Urteil des BGH vom 22.06.2001

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 202/00
Verkündet am:
22. Juni 2001
K a n i k
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
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SachenRBerG § 121 Abs. 2
DDR: VerkaufsG § 5
Der Käufer eines ehedem volkseigenen Miteigentumsbruchteils an einem mit
einem Eigenheim bebauten Grundstück kann nach § 121 Abs. 2
SachenRBerG zum Ankauf des Bruchteils von dessen jetzigem Inhaber be-
rechtigt sein.
BGH, Urteil vom 22. Juni 2001 - V ZR 202/00 - OLG Naumburg
LG Halle
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter
Tropf, Schneider, Dr. Klein und Dr. Lemke
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Naumburg vom 16. Dezember 1999 auf-
gehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 14. Zivilkammer
des Landgerichts Halle vom 14. Mai 1999 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelzüge.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist seit dem Jahre 1950 Mieterin des auf dem Grundstück
S.straße 14 a in H. errichteten Einfamilienhauses. Durch notariellen Vertrag
vom 5. Juni 1990 mit dem "Justitiar beim Rat der Stadt H.", der den Oberbür-
germeister der Stadt vertrat, kaufte sie eine Miteigentumshälfte an dem Grund-
stück, die 1954 in Volkseigentum überführt worden war. Der Vertrag wurde im
Grundbuch nicht mehr vollzogen. Mit Bescheid vom 19. August 1995 wurde der
Miteigentumsanteil von dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen an
die Beklagte, die Erbin der früheren Miteigentümerin, zurückübertragen.
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Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, daß ihr ein Ankaufsrecht nach
dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zusteht, das den Miteigentumbruchteil
zum Gegenstand hat. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Ober-
landesgericht hat sie abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin den Feststellungsantrag weiter.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Klägerin als Nutzerin
und Käuferin eines Eigenheims nach § 121 Abs. 2 SachenRBerG. Nach dem
Gesetzeswortlaut könne nur ein Gebäudekauf Ansprüche des Nutzers auslö-
sen. Zwar liege es nicht fern, den Kauf eines Eigenheimgrundstücks einzube-
ziehen. Dies gelte aber nicht für den Kauf eines volkseigenen Miteigen-
tumsanteils, denn § 121 Abs. 2 SachenRBerG lasse diesen Fall, obwohl er im
Gesetz über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 7. März 1990 (GBl. I
S. 157) - im folgenden: Verkaufsgesetz/VerkaufsG - vorgesehen gewesen sei,
unberücksichtigt. Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift komme nicht in
Frage, denn ein Miteigentumsanteil könne nicht Gegenstand eines Erbbau-
rechts sein, sein Ankauf durch den Nutzer sei nicht vorgesehen und laufe dem
Ausgleichszweck des § 121 Abs. 2 SachenRBerG entgegen, denn der Zutritt
eines neuen Teilhabers bringe Konfliktstoff in die Gemeinschaft.
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Dies hält den Angriffen der Revision nicht stand.
II.
Die Klägerin hat das auf dem Grundstück, um dessen hälftiges Mitei-
gentum die Parteien streiten, errichtete Eigenheim (Gebäude für den Wohnbe-
darf mit einer oder zwei Wohnungen, § 5 Abs. 2 SachenRBerG) aufgrund eines
bis zum Ablauf des 18. Oktober 1989 abgeschlossenen Mietvertrags an diesem
Tag und zu eigenen Wohnzwecken am 1. Oktober 1994 genutzt. Die Voraus-
setzungen, die § 121 Abs. 2 Buchst. a und c SachenRBerG für die Ansprüche
des Nutzers nach Kapitel 2 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes, darunter
das geltend gemachte Ankaufsrecht, aufstellen, sind damit erfüllt. Entgegen der
Meinung des Berufungsgerichts liegt aber auch das weitere Erfordernis, der
Abschluß eines wirksamen, beurkundeten Kaufvertrags mit einer staatlichen
Stelle der DDR bis zum Ablauf des 14. Juni 1990 (§ 121 Abs. 2 Buchst. b
SachenRBerG) vor. Über die Wirksamkeit des Vertrags streiten die Parteien
nicht. Die aufgrund der Kommunalverfassung vom 17. Mai 1990 (GBl. I S. 255)
entstandene Stadt H., die jedenfalls nach Art. 231 § 8 Abs. 2 EGBGB als Ver-
tragspartnerin der Klägerin gilt, ist als Trägerin der mittelbaren Staatsverwal-
tung "staatliche Stelle" im Sinne des § 121 Abs. 2 Buchst. b SachenRBerG. Der
Kaufvertrag mit der Stadt hatte auch, wie es die Vorschrift verlangt, das von der
Klägerin genutzte Eigenheim ("dieses Eigenheim") zum Gegenstand.
1. Allerdings hat die Klägerin nicht das Gebäude gekauft, denn Gebäu-
deeigentum (§ 288 Abs. 4 ZGB) war nicht begründet worden. Gegenstand des
Kaufs war vielmehr das Grundeigentum, dieses wiederum beschränkt auf einen
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ideellen Bruchteil. Der Senat hat, was das Berufungsgericht offen gelassen hat,
bereits entschieden, daß § 121 Abs. 2 Buchst. b SachenRBerG auch Kaufver-
träge über Eigenheimgrundstücke erfaßt (Urt. v. 9. Juli 1999, V ZR 404/97, WM
1999, 2034). Anders als der Kauf eines Grundstücks mitsamt dem Gebäude
(§ 295 ZGB) stellte indessen auch nach dem Recht der DDR der Erwerb eines
Miteigentumsanteils keine rechtliche Grundlage für die alleinige und dauernde
Nutzung des Eigentums dar. Die Nutzungsbefugnisse der Miteigentümer wa-
ren, in den Grundzügen mit dem geltenden Recht vergleichbar, gemeinschaft-
lich, die Verwaltung des Eigentums stand allen Teilhabern gemeinschaftlich zu
(§§ 35, 36 ZGB); gegen den Verlust der Nutzungsbefugnis durch Aufhebung
der Eigentümergemeinschaft waren die Miteigentümer, in den Grenzen des
§ 41 ZGB, nicht gefeit. Gleichwohl genügt der vor der Gemeinsamen Erklärung
vom 15. Juni 1990 abgeschlossene Kaufvertrag über den volkseigenen Bruch-
teil des Eigenheimgrundstücks den Anforderungen des § 121 Abs. 2 Buchst. b
SachenRBerG. Denn das Verkaufsgesetz vom 7. März 1990, das die regelmä-
ßige Grundlage für den Vertrauensschutz bildet, den § 121 Abs. 2 Sachen-
RBerG dem Käufer gewährt (vgl. Czub in Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz,
SachenRBerG, § 121 Rdn. 102), sah den Verkauf volkseigener Miteigen-
tumsanteile an Ein- und Zweifamilienhäusern vor (§ 5 VerkaufsG). Das Ver-
kaufsgesetz verzichtete mithin darauf, den Verkauf volkseigenen Grundvermö-
gens an die Bedingung zu knüpfen, daß der Erwerber die Befugnis zur alleini-
gen Nutzung des Wohnraums erlangte und gegen deren Verlust durch Aufhe-
bung der Gemeinschaft gesichert war. Nach den Durchführungsbestimmungen
(§ 4 DVO/VerkaufsG) war den Zwecken des Verkaufs Genüge getan, wenn der
Käufer das Gebäude zum Zeitpunkt des Verkaufes bewohnte oder die künftige
persönliche Nutzung durch ihn gesichert war. Das Sachenrechtsbereinigungs-
gesetz hat in § 121 Abs. 2 den Vertrauensschutz zwar auf Mieter (Pächter und
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sonstige vertraglich Nutzungsberechtigte) beschränkt, weitergehende Bedin-
gungen an das Recht zum Ankauf oder zum Erwerb eines Erbbaurechts aber
nicht gestellt. Die Zielsetzung des Verkaufsgesetzes, in der sich angesichts
des bevorstehenden Beitritts die Vermögensmehrung durch Auskehr öffentli-
chen Grundeigentums mit gewerbefördernden und wohnungswirtschaftlichen
Vorstellungen vermischte, hat es nicht verlassen. § 121 Abs. 2 SachenRBerG
schützt mithin den Vermögenserwerb des Käufers auch dann, wenn die Ver-
wendung des Eigentums zu Wohnzwecken rechtlich nur unvollkommen abgesi-
chert ist.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Befugnis des
Käufers eines volkseigenen Miteigentumsanteils, aus § 121 Abs. 2 Sachen-
RBerG Rechte herzuleiten, mit den Grundsätzen des Kapitels 2 des Gesetzes,
auf die die Vorschrift verweist, vereinbar.
a) Zwar kommt ein Anspruch des Nutzers auf Bestellung eines Erbbau-
rechtes (§§ 3, 15 Abs. 1, 32 ff SachenRBerG) nicht in Frage, denn die Bela-
stung eines ideellen Miteigentumsanteils am Grundstück mit einem solchen
Recht ist nicht möglich. Die Bestellung des Erbbaurechts für den Nutzer ist
aber nur eines von mehreren Instrumenten der Sachenrechtsbereinigung, die
dem Nutzer nicht in jedem Falle nebeneinander zur Auswahl stehen. Die ge-
setzlichen Ansprüche des Nutzers können, wie § 15 Abs. 2 und Abs. 3 Sachen-
RBerG zeigen, in besonderen Fällen auf den Ankauf des Grundstücks oder
den Erwerb des Erbbaurechts beschränkt sein; in anderen Fällen (§ 15 Abs. 4
i.V.m. §§ 81 ff SachenRBerG) steht dem Nutzer weder das eine noch das an-
dere Recht zu, vielmehr ist er auf eine Teilhabe am Vermögenswert verwiesen.
Der Käufer des ehedem volkseigenen Miteigentumsanteils ist, mit diesen
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Grundsätzen übereinstimmend, auf das Recht, den Anteil des nunmehrigen
Eigentümers, regelmäßig gegen die Hälfte des Bodenwertes, anzukaufen
(§§ 65, 68 ff SachenRBerG), beschränkt.
b) Allerdings ist im Sachenrechtsbereinigungsgesetz die Entstehung
einer Bruchteilsgemeinschaft zwischen dem Nutzer und dem bisherigen Allein-
eigentümer des Grundstücks nicht vorgesehen. Beschränkt sich der Anspruch
des Nutzers auf eine Teilfläche (§§ 22 ff SachenRBerG), ist deren Abschrei-
bung aber nicht möglich oder zweckmäßig, verweisen §§ 65 Abs. 2, 66 Abs. 2,
67 SachenRBerG die Beteiligten auf die Begründung und den Ankauf von
Wohnungs- und Teileigentum. Ebenso bestehen Bedenken, mehrere Inhaber
eines Nutzungsrechtes jeweils für sich zum Ankauf eines ideellen Bruchteils
am Grundstück zuzulassen (vgl. Krauß, in: Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz aaO,
§ 65 Rdn. 19). Denn das Sachenrechtsbereinigungsgesetz bietet keine
Grundlage dafür, in das dem Grundeigentümer nach Ausübung der Rechte des
Nutzers verbleibende Eigentum einzugreifen. Als Inhaber eines verbleibenden
Miteigentumsanteils wäre er dem Anspruch seines Teilhabers, jederzeit die
Gemeinschaft aufzuheben (§ 749 BGB), vor allem aber auch dem Aufhebungs-
recht des Gläubigers ausgesetzt, der den Miteigentumsanteil des Nutzers ge-
pfändet hat (§ 751 Satz 2 BGB; Krauß aaO und Rdn. 28; Vossius, Sa-
chenRBerG, 2. Aufl., § 66 Rdn. 11). Hierum geht es im Streitfalle aber nicht.
Die Bruchteilsgemeinschaft am Grundstück besteht fort. Die Beklagte verliert
ihr Eigentum, den restituierten Bruchteil, vollständig. Der Mitberechtigte, des-
sen Rechtsstellung durch den Anspruch der Klägerin keine Beeinträchtigung
finden darf, war den Risiken der Bruchteilsgemeinschaft schon bisher ausge-
setzt.
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c) Die Überlegungen, die dazu führten, dem Mieter das Vorkaufsrecht
nach dem Vermögensgesetz zu versagen, wenn nur ein Eigentumsbruchteil
Gegenstand der Restitution ist (§ 20 Abs. 2 VermG), lassen sich auf das An-
kaufsrecht des Nutzers nach § 121 Abs. 2 SachenRBerG nicht übertragen. Ein
auf den restituierten Eigentumsbruchteil beschränktes Vorkaufsrecht liefe leer,
wenn die Miteigentümer gemeinsam das gesamte Grundstück veräußern
(Plesse, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 20
Rdn. 16). Das Ankaufsrecht des Nutzers am Bruchteil läßt sich auf diese Weise
nicht überspielen, denn er kann es jederzeit ausüben; für den Fall der Veräu-
ßerung gewährt ihm die Eintragung eines Vermerks über die Eröffnung des
Vermittlungsverfahrens in das Grundbuch Schutz (§ 92 Abs. 5 und 6 Sachen-
RBerG).
d) Der Hinweis schließlich, dem vom Ankaufsrecht des Nutzers nicht
betroffenen Miteigentümer dürfe kein (störender) Teilhaber aufgezwungen wer-
den, geht fehl. Dieser Möglichkeit ist er als Teilhaber einer Bruchteilsgemein-
schaft ohnehin ausgesetzt. Den Ausgleich der Interessen, auf den das Beru-
fungsgericht abhebt, sucht § 121 Abs. 2 SachenRBerG im Verhältnis des Nut-
zers zum weichenden Miteigentümer, nicht dagegen zu dessen künftigem Teil-
haber herbeizuführen.
III.
Von der Verfassungsmäßigkeit des § 121 Abs. 2 SachenRBerG hat der
Senat im Hinblick auf die Gesetzeskraft des Beschlusses des Bundesverfas-
sungsgerichts vom 16. Mai 2001 [1 BvR 933/99] auszugehen (§ 31 Abs. 2
BVerfGG).
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IV.
Das Urteil der ersten Instanz ist mithin wieder herzustellen (§ 565 Abs. 3
ZPO).
Die Kosten der Rechtsmittelzüge trägt die Beklagte (§§ 91, 97 Abs. 1
ZPO).
Wenzel
Tropf
Schneider
Klein
Lemke