Urteil des BGH vom 13.07.2005

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 311/04
Verkündet am:
13. Juli 2005
P o t s c h,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 242 Cd, 535, 1041
Zur Instandhaltungspflicht des Vermieters, dem der Nießbrauch an der Mietsache
zusteht, gegenüber dem Eigentümer, der die Sache gemietet hat.
BGH, Urteil vom 13. Juli 2005 - VIII ZR 311/04 - LG Berlin
AG Schöneberg
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Juli 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert, die Richter
Dr. Leimert, Wiechers und Dr. Frellesen sowie die Richterin Hermanns
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 63 des
Landgerichts Berlin vom 30. Juli 2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist mit seiner Schwester seit 1981 in ungeteilter Erbenge-
meinschaft Eigentümer eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grund-
stücks in B. , das zu Gunsten der Beklagten, seiner Mutter, mit einem le-
benslangen Nießbrauch belastet ist. Mit Vertrag vom 4. Februar 1987 mieteten
der Kläger und seine inzwischen aus dem Vertrag ausgeschiedene Ehefrau
eine in diesem Haus gelegene Wohnung von der Beklagten. Mit Schreiben vom
18. Januar und 13. Februar 2003 verlangte der Kläger von der Beklagten die
Vornahme verschiedener Instandsetzungsarbeiten in der von ihm gemieteten
Wohnung. Der Kläger forderte die Beklagte unter anderem auf, die gesamte
Elektroinstallation der Wohnung (mit Ausnahme der Küche) wegen Sicher-
heitsmängeln umgehend zu erneuern, und kündigte an, andernfalls die Arbeiten
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selbst in Auftrag zu geben und die dafür veranschlagten Kosten von 5.052,96 €
an die Beklagte weiterzugeben.
Das Amtsgericht hat die Beklagte durch Versäumnisurteil unter anderem
zur Zahlung des vom Kläger als Kostenvorschuß für die Erneuerung der Elekt-
roinstallation verlangten Betrages von 5.052,96 € verurteilt. Auf den Einspruch
der Beklagten hat das Amtsgericht sein Versäumnisurteil aufrechterhalten. Mit
ihrer Berufung hat sich die Beklagte lediglich gegen ihre Verurteilung zur Zah-
lung des Kostenvorschusses von 5.052,96 € gewandt. Insoweit hat das Landge-
richt das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Dagegen
richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit
der dieser die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Dem Kläger stehe aus § 536 a Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 242 BGB
ein Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses für die Erneuerung der
Elektroinstallation in der von ihm gemieteten Wohnung nicht zu. Es könne da-
hingestellt bleiben, ob der Kläger die Erneuerungsbedürftigkeit der Elektroinstal-
lation hinreichend dargetan habe. Selbst wenn darauf unter mietvertraglichen
Gesichtspunkten ein Anspruch des Klägers bestünde, verstieße die Geltend-
machung eines derartigen Anspruchs durch den Kläger als unzulässige
Rechtsausübung gegen § 242 BGB, weil der Kläger das Erlangte an die Be-
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klagte wieder zurückgewähren müßte (dolo-petit-Einrede). Die Beklagte schulde
aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Nießbrauchsverhältnisses
nach § 1041 BGB lediglich die gewöhnlichen Maßnahmen zur Unterhaltung der
nießbrauchsbelasteten Sache, nicht aber Instandsetzungen wie eine Erneue-
rung der Elektroinstallation. Wenn die Beklagte aus dem Mietvertrag verpflichtet
sein sollte, die Elektroinstallation in der Wohnung des Klägers zu erneuern, hät-
te sie insoweit gegenüber dem Kläger aus § 1049 BGB einen Erstattungsan-
spruch. Hierfür könne der Kläger als Miteigentümer von der Beklagten auch
allein in Anspruch genommen werden; er habe sich gegebenenfalls mit seiner
Schwester im Innenverhältnis auseinander zu setzen.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand, so daß die
Revision zurückzuweisen ist. Zu Recht hat das Berufungsgericht dem Kläger
einen Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses für die Erneuerung der
Elektroinstallation in der von ihm gemieteten Wohnung versagt.
1. Dem Kläger steht als Mieter ein Vorschußanspruch für die Kosten der
Erneuerung der Elektroinstallation zu, wenn die Mietwohnung insoweit einen
Mangel aufweist und er unter den Voraussetzungen des § 536 a Abs. 2 BGB
zur Mangelbeseitigung im Wege der Ersatzvornahme berechtigt ist und deshalb
Ersatz der dafür erforderlichen Aufwendungen verlangen kann. Dies hat das
Berufungsgericht zugunsten des Klägers unterstellt. Davon ist auch im Revisi-
onsverfahren auszugehen.
2. Diesem mietrechtlichen Anspruch des Klägers steht jedoch entgegen,
daß die Beklagte als Nießbraucherin dem Kläger gegenüber zu einer Erneue-
rung der Elektroinstallation nicht verpflichtet ist, weil die Erneuerung der Elekt-
roinstallation nicht der Beklagten als Nießbraucherin, sondern dem Kläger
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selbst und dessen Schwester - als Eigentümern des Hauses - obliegt und das
Verlangen des Klägers gegenüber der Beklagten deshalb, wie das Berufungs-
gericht zu Recht angenommen hat, als Rechtsmissbrauch gegen Treu und
Glauben (§ 242 BGB) verstößt.
a) Der Nießbraucher hat lediglich für die Erhaltung der Sache in ihrem
wirtschaftlichen Bestand zu sorgen (§ 1041 Satz 1 BGB); Ausbesserungen und
Erneuerungen obliegen ihm nur insoweit, als sie zu der gewöhnlichen Unterhal-
tung der Sache gehören (§ 1041 Satz 2 BGB). Zu der gewöhnlichen, dem
Nießbraucher obliegenden Unterhaltung der Sache zählen solche Maßnahmen,
die bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung regelmäßig, und zwar wiederkeh-
rend innerhalb kürzerer Zeitabstände zu erwarten sind; dazu gehören insbe-
sondere normale Verschleißreparaturen (BGH, Urteil vom 6. Juni 2003 - V ZR
392/02, NJW-RR 2003, 1290 unter II 3 b). Zu Recht hat das Landgericht unter
Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angenommen, daß
die vom Kläger verlangte Erneuerung der Elektroinstallation nicht davon umfaßt
wird (vgl. BGH, aaO unter II 3 c bb (3)) und deshalb grundsätzlich dem Eigen-
tümer, also dem Kläger selbst und dessen Schwester, obliegt. Dagegen bringt
die Revision nichts vor.
b) Sie meint aber, die vom Gesetz vorgegebene Verteilung der Pflichten
zwischen Eigentümer und Nießbraucher werde im vorliegenden Fall - aus-
nahmsweise - durch den Mietvertrag der Parteien überlagert; dadurch habe die
Beklagte die Pflicht zur Erhaltung der Mietsache freiwillig übernommen und die
vom Gesetz vorgegebene Verteilung der Pflichten zwischen Eigentümer und
Nießbraucher abbedungen. Dies trifft nicht zu. Der Mietvertrag der Parteien
enthält keine den Nießbrauch der Beklagten und die gesetzliche Lastenvertei-
lung nach § 1041 BGB berührende Vereinbarung und hat deshalb, wie das Be-
rufungsgericht zu Recht angenommen hat, keine Auswirkungen auf die aus
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dem Nießbrauch sich ergebenden Rechte und Pflichten der Beklagten als
Nießbraucherin einerseits und die Rechte und Pflichten des Klägers und seiner
Schwester als Eigentümer andererseits. Das Rechtsverhältnis der Parteien ist
hinsichtlich des Nießbrauchs der Beklagten nicht dadurch verändert worden,
daß statt eines Dritten der Kläger selbst eine Wohnung in dem Haus gemietet
hat, das in seinem und seiner Schwester Eigentum steht und mit dem Nieß-
brauch der Beklagten belastet ist.
c) Zu Recht hat das Berufungsgericht das Verlangen des Klägers aus
§ 536 a Abs. 2 BGB als rechtsmißbräuchlich (§ 242 BGB) angesehen. Denn
dem mietrechtlichen Anspruch des Klägers steht der hypothetische Aufwen-
dungsersatzanspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger aus § 1049 BGB
entgegen (dolo-petit-Einrede). Die dagegen von der Revision vorgebrachten
Einwände greifen nicht durch.
aa) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht hin-
sichtlich des Anspruchs aus § 1049 BGB nicht verkannt, daß der Kläger nicht
Alleineigentümer des Grundstücks ist, sondern gemeinsam mit seiner Schwes-
ter Gesamthandseigentümer. Mit Recht hat das Berufungsgericht dies als für
die dolo-petit-Einrede der Beklagten unerheblich angesehen und darauf hinge-
wiesen, daß es Sache des Klägers wäre, sich im Falle seiner Inanspruchnahme
aus § 1049 BGB mit seiner Schwester im Innenverhältnis auseinanderzusetzen.
Denn hinsichtlich des hypothetischen Anspruchs der Beklagten aus § 1049
BGB würde der Kläger, sofern sich der Anspruch gegen die Erbengemeinschaft
richtet, als Gesamtschuldner haften (§ 2058 BGB) und damit von der Beklagten
allein in Anspruch genommen werden können (§ 421 BGB), so daß diese dem
Kläger auch die dolo-petit-Einrede entgegenhalten kann.
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bb) Unzutreffend ist auch die Auffassung der Revision, die Entscheidung
des Berufungsgerichts sei mit § 2059 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zu vereinbaren.
Das nach dieser Vorschrift bestehende Leistungsverweigerungsrecht betrifft nur
die Haftungsmasse, mit der ein Miterbe die gemeinschaftlichen Nachlaßver-
bindlichkeiten zu befriedigen hat, und ist losgelöst von seiner gesamtschuldne-
rischen Haftung (§ 2058 BGB). Als Gesamtschuldner kann der Miterbe wegen
einer gemeinschaftlichen Nachlaßverbindlichkeit jedenfalls hinsichtlich seines
Anteils an dem ungeteilten Nachlaß allein in Anspruch genommen werden.
Deshalb wird der hypothetische Anspruch der Beklagten gegen den Kläger aus
§ 1049 BGB auch dann, wenn es sich dabei um eine gemeinschaftliche Nach-
laßverbindlichkeit im Sinne des § 2058 BGB handeln sollte, von dem Leistungs-
verweigerungsrecht aus § 2059 Abs. 1 Satz 1 BGB ebensowenig berührt wie
die der Beklagten im Hinblick auf diesen Anspruch gegenüber dem Kläger zu-
stehende dolo-petit-Einrede. Dies gilt hier jedenfalls deshalb, weil der hypothe-
tische Anspruch der Beklagten den Wert des Anteils des Klägers am Nachlaß
nicht übersteigt.
cc) Ohne Erfolg rügt die Revision schließlich, das Berufungsgericht habe
die tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs der Beklagten aus § 1049
BGB rechtsfehlerhaft festgestellt. Vom Berufungsgericht übergangenen Sach-
vortrag (§ 286 ZPO) vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Anspruch aus § 1049 BGB in Ver-
bindung mit den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht
schon deshalb gegenüber dem Kläger allein - als einem der beiden Ge-
samthandseigentümer - begründet wäre, weil eine Erneuerung der Elektroin-
stallation jedenfalls seinem eigenen Willen und Interesse (§ 683 Satz 1 BGB)
entspricht und deshalb eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag jeden-
falls für ihn als Geschäftsherrn vorläge. Selbst wenn es, wie die Revision meint,
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für den Anspruch aus § 1049 BGB auf eine Geschäftsführung ohne Auftrag für
die Erbengemeinschaft als Geschäftsherrin und damit auch auf den Willen und
das Interesse der Miterbin ankäme, hat das Berufungsgericht einen Anspruch
der Beklagten aus § 1049 BGB mit Recht bejaht. Die Revisionserwiderung
weist zutreffend darauf hin, daß eine Erneuerung der Elektroinstallation nach
dem eigenen Vortrag des Klägers über deren Erforderlichkeit und Dringlichkeit
auch dem Interesse und mutmaßlichen Willen der Miterbin entspricht. Soweit
die Revision demgegenüber behauptet, daß die Miterbin eine Erneuerung der
Elektroinstallation weder für erforderlich noch für wünschenswert halte, handelt
es sich um neuen Sachvortrag, der im Revisionsverfahren nicht zu berücksich-
tigen ist (§ 559 Abs. 1 ZPO). Die Erklärung der Schwester des Klägers aus dem
Jahr 2001, auf die sich die Revision bezieht, sagt im übrigen über die Einstel-
lung der Miterbin zur Erneuerung der Elektroinstallation nichts aus und steht
deshalb der Feststellung des Berufungsgerichts nicht entgegen, daß die Vor-
aussetzungen eines Anspruchs der Beklagten aus § 1049 BGB erfüllt wären,
wenn die Beklagte auf Verlangen des Klägers die Elektroinstallation zu erneu-
ern hätte.
Dr. Deppert
Dr. Leimert
Wiechers
Dr. Frellesen
Hermanns