Urteil des BGH vom 22.12.2004

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 23/05
Verkündet
am:
21. September 2006
Preuß
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 771, 835, 859
Im Drittschuldnerprozess kann der Beklagte grundsätzlich nicht einwenden, ein Drit-
ter habe an dem gepfändeten Recht oder der gepfändeten Forderung ein die Veräu-
ßerung hinderndes Recht.
BGH, Urteil vom 21. September 2006 - IX ZR 23/05 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
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ZPO §§ 771, 835, 859
Im Drittschuldnerprozess kann der Beklagte grundsätzlich nicht einwenden, ein Drit-
ter habe an dem gepfändeten Recht oder der gepfändeten Forderung ein die Veräu-
ßerung hinderndes Recht.
BGH, Urteil vom 21. September 2006 - IX ZR 23/05 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. September 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Rich-
ter Raebel, Dr. Kayser, Cierniak und die Richterin Lohmann
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandes-
gerichts Karlsruhe vom 22. Dezember 2004 wird auf Kosten des
Beklagten zurückgewiesen.
Der Streithelfer trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Streithelfer war zusammen mit dem Beklagten Gesellschafter der
E. GbR. Die H. GmbH & Co. KG (fortan: Insol-
venzschuldnerin) hatte gegen den Streithelfer einen rechtskräftigen Titel über
143.616,23 € nebst Zinsen erwirkt. In Vollstreckung dieses Titels ließ die In-
solvenzschuldnerin den vorbezeichneten Gesellschaftsanteil des Streithelfers
nebst seinem Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben pfänden und
sich zur Einziehung überweisen.
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Nach Kündigung des zur Einziehung überwiesenen Gesellschaftsanteils
hat die Insolvenzschuldnerin den Beklagten und die Gesellschaft, gegenüber
der im ersten Rechtszug die Klage zurückgenommen worden ist, auf Auszah-
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lung des Abfindungsguthabens in Höhe ihrer vollstreckbaren Forderung in An-
spruch genommen. Der Beklagte hat dagegen eingewandt, ein Anspruch des
Streithelfers gegen ihn bestehe nicht, weil dieser seinen Gesellschaftsanteil nur
als Treuhänder für seine Ehefrau erworben und gehalten habe. Inzwischen sei
dieses Treuhandverhältnis beendet worden.
Nachdem am 1. April 2004 über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin
das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt
worden ist, hat dieser den unterbrochenen Drittschuldnerprozess wieder aufge-
nommen. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die
hiergegen gerichtete Berufung hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revi-
sion verfolgt der Beklagte sein Klagabweisungsbegehren weiter.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.
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I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, der Anteil des Streithelfers an
dem Vermögen seiner Gesellschaft mit dem Beklagten sei von der Insolvenz-
schuldnerin rechtswirksam gepfändet und ihr zur Einziehung überwiesen wor-
den. Der Beklagte könne im Drittschuldnerprozess nach fristloser Kündigung
der Gesellschaft grundsätzlich nicht einwenden, der Streithelfer (Vollstre-
ckungsschuldner) sei nur Treuhänder; seiner Treugeberin stehe am Vollstre-
ckungsgegenstand ein die Veräußerung hinderndes Recht im Sinne des § 771
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ZPO zu. Ob eine Ausnahme anzuerkennen sei, wenn der Beklagte sich auf
eine aus dem Inhalt des Anspruchs selbst ergebende Unpfändbarkeit berufe,
brauche nicht entschieden zu werden, weil die behauptete Treuhandabrede
zwischen dem Streithelfer und seiner Ehefrau keine treuhänderische Zweckbin-
dung im Sinne des § 399 BGB enthalte. Es könne auch dahinstehen, ob der
Kläger unredlich gehandelt habe, wenn er zwar den Drittschuldnerprozess,
nicht aber die gegen die Insolvenzschuldnerin gerichtete Drittwiderspruchsklage
der Treugeberin aufgenommen habe. Ohnehin liege keine eigentliche, die
Vollstreckung hindernde Treuhand vor. Der Gesellschaftsanteil, den der Streit-
helfer nach der Behauptung des Beklagten als mittelbarer Vertreter für Rech-
nung der Treugeberin erworben habe, sei ihm nicht aus ihrer Hand anvertraut
worden.
II.
Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung stand. Mit Recht hat
das Berufungsgericht den vom Kläger als Insolvenzverwalter erhobenen An-
spruch auf Auszahlung des Abfindungsguthabens zugesprochen. Dieser folgt
nach Pfändung des Gesellschaftsanteils und Überweisung zur Einziehung
(§ 859 Abs. 1 Satz 1, § 857 Abs. 1, §§ 829, 835, 836 ZPO) durch Beschlüsse
vom 9. September 2002 und 25. September 2002 sowie fristloser Kündigung
der Gesellschaft gemäß § 725 Abs. 1 BGB aus § 4 Nr. 1, § 8 Nr. 3 und § 10 des
Gesellschaftsvertrages vom 28. Dezember 1998. Nach dem Ausscheiden des
Schuldners infolge Kündigung der Gesellschaft ist der Vollstreckungsgläubiger
nach § 836 ZPO ermächtigt, von dem verbleibenden Gesellschafter, der Ge-
samtrechtsnachfolger der beendeten Gesellschaft wurde (BGHZ 48, 203, 206;
71, 296, 300; BGH, Urt. v. 16. Dezember 1999 - VII ZR 53/97, NJW 2000,
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1119), die vertragsgemäße Auszahlung des Abfindungsguthabens zu verlangen
(BGB-RGRK/v. Gamm, 12. Aufl. § 725 Rn. 6 ff; Palandt/Sprau, BGB 65. Aufl.
§ 725 Rn. 3; vgl. auch BGHZ 116, 222, 229 f). Der Beklagte hat nicht geltend
gemacht, dass der Vollstreckungsschuldner den gepfändeten Gesellschaftsan-
teil entsprechend § 10 Fall 2 des Gesellschaftsvertrages auf einen Dritten über-
tragen hat, der dann neben der Gesellschaft das pfandverstrickte Abfindungs-
guthaben schulden würde.
1. Die Pfändung des Gesellschaftsanteils des Streithelfers und des An-
spruchs auf das Abfindungsguthaben und die Überweisung zur Einziehung sind
wirksam.
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a) Zutreffend ist der Ausgangspunkt der Revision, dass die Pfändung
einer Forderung oder eines Rechts nichtig ist, wenn Forderung oder Recht im
Zeitpunkt der Pfändung nicht bestehen oder dem Vollstreckungsschuldner nicht
zustehen (BGHZ 100, 36, 42; BGH, Urt. v. 26. Mai 1987 - IX ZR 201/86, NJW
1988, 495; v. 12. Dezember 2001 - IV ZR 47/01, NJW 2002, 755, 757). Aller-
dings kann die Treugeberin allein aufgrund des behaupteten (echten) Treu-
handvertrages nicht Inhaberin des Gesellschaftsanteils und des Anspruchs auf
das Abfindungsguthaben geworden sein. Gesellschafter und damit Rechtsinha-
ber bei der echten Treuhand ist der Treuhänder, nicht der Treugeber (vgl. BGH,
Urt. v. 17. Juni 1991 - II ZR 261/89, WM 1991, 1753, 1754; Palandt/Heinrichs,
aaO Überbl vor § 104 Rn. 25). Der Treuhänder allein ist auch Gläubiger der
innergesellschaftlichen Ansprüche, soweit sie nicht zulässigerweise abgetreten
worden sind.
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b) Ohne Erfolg rügt die Revision, dass das Berufungsgericht sich verfah-
renswidrig nicht mit der Behauptung des Beklagten auseinandergesetzt habe,
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Inhaberin der gepfändeten Rechtsposition sei jedenfalls nach Abtretung die
Treugeberin gewesen. Zwar mag die Treuhand des Streithelfers (Vollstre-
ckungsschuldners) beendet und das Grundbuch des Gesellschaftsgrundstücks
bereits am 11. September 2002 auf die Treugeberin berichtigt worden sein.
Durch den dinglichen Arrest in das Vermögen des Streithelfers und die Arrest-
pfändung in die Treuhandbeteiligung, die ihm am 22. August 2002 zugestellt
worden sind, war jedoch eine spätere Abtretung des gepfändeten Gesell-
schaftsanteils an die Treugeberin nach § 930 Abs. 1, §§ 859, 857 Abs. 1, § 829
Abs. 1 Satz 2 ZPO gegenüber der Insolvenzschuldnerin und dem Kläger relativ
unwirksam.
Seiner Darlegungslast dafür, dass die behauptete Abtretung des Gesell-
schaftsanteils an die Treugeberin bereits vor dem Wirksamwerden der Arrest-
pfändung stattgefunden hat, ist der Beklagte nicht gerecht geworden. Das Beru-
fungsgericht hat mithin entgegen der Ansicht der Revision § 286 ZPO nicht ver-
letzt; denn es brauchte dem rechtlich unzureichenden Sachvortrag des Beklag-
ten in diesem Punkt nicht weiter nachzugehen.
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2. Der Drittschuldner kann im Einziehungsprozess des Vollstreckungs-
gläubigers nicht einwenden, ein Dritter habe an dem gepfändeten Recht oder
der gepfändeten Forderung ein die Veräußerung hinderndes Recht gemäß
§ 771 ZPO.
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a) Die auf § 771 Abs. 1 ZPO zu stützenden Rechte Dritter können nach
dem Wortlaut nur diese dritten Personen selbst geltend machen, während der
Schuldner mit einer Einrede aus dem Rechte eines (anderen) Dritten nicht ge-
hört werden kann (RGZ 42, 343, 344 [zu § 690 CPO]). In dem Verfahren der
Drittwiderspruchsklage ist über materielle Rechte der Beteiligten zu entscheiden
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(Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen 2. Aufl. Bd. 2
Abt. 1, S. 413 [zu § 639 CPO]). Das Bürgerliche Gesetzbuch lässt nur aus-
nahmsweise, wie in § 768 Abs. 1 Satz 1, § 770, § 986 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB,
Einreden aus dem Rechte eines Dritten zu (vgl. Stammler in Festgabe der juris-
tischen Fakultät Halle-Wittenberg für Dernburg [1900], S. 89, 121, 126 f). Die
gesetzlich geregelten Einreden, die von dem Rechte eines Dritten abgeleitet
sind, berühren regelmäßig allein das Interesse des Einredeberechtigten und
sind ihm zu seinem eigenen Vorteil eingeräumt (Roth, Die Einrede des Bürgerli-
chen Rechts [1988] S. 286 f). Ein berechtigtes Interesse des Drittschuldners,
neben dem Rechtsinhaber als Drittwiderspruchskläger zugelassen zu werden,
besteht nicht (vgl. KG OLGE 17 [1908], 190). Die Entscheidung, ob der Dritte
überhaupt Rechte geltend macht, muss diesem selbst überlassen bleiben
(RGZ 42, 343, 344 f).
b) Der Beklagte konnte auch nicht deshalb das Recht der Treugeberin im
Drittschuldnerprozess einwenden, weil er als Gesellschafter durch die Kündi-
gung des Vollstreckungsgläubigers von der Pfändung und Überweisung unmit-
telbar betroffen war. Im Schrifttum wird zwar der Vollstreckungsschuldner aus-
nahmsweise dann wie ein Dritter als widerspruchsberechtigt angesehen, wenn
er bei beschränkter Haftung dem Zugriff auf nicht haftende Vermögensmassen
entgegentreten will (Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 22. Aufl. § 771 Rn. 45; Wiec-
zorek/Schütze/Salzmann, ZPO 3. Aufl. § 771 Rn. 37). Die Voraussetzungen
eines solchen Ausnahmefalles liegen für den beklagten Drittschuldner aber
nicht vor.
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3. Setzt der Vollstreckungsgläubiger bei erfolgreicher Widerspruchsklage
eines Dritten entgegen § 775 Nr. 1 ZPO die Zwangsvollstreckung fort, kann der
Drittschuldner allerdings dagegen nach § 766 ZPO erinnern. Eine solche Lage
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besteht hier indes ebenfalls nicht. Die unterbrochene Drittwiderspruchsklage
der Treugeberin ist nach Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Gläubige-
rin nicht aufgenommen worden.
Die Revision beanstandet auch zu Unrecht, dass der Kläger im Hinblick
auf diese Rechtslage treuwidrig (§ 242 BGB) prozediere, wenn er dem Beklag-
ten entgegenhalte, dieser könne sich nicht auf das angebliche Recht der Treu-
geberin an dem gepfändeten Gesellschaftsanteil berufen. Zwar hat der Kläger
den unterbrochenen Drittwiderspruchsprozess der Treugeberin gegen die Insol-
venzschuldnerin (Gläubigerin) nicht aufgenommen. Diese Entscheidung durfte
er jedoch der klagenden Treugeberin überlassen, die zur Aufnahme des
Rechtsstreits nach § 240 Satz 1 ZPO, § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO berechtigt war.
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Fischer Raebel Kayser
Cierniak
Lohmann
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 22.06.2004 - 4 O 630/03 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 22.12.2004 - 3 U 21/04 -