Urteil des BGH vom 23.02.2010
BGH (bundesrepublik deutschland, stpo, menge, fahrzeug, strafe, deutschland, berlin, kokain, hamburg, stgb)
5 StR 548/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 23. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Februar 2010
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Hamburg vom 25. August 2009 gemäß § 349 Abs. 4
StPO im Strafausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück-
verwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum un-
erlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu
einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat fer-
ner 61 kg Kokain und ein Wohnmobil eingezogen. Die Revision des Ange-
klagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
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1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und
Wertungen getroffen:
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a) Der Angeklagte lebte von 1998 bis 2007 in Spanien und war als
Kaufmann im Bereich Import/Export mit Waren aus Indonesien tätig. Nach
dem Tod seiner Freundin verkaufte er seine Besitztümer und unternahm eine
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längere Reise, u. a. durch Südamerika. Spätestens im Juli 2008 gestattete
der Angeklagte einem unbekannt gebliebenen Hintermann, sein Wohnmobil
für einen Drogentransport nach Europa zu benutzen. In das in Deutschland
auf den Angeklagten zugelassene Fahrzeug wurden sodann 52 Pakete mit
61 kg Kokain (Wirkstoffgehalt 57 kg) eingebaut. Der Angeklagte beauftragte
eine Hamburger Reederei, das Wohnmobil im Wert von 7.500 € mit einem
Containerschiff nach Dublin (Irland) zu transportieren. Der Container mit dem
Fahrzeug des Angeklagten wurde am 6. September 2008 in Rotterdam ent-
laden, anschließend vom niederländischen Zoll gescannt, mit Drogenfahn-
dungshunden ohne Ergebnis kontrolliert und am 22. Oktober 2008 zum Wei-
tertransport freigegeben.
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b) Der Angeklagte hatte am 18. oder 19. September 2008 davon er-
fahren, dass der Container noch immer vom niederländischen Zoll festgehal-
ten werde. Er beschloss, den Container in die Bundesrepublik Deutschland
umzuleiten. Er flog am 20. September 2008 von Frankfurt/Main nach Buenos
Aires und beauftragte am 3. November 2008 einen Berliner Rechtsanwalt mit
der weiteren Abwicklung des Transports. Dieser beglich am 25. Febru-
ar 2009 die am 20. Februar 2009 von der Spedition weiter in Rechnung ge-
stellten Transportkosten in Höhe von über 11.000 €. Der Container kam am
24. Februar 2009 im Hamburger Containerterminal per Schiff an. Der Ange-
klagte beauftragte die Berliner Anwaltskanzlei am 26./27. Februar 2009, den
Container nach Berlin transportieren zu lassen, und übergab einem Mitarbei-
ter des Rechtsanwalts den Schlüssel des Fahrzeugs, die erhaltenen Fracht-
dokumente, die Ladeliste sowie eine Kopie seines Personalausweises. Der
Container wurde am 9. März 2009 in Hamburg von Mitarbeitern der Zollbe-
hörde geröntgt. Aufgrund von Unregelmäßigkeiten wurde dessen genauere
Untersuchung angeordnet, die am 20. April 2009 im Beisein des Angeklagten
stattfand. Rauschgiftspürhunde schlugen im Inneren des Fahrzeugs an.
Nach Auffinden des Rauschgifts wurde der Angeklagte festgenommen.
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c) Das Landgericht hat aus den dem Angeklagten bekannten Umstän-
den des Transports geschlossen, dass der während des gesamten Verfah-
rens schweigende Angeklagte davon wusste, dass in seinem Fahrzeug Ko-
kain in der Größenordnung vieler Kilogramm in Erzeugerlandqualität nach
Deutschland eingeführt wurde.
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d) Das Landgericht hat die Strafe der Vorschrift des § 30 Abs. 1 Nr. 4
BtMG entnommen und bis auf die außerordentlich hohe Menge der einge-
führten Betäubungsmittel und dessen Gefährlichkeit in geringem Umfang die
professionelle Vorgehensweise des Angeklagten strafschärfend berücksich-
tigt. Als erheblich strafmildernd hat das Landgericht bewertet, dass der
48-jährige Angeklagte unbestraft geblieben war und die Betäubungsmittel
vollständig sichergestellt wurden. Der Angeklagte habe bei dem Betäu-
bungsmittelgeschäft zudem nicht in alleinigem Eigeninteresse gehandelt,
sondern ihm sei lediglich eine untergeordnete Rolle zugekommen.
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2. Die Angriffe der Revision gegen den Schuldspruch bleiben erfolg-
los.
a) Die Verfahrensrügen greifen aus den vom Generalbundesanwalt in
seiner Antragsschrift vom 28. Dezember 2009 dargestellten Erwägungen
nicht durch. Zu der die Vernehmung der Fachärzte B. und L.
aus Buenos Aires betreffenden Beweisantragsrüge bemerkt der Senat:
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Ein Verstoß gegen § 244 Abs. 6 StPO liegt nicht vor. Den Anträgen
des Verteidigers ermangelte es an der gebotenen konkreten Beweisbehaup-
tung (vgl. BGHSt 39, 251, 253 f.). Mit ihnen war die Vernehmung der beiden
Krankenhausärzte zum Beweis dafür benannt worden, dass sich der Ange-
klagte dort (im Krankenhaus) in der Zeit von Anfang Dezember 2008 bis
März 2009 durch den Neurologen und von Anfang Dezember 2008 bis Janu-
ar 2009 von dem Orthopäden hätte behandeln lassen, was beweisen würde,
dass der Angeklagte in dieser Zeit keine Möglichkeit gehabt hätte, auf den
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Container oder sein Fahrzeug zuzugreifen. Indes ist hierdurch nicht – wie die
Revision meint – ein mehrere Monate dauernder Krankenhausaufenthalt oh-
ne jegliche Kommunikationsmöglichkeit unter Beweis gestellt worden. Sol-
ches hätte erst durch eine Schlussfolgerung des Tatgerichts aus den konkre-
ten – in den Anträgen aber nicht dargelegten – Umständen der Kranken-
hausbehandlung festgestellt werden können. Die Anträge bezeichneten
demnach nur ein Beweisziel (vgl. BGHSt aaO S. 254).
Nachdem im Revisionsvortrag keine Präzisierung erfolgt ist, bleibt die
erhobene Rüge als Aufklärungsrüge gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzu-
lässig (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 9; § 244 Abs. 6
Beweisantrag 40).
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b) Auch die Sachrüge greift zum Schuldspruch nicht durch.
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Zwar ist die Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte habe an der
Kontrolle des Containers und seines Fahrzeugs teilgenommen, weil er nicht
frei habe entscheiden können, „ob er das Risiko der Entdeckung eingehen
und dafür den Versuch der Rückgewinnung der gegebenenfalls doch unent-
deckt bleibenden Betäubungsmittel aus den Händen der Behörden versu-
chen wollte“ (UA S. 22), nicht nachvollziehbar. Denn im Fall der Nichtentde-
ckung in Abwesenheit des Angeklagten wäre der von einem Rechtsanwalt für
den Angeklagten in Auftrag gegebene Weitertransport des Fahrzeugs in ei-
nem Container nach Berlin problemlos durchgeführt worden. Die Anwesen-
heit des Angeklagten bei der Kontrolle war von der Zollbehörde auch nicht
veranlasst. Indes schließt der Senat vor dem Hintergrund der übrigen rechts-
fehlerfrei festgestellten, ein besonders sicheres Beweisergebnis belegenden
Umstände (vgl. BGH NJW 1997, 2762, 2764; BGH, Beschluss vom
16. März 2005 – 5 StR 514/04) aus, dass das Landgericht ohne die zu bean-
standende Wertung die Verbringung des für den Straßenverkehr zugelasse-
nen Wohnmobils von Rotterdam nach Berlin per kostspieliger Containerfracht
über Hamburg als das Vorgehen eines Gutgläubigen hätte würdigen können,
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zumal nachdem der Container in Rotterdam ohne Ergebnis überprüft worden
war.
3. Indes hält der Strafausspruch der – freilich eingeschränkten
(BGHSt 34, 345, 349) – sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand. Angesichts
der gewürdigten zahlreichen mildernden Umstände, namentlich mit Blick auf
die Unbestraftheit des ersichtlich von unaufgedeckt gebliebenen Hinterleuten
instrumentalisierten Angeklagten, auf den festgestellten späten Zeitpunkt des
vom Angeklagten gefassten Einfuhrvorsatzes, welcher erst den angenom-
menen Strafrahmen eröffnete, und auf die Umstände der Sicherstellung des
Rauschgifts, in deren Rahmen sich der Angeklagte zudem den Ermittlungs-
behörden gleichsam auslieferte, ist die verhängte Strafe trotz Art und Um-
fangs des eingeführten Rauschgifts unvertretbar hoch. Es kommt hinzu, dass
das Landgericht auf den mit der Einziehung des Wohnmobils gemäß § 74
Abs. 2 Nr. 1 StGB entstandenen Vermögensverlust des Angeklagten nicht
eingegangen ist (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 16; BGH,
Beschluss vom 14. Juni 2000 – 2 StR 217/00).
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4. Bei dem hier vorliegenden Wertungsfehler bedarf es keiner Aufhe-
bung von Feststellungen. Das neue Tatgericht wird die Strafe auf der Grund-
lage der bisher getroffenen Feststellungen zu bestimmen haben, die freilich
um solche ergänzt werden dürfen, die den bisher getroffenen nicht wider-
sprechen.
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