Urteil des BGH vom 16.04.2010
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 171/09 Verkündet
am:
16. April 2010
Langendörfer-Kunz,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 922
Dass der Abriss eines entlang der Grenze benachbarter Grundstücke errichteten
Gebäudes es notwendig macht, ein Gebäude auf dem angrenzenden Grundstück vor
Witterungseinflüssen zu schützen, begründet keinen Ausgleichsanspruch des Eigen-
tümers des angrenzenden Grundstücks.
BGH, Urteil vom 16. April 2010 - V ZR 171/09 - LG Göttingen
AG
Göttingen
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. April 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Rich-
ter Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und
Dr. Roth
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landge-
richts Göttingen vom 31. August 2009 wird auf Kosten des Klä-
gers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Dem Kläger gehört das Grundstück L. Straße 37 in U. , den Be-
klagten das angrenzende Grundstück L. Straße 39. Beide Grundstücke
sind bzw. waren in ihrem rückwärtigen Bereich entlang der gemeinsamen Gren-
ze bebaut, das Grundstück des Klägers mit einem Haus, das Grundstück der
Beklagten mit einem Stallgebäude. Die Außenwand des Hauses auf dem
Grundstück des Klägers ist zum Grundstück der Beklagten hin mit Faserze-
mentplatten gegen Witterungseinflüsse geschützt, soweit die Wand in Höhe und
Breite über das Stallgebäude auf dem Grundstück der Beklagten hinausging. Im
Jahre 2005 ließen die Beklagten das Stallgebäude abreißen. Seither fehlt dem
Haus des Klägers in diesem Bereich der zuvor von dem Stallgebäude gebotene
Witterungsschutz.
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Der Kläger hat geltend gemacht, die Außenwand seines Hauses bedürfe
wieder eines Schutzes. Dessen Vervollständigung verursache einen Aufwand
von 3.271,37 €.
Mit der Klage hat er von den Beklagten diesen Betrag zuzüglich Zinsen
und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt. Das Amtsge-
richt hat der Klage in Höhe von 1.990,66 € zuzüglich Zinsen und den verlangten
Rechtsanwaltskosten stattgegeben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die
Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht verneint den geltend gemachten Anspruch. Es hat
sachverständig beraten festgestellt, dass die beiderseitigen Gebäude entlang
der Grenze zwischen den Grundstücken der Parteien errichtet sind bzw. waren
und dass das Stallgebäude nicht an das Haus des Klägers angebaut war. Es
meint, ein Anspruch des Klägers gemäß §§ 922 Satz 3, 1004 Abs. 1 BGB we-
gen der Beeinträchtigung seines Hauses scheide aus. Ein solcher Anspruch
folge auch nicht aus § 823 BGB, weil der Abriss des Gebäudes auf dem Grund-
stück der Beklagten keinen rechtswidrigen Eingriff in das Eigentum des Klägers
bedeute und die Beeinträchtigung der Außenmauer dessen Hauses durch die
Witterung nicht auf ein rechtswidriges Verhalten der Beklagten zurückgehe.
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II.
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Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
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Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagten, die Kosten für eine Ver-
vollständigung des Witterungsschutzes der Außenmauer des Hauses zu tragen,
besteht nicht.
Nach § 903 BGB ist der Eigentümer einer Sache berechtigt, mit dieser
nach Belieben zu verfahren. Die Rechte aus dem Eigentum haben nur insoweit
zurückzutreten, als das Gesetz oder Rechte Dritter der Ausübung der Rechte
aus dem Eigentum entgegenstehen (§§ 903 Satz 1, 1004 Abs. 1, Abs. 2, 986
Abs. 1 Satz 1 BGB). Solche Rechte können sich aus der Gemeinschaftlichkeit
einer Grenzeinrichtung ergeben (vgl. Senat, BGHZ 78, 396, 399, Urt. vom
21. April 1989, V ZR 248/87, NJW 1989, 2541, Urt. vom 11. April 2008, V ZR
158/07, NJW 2008, 2032) oder aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhält-
nis im weitesten Sinne herzuleiten sein (vgl. Senat, BGHZ 68, 350, 353 f.). Die
Gemeinschaftlichkeit einer Wand hindert nach der zitierten Rechtsprechung des
Senats keinen der beteiligten Nachbarn an dem Abriss der Bebauung auf sei-
nem Grundstück. Der einseitige Abriss begründet jedoch einen Anspruch auf
Schutz der in dem gemeinschaftlichen oder nach dem Abriss ehemals gemein-
schaftlichen Eigentum stehenden Wand, § 10 Abs. 3 NNachBG (vgl. Senat,
BGHZ 78, 396, 399 f.).
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Anders ist es, wenn es sich wie hier bei der Mauer, um deren Schutz es
geht, nicht um eine gemeinschaftliche Einrichtung handelt (a.M. OLG Frankfurt
MDR 1982, 848). Eine an die Grenze gebaute Mauer wird von dem bürgerli-
chen Recht und von dem niedersächsischen Nachbarrechtsgesetz nur in dem
von §§ 907 ff. BGB, §§ 16 ff. NNachBG erfassten Umfang geschützt. Hierzu
gehört die Bewahrung des finanziellen Vorteils nicht, der sich daraus ergibt,
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dass eine Grenzwand auf einem Grundstück so lange keines oder keines voll-
ständigen Witterungsschutzes bedarf, wie dieser Schutz von einer parallel er-
richteten Grenzwand auf einem Nachbargrundstück geboten wird (OLG Köln,
NJW-RR 1987, 529 f.).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Krüger Klein
Stresemann
Czub
Roth
Vorinstanzen:
AG Göttingen, Entscheidung vom 24.09.2008 - 28 C 250/07 -
LG Göttingen, Entscheidung vom 31.08.2009 - 6 S 124/08 -