weis steht nicht unmittelbar über der Unterschrift des Versicheru ngs-
nehmers, sondern ihm folgt noch ein weiterer, ebenfalls fettgedruckter
Absatz mit Hinweisen auf die auf der Rückseite abgedruckten Erkläru n-
gen und Informationen zu den einzelnen Versicherungsarten. Weder der
Fettdruck noch die Stellung der Belehrung im Antragsformular reichen
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daher aus, um eine Kenntnisnahme des Versicherungsne hmers hiervon
zu gewährleisten.
b) Mangels ordnungsgemäßer Belehrung hatte der Lauf der Wide r-
rufsfrist nicht mit Antragsunterzeichnung begonnen.
aa) In § 8 Abs. 4 VVG a.F. findet sich zu den Folgen einer fehlen-
den oder nicht ausreichenden Belehrung keine Regelung. Dagegen hatte
der Gesetzgeber in dem am selben Tag in Kraft getretenen § 7 Abs. 2
Satz 2 und 3 VerbrKrG ausdrücklich bestimmt, dass der Lauf der Wide r-
rufsfrist erst mit Aushändigung einer den gesetzlichen Anforderungen
entsprechenden Belehrung beginnt (Satz 2) und dass bei Fehlen der Be-
lehrung das Widerrufsrecht erst nach beiderseits vollständiger Erbri n-
gung der Leistung, spätestens jedoch ein Jahr nach Abgabe der auf den
Abschluss des Kreditvertrages gerichteten Willenserklärung des Ve r-
brauchers erlischt (Satz 3). Auch nach § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG in der
vom 1. Mai 1986 bis 30. September 2000 gültigen Fassung setzt der
Lauf der Widerrufsfrist die ordnungsgemäße Belehrung voraus; nach § 2
Abs. 1 Satz 4 HWiG erlischt das Widerrufsrecht bei Fehlen der Bele h-
rung erst einen Monat nach beiderseits vollstä ndiger Erbringung der
Leistung.
bb) Zu der Frage, ob auch in Fällen des § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG
a.F. der Beginn der Widerrufsfrist von einer Belehrung abhängt, werden
unterschiedliche Auffassungen vertreten.
Ein Teil der Literatur legt diese Vorschrift dahin aus, dass der Lauf
der Widerrufsfrist erst mit der schriftlichen ordnungsgemäßen Widerruf s-
belehrung beginnt (Prölss in Prölss/Martin, VVG 25. Aufl. § 8 Anm. 10;
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Johannsen/Johannsen in Bruck/Möller, VVG 8. Aufl. Bd. 3 Anm. E7
S. 303; Koch, VersR 1991, 725, 729; ohne Begründung Präve , VW 1991,
488, 489). Zur Begründung dieser Rechtsfolge wird auch auf eine en t-
sprechende Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG und des § 7 Abs. 2
Satz 2 VerbrKrG zurückgegriffen (Sieg, VersR 1992, 1; wohl auch Schi-
mikowski, ZfV 1991, 632, 635 f.) oder der Einwand der Fristversäumung
als treuwidrig angesehen (Claussen, JR 1991, 360, 363). Eine Verbin-
dung zwischen ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung und Lauf der W i-
derrufsfrist wird weiter daraus abgeleitet, dass § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG
a.F. eine vorvertragliche Informationspflicht des Versicherers normiere,
deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch des Versicherungs-
nehmers aus Verschulden bei Vertragsschluss auslöse. Da der Versiche-
rungsnehmer einen Anspruch habe, so gestellt zu werden, wie er bei
ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung stünde, könne er sein Widerruf s-
recht auch nach Ablauf der Widerrufsfrist noch ausüben (Teske, NJW
1991, 2793, 2798 f.).
Demgegenüber folgern andere aus dem Fehlen einer Regelung zu
den Auswirkungen der unterlassenen bzw. nicht ordnungsgemäßen B e-
lehrung in § 8 Abs. 4 VVG a.F.unter Berücksichtigung der Regelungen im
Haustürwiderrufsgesetz und im damals neuen Verbraucherkreditgesetz,
dass die Regelungslücke vom Gesetzgeber gewollt sei, so dass eine
analoge Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG oder des § 7 Abs. 2
Satz 2 VerbrKrG nicht in Betracht komme (OLG München VersR 1995,
1037, 1038; zustimmend Römer in Römer/Langheid, VVG 1. Aufl. § 8
Rn. 68; AG Heidenheim VersR 1992, 558; AG Köln VersR 2000, 41, 42).
cc) Die zuerst genannte Meinung ist zutreffend. Nur eine Anknüp-
fung des Beginns der Widerrufsfrist an eine ordnungsgemäße Belehrung
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wird dem Zweck der Widerrufsbelehrung gerecht. Aus der Gesetzesb e-
gründung zu § 8 Abs. 4 VVG a.F. lässt sich entnehmen, dass durch die
Regelung eine Verbesserung des Verbraucherschutzes erreicht und zu
diesem Zweck - im Hinblick auf die Bereichsausnahme für das Versiche-
rungswesen in § 6 Nr. 2 HWiG - eine versicherungsvertragsrechtliche
Spezialnorm geschaffen werden sollte. Dort heißt es weiter: "Wegen der
Bedeutung der Belehrung über das Widerrufsrecht bedarf die Belehrung
der Schriftform" (BT-Drucks. 11/8321, S. 12). Mit dem Ziel des Verbrau-
cherschutzes und der vom Gesetzgeber hervorgehobenen Bedeutung
der Widerrufsbelehrung, die in der ausdrücklichen Normierung des Erfo r-
dernisses einer schriftlichen Belehrung zum Ausdruck kommt, lässt sich
eine Folgenlosigkeit ihres Fehlens nicht vereinbaren. Das in § 8 Abs. 4
Satz 1 VVG a.F. eingeräumte Recht, den Vertrag binnen einer Frist von
zehn Tagen nach Unterzeichnung des Versicherungsantrags zu widerr u-
fen, lässt sich nur realisieren, wenn der Versicherungsnehmer hiervon
auch Kenntnis erlangt oder zumindest die Möglichkeit der Kenntnisnah-
me hat. Ein Verweis des Versicherungsnehmers auf einen Schadene r-
satzanspruch ist für einen effektiven Verbraucherschutz nicht ausre i-
chend, da dem Versicherungsnehmer der Nachweis obläge, dass die
Verletzung der Pflicht zur Widerrufsbelehrung ursächlich für den Ve r-
tragsschluss bzw. das Festhalten am Vertrag geworden und dass ihm
hierdurch ein Schaden entstanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Septem-
ber 2006 - XI ZR 204/04, BGHZ 169, 109 Rn. 43).
Einer derartigen teleologischen Auslegung steht zwar der Wortlaut
des § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. entgegen, der den Lauf der Widerrufsfrist
allein an die Unterzeichnung des Antrags knüpft. Das Gesetz enthält an-
gesichts der mit ihm bezweckten Stärkung der Verbraucherrechte aber
eine planwidrige Regelungslücke, die durch eine entsprechende Anwe n-
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dung der Regelungen des § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG und des § 2 Abs. 1
Satz 2 HWiG, die ebenfalls einen effektiven Verbraucherschutz gewähr-
leisten sollen, geschlossen werden kann. Beide Regelungen sehen vor,
dass der Lauf der Widerrufsfrist erst mit Aushändigung einer ordnungs-
gemäßen Belehrung beginnt. Der zugrunde liegende Gesetzeszweck,
dass ein Widerrufsrecht nur dann zum Verbraucherschutz geeignet ist,
wenn der Lauf der Widerrufsfrist erst mit Erfüllung der Verpflichtung zur
Belehrung über dieses Recht beginnt, lässt sich auf das Widerrufsrecht
nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. übertragen.
3. Das Widerrufsrecht ist jedoch nach beiderseits vollständiger Er-
bringung der Leistung im Jahr 2000 erloschen.
a) Allerdings schließt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts
die zuerst erklärte Kündigung des Versicherungsvertrages de n späteren
Widerruf nicht aus. Zwar vertreten Teile der Rechtsprechung und des
Schrifttums die Auffassung, dass die Kündigung eines Vertrages einem
späteren Widerruf generell entgegenstehe, wie Teile der Rechtsprechung
und des Schrifttums meinen (so: OLG Karlsruhe r+s 2013, 483; OLG Cel-
le, Urteil vom 2. Februar 2012 - 8 U 125/11, juris Rn. 45; OLG Hamm,
Beschluss vom 31. August 2011 - 20 U 81/11, juris Rn. 15 f.; OLG Kob-
lenz, Beschluss vom 6. Juni 2011 - 10 U 162/11, nicht veröffentlicht;
OLG Stuttgart, VersR 2011, 786 Rn. 4; LG Karlsruhe, Urteil vom
30. September 2011 - 9 S 266/11, S. 6 ff., nicht veröffentlicht; LG Köln,
Urteil vom 18. August 2010 - 26 S 39/09, S. 7 f., nicht veröffentlicht; a.A.:
LG Aachen, Urteil vom 11. Februar 2011 - 9 O 231/10, S. 10 f., nicht
veröffentlicht). Dies ist jedenfalls für den hier zu beurteilenden Fall abzu-
lehnen, in dem der Versicherungsnehmer sein Wahlrecht zwischen Kü n-
digung und Widerruf bereits mangels ausreichender Belehrung über sein
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Widerrufsrecht nicht sachgerecht ausüben konnte. Bei Fehlen einer ord-
nungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht ist nicht sicherge-
stellt, dass dem Versicherungsnehmer zur Zeit der Kündigung bewusst
ist, neben dem Kündigungsrecht ein Recht zum Widerruf zu haben, um
so die Vor- und Nachteile einer Kündigung gegen die eines Widerrufs
abwägen zu können.
b) Das Erlöschen des Widerrufsrechts des Klägers aus § 8 Abs. 4
Satz 1 VVG a.F. folgt jedoch aus einer entsprechenden Anwendung von
§ 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG bzw. § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG. Danach er-
lischt ein Widerrufsrecht nach beiderseits vollständiger Leistungserbrin-
gung.
aa) Allerdings ist streitig, ob das Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 4
VVG a.F. bei Fehlen einer ausreichenden Belehrung unbegrenzt ist (so
Prölss in Prölss/Martin, VVG 25. Aufl. § 8 Anm. 10) oder nach vollständi-
ger Leistungserbringung (so Koch, VersR 1991, 725, 729; Schimikowski,
ZfV 1991, 632, 636).
bb) Letzteres trifft zu. Die Regelungslücke des § 8 Abs. 4 VVG a.F.
hinsichtlich der Folgen der fehlenden oder nicht ordnungsgemäßen W i-
derrufsbelehrung (s.o. unter b cc) ist nicht allein durch die entsprechen-
de Anwendung der § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 2
HWiG beseitigt, wonach der Lauf der Widerrufsfrist erst mit der ord-
nungsgemäßen Belehrung beginnt. Dies führte bei Fehlen der Widerruf s-
belehrung zu einem grundsätzlich zeitlich unbegrenzten Widerrufsrecht
bei im Zeitraum vom 1. Januar 1991 bis 28. Juli 1994 geschlossenen
Versicherungsverträgen, während die im selben Zeitraum gültigen Reg e-
lungen des Haustürwiderrufsgesetzes und des Verbraucherkreditgeset-
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zes ein solches zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht nicht vorsahen. Die
planwidrige Regelungslücke erstreckt sich daher auf die Frage, ob und
unter welchen Voraussetzungen das Widerrufsrecht bei fehlender Bele h-
rung erlischt.
Diese Regelungslücke ist durch eine analoge Anwendung der an
§ 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG anknüpfenden
Regelungen in § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG
zu schließen, wonach das Widerrufsrecht nach beiderseits vollständiger
Erbringung der Leistung erlischt (vgl. zu § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG: BGH,
Urteil vom 10. November 2009 - XI ZR 252/08, BGHZ 183, 112
Rn. 15 ff.). Der diesen Erlöschenstatbeständen zugrunde liegende
Rechtsgedanke lässt sich auf das Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 4 VVG
a.F. übertragen. Mit dem Erlöschen des Widerrufsrechts nach beiderseits
vollständiger Leistungserbringung wollte der Gesetzgeber Rechtssiche r-
heit schaffen (so zu § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG: BGH, Urteil vom
18. Oktober 2004 - II ZR 352/02, NJW-RR 2005, 180 unter II 5 zu; Fi-
scher/Machunsky, HWiG 2. Aufl. § 2 Rn. 57); ein insgesamt abgeschlos-
sener Sachverhalt sollte nicht rückwirkend wieder aufgegriffen werden
(BGH aaO). Die Regelungen beruhen auf der Überlegung, dass für einen
Widerruf deshalb kein Anlass mehr besteht, weil das Schuldverhältnis
durch einen "lückenlosen" Leistungsaustausch zwischen den Parteien
abgewickelt worden ist (Staudinger/Kessal-Wulf, BGB 13. Aufl. § 7 Ver-
brKrG
Rn. 48;
ähnlich
MünchKomm-BGB/Ulmer,
3. Aufl.
§ 7
VerbrKrG Rn. 31; Bülow, VerbrKrG 2. Aufl. § 7 Rn. 38a). Zwar kann der
Widerrufsberechtigte auch nach Beendigung eines Vertrages und Erl ö-
schen der beiderseitigen Leistungspflichten noch ein Interesse an einer
Rückabwicklung des Vertrages haben; daher schließt die Kündigung e i-
nen späteren Widerruf nicht generell aus (s.o. unter a). Die im Haus-
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türwiderrufsgesetz und Verbraucherkreditgesetz geregelten Erlöschens-
tatbestände basieren jedoch auf dem Gedanken, dass bei beiderseits
vollständiger Leistungserbringung dieses Interesse des Widerrufsberec h-
tigten gegenüber dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit zurücktreten soll.
cc) Das Erlöschen des Widerrufsrechts aus § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG
a.F. nach vollständiger beiderseitiger Leistungserbringung verstößt nicht
gegen Europarecht, insbesondere nicht gegen die Vorgaben der Richtli-
nie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 (Zweite Richtlinie
Lebensversicherung) und der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom
10. November 1992 (Dritte Richtlinie Lebensversicherung). Der Eu ropäi-
sche Gerichtshof hat für Haustürgeschäfte die Regelung des § 2 Abs. 1
Satz 4 HWiG a.F. als richtlinienkonform angesehen (EuGH, Urteil vom
10. April 2008, Rs. C-412/06, NJW 2008, 1865 Rn. 40-45 - "Hamilton").
Die Befristung des Widerrufsrechts ab der vollständigen Erbringung der
Leistung sei auch bei fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Belehrung
mit Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezem-
ber 1985 (Richtlinie über Haustürgeschäfte) zu vereinbaren, wonach der
Verbraucher das Recht besitze, von der eingegangenen Ver pflichtung
zurückzutreten. Die Verwendung des Begriffs "Verpflichtung" in der
Richtlinie weise darauf hin, dass das Widerrufsrecht ausgeübt werden
könne, es sei denn, dass für den Verbraucher aufgrund der vollständigen
Durchführung des Vertrages keine Verpflichtungen aus dem Vertrag
mehr bestünden (EuGH aaO Rn. 42). Anhaltspunkte, dass für vollständig
abgewickelte Lebensversicherungsverträge ein weitergehendes Schut z-
niveau gelten soll, ergeben sich weder aus der Richtlinie 90/619/EWG
noch aus der Richtlinie 92/96/EWG.
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dd) Die Parteien hatten vor Erklärung des Widerrufs ihre beiderse i-
tigen Leistungen vollständig erbracht. Die Kündigung des Vertrag es im
Februar 2000, die zum 1. April 2000 wirksam wurde, hat die Verpflich-
tung des Klägers zur Prämienzahlung beendet und den Anspruch auf den
Rückkaufswert ausgelöst. Mit anschließender Auszahlung des Rüc k-
kaufswertes haben die Parteien den Vertrag einvernehmlich beendet.
Unerheblich ist, dass aufgrund der vorzeitigen Kündigung des Leben s-
versicherungsvertrages die für die gesamte Vertragslaufzeit vereinbarten
Pflichten, d.h. insbesondere die Pflicht des Klägers zur Beitragszahlung
und die Pflicht der Beklagten zur Auszahlung der Ablaufleistung, nicht
vollständig erfüllt worden sind. Denn die Kündigung des Lebensv ersiche-
rungsvertrages und anschließende Auszahlung des Rückkaufswertes ist
als eine Möglichkeit der Vertragsbeendigung im Vertragsverhältnis ang e-
legt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats zählt zu den vertraglich
versprochenen Leistungen bei einer Lebensversicherung auch der Rück-
kaufswert nach Kündigung des Vertrages; das Recht auf den Rüc k-
kaufswert ist nur eine andere Erscheinungsform des Rechts auf die Ve r-
sicherungssumme (vgl. Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - IV ZR 208/09,
VersR 2010, 1067 Rn. 13; vom 18. Juni 2003 - IV ZR 59/02, VersR 2003,
1021 unter II 2 b; vom 22. März 2000 - IV ZR 23/99, VersR 2000, 709 un-
ter II 3 a; so bereits BGH, Urteil vom 17. Februar 1966 - II ZR 286/63,
BGHZ 45, 162, 167). Von einer vollständigen Leistungserbringung ist j e-
denfalls dann auszugehen, wenn der Versicherungsnehmer - wie hier -
den Rückkaufswert akzeptiert hat.
ee) Keiner Entscheidung bedarf hier die Frage, ob das Widerruf s-
recht aus § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. entsprechend § 7 Abs. 2 Satz 3
VerbrKrG unmittelbar nach beiderseitiger Leistungserbringung oder en t-
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sprechend § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG erst einen Monat später erlischt, da
der Kläger den Vertrag erst zehn Jahre nach der einvernehmlichen A b-
wicklung widerrufen hat.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 24.05.2011 - 2 O 279/10 -
OLG Celle, Entscheidung vom 02.02.2012 - 8 U 124/11 -