Urteil des BGH vom 24.09.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
II ZR 216/11
Verkündet am:
24. September 2013
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
GmbHG § 34 Abs. 2
Zur Einziehung des Geschäftsanteils eines GmbH-Gesellschafters wegen eines
tiefgreifenden Zerwürfnisses der Gesellschafter.
BGH, Urteil vom 24. September 2013 - II ZR 216/11 - OLG Koblenz
LG Koblenz
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann
und den Richter Prof. Dr. Strohn, die Richterin Dr. Reichart sowie die Richter
Born und Sunder
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilse-
nats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 29. September
2011 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkam-
mer des Landgerichts Koblenz vom 8. November 2010 wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
I. Der Kläger war mit drei weiteren Gesellschaftern Gründer der beklag-
ten GmbH, die ein Kino betreibt. Alle Gesellschafter waren mit jeweils 25% an
der Beklagten beteiligt und alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer. Jeder
Gesellschafter hatte bestimmte Leistungen als Beitrag zur Förderung des Ge-
sellschaftszwecks zu erbringen. Zum Aufgabenbereich des Klägers gehörte die
Betreuung der Auszubildenden und die Übernahme einzelner Wochenend-
dienste. Nachdem die persönliche Beziehung des Klägers mit der Mitgesell-
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schafterin L. gescheitert war, kam es zu Spannungen zwischen den Ge-
sellschaftern. Dem Kläger wurde die Verletzung seiner Pflichten als Geschäfts-
führer und Gesellschafter vorgeworfen.
Der Kläger wurde im November und Dezember 2005 dreimal wegen der
Vernachlässigung seiner Geschäftsführerpflichten anwaltlich abgemahnt. In
einer Gesellschafterversammlung am 16. Dezember 2005 einigten sich die Ge-
sellschafter darauf, dass der Kläger bis auf weiteres bezahlten Urlaub nehmen
dürfe und sich während dieser Zeit jedweder Geschäftsführertätigkeit enthalten
solle. Hieran hielt sich der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsge-
richts nicht. In der Gesellschafterversammlung vom 22. Februar 2006 wurde der
Kläger als Geschäftsführer abberufen.
In der Versammlung vom 16. März 2006 beschlossen die Gesellschafter
der Beklagten in Abwesenheit des Klägers einstimmig, dessen Geschäftsanteile
aus wichtigem Grund einzuziehen und den Kläger auszuschließen, weil sein
weiteres Verbleiben in der Gesellschaft aufgrund seines Verhaltens für die übri-
gen Gesellschafter untragbar sei.
§ 15 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten regelt die Einziehung von
Geschäftsanteilen und lautet auszugsweise:
1. Die Gesellschafter können die Einziehung von Geschäftsanteilen mit
Zustimmung des betroffenen Gesellschafters jederzeit beschließen.
2. Der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters bedarf es nicht,
wenn in seiner Person ein anderer wichtiger Grund, der seine Aus-
schließung aus der Gesellschaft rechtfertigt, gegeben ist. Ein solcher
wichtiger Grund liegt vor, wenn ein weiteres Verbleiben des be-
troffenen Gesellschafters in der Gesellschaft für diese untragbar ist,
insbesondere, …
In allen diesen Fällen erfolgt die Beschlußfassung der Gesellschaf-
terversammlung mit einer Mehrheit von 75 v.H. der abgegebenen
Stimmen; der betroffene Gesellschafter hat kein Stimmrecht mehr.
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Der Kläger hat beantragt, die Beschlüsse vom 16. März 2006 für nichtig
zu erklären. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht
hat ihr stattgegeben. Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Senat zuge-
lassene Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.
I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Ein wichtiger Grund für den Ausschluss des Klägers und die Einziehung
seiner Geschäftsanteile liege nicht vor.
Der Kläger habe mehrmals gegen seine Pflichten verstoßen, unter ande-
rem indem er seit dem 27. Oktober 2005 nicht mehr im Betrieb mitgearbeitet
habe, an keinen Teamsitzungen mehr teilgenommen habe, außer an derjenigen
am 9. November 2005, am 20. November 2005 sowie am 3. Dezember 2005
jeweils seinen Wochenenddienst mit halbstündiger Verspätung angetreten habe
und seine Aufgabe, die Auszubildenden zu betreuen, nicht mehr erfüllt habe.
Der Kläger habe am 18. November 2005 und am 19. November 2005 Kunden-
reservierungen für eine Kinovorstellung storniert, um so für sich selbst Plätze
zur Verfügung zu haben. Der Kläger habe gegen die Satzung verstoßen, indem
er am 28. November 2005 mit einem Bahnbetreiber eine Kooperationsvereinba-
rung mit einem Geschäftsvolumen von 5.000
€ getroffen habe, ohne dies mit
den Mitgesellschaftern abzusprechen oder sie nachträglich zu informieren. Am
2. Januar 2006 und am 6. Januar 2006 habe der Kläger die Büroräume des Ki-
nos betreten, Schränke und Schubladen durchsucht, Anweisungen erteilt und
Gespräche mit Filmverleihern geführt, obwohl mit den weiteren Gesellschaftern
vereinbart gewesen sei, sich jeglicher Geschäftsführertätigkeit zu enthalten.
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Der Kläger habe mehrfach Mitgesellschafter persönlich angegriffen und
beleidigt. Der Beklagten sei zuzugestehen, dass die gebotene umfassende Inte-
ressenwürdigung der Lage den Schluss zulasse, dass ein sinnvolles Zusam-
menwirken der Gesellschafter nicht mehr zu erwarten sei. Insoweit fehle es an
der für das Funktionieren einer personalistisch ausgestalteten GmbH neben
dem wirtschaftlichen Erfolg erforderlichen ersprießlichen Zusammenarbeit und
an der Achtung vor dem anderen. Allerdings seien die weiteren vom Bundesge-
richtshof aufgestellten Voraussetzungen, die den Ausschluss des Klägers unter
diesem Gesichtspunkt rechtfertigen könnten, nämlich dass das Zerwürfnis von
ihm zumindest überwiegend verursacht worden sei und in der Person des oder
der Ausschließenden nicht ebenfalls ein Ausschließungsgrund vorliege, nicht
sämtlich gegeben. Zwar sei nicht ersichtlich, dass den Mitgesellschaftern ihrer-
seits ein ihren eigenen Ausschluss rechtfertigendes Verhalten vorzuwerfen wä-
re. Es sei aber auch nicht dargelegt, dass das Zerwürfnis innerhalb der Gesell-
schaft zumindest überwiegend von dem Kläger verursacht worden sei.
Es sei anzunehmen, dass in erster Linie die Zerrüttung der nichteheli-
chen Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und der Mitgesellschafterin
L. das Verhältnis der Mitgesellschafter der Beklagten belastet und damit
die wesentliche Ursache für die Zerrüttung des Gesellschaftsverhältnisses ge-
setzt habe. Wer wiederum das Scheitern der Lebensgemeinschaft zu vertreten
habe, könne der Senat nicht beurteilen. Die darüber hinaus von dem Kläger in
Fortsetzung dieser in die Gesellschaft hineingetragenen Auseinandersetzung
begangenen Pflichtverletzungen stünden außer Frage. Die Verfehlungen seien
aber nicht schwerwiegend genug, um die Überzeugung des Senats davon zu
begründen, dass die tiefgreifende Krise zumindest überwiegend dem Kläger
anzulasten sei. Dabei werde nicht verkannt, dass durch die in Rede stehenden
Verhaltensweisen und verbalen Entgleisungen des Klägers die Zerrüttung zu-
mindest vertieft worden sei. Nicht erwiesen sei jedoch, dass nicht die durch die
persönliche Trennung der Mitgesellschafter entstandenen Spannungen und
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Umgangsformen ein weiteres Miteinander der Gesellschafter bereits untragbar
gemacht hätten und demgegenüber den weiteren Ursachenbeiträgen des Klä-
gers ein vergleichsweise geringes Gewicht beizumessen sei.
II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis nicht
stand. Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten tiefgreifenden Zerwürfnis
der Gesellschafter, das auf dem Boden der Feststellungen des Berufungsge-
richt überwiegend vom Kläger verursacht worden ist, waren die Mitgesellschaf-
ter des Klägers berechtigt, dessen Geschäftsanteil auf der Grundlage von § 15
Nr. 2 der Satzung der Beklagten einzuziehen, weil ein wichtiger Grund in der
Person des Klägers vorliegt, der seine Ausschließung aus der Gesellschaft
rechtfertigt. Die gegenteilige Würdigung des Berufungsgerichts ist aus Rechts-
gründen zu beanstanden.
1. Die Einziehung von Geschäftsanteilen ist nach § 34 Abs. 2 GmbHG
ohne Zustimmung des Anteilsberechtigten nur dann zulässig, wenn die Voraus-
setzungen derselben vor dem Zeitpunkt, in welchem der Berechtigte den Ge-
schäftsanteil erworben hat, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt waren. § 15
Nr. 2 der Satzung der Beklagten knüpft die Zwangseinziehung in zulässiger
Weise an das Vorliegen eines wichtigen Grundes in der Person des Gesell-
schafters, der seine Ausschließung aus der Gesellschaft rechtfertigt (vgl. BGH,
Urteil vom 19. September 1977 - II ZR 11/76, WM 1977, 1276, 1277).
2. Es ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats in erster Linie
Aufgabe des Tatrichters zu beurteilen, ob im konkreten Fall ein wichtiger Grund
vorliegt; er hat die dafür maßgebenden Umstände festzustellen, zu würdigen
und abzuwägen. Die revisionsgerichtliche Überprüfung erstreckt sich allein da-
rauf, ob das Tatsachengericht den Rechtsbegriff des wichtigen Grundes richtig
erfasst, ob es aufgrund vollständiger Sachverhaltsermittlung geurteilt und ob es
in seine Wertung sämtliche Umstände des konkreten Falls einbezogen hat
(BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 - II ZR 234/89, GmbHR 1991, 362; Urteil vom
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24. Februar 2003 - II ZR 243/02, ZIP 2003, 759, 760 mwN). Gemessen an die-
sem Maßstab ist die Würdigung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft.
a) Das Berufungsgericht ist allerdings rechtsfehlerfrei davon ausgegan-
gen, dass die Einziehung eines Geschäftsanteils ebenso wie die Ausschließung
eines Gesellschafters einer umfassenden Prüfung aller Umstände des Einzel-
falls und einer Gesamtabwägung der beteiligten Interessen sowie des Verhal-
tens der übrigen Gesellschafter bedarf (BGH, Urteil vom 23. Februar 1981
- II ZR 229/79, BGHZ 80, 346, 350; Urteil vom 13. Februar 1995 - II ZR 225/93,
ZIP 1995, 567, 569 mwN).
b) Die Würdigung des Berufungsgerichts, dass ein sinnvolles Zusam-
menwirken der Gesellschafter nicht mehr zu erwarten ist, weil es an der für das
Funktionieren einer personalistisch ausgestalteten GmbH erforderlichen er-
sprießlichen Zusammenarbeit und der Achtung vor dem anderen fehle, ist
gleichfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Auf dieser Tatsachengrund-
lage kann dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die weiteren Vo-
raussetzungen, die den Ausschluss des Klägers unter diesem Gesichtspunkt
und damit die Einziehung seines Geschäftsanteils rechtfertigen könnten, seien
nicht sämtlich gegeben, aus Rechtsgründen keinen Bestand haben.
aa) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats setzt ein wichti-
ger Grund zum Ausschluss eines Gesellschafters im Falle eines - vom Beru-
fungsgericht hier festgestellten - tiefgreifenden Zerwürfnisses der Gesellschafter
voraus, dass das Zerwürfnis von dem betroffenen Gesellschafter zumindest
überwiegend verursacht worden ist und in der Person des oder der die Aus-
schließung betreibenden Gesellschafter keine Umstände vorliegen, die deren
Ausschließung oder die Auflösung der Gesellschaft rechtfertigen (vgl. BGH,
Urteil vom 25. Januar 1960 - II ZR 22/59, BGHZ 32, 17, 31; Urteil vom 10. Juni
1991 - II ZR 234/89, GmbHR 1991, 362, 363; Urteil vom 24. Februar 2003
- II ZR 243/02, ZIP 2003, 759, 761).
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bb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht ersichtlich,
dass den Mitgesellschaftern ihrerseits ein ihren eigenen Ausschluss rechtferti-
gendes Verhalten vorzuwerfen wäre. Das Berufungsgericht hat vielmehr allein
Verhaltensweisen des Klägers festgestellt, die die Achtung vor seinen Mitge-
sellschaftern vermissen lassen und einer ersprießlichen Zusammenarbeit im
Wege stehen. Weiter hat es angenommen, dass durch die Verhaltensweisen
des Klägers die Zerrüttung zwischen den Gesellschaftern zumindest vertieft
wurde. Damit ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts aber hinrei-
chend dargelegt, dass das Zerwürfnis innerhalb der Gesellschaft überwiegend
vom Kläger verursacht worden ist.
Dass sich das Berufungsgericht nicht zu der Beurteilung in der Lage ge-
sehen hat, wer das Scheitern der Lebensgemeinschaft des Klägers mit seiner
Mitgesellschafterin L. zu vertreten habe, und es nicht für erwiesen erach-
tet hat, dass nicht die durch die persönliche Trennung der Mitgesellschafter
entstandenen Spannungen und Umgangsformen ein weiteres Miteinander der
Gesellschafter bereits untragbar gemacht hätten, rechtfertigt keine andere Wür-
digung. Das Scheitern der Lebensgemeinschaft ist für die Beantwortung der
Frage, wer das innergesellschaftliche Zerwürfnis überwiegend verursacht hat,
nur dann und soweit von Bedeutung, wie der daraus resultierende persönliche
Konflikt von den Beteiligten in die Gesellschaft hineingetragen wurde. Das Be-
rufungsgericht hat aber nur in Bezug auf den Kläger festgestellt, dass seine
Pflichtverletzungen in Fortsetzung seiner in die Gesellschaft hineingetragenen
persönlichen Auseinandersetzung mit der Mitgesellschafterin L. begangen
wurden. Dass die Mitgesellschafter in vergleichbarer Weise die persönliche
Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und der Gesellschafterin L. in
die Gesellschaft hineingetragen oder in anderer Weise zum Zerwürfnis der Ge-
sellschafter beigetragen haben, hat das Berufungsgericht dagegen nicht festge-
stellt und hat der Kläger, dessen - auch nach Auffassung des Berufungsgerichts
für das Zerwürfnis der Gesellschafter (zumindest mit)ursächliche - Pflichtverlet-
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zungen rechtsfehlerfrei festgestellt sind, nach der insoweit rechtlich unbedenkli-
chen Würdigung des Berufungsgerichts auch nicht substantiiert vorgetragen.
III. Der Senat hat gem. § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu ent-
scheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist. Weitere Feststellungen sind
nicht zu erwarten.
Bergmann Strohn Reichart
Born Sunder
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 08.11.2010 - 5 O 179/06 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 29.09.2011 - 6 U 1415/10 -
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