Urteil des BGH vom 14.12.2000

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 3/00
Verkündet am:
14. Dezember 2000
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
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BGB § 652
Der Anspruch auf Zahlung des Maklerlohns entfällt, wenn die Wan-
delung des vom Makler nachgewiesenen oder vermittelten Kaufver-
trags wegen eines arglistig verschwiegenen Sachmangels erfolgt,
sofern infolge derselben Täuschung der Käufer auch zur Anfechtung
des Kaufvertrags nach § 123 BGB berechtigt gewesen wäre.
BGH, Urteil vom 14. Dezember 2000 - III ZR 3/00 - OLG Zweibrücken
LG Frankenthal
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die
Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 1. Zivilsenats des
Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 10. Dezember
1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in
Höhe von 6.382,50 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Re-
visionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand
Die Kläger kauften am 6. Oktober 1995 ein im Bezirk N. gelegenes
Hausgrundstück zum Preis von 185.000 DM und zahlten dafür an die Beklagte
eine Vermittlungsprovision von 6.382,50 DM. Mit der Behauptung, das erwor-
bene Wohnhaus weise zahlreiche, vom Verkäufer in betrügerischer Absicht
verdeckte Mängel auf, erhoben sie im Mai 1996 gegen diesen Wandelungskla-
ge. Das Landgericht gab der Klage rechtskräftig statt und führte zur Begrün-
dung aus, die Statik des Hauses sei dermaßen unzureichend, daß Einsturzge-
fahr bestehe. Diesen Mangel habe der beklagte Verkäufer arglistig verschwie-
gen.
Im vorliegenden Rechtsstreit nehmen die Kläger die Beklagte auf Rück-
zahlung der Maklerprovision und Schadensersatz in einer Gesamthöhe von
zuletzt 186.820,60 DM in Anspruch. Landgericht und Oberlandesgericht haben
die Klage abgewiesen. Die Revision der Kläger hat der Senat nur insoweit an-
genommen, als die Klage auch wegen eines Teilbetrags von 6.382,50 DM ab-
gewiesen worden ist.
Entscheidungsgründe
Im Umfang der Annahme hat die Revision Erfolg.
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I.
Das Berufungsgericht hat die Beklagte nicht als Vermittlerin des Kauf-
vertrags, sondern lediglich als Nachweismaklerin angesehen. Daß die Beklagte
indessen die ihr auch in dieser Eigenschaft obliegenden Aufklärungs- und In-
formationspflichten gegenüber den Klägern verletzt und ihnen für den Abschluß
des Kaufvertrags wesentliche Umstände verschwiegen habe, habe die Beweis-
aufnahme nicht ergeben. Die vollzogene Wandelung des zunächst wirksam
zustande gekommenen Kaufvertrags beeinflusse mangels Rückwirkung den
Provisionsanspruch der Beklagten nicht.
II.
Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung insoweit stand, als es
um die mit der Klage hauptsächlich geltend gemachten Schadensersatzan-
sprüche geht. Der Senat hat aus diesem Grunde die Revision der Kläger
größtenteils auch nicht angenommen. Entgegen der Auffassung des Beru-
fungsgerichts kommt hingegen in Höhe der gezahlten Maklerprovision von
6.382,50 DM aufgrund der Wandelung des Kaufvertrags ein Wegfall der Zah-
lungspflicht und damit ein Bereicherungsanspruch der Kläger gegen die Be-
klagte in Betracht (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB).
1.
§ 652 Abs. 1 BGB macht das Entstehen eines Provisionsanspruchs des
Maklers nur vom Zustandekommen des Hauptvertrags, nicht von dessen Aus-
führung abhängig. Demnach schließen Umstände, die einen wirksamen Ab-
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schluß des Hauptvertrags verhindern oder ihn als von Anfang an unwirksam
erscheinen lassen (Formnichtigkeit, Gesetzwidrigkeit, Sittenwidrigkeit, anfäng-
liche objektive Unmöglichkeit, Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täu-
schung) eine Provisionspflicht aus. Dagegen lassen Umstände, die ohne eine
im Vertragsschluß selbst liegende Unvollkommenheit lediglich die Leistungs-
pflichten aus dem Vertrag beseitigen (wie nachträgliche Unmöglichkeit, Kündi-
gung, Rücktritt oder einverständliche Vertragsaufhebung), den Provisionsan-
spruch regelmäßig unberührt (BGH, Urteil vom 11. November 1992 - IV ZR
218/91 - NJW-RR 1993, 248, 249; Senatsurteil vom 20. Februar 1997 - III ZR
81/96 - VersR 1997, 1233; MünchKomm/Roth, BGB, 3. Aufl., § 652 Rn. 139
m.w.N.).
2.
Zu den zuletzt genannten, nur die Durchführung des nachgewiesenen
oder vermittelten Geschäfts betreffenden Umständen rechnet die ganz herr-
schende Meinung auch eine Wandelung des Kaufvertrags, ohne Rücksicht
darauf, ob der Mangel der Kaufsache bereits bei Vertragsschluß vorgelegen
hat oder erst nachträglich entstanden ist (OLG Hamburg OLGE 39, 208, 209;
OLG Köln MDR 1956, 294; OLG Oldenburg RDM-Slg A 137 Bl. 13; Erman/
O. Werner, BGB, 10. Aufl., § 652 Rn. 40 a.E.; Palandt/Sprau, BGB, 59. Aufl.,
§ 652 Rn. 26; BGB-RGRK/Dehner, 12. Aufl., § 652 Rn. 13; Soergel/Lorentz,
BGB, 12. Aufl., § 652 Rn. 33; Kempen, Der Provisionsanspruch des Zivilmak-
lers bei fehlerhaftem Hauptvertrag, 1984, S. 93 f.; im Ergebnis teilweise abwei-
chend - bei ursprünglichen Sachmängeln könne die wirtschaftliche Gleichwer-
tigkeit zwischen dem beabsichtigten und dem abgeschlossenen Hauptvertrag
fehlen: MünchKomm/Roth, § 652 Rn. 150; Staudinger/Reuter, BGB, 13. Bearb.,
§§ 652, 653 Rn. 102). Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn die Wande-
lung an die Stelle eines sonst bestehenden Anfechtungsrechts nach § 119
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Abs. 2 BGB tritt, weil der Makler aus den auf die Verkäufer-Käufer-Beziehung
zugeschnittenen Sonderregelungen über die Sachmängelgewährleistung in
den §§ 459 ff. BGB, die in ihrem Anwendungsbereich einen Rückgriff auf die
allgemeinen Vorschriften grundsätzlich ausschließen, keine Vorteile ziehen
dürfe (OLG Braunschweig NJW 1954, 1083; OLG Karlsruhe RDM-Slg A 137
Bl. 9; Erman/O. Werner, § 652 Rn. 40; Reichel, Die Mäklerprovision, 1913,
S. 67 f.; Schwerdtner, Maklerrecht, 4. Aufl., Rn. 492; im Ergebnis auch Stau-
dinger/Reuter, §§ 652, 653 Rn. 85 f., 103 - fehlende wirtschaftliche Gleichwer-
tigkeit; a.A. Kempen, aaO, S. 65 ff., 94).
3.
Der Senat muß diese Fragen ebensowenig entscheiden wie dazu Stel-
lung nehmen, inwieweit ein ursprünglicher Sachmangel die wirtschaftliche
Identität der beiden Geschäfte entfallen lassen kann. Eine Irrtumsanfechtung
greift hier schon deswegen nicht durch, weil der Kaufvertrag einen umfassen-
den Gewährleistungsausschluß enthält, der auch eine Anfechtung wegen Ei-
genschaftsirrtums umfaßt (vgl. MünchKomm/Westermann, § 459 Rn. 85
m.w.N.). Eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß spätere Einflüsse auf das
rechtliche Schicksal des Hauptvertrags sich nicht auf die Maklerprovision aus-
wirken, ist aber jedenfalls in den Fällen geboten, in denen - wie bei der arglisti-
gen Täuschung (§ 123 BGB) - wegen desselben Mangels ein Anfechtungsrecht
neben den kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften besteht und der Voll-
zug der Wandelung daher zugleich das aus derselben Fehlerquelle stammen-
de, alternative Recht des Käufers, den Kaufvertrag ex tunc zu beseitigen, reali-
siert (vgl. auch Staudinger/Reuter, §§ 652, 653 Rn. 87 zur Ausübung eines ge-
setzlichen Rücktrittsrechts statt der Anfechtung). Der Käufer hat bei einem sol-
chen Sachverhalt - ohne Rücksicht auf den Gewährleistungsausschluß (§ 476
BGB) - die freie Wahl zwischen dem Verlangen nach einer Gewährleistung und
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der Anfechtung des Kaufvertrags (MünchKomm/Westermann, § 459 Rn. 86
m.w.N.); wofür er sich entscheidet, wird weitgehend von den ihm im Einzelfall
günstigsten Rechtsfolgen abhängen. Aus der Sicht des Maklers ist diese Ent-
scheidung rein zufällig. Es wäre willkürlich, hiervon das Bestehen seines Provi-
sionsanspruchs abhängig zu machen. Für die Maklervergütung ist vielmehr
allein maßgebend, daß der vermittelte oder nachgewiesene Vertrag wegen des
"Makels der Anfechtbarkeit" von Anfang an an einer Unvollkommenheit leidet
und daran wirtschaftlich auch scheitert, vergleichbar darin denjenigen Fallge-
staltungen, in denen die Vertragsparteien den Hauptvertrag mit Rücksicht auf
ein Anfechtungsrecht einverständlich wieder aufheben (s. hierzu OLG Köln
NJW-RR 1997, 693; OLG Celle NJW-RR 1999, 128; OLG Hamburg NJW-RR
1999, 351; Schwerdtner, aaO, Rn. 473; vgl. auch OLG Hamm NJW-RR 1991,
249 f.; Staudinger/Reuter, §§ 652, 653 Rn. 93). Eine solche Gleichbehandlung
von Gewährleistung und Vertragsanfechtung setzt allerdings voraus, daß das
Anfechtungsrecht noch bestand, der Käufer mithin seine Gewährleistungs-
rechte insbesondere noch innerhalb der einjährigen Anfechtungsfrist des § 124
Abs. 1 BGB geltend gemacht hat (vgl. Schwerdtner, aaO Rn. 492).
3.
Im Streitfall ist nicht zu bezweifeln, daß die Kläger mit ihrer am 31. Mai
1996 erhobenen Wandelungsklage diese Jahresfrist eingehalten haben. Ande-
rerseits läßt sich revisionsrechtlich nicht sicher beurteilen, ob die Vorausset-
zungen einer Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung auch
im übrigen vorgelegen haben. Das Berufungsgericht hat hierzu - aus seiner
Sicht folgerichtig - keine hinreichenden Feststellungen getroffen; das rechts-
kräftige Urteil des Landgerichts im vorausgegangenen Verfahren gegen den
Verkäufer, in dem das Gericht einen wesentlichen Sachmangel und eine argli-
stige Täuschung der Käufer über diesen Umstand bejaht hat, bindet mangels
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einer Streitverkündung die Beklagte nicht. Infolgedessen muß das Berufungs-
urteil in diesem Umfang aufgehoben und die Sache zur erneuten tatrichterli-
chen Prüfung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen
werden.
Rinne
Wurm
Kapsa
Dörr
Galke