Urteil des BGH vom 06.07.2006
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 121/05
Verkündet
am:
6. Juli 2006
Bürk
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
InsO §§ 41, 103, 115, 116; BGB § 675
a) Der Kautionsversicherungsvertrag ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne
des § 675 BGB.
b) Der Geschäftsbesorgungsvertrag erlischt mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens
insgesamt; dem Insolvenzverwalter steht kein Wahlrecht nach § 103 InsO zu.
c) Prämienansprüche des Kautionsversicherers für die Zeit nach Eröffnung des In-
solvenzverfahrens können nicht insolvenzfest vereinbart oder gesichert werden.
d) § 41 InsO ist auf befristete Forderungen nicht analog anzuwenden.
BGH, Urteil vom 6. Juli 2006 - IX ZR 121/05 - OLG Frankfurt am Main
LG Wiesbaden
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juli 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter
Dr. Ganter, Raebel, Cierniak und die Richterin Lohmann
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 3. Zivilse-
nats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 2. Juni 2005
und das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden
vom 4. Juni 2004 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, sich aus
dem von der Schuldnerin an die Beklagte am 3. April 2001 abge-
tretenen Guthaben bei der Bank in Leipzig, Konto-
Nr. ... wegen Prämien aus dem mit der Schuldnerin am
13. März 1996 geschlossenen Kautionsversicherungsvertrag in
Höhe von 10.992,78 € für die Zeit seit dem 14. September 2001
zu befriedigen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Beklagte verpflichtete sich durch Kautionsversicherungsvertrag vom
13. März 1996 mit der Sch. GmbH (fortan: Schuldnerin),
Gewährleistungs- bzw. Vertragserfüllungsbürgschaften bis zu einem bestimm-
ten Limit zu stellen. Nach § 5 der dem Vertrag zu Grunde liegenden Allgemei-
nen Bedingungen für die Kautionsversicherung-plus (Übernahme von Bürg-
schaften; fortan: AVB Avalkredit-plus) waren von der Schuldnerin Prämien zu
entrichten, die für bestimmte Abrechnungsperioden im Voraus berechnet wur-
den und sich den Änderungen des Limits anpassten. Im Falle der Kündigung,
die der Schuldnerin jederzeit und der Beklagten aus wichtigem Grunde möglich
war, berechneten sich die Prämien nach der Höhe der bestehenden Bürgschaf-
ten und waren bis zur Ausbuchung aller Bürgschaften zu zahlen. Zur Sicherung
der Ansprüche der Beklagten aus dem Kautionsversicherungsvertrag hatte die
Schuldnerin mit Vertrag vom 3. April 2001 ein Guthaben auf einem Depotkonto
bei der Bank in Höhe von 85.000 DM an die Beklagte abgetreten.
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Am 14. September 2001 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermö-
gen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Die Beklagte verlangte mit Schreiben vom 17. März 2003 Freigabe des Gutha-
bens in Höhe der rückständigen Prämien für die Zeit nach Eröffnung des Insol-
venzverfahrens in Höhe von 10.992,78 €, was der Kläger ablehnte.
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Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Beklagte zu dieser Befrie-
digung nicht berechtigt ist. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Be-
rufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Revision
verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
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Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur antrags-
gemäßen Verurteilung der Beklagten.
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I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. in ZIP 2005, 1245 ff veröffent-
licht ist, hat die Klage für unbegründet erachtet, weil der Beklagten wegen der
eingeforderten Prämien für den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfah-
rens ein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem zur Sicherheit abgetre-
tenen Bankguthaben zustehe. Die Beklagte sei mit ihren Vergütungsansprü-
chen aus der Fortsetzung der Geschäftsbesorgung über das Erlöschen des
Vertrags durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus Massegläubigerin
gemäß § 115 Abs. 2 Satz 3, § 116 Satz 2 InsO. Da die Vorschrift des § 103 In-
sO im Falle des als Geschäftsbesorgungsvertrag anzusehenden Kautionsversi-
cherungsvertrags durch die Spezialregelung in §§ 115 f InsO verdrängt werde,
habe eine Ablehnung der Erfüllung durch den Kläger nicht zur Folge, dass die
Beklagte ihre Prämienansprüche nur als Insolvenzgläubigerin geltend machen
könne. Außerdem setze § 103 InsO einen beiderseits noch nicht vollständig
erfüllten gegenseitigen Vertrag voraus. Die Beklagte habe ihre Leistung jedoch
mit der Übernahme des Bürgenrisikos im Rahmen des eingeräumten Limits ge-
gen Prämie bereits vor Insolvenzeröffnung erbracht. Auf die Frage, ob sie den
Vertrag vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gekündigt habe, komme es nicht
an, weil der Prämienanspruch in ergänzender Vertragsauslegung auch bei un-
gekündigtem Vertragsverhältnis durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
für den Zeitraum danach nicht entfalle. Das Begehren der Beklagten verstoße
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auch nicht gegen § 96 Abs. 1 Nr. 3, § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO, weil die Beklagte
weder aufrechnen noch verrechnen wolle, sondern Freigabe der zur Sicherheit
abgetretenen Forderung verlange. Schließlich sei die Sicherungsabtretung vor
der Krise im Sinne von §§ 130 ff InsO erfolgt.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in wesentlichen
Punkten nicht stand.
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Der Beklagten steht, wie die Revision mit Recht rügt, für die Zeit nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein Prämienanspruch aus dem Kautions-
versicherungsvertrag zu. Folglich kann sie insoweit an dem abgetretenen An-
spruch der Insolvenzschuldnerin gegen die Bank kein Absonde-
rungsrecht gemäß § 51 Nr. 1 InsO geltend machen.
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1. Der Kautionsversicherungsvertrag ist grundsätzlich als Geschäftsbe-
sorgungsvertrag zu qualifizieren (FK-InsO/Wegener, 4. Aufl. § 116 Rn. 11a;
Braun/Kroth, InsO 2. Aufl. § 116 Rn. 15; Vosberg ZIP 2002, 968, 970; Spliedt
EWiR 2005, 573; Proske ZIP 2006, 1035, 1036). Als Geschäftsbesorgung ist
jede selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art zur Wahrnehmung fremder Ver-
mögensinteressen anzusehen, für die ursprünglich der Geschäftsherr selbst zu
sorgen hatte, die ihm aber durch den Geschäftsbesorger abgenommen wird
(BGHZ 45, 223, 228 f; BGH, Urt. v. 29. April 2004 - III ZR 279/03, WM 2004,
2398 f). Die Beklagte stellt, wie sie in der Klageerwiderung unwidersprochen
erläutert hat, dem Versicherungsnehmer Bürgschaften zur Verfügung, mit de-
nen dieser Gewährleistungseinbehalte ablösen kann. Seiner wirtschaftlichen
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Funktion nach ist der Kautionsversicherungsvertrag mit dem Avalkreditvertrag
vergleichbar (Proske aaO), der als Geschäftsbesorgungsvertrag einzuordnen
ist, soweit sich die Bank zur Übernahme einer Bürgschaft verpflichtet (BGHZ
95, 375, 380 f). Darüber hinaus hält der Kautionsversicherer - abgesehen von
der ihm zu stellenden Sicherheit - für den Versicherungsnehmer den Liquidi-
tätsspielraum bei dessen Hausbank frei. Dementsprechend hat das Berufungs-
gericht den Vertrag vom 13. März 1996 als Geschäftsbesorgungsvertrag einge-
ordnet; dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
2. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt der Geschäfts-
besorgungsvertrag gemäß § 116 Satz 1, § 115 Abs. 1 InsO mit Wirkung für die
Zukunft (BGHZ 70, 86, 93; 157, 350, 356 f; FK-InsO/Wegener, aaO § 116
Rn. 24; Braun/Kroth, aaO § 116 Rn. 3; Nerlich/Römermann/Kießner, InsO § 116
Rn. 26; Goetsch in Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO § 116 Rn. 13; Vosberg
aaO). Der Geschäftsbesorger ist zur weiteren Wahrnehmung von Schuldnerin-
teressen dann im Grundsatz weder berechtigt noch verpflichtet und erlangt kei-
ne Rechte mehr gegen die Masse (Kübler/Prütting/Tintelnot, InsO §§ 115, 116
Rn. 9).
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a) Die Gegenauffassung (HK-InsO/Marotzke, 4. Aufl. § 115 Rn. 4 ff; ders.
in Festschrift für Henckel [1995], S. 579, 590 f; Spliedt, aaO S. 574), nach der
nur die Geschäftsbesorgungsbefugnis des Vertragspartners wegfallen soll, ü-
berzeugt nicht. Die gesetzliche Regelung unterscheidet hinsichtlich der Rechts-
folgen der Insolvenzeröffnung nicht zwischen Geschäftsbesorgungsbefugnis
und Geschäftsbesorgungspflicht. Durch die Verweisung des § 116 Satz 1 InsO
auf § 115 InsO erlischt der Geschäftsbesorgungsvertrag ohne Einschränkung
ebenso wie das Auftragsverhältnis (MünchKomm-InsO/Ott, § 116 Rn. 48 f). Zu-
dem trägt § 116 InsO die amtliche Überschrift "Erlöschen von Geschäftsbesor-
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gungsverträgen". Ferner geht die Bestimmung über den Fortbestand der Voll-
macht in § 117 Abs. 2 InsO von einem Fortbestehen des Geschäftsbesor-
gungsvertrages nur in den Fällen der Notgeschäftsführung aus. Nach den Ge-
setzesmaterialien sind in der Insolvenzordnung die Regelungen der Konkurs-
ordnung über das Erlöschen von Geschäftsbesorgungsverträgen inhaltlich un-
verändert übernommen worden (BT-Drucks. 12/2443 S. 151 zu § 134 f InsO-E).
Das Erlöschen des Geschäftsbesorgungsvertrages war bereits im Rahmen des
§ 23 Abs. 2 KO anerkannt (RGZ 63, 69, 73; 71, 76, 77 f; 82, 400, 407; 145, 253,
256 f; RG HRR 1937 Nr. 334; BGHZ 109, 260, 264).
Für eine mit dem Erlöschen allein der Geschäftsführungsbefugnis ver-
bundene einseitige Option des Insolvenzverwalters zur Fortsetzung des Ge-
schäftsbesorgungsvertrags spricht auch nicht der Gesichtspunkt der Kostener-
sparnis für die Masse (so aber HK-InsO/Marotzke, aaO § 115 Rn. 6). Mit den
Regelungen über das Erlöschen von Geschäftsbesorgungsverträgen soll die
alleinige Verwaltung der Masse durch den Insolvenzverwalter vom Zeitpunkt
der Verfahrenseröffnung an sichergestellt werden (BT-Drucks. 12/2443 aaO).
Ihm steht es frei, das Vertragsverhältnis durch Vereinbarung mit dem bisherigen
Vertragspartner fortzusetzen oder ein entsprechendes Vertragsverhältnis mit
einem anderen Vertragspartner neu abzuschließen, wenn dies im Interesse der
Masse geboten ist. Kommt es nicht zur einvernehmlichen Fortsetzung, ist das
Vertragsverhältnis nach den allgemeinen Regeln des materiellen Rechts abzu-
wickeln (MünchKomm-InsO/Ott, aaO § 116 Rn. 49).
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b) Die Anwendung der §§ 115, 116 InsO kann nicht mit der Begründung
verneint werden, es gehe nicht um die Geschäftsbesorgung durch den Versi-
cherer in der Zeit nach Insolvenzeröffnung, sondern um die Weiterzahlung von
Prämien als Gegenleistung der Schuldnerin für die Übernahme von Bürgschaf-
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ten in der Zeit vor Eröffnung (so KG ZInsO 2004, 979). Im Falle eines Ge-
schäftsbesorgungsvertrags verdrängen die Vorschriften der §§ 115 f InsO das
Verwalterwahlrecht nach § 103 InsO (RGZ 71, 76, 77 f zu §§ 17, 23 KO;
Uhlenbruck/Berscheid, InsO 12. Aufl. §§ 115, 116 Rn. 12; Kübler/Prütting/
Tintelnot, aaO §§ 115, 116 Rn. 10; a.A. HK-InsO/Marotzke, aaO § 115 Rn. 6).
Die zuerst genannten Bestimmungen ordnen das Erlöschen des Geschäftsbe-
sorgungsvertrages mit Wirkung für die Zukunft an. Soweit der Geschäftsbesor-
ger den Vertrag vor Insolvenzeröffnung erfüllt hat, muss der Insolvenzverwalter
dies für und gegen die Masse gelten lassen (MünchKomm-InsO/Ott, § 115
Rn. 12). Folglich bleibt für eine Anwendung des § 103 InsO auf die Gegenleis-
tung für die vom Versicherer vor Eröffnung erbrachte Leistung kein Raum mehr.
Etwas Anderes ergibt sich nicht aus dem Senatsurteil vom 4. März 1993, wo-
nach der Lebensversicherungsvertrag der Vorschrift des § 17 KO unterfällt
(BGH, Urt. v. 4. März 1993 - IX ZR 169/92, ZIP 1993, 600, 601); denn bei die-
sem Vertrag handelt es sich anders als beim Kautionsversicherungsvertrag
nicht um einen von den besonderen Regelungen in § 23 KO bzw. §§ 115 f InsO
erfassten Geschäftsbesorgungsvertrag.
3. Die geltend gemachten Prämienansprüche für die Zeit ab Eröffnung
des Insolvenzverfahrens wären nur dann durch Vorausabtretung des Gutha-
bens sicherbar gewesen, wenn sie (als Insolvenzforderungen) bereits vor Ver-
fahrenseröffnung begründet worden wären. Das ist nicht der Fall.
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a) Hat der Geschäftsbesorger vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Aufwendungen getätigt, für die er vom Schuldner Ersatz verlangen kann, so ist
er insoweit Insolvenzgläubiger. Das Erlöschen des Vertrags schließt es aus,
dass der Geschäftsbesorger durch eine Weiterführung seiner Tätigkeit für den
Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch Ansprüche gegen die
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Masse auf Aufwendungsersatz erwirbt. Sicherbare Ansprüche könnten daher
nur entstanden sein, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand - anders als
hier - vor Eröffnung bereits vollständig gegeben und materiellrechtlich abge-
schlossen gewesen wäre (MünchKomm-InsO/Ott, §
115 Rn.
12; Kübler/
Prütting/Holzer, aaO § 38 Rn. 12; Jaeger/Henckel, InsO § 38 Rn. 82).
b) Teilweise wird allerdings angenommen, der Prämienanspruch des
Kautionsversicherers werde bereits mit Herausgabe der Bürgschaft für den ge-
samten Zeitraum bis zu ihrer Rückgabe begründet, auch wenn er - bei verein-
barter Ratenzahlung - nicht immer sofort in voller Höhe fällig sei. Allein dieses
Verständnis entspreche dem wirtschaftlichen Hintergrund, weil der Bürge auch
nach Beendigung des Valutaverhältnisses dem Begünstigten gegenüber hafte
und daher gezwungen sei, für diese Position Risikovorsorge zu betreiben. Spie-
gelbildlich bestehe für den Insolvenzschuldner der durch die Bürgschaft erzielte
Krediteffekt bis zum Auslaufen der Gewährleistungsfrist fort (Proske aaO
S. 1037).
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c) Diese Auffassung überzeugt jedoch nicht.
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aa) Prämienansprüche des Kautionsversicherers für die Zeit nach Insol-
venzeröffnung lassen sich nicht damit rechtfertigen, er hafte als Bürge nach
Beendigung des Valutaverhältnisses dem Begünstigten gegenüber weiter und
sei daher gezwungen, für diese Position Risikovorsorge zu betreiben (so aber
Proske aaO).
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Das Reichsgericht hatte allerdings seine Auffassung, dass erst nach
Konkurseröffnung fällig werdende Prämien keine Konkursforderungen sind, mit
den dort zu Grunde liegenden Regelungen eines Unfallversicherungsvertrages
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begründet, wonach die Verpflichtung der Versicherungsgesellschaft ausdrück-
lich an die Voraussetzung rechtzeitiger Prämienzahlung geknüpft und ferner
bestimmt war, im Fall einer Säumnis solle die Verpflichtung der Gesellschaft
aus dem Versicherungsvertrag ohne Weiteres ruhen. Mithin entstand die Ver-
pflichtung der Gesellschaft zur Gefahrtragung während eines bestimmten Zeit-
raums als Äquivalent für die auf die betreffende Zeit bezogene Prämie erst mit
ihrer Zahlung (RGZ 52, 49, 52 f). In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung zu
Versicherungsprämien für die Zeit nach Insolvenzeröffnung ist deshalb darauf
abgestellt worden, ob die Gefahrtragung nicht allein vom Vertragsschluss, son-
dern auch von der rechtzeitigen Zahlung der Prämie abhängt; im letztgenannten
Fall soll eine Konkursforderung zu verneinen sein (LG Braunschweig VersR
1960, 817; LG Koblenz VersR 1960, 817, 818).
bb) Bei der Kautionsversicherung kann für die Frage der Begründung
des Prämienanspruchs vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedoch von vor-
neherein nicht auf den Gesichtspunkt der Gefahrtragung abgestellt werden. An-
ders als im Regelfall des Versicherungsvertrags ist die Kautionsversicherung für
den Fall der Inanspruchnahme des Versicherers auf einen Regress gegenüber
dem Versicherungsnehmer angelegt (§ 4 AVB Avalkredit-plus). Nach § 5 Nr. 1
AVB Avalkredit-plus wird die (pauschale) Prämie für die Bereitstellung des Li-
mits, nicht für die Übernahme von Bürgschaften berechnet. Auch § 1 AVB A-
valkredit-plus unterscheidet zwischen der Bereitstellung des Limits und der Ü-
bernahme von Bürgschaften innerhalb des Limits. Die Bürgschaftshaftung der
Beklagten beruht im Verhältnis zur Versicherungsnehmerin ausschließlich auf
der Bereitstellung des Limits vor Insolvenzeröffnung. Diese Verpflichtung ist
durch das Erlöschen des Geschäftsbesorgungsvertrages entfallen. Das Risiko,
nach der Insolvenz des Versicherungsnehmers keine Prämien mehr zu erhal-
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ten, kann im Übrigen durch Vereinbarung einer Einmalprämie vermieden wer-
den (vgl. Proske aaO S. 1037 Fn. 27, 29).
d) Ein sicherbarer Prämienanspruch der Beklagten für die Zeit nach Er-
öffnung des Insolvenzverfahrens folgt nicht aus § 41 Abs. 1 InsO. Dabei bedarf
es keiner Entscheidung, ob der Anwendung dieser Bestimmung nicht schon das
Erlöschen des Geschäftsbesorgungsvertrages gemäß §§ 115 f InsO entgegen-
steht oder ob die Fälligkeit der Prämien (vgl. § 35 VVG) gemäß § 6 Nr. 1 AVB
Avalkredit-plus von der Rechnungserteilung als einem zeitlich ungewissen Er-
eignis abhängt und es sich deshalb überhaupt um eine befristete Forderung
handelt.
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§ 41 InsO erfasst jedenfalls nur betagte Forderungen und ist auf befriste-
te nicht analog anzuwenden (BFHE 134, 57, 58 f; 150, 211, 215; 184, 208,
210 f; BFH BFH/NV 1995, 448; PrOVG JW 1933, 2855 zu § 65 KO;
Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 65 Rn. 7; Jaeger/Henckel, InsO § 41 Rn.5;
Nerlich/Römermann/Andres, aaO § 41 Rn. 5; a. A. MünchKomm-InsO/Lwowski/
Bitter, § 41 Rn. 9 ff; Breutigam in Breutigam/Blersch/Goetsch, aaO § 41 Rn. 6;
Uhlenbruck, aaO § 41 Rn. 4; Kübler/Prütting/Holzer, aaO § 41 Rn. 6). Für eine
Analogie fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Wie aus den
Gesetzesmaterialien hervorgeht, ist in § 41 Abs. 1 InsO die Regelung des § 65
Abs. 1 KO übernommen und ohne inhaltliche Änderung das Merkmal "betagt"
durch "nicht fällig" ersetzt worden (BT-Drucks. 12/2443 S. 124 zu § 48 InsO-E).
Außerdem würde eine Gleichstellung mit den betagten Forderungen zu einer
Vorverlegung des Entstehungszeitpunkts der befristeten Forderung führen, die
mit dem Regelungszweck von § 41 InsO nicht zu vereinbaren wäre (BFHE 150,
211, 215). Diese Bestimmung will nur dem Mangel der Fälligkeit einer Insol-
venzforderung abhelfen, nicht aber dem Mangel ihrer Entstehung (zu § 65 KO
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BFHE 134, 57, 59; Jaeger/Lent, KO 8. Aufl. § 65 Anm. 1; Hahn, Die gesamten
Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 4. Bd., Motive II S. 275 f zu § 58
KO-E).
4. Da der Kautionsversicherungsvertrag mit Eröffnung des Insolvenzver-
fahrens erlischt, kann ihm nicht, wie das Berufungsgericht meint, in ergänzen-
der Auslegung der AVB Avalkredit-plus ein Anspruch auf Zahlung von Prämien
für die Zeit danach entnommen werden. Im Übrigen wäre eine Vereinbarung,
durch die im Voraus die Anwendung der §§ 115 f InsO beschränkt wird, gemäß
§ 119 InsO unwirksam. Die Beendigung des Geschäftsbesorgungsvertrags mit
Verfahrenseröffnung ist zwingend. Vereinbarungen, wonach Verträge über die-
sen Zeitpunkt hinaus fortbestehen sollen, sind deshalb unwirksam (RGZ 145,
253, 256; FK-InsO/Wegener, aaO § 116 Rn. 69).
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5. Das Erlöschen des Vertrags löst keinen Schadensersatzanspruch aus,
weil es nicht auf einer Leistungsstörung bzw. Pflichtverletzung im Sinne des
Bürgerlichen Rechts beruht und eine mit § 103 Abs. 2 Satz 1, § 113 Satz 3
InsO vergleichbare Regelung im Rahmen von §§ 115 f InsO nicht aufgenom-
men wurde (RGZ 63, 69, 74; 82, 400, 407 zu § 23 Abs. 2 KO; FK-InsO/
Wegener, aaO § 116 Rn. 28a; Braun/Kroth, aaO § 115 Rn. 6). Das Gesetz ord-
net das Erlöschen aller gegenseitigen Ansprüche mit Eröffnung auch zu Lasten
der Masse an, die nicht einmal mehr Erfüllung verlangen kann (Kübler/
Prütting/Tintelnot, aaO §§ 115, 116 Rn. 11). Im Übrigen wäre ein solcher Scha-
densersatzanspruch eine erst mit Verfahrenseröffnung entstandene Insolvenz-
forderung, die nicht insolvenzfest gesichert werden könnte.
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6. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei gemäß § 116
Satz 1, § 115 Abs. 2 Satz 3 InsO Massegläubigerin, trifft nicht zu. Nach diesen
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Bestimmungen ist der Geschäftsbesorger mit seinen Vergütungs- und Ersatz-
ansprüchen aus einer Fortsetzung der Geschäftsbesorgung über das Erlöschen
des Vertrags hinaus Massegläubiger. § 115 Abs. 2 InsO erfasst die Vornahme
eilbedürftiger Geschäfte nach Eröffnung des Verfahrens (MünchKomm-InsO/
Ott, aaO § 115 Rn. 16). Eine den Geschäftsbesorger gemäß § 116 Satz 1,
§ 115 Abs. 2 Satz 1 InsO zur Fortsetzung seiner Tätigkeit verpflichtende Gefahr
liegt vor, wenn der Masse mit einem Aufschub objektiv Nachteile drohen
(Braun/Kroth, aaO § 115 Rn. 7). Die Aufrechterhaltung bereits erteilter Bürg-
schaften stellt in diesem Sinne keine Fortsetzung der Geschäftsbesorgung dar,
sondern folgt aus der bürgschaftsvertraglichen Verpflichtung der Beklagten ge-
genüber den Vertragspartnern der Schuldnerin, die durch die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens gerade nicht beendet worden ist. Eine Erteilung neuer
Bürgschaften innerhalb des vereinbarten Limits kam nach Eröffnung nicht mehr
in Betracht. Die Beklagte behauptet denn auch nicht, zur Erteilung neuer Bürg-
schaften bereit gewesen zu sein.
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III.
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da
keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, hat der Senat selbst eine Sach-
entscheidung zu treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO).
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Fischer
Ganter
Raebel
Cierniak
Lohmann
Vorinstanzen:
LG Wiesbaden, Entscheidung vom 04.06.2004 - 9 O 95/04 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 02.06.2005 - 3 U 185/04 -