Urteil des BGH vom 27.03.2013

BGH: wiedereinsetzung in den vorigen stand, eigenes verschulden, versicherung, aufwand, datum, kontrolle, akte, prozess, versäumnis, zutritt

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
III ZB 84/12
vom
27. März 2013
in dem Rechtsstreit
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. März 2013 durch den
Vizepräsidenten Schlick und die Richter Wöstmann, Seiters, Tombrink und
Dr. Remmert
beschlossen:
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung
der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts
Braunschweig vom 8. November 2012 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer besuchte am 31. August 2010 eine mündliche
Verhandlung vor dem Amtsgericht S. in bunten Kleidern. Er wurde von
dem Vorsitzenden auf § 175 GVG hingewiesen, wonach solchen Personen der
Zutritt zu öffentlichen Verhandlungen versagt werden kann, die in einer der
Würde des Gerichts nicht entsprechenden Weise erscheinen. Der Beschwerde-
führer verließ auf Bitten des Gerichts den Sitzungssaal.
Die mit dem Ziel der Feststellung der Unzulässigkeit der Maßnahme
des Amtsgerichts vom Beschwerdeführer eingelegte sofortige Beschwerde ist
vom Landgericht B. - unter gleichzeitiger Zulassung der Rechtsbe-
schwerde - mit Beschluss vom 8. November 2012 zurückgewiesen worden. Der
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Beschluss des Landgerichts ist dem Beschwerdeführer am 13. November 2012
zugestellt worden. Er hat gegen den Beschluss mit beim Bundesgerichtshof am
gleichen Tag eingegangenem Anwaltsschriftsatz vom 21. November 2012
Rechtsbeschwerde eingelegt. Die auf den 6. Februar 2013 datierte Rechtsbe-
schwerdebegründung des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers ist
am 14. Februar 2013 beim Bundesgerichtshof eingegangen.
Mit am gleichen Tag beim Bundesgerichtshof eingegangenem Schriftsatz
vom 14. Februar 2013 hat der Beschwerdeführer den Antrag gestellt, ihm Wie-
dereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Be-
gründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren. Zur Begründung trägt er unter
Vorlage eines Auszuges aus dem Fristenkalender und einer eidesstattlichen
Versicherung einer Büroangestellten seines Prozessbevollmächtigten vor, die
Büroangestellte habe am 13. Februar 2013, dem Tag des Ablaufs der Frist zur
Begründung der Rechtsbeschwerde, im Fristenkalender versehentlich die am
12. Februar 2013 ablaufenden Fristen kontrolliert. Daraus habe sich der Frist-
ablauf in der vorliegenden Sache nicht ergeben. Der Irrtum sei erst am
14. Februar 2013 bemerkt worden.
II.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die
Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde (§ 575 Abs. 2
ZPO) ist gemäß §§ 233, 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO zulässig. Er ist jedoch unbe-
gründet.
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1.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nach § 233 ZPO zu gewäh-
ren, wenn der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert war, die
Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde einzuhalten. Das Verschulden
seines Prozessbevollmächtigten ist dem Beschwerdeführer zuzurechnen (§ 85
Abs. 2 ZPO). Die die Wiedereinsetzung begehrende Partei hat die Angabe der
die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen innerhalb der Wiedereinset-
zungsfrist glaubhaft zu machen (§ 236 Abs. 2 ZPO; vgl. BGH, Beschluss vom
8. Dezember 2010 - XII ZB 334/10, NJW-RR 2011, 568 Rn. 7). Sie hat dabei
ein für die Fristversäumung ursächliches eigenes Verschulden oder das ihr
nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnende Verschulden auszuräumen. Verbleibt die
Möglichkeit, dass die Einhaltung der Frist durch ein Verschulden des Prozess-
bevollmächtigten der Partei versäumt worden ist, ist der Antrag auf Wiederein-
setzung unbegründet (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 2010 - XII ZB
177/10, NJW-RR 2011, 385 Rn. 12 f mwN).
2.
Der Beschwerdeführer hat nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft
gemacht, dass die Versäumnis der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwer-
de nicht auf einem Fehler seines Prozessbevollmächtigten bei der Bearbeitung
der Sache oder auf einem Organisationsmangel in dessen Kanzlei zurückzufüh-
ren ist.
a) Grundsätzlich ist ein Rechtsanwalt verpflichtet, durch entsprechende
Organisation seines Büros und die notwendigen Einzelanweisungen das Mög-
lichste zu tun, um Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen auszu-
schließen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Oktober 1988 - VI ZB 12/88, BGHR
ZPO § 233 Fristenkontrolle 8 und vom 19. November 1997 - VIII ZB 33/97,
BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 59). Hierzu gehört nach feststehender Recht-
sprechung die allgemeine Anordnung, dass jedenfalls bei solchen Prozess-
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handlungen, deren Vornahme ihrer Art nach mehr als nur einen geringen Auf-
wand an Zeit und Mühe erfordert, wie dies regelmäßig bei Rechtsmittelbegrün-
dungen der Fall ist, außer dem Datum des Fristablaufs auch noch eine Vorfrist
zu notieren ist (Senat, Beschluss vom 19. März 2008 - III ZB 81/07, BeckRS
2008, 06348 Rn. 5; BGH, Beschlüsse vom 9. Juni 1994 - I ZB 5/94, NJW 1994,
2831; vom 6. Juli 1994 - VIII ZB 26/94, NJW 1994, 2551, 2552 und vom
25. September 2003 - V ZB 17/03, FamRZ 2004, 100; MünchKommZPO/Gehr-
lein, 4. Aufl., § 233 Rn. 64). Sie soll bewirken, dass dem Rechtsanwalt durch
rechtzeitige Vorlage der Akten auch für den Fall von Unregelmäßigkeiten und
Zwischenfällen noch eine ausreichende Überprüfungs- und Bearbeitungszeit
verbleibt (BGH, Beschlüsse vom 6. Juli 1994 aaO und vom 25. September 2003
aaO; MünchKommZPO/Gehrlein aaO). Es ist sicherzustellen, dass die Sache
bei Ablauf einer Vorfrist stets einem Anwalt vorgelegt wird (MünchKommZPO/
Gehrlein aaO mwN).
b) Vorliegend kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Bearbei-
tungsfehler des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers, die man-
gelnde Notierung einer Vorfrist oder andere organisatorische Mängel in der
Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers für die Fristver-
säumung jedenfalls mitursächlich geworden sind.
aa) Der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs lässt sich nicht ent-
nehmen, dass in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten in der vorliegenden
Sache eine Vorfrist notiert und die Sache bei Ablauf der Vorfrist dem Anwalt
vorgelegt worden ist. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass
dies geschehen ist. Wäre eine Vorfrist notiert und bei ihrem Ablauf die Sache
dem Anwalt vorgelegt worden, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass das
Versehen der Büroangestellten am 13. Februar 2013 folgenlos geblieben wäre,
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weil die Akte bereits zuvor dem Prozessbevollmächtigten des Beschwerdefüh-
rers vorlag und dieser daraufhin - angesichts der darin notierten Frist (zur Fris-
tennotierung in den Handakten vgl. Zöller/Greger, ZPO, 29.. Aufl., § 233 Rn. 23
"Fristenbehandlung" mwN) und unabhängig von der täglichen Kontrolle des
Fristenkalenders durch seine Büroangestellte - die Beschwerdebegründung
rechtzeitig diktiert beziehungsweise erstellt, unterschrieben und an die zustän-
dige Bürokraft zwecks Einreichung der Beschwerdebegründung bei Gericht wei-
tergeleitet hätte.
bb) Der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Büroangestellten
und den vorgelegten Kopien lässt sich entnehmen, dass auch im Büro des Pro-
zessbevollmächtigten des Beschwerdeführers allgemein Vorfristen notiert wer-
den. Dafür, dass dies auch vorliegend so gehandhabt wurde - was allerdings
nicht vorgetragen worden ist -, könnte sprechen, dass die Beschwerdebegrün-
dung bereits auf den 6. Februar 2013, das heißt eine Woche vor Ablauf der Be-
gründungsfrist, datiert ist.
Sollte der Schriftsatz bereits am 6. Februar 2013 gefertigt und dem Pro-
zessbevollmächtigten des Beschwerdeführers zur Unterschrift vorgelegt worden
sein, so wäre jedenfalls ein dem Beschwerdeführer zuzurechnendes anwaltli-
ches Verschulden nicht ausgeräumt. Dieses läge gegebenenfalls darin begrün-
det, dass der - rechtzeitig abgefasste - Schriftsatz aufgrund eines Fehlers des
Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers oder von Organisationsmän-
geln in dessen Kanzlei
„liegen geblieben“ ist mit der Folge, dass er bis zum Ab-
lauf der Begründungsfrist am 13. Februar 2013 bei Gericht nicht eingereicht
worden ist. Insoweit hat der Beschwerdeführer weder vorgetragen noch glaub-
haft gemacht, was nach rechtzeitiger Fertigung der Beschwerdebegründung am
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6. Februar 2013 veranlasst worden ist, um ihre fristwahrende Einreichung bei
Gericht sicherzustellen.
Nach alledem ist nicht glaubhaft gemacht, dass der Beschwerdeführer
ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung der Rechtsbe-
schwerde einzuhalten.
Schlick
Wöstmann
Seiters
Tombrink
Remmert
Vorinstanzen:
AG Salzgitter, Entscheidung vom - 23 C 118/10 -
LG Braunschweig, Entscheidung vom 08.11.2012 - 8 T 526/12 (241) -
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