Urteil des BGH vom 03.08.2006
BGH: widerklage, peremptorische einrede, kaufpreis, rückzahlung, verkäuferin, anzahlung, rückforderung, schlosser, gewährleistung, minderung
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Gericht:
OLG Frankfurt 26.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
26 U 26/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 478 BGB vom 17.12.1990
(Gewährleistung beim Kauf: Anspruch des Käufers einer
mangelhaften Sache auf Rückforderung des gezahlten
Teilkaufpreises bei Verjährung des
Gewährleistungsanspruchs)
Leitsatz
§ 478 BGB a. F. gewährt dem Käufer einer mangelhaften Sache lediglich ein
Leistungsverweigerungsrecht, eine Rückforderung des gezahlten Teilkaufpreises kommt
nur in Betracht, wenn der Verkäufer die Herausgabe der Sache verlangt.
Tenor
[Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor wurde
vom Gericht nicht mitgeteilt]
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzung.
Sie erwarb im Jahre 2001 von der Maschinenfabrik A OHG ein Dosieraggregat, das
am 27.03.2001 in Betrieb genommen wurde. Nach dem die Klägerin wegen
angeblicher Schlechterfüllung nur einen Teil des Kaufpreises (60 %) zahlte, wurde
sie von der A OHG zunächst unter Fristsetzung zum 28.02.2002 zur Restzahlung
aufgefordert. Daraufhin beauftragte die Klägerin am 25.02.2002 die Beklagten mit
der Wahrnehmung ihrer Interessen. Die in der Folgezeit von der Fa. A erhobene
Zahlungsklage wies das Landgericht Wiesbaden in dem Verfahren 13 O 10/02 nach
Beweisaufnahme mit Urteil vom 08.04.2004 ab. Gegenüber der mit Schreiben vom
20.09.2004 geltend gemachten Rückzahlung des zum Teil erbrachten Kaufpreises
erhob die Verkäuferin den Einwand der Verjährung; die Rückabwicklung des
Kaufvertrages verweigerte sie.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagten hätten sie
pflichtwidrigerweise nicht über die Möglichkeit informiert, dass sie hinsichtlich des
Anspruchs auf Kaufpreisrückzahlung eine Widerklage in dem vorangegangenen
Streitverfahren hätte erheben können. Demgegenüber haben die Beklagten
eingewandt, dass der Rückzahlungsanspruch bereits zu diesem Zeitpunkt verjährt
gewesen sei. Im Übrigen sei das Interesse der Klägerin nicht auf die
Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichtet gewesen.
Das Landgericht hat die Klage mangels Pflichtverletzung der Beklagten
abgewiesen. Im Zeitpunkt der Beauftragung sei die Gewährleistungsfrist bereits
abgelaufen gewesen, so dass ein Rückzahlungsanspruch gemäß § 477 Abs. 1 BGB
a. F. verjährt gewesen sei. Die Mängelanzeige nach § 478 Abs. 1 BGB a.F.
begründe lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht bezüglich des Kaufpreises,
verschaffe dem Käufer jedoch keinen Anspruch auf Rückzahlung; deshalb wäre die
Erhebung einer Widerklage aussichtslos gewesen.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie ist nach wie vor der
Auffassung, ihr hätte trotz eingetretener Verjährung des Wandlungsrechts ein
Rückzahlungsanspruch bezüglich des gezahlten Kaufpreises zugestanden, der in
dem Verfahren 13 O 10/02 im Rahmen einer Widerklage hätte geltend gemacht
werden können.
Die Klägerin beantragt,
das am 27.04.2006 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden (7 O 380/05)
abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin
67.449,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 10.04.2001 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung im Wesentlichen unter
Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags im Berufungsverfahren wird
auf den Schriftsatz der Klägerin vom 09.06.2006 (Bl. 88 ff d.A.) und auf den
Schriftsatz der Beklagten vom 10.07.2006 (Bl. 159 ff d.A.) Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und darüber hinaus
gemäß § 520 Abs. 2 ZPO rechtzeitig begründete Berufung ist zulässig, in der
Sache aber nicht begründet.
Das Landgericht hat einen Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verletzung
anwaltlicher Pflichten im Ergebnis zu Recht verneint. Eine hiervon abweichende
Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist auch unter Berücksichtigung des
Berufungsvorbringens nicht geboten. Das landgerichtliche Urteil beruht weder auf
einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu
legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).
Ein Anspruch nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung ist nicht
gegeben, da nach den der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen eine
Pflichtverletzung der Beklagten im Zusammenhang mit der Prozessvertretung in
dem Verfahren 13 O 10/02 nicht festzustellen ist. Es war insbesondere nicht
pflichtwidrig, in dieser Sache keine Widerklage auf Rückzahlung des bereits
geleisteten Kaufpreises zu erheben, da eine solche Klage keine Aussicht auf Erfolg
hatte. Ein auf Gewährleistungsrecht zu stützender Anspruch aus §§ 462, 465, 467,
346 ff BGB a. F. (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB) war bereits zu diesem Zeitpunkt
verjährt. Ein darüber hinausgehender Anspruch ist der Klägerin unter keinem
rechtlichen Gesichtspunkt zuzuerkennen.
Ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin gemäß §§ 462, 465, 467, 346 ff BGB a. F.
war bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung in dem Verfahren 13 O 10/02 nach §
477 BGB a. F. verjährt. Nach dieser Vorschrift verjährten Ansprüche auf Wandlung
oder Minderung nach Ablauf von 6 Monaten. Nur wenn die Wandlung oder
Minderung bereits vollzogen war, unterlagen die sich hieraus ergebenden
Ansprüche der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB a. F. Ein solcher
Vollzug hat hier indes nicht stattgefunden. Klagt nämlich, wie hier, der Verkäufer
nach Anzahlung eines Teils des Kaufpreises auf den Rest und erhebt der Käufer
demgegenüber mit Erfolg die Wandlungseinrede, so kann einer späteren
Rückzahlungsklage des Käufers der Verkäufer nach ganz überwiegender Meinung
mit Erfolg die Einrede der Verjährung entgegenhalten (vgl. schon RGZ 69, 385,
388; BGHZ 85, 367 ff m.w.N.). Eine Pflichtverletzung der Beklagten wäre vor
diesem Hintergrund nur zu bejahen gewesen, wenn im Zeitpunkt der
Kaufpreisklage Gewährleistungsansprüche noch nicht verjährt gewesen wären; nur
dann hätte eine Widerklage gerichtet auf die Rückzahlung des Kaufpreises Erfolg
haben können. Indes war die Gewährleistungsfrist des § 477 BGB a. F. im
Zeitpunkt der Mandatierung bereits abgelaufen, so dass eine Widerklage von
vornherein keinen Erfolg haben konnte. Insoweit kann unterstellt werden, dass sich
die Verkäuferin, wie auch später geschehen, auf Verjährung berufen hätte. Soweit
die Klägerin unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Münchner Kommentar
(MüKo - Westermann, BGB, 3. Aufl., § 465 Rz. 17) und bei Staudinger (Staudinger-
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(MüKo - Westermann, BGB, 3. Aufl., § 465 Rz. 17) und bei Staudinger (Staudinger-
Honsell, BGB 13. Aufl., § 465 Rz. 31) die Erhebung einer Widerklage für geboten
erachtete, verkennt sie, dass sich die zitierten Kommentarmeinungen auf den Fall
beziehen, in dem der Verkäufer innerhalb der Frist des § 477 BGB a. F. die
Restkaufpreisklage erhoben hat; dem Käufer wird allein in dieser Konstellation zur
Fristwahrung die Erhebung der Widerklage auf Rückzahlung des Kaufpreises
empfohlen. Vorliegend war die Frist des § 477 BGB a. F. aber bereits im Zeitpunkt
der Klageerhebung der Verkäuferin abgelaufen.
Ein darüber hinausgehender Anspruch, der im Rahmen einer Widerklage in nicht
verjährter Zeit hätte geltend gemacht werden können, besteht nicht. Ein solcher
Anspruch lässt sich insbesondere nicht aus den von der Klägerin zitierten
Fundstellen ableiten. Soweit dort von einem Rückzahlungsanspruch des Käufers
die Rede ist, liegt den Darstellungen eine andere Ausgangssituation zugrunde.
Diese wird bei Schlosser (ders., Peremptorische Einrede und
"Ausgleichzusammenhänge“, JZ 1966, 428 ff) am deutlichsten formuliert.
Ausgangspunkt der Erörterungen ist die Interessenlage, die der Gesetzgeber mit
der Schaffung des § 478 BGB a. F. regeln wollte, wobei auf den Zusammenhang
von §§ 477 und 478 BGB a. F. abzustellen ist. Ist ein Kaufvertrag beim Ablauf der
Verjährungsfristen für die Gewährleistungsansprüche bereits vollständig erfüllt, soll
es damit sein Bewenden haben. Unter diesen Voraussetzungen soll der Käufer aus
der Mangelhaftigkeit der Kaufsache keine Rechte mehr herleiten dürfen; der
Gesetzgeber mutet ihm vielmehr zu, seine Ansprüche rechtzeitig geltend zu
machen. Eine Ausnahme von dieser grundsätzlichen Regelung ist in § 478 BGB
a.F. normiert. Diese Vorschrift eröffnet dem Käufer, der den Kaufpreis noch nicht
bzw. nicht vollständig gezahlt hat, auch noch nach Ablauf der Gewährleistungsfrist
die Möglichkeit der Rechtsverteidigung, indem sie ihm ein
Leistungsverweigerungsrecht einräumt. Diese Privilegierung beschränkt sich
jedoch ausschließlich auf den noch nicht erbrachten Teil der Leistung. Hat der
Käufer den Kaufpreis teilweise entrichtet, greift diese Schutzregelung nicht mehr,
d.h. er steht so wie der Käufer, der den Kaufpreis vollständig gezahlt hat; er kann
also den wegen des Mangels nicht den geleisteten Teilbetrag nicht zurückfordern,
wenn der Verkäufer sich mit der Anzahlung zufrieden gibt. Insoweit hebt Schlosser
auch die Richtigkeit der zugrunde liegenden reichsgerichtlichen Entscheidung
hervor (RGZ 69, 385 ff). Die eigentliche Problematik ergibt sich in diesen
Fallkonstellationen aus der Sicht des Verkäufers, denn über das rechtliche
Schicksal der bereits übereigneten Kaufsache lässt sich den gesetzlichen
Regelungen nichts entnehmen. Insofern wird die Auffassung vertreten, der
Gesetzgeber dürfte es kaum gewollt haben, dass der Käufer die Kaufsache gegen
den Willen des Verkäufers unter Umständen ohne Bezahlung oder nur gegen eine
geringfügige Anzahlung behalten dürfen soll (vgl. Schlosser, a.a.O.). Allerdings ist
bereits diese Schlussfolgerung nicht zwingend, denn der zurückbehaltene Teil des
Kaufpreises mag durchaus dem mangelbedingten Minderwert der Kaufsache
entsprochen haben, so dass diese Regelung auch den Verkäufer nicht
unangemessen benachteiligt und es vor diesem Hintergrund mit dem
eingetretenen status quo sein Bewenden haben kann. Jedenfalls wird in dieser
Konstellation allein dem Verkäufer das Recht eingeräumt, die Rückgabe der
Kaufsache zu verlangen. Tut er dies, so soll natürlich dem Käufer auch das Recht
zustehen, den geleisteten Teil des Kaufpreises zurückzufordern. Auf welcher
rechtlichen Grundlage diese Abwicklung erfolgt, ist nicht geklärt. Allein in diesem
Zusammenhang sind aber die von der Klägerin zitierten Kommentarstellen zu
verstehen. Die Rechtsposition des Käufers soll damit eben nicht contra legem
erweitert werden; anderenfalls würde man dem Käufer, der den Kaufpreis noch
nicht oder erst teilweise erbracht hat, entgegen den §§ 477, 478 BGB a. F. ein
Sonderwandlungsrecht zugestehen und ihn damit besser stellen als den Käufer,
der den Kaufpreis bereits vollständig gezahlt. Dieses Ergebnis ist vom
Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollt und lässt sich deshalb auch nicht im Wege
einer Gesetzesauslegung herleiten (vgl. zur Systematik der Gesetzesauslegung:
Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Aufl., Einleitung vor § 1, Rz. 40 ff m.w.N.).
Nach alldem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurück zu
weisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708
Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder
grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts
erfordert (§§ 543 Abs.1 Ziffer 1, Abs. 2 Ziffer 1, 2 ZPO n.F.; 26 Ziffer 7 EGZPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.