Urteil des BGH vom 21.10.2004

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 28/08
Verkündet
am:
15. Januar 2009
Kiefer
Justizangestellter
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 249 Ca, Cb
Der durch eine fehlerhafte Anlageberatung Geschädigte kann seinen im
Abschluss eines notariellen Kaufvertrages über eine Immobilie mit einem
Dritten bestehenden Schaden auch gegenüber dem beratenden Unter-
nehmen in der Weise geltend machen, dass er die Erstattung des gezahl-
ten Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Übereignung der erworbenen Kapital-
anlage verlangt; dies entspricht dem im allgemeinen Schadenersatzrecht
geltenden Prinzip des Vorteilsausgleichs und bedarf keines besonderen
Antrags und keiner Einrede des Schuldners (Fortführung des Senatsurteils
vom 21. Oktober 2004 - III ZR 323/03 - NJW-RR 2005, 170)
BGH, Urteil vom 15. Januar 2009 - III ZR 28/08 - OLG Hamm
LG Bochum
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Januar 2009 durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Dörr
und Dr. Herrmann, die Richterin Harsdorf-Gebhardt und den Richter Hucke
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 19. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Hamm vom 23. Oktober 2007 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer
des Landgerichts Bochum vom 17. August 2006 wird zurückge-
wiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger schlossen auf Vermittlung und nach Beratung durch die Be-
klagte, die gewerbsmäßig hauptsächlich den An- und Verkauf von Immobilien
betreibt, am 2. Februar 1999 einen notariellen Kaufvertrag über eine Eigen-
tumswohnung in Emden, Wilhelm-Leuschner-Straße 35, mit der vormaligen Ei-
gentümerin dieses Objektes, P. .
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Mit ihrer Klage verlangen die Kläger, nachdem sich die Kapitalanlage als
unrentabel erwiesen hatte, von der Beklagten die Erstattung der von ihnen für
den Kauf der Eigentumswohnung aufgewandten Beträge Zug-um-Zug gegen
Abgabe verschiedener Erklärungen zur Übereignung der Immobilie auf die Be-
klagte sowie die Feststellung eines weitergehenden Schadensersatzanspru-
ches. Zur Begründung ihrer Forderungen stützen sie sich auf die Verletzung
eines aus ihrer Sicht mit der Beklagten zustande gekommenen Beratungsver-
trages im Zusammenhang mit dem Erwerb, der Finanzierung und der Unterhal-
tung der fraglichen Eigentumswohnung.
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Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen
verurteilt, an die Kläger zu Händen eines von diesen zu beauftragenden Notars
53.648,33 € nebst Zinsen Zug-um-Zug gegen Abgabe der im Tenor der ange-
fochtenen Entscheidung näher bezeichneten Erklärungen vor dem beauftragten
Notar zur Übereignung der Immobilie auf die Beklagte zu zahlen. Darüber hin-
aus hat es ihre Verpflichtung zum Ersatz möglicher weiterer Vermögensschä-
den im Zusammenhang mit dem Ankauf der Eigentumswohnung festgestellt,
soweit der Schaden mit dem Erwerb der Immobilie, ihren laufenden Unterhalts-
kosten und einer eventuell zu zahlenden Vorfälligkeitsentschädigung zusam-
menhängt. Auf die Berufung der Beklagten ist dieses Urteil teilweise abgeändert
worden; das Berufungsgericht hat auf den von ihm angeregten Hilfsantrag der
Kläger lediglich festgestellt, die Beklagte sei zum Ausgleich des Vermögens-
schadens verpflichtet, der den Klägern aus der dem Ankauf der Eigentumswoh-
nung zugrunde liegenden Falschberatung entstanden sei.
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Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klä-
ger ihren Antrag auf Zurückweisung der gegen das erstinstanzliche Urteil ge-
richteten Berufung weiter.
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Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur
Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung.
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I.
Das Berufungsgericht hat dem Grunde nach eine Schadensersatzver-
pflichtung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Schlechterfüllung eines
selbständigen Beratungsvertrages mit den Klägern nach den Grundsätzen der
positiven Vertragsverletzung festgestellt. Als Rechtsfolge hat es angenommen,
die Kläger seien so zu stellen, als wären sie von der Beklagten richtig und um-
fassend beraten worden. In diesem Fall hätten die Kläger den Kaufvertrag mit
der ehemaligen Eigentümerin P. nicht geschlossen. Zur Rückabwicklung
dieses Kaufvertrages sei die Beklagte aber nicht in der Lage, weil sie weder
über die tatsächlichen noch die rechtlichen Möglichkeiten verfüge, eine Rück-
übertragung der Eigentumswohnung auf die damalige Verkäuferin zu bewirken.
Rückabgewickelt werden könne der notarielle Kaufvertrag lediglich im Verhält-
nis der Eigentümerin und Verkäuferin P. den Klägern als Käufern. Der
von den Klägern in erster Linie verfolgte Schadensausgleich sei nur dann mög-
lich, wenn die Übertragung des Eigentums an der Wohnung Gegenstand des
Leistungsaustauschs zwischen den Parteien des Beratungsvertrages gewesen
wäre. Da der Haftungsgrund vorliegend nicht im Abschluss des Kaufvertrages
über die Eigentumswohnung, sondern in der Falschberatung durch die Beklagte
liege, und zwischen den streitenden Parteien Schadenersatz im Wege der Na-
turalrestitution deshalb nicht in Betracht komme, sei die Klage lediglich im Um-
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fang des in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellten Feststellungsantrages
begründet.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
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1.
Im vorliegenden Revisionsverfahren geht es nur noch um die Frage der
Höhe und Berechnung des geltend gemachten Schadenersatzanspruches.
Ausweislich der Begründung zur Zulassung der Revision am Ende der Ent-
scheidungsgründe ist lediglich die dort formulierte Frage, ob der durch eine
Falschberatung Geschädigte gegen den Schädiger einen Ersatzanspruch auf
Erstattung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Übereignung des von einem
Dritten erworbenen Kaufgegenstandes durchsetzen könne, als klärungsbedürf-
tig angesehen worden. Damit sollte erkennbar nur diese, die Höhe und Berech-
nung der Schadenersatzforderung betreffende, rechtliche Beurteilung einer
höchstrichterlichen Entscheidung zugänglich gemacht werden (vgl. dazu auch
Senatsurteil vom 4. September 2008 - III ZR 331/07 - WuM 2008, 681, 682
Rn. 8). Entsprechend haben die Kläger mit ihrer Revision nur geltend gemacht,
ihr Schadenersatzbegehren sei im Umfang des in erster Instanz gestellten
Hauptantrages mit dem darin enthaltenen Zug-um-Zug-Vorbehalt - jedenfalls in
Form der vom Landgericht vorgenommenen Verurteilung - begründet gewesen.
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2.
Das erstinstanzliche Gericht hat mit Recht einen Anspruch der Kläger auf
Zahlung des in erster Instanz ausgeurteilten Betrages Zug-um-Zug gegen Ab-
gabe der aus seiner Sicht notwendigen und ausreichenden, von der Beklagten
in zweiter Instanz nicht beanstandeten, Erklärungen zur Übereignung der von
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der Verkäufern P. erworbenen Eigentumswohnung auf die Beklagte an-
genommen. Auf der Grundlage des rechtskräftig festgestellten Haftungsgrundes
haben die Kläger gemäß § 249 Satz 1 BGB a.F. (nach Art. 229 § 5 EGBGB ist
im Streitfall noch das BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 gültigen Fassung
anwendbar) einen Anspruch auf Schadensersatz im Wege der Natural-
restitution, so dass der Zustand wiederherzustellen ist, der ohne das schädi-
gende Ereignis bestehen würde (vgl. z.B. Oetker, in: MünchKommBGB, 5. Aufl.
2007, § 249, Rn. 308); die Kläger sind danach vermögensmäßig so zu stellen,
wie sie ohne die Verletzung der Pflichten der Beklagten aus dem zustande ge-
kommenen Beratungsvertrag stehen würden. Bei ordnungsgemäßer Beratung
hätten sie aber den Kaufvertrag zum Erwerb der Eigentumswohnung mit der
ehemaligen Eigentümerin P. nicht abgeschlossen.
a) Bei schuldhafter Verletzung eines Beratungsvertrages und Vorliegen
eines dadurch verursachten Schadens, der - wie im Streitfall - im Abschluss
eines bereits vollzogenen Kaufvertrages mit einem Dritten besteht, kann der
Geschädigte wählen, ob er an dem Geschäft festhalten, hier die Eigentums-
wohnung also behalten, und darüber hinaus zusätzliche Vermögenseinbußen
ersetzt verlangen, oder ob er den "großen" Schadensersatz unter Übereignung
der Kaufsache geltend machen will (vgl. BGH, Urteile vom 4. April 2001
- VIII ZR 32/00 - NJW 2001, 2163, 2165 und vom 13. Januar 2004 - XI ZR
355/02 - NJW 2004, 1868, 1869, 1870).
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b) Nach diesen Grundsätzen können die Kläger, die den "großen" Scha-
denersatz gewählt haben, die Erstattung der zum Erwerb der fraglichen Immo-
bilie aufgewandten Beträge - unter Berücksichtigung der vom Landgericht vor-
genommenen Abzüge - von der Beklagten fordern.
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Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts trägt die vorgenom-
mene Differenzierung, der Haftungsgrund liege nicht im Abschluss des Kaufver-
trages, mit dem den Klägern erst der Gegenwert in Form der Wohnung zuge-
flossen sei, sondern in der Falschberatung durch die Beklagte, eine andere Be-
urteilung nicht. Denn maßgeblich in den Blick zu nehmen sind die unmittelbare
Schadensfolge der unzureichenden und unzutreffenden Beratung durch die Be-
klagte, die in dem die Vermögensschädigung herbeiführenden Abschluss des
Kaufvertrages über die Eigentumswohnung, den sie vermittelt hat, besteht, so-
wie die von den Klägern getroffene Wahl, in welcher Form sie Ersatz des erlit-
tenen Schadens geltend machen wollen.
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c) Bei dieser Sachlage besteht auch kein sachlich gerechtfertigter Grund,
den Klägern diese Art der Schadensberechnung gegenüber der Beklagten des-
halb zu verweigern und sie auf den vom Berufungsgericht nur als begründet
angesehenen Anspruch zu verweisen, weil die Beklagte nicht Vertragspartnerin
des notariellen Kaufvertrages über die Eigentumswohnung gewesen ist und sie
das Eigentum an der Wohnung nicht auf die ehemalige Verkäuferin P. zu-
rückübertragen könne.
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In derartigen Fallgestaltungen ist eine solche Schadensberechnung und
Fassung des Klageantrags, mit dem die Kläger neben ihrem Zahlungsverlangen
gleichzeitig anbieten, Zug-um-Zug gegen Zahlung des geforderten Kaufpreisbe-
trages den von ihnen erlangten Vorteil in Gestalt des Eigentums an der Woh-
nung herauszugeben, unabdingbar. Denn Grundlage des damit erklärten Zug-
um-Zug-Vorbehalts ist das dem allgemeinen Schadensersatzrecht innewoh-
nende Prinzip der Vorteilsausgleichung, das bewirkt, dass die Schadens-
ersatzpflicht der Beklagten nur gegen Herausgabe der Vorteile erfüllt zu werden
braucht, die mit dem schädigenden Ereignis in adäquatem Zusammenhang
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stehen. Es geht deshalb nicht um die Frage, ob die Beklagte in der Lage ist, die
Eigentumswohnung wiederum der ehemaligen Eigentümerin und Verkäuferin
P. zurück zu übertragen oder ob die Beklagte im Laufe des Rechts-
streits eine Übereignung auf sich im Wege des Vorteilsausgleichs verlangt hat.
Der Anspruch der Kläger ist von vornherein nur mit der Einschränkung begrün-
det, dass gleichzeitig die Vorteile, die ihnen aus dem aufgrund der fehlerhaften
Beratung geschlossenen Kaufvertrag erwachsen sind, herausgegeben werden;
dazu bedarf es keines besonderen Antrags oder einer Einrede des Schuldners
(vgl. BGHZ 27, 241, 248 f; Senatsurteile BGHZ 158, 188, 200 sowie vom
21. Oktober 2004 - III ZR 323/03 - NJW-RR 2005, 170, 171; Schiemann, in:
Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2005, § 249, Rn. 143). Eben dieser Beson-
derheit des Schadensersatzanspruchs haben die Kläger mit ihrem Klageantrag
(zu 1.) in erster Instanz Rechnung getragen. Die Verpflichtung zur Naturalresti-
tution kann deshalb auch nicht daran scheitern, dass der Schädiger nicht Partei
des den Schaden verursachenden Vertrages gewesen ist.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte insbe-
sondere geltend gemacht, dass etwaige Steuervorteile und Mieteinnahmen der
Kläger als weitere auszugleichende Vorteile zu berücksichtigen seien. Hierzu ist
festzustellen, dass bereits das Landgericht unter Hinweis auf Rentabilitätsbe-
rechnungen der Beklagten ausgeführt hat, der von den Klägern geforderte Zah-
lungsbetrag sei lediglich als Mindestschaden anzusehen, weil die eine zusätzli-
che Schadensposition darstellenden jährlichen Zinszahlungen im Ergebnis nicht
durch Mieteinnahmen und Steuervorteile ausgeglichen würden. Die Beklagte
hat kein maßgebliches Vorbringen in der Berufungsinstanz aufgezeigt, das die-
ser Feststellung und Beurteilung entgegenstünde.
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3.
Danach konnte das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Da das
Landgericht die begehrte Verurteilung zur Erstattung des Kaufpreises Zug-um-
Zug gegen Abgabe verschiedener Erklärungen zum Zwecke der Übereignung
der Immobilie zutreffend als begründet und möglich angesehen hat, ist die Be-
rufung der Beklagten insgesamt zurückzuweisen.
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Schlick Dörr
Herrmann
Harsdorf-Gebhardt
Hucke
Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 17.08.2006 - 1 O 265/05 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 23.10.2007 - 19 U 8/07 -