Urteil des BGH vom 11.08.2010

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 192/08 Verkündet
am:
11. August 2010
Beskic,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 123 Abs. 1
Der Mieter ist verpflichtet, den Vermieter vor Abschluss eines Gewerberaum-
mietvertrages über außergewöhnliche Umstände aufzuklären, mit denen der
Vermieter nicht rechnen kann und die offensichtlich für diesen von erheblicher
Bedeutung sind.
BGH, Urteil vom 11. August 2010 - XII ZR 192/08 - OLG Naumburg
LG Magdeburg
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. August 2010 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter
Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin Dr. Vézina und die Richter Dose und Schilling
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandes-
gerichts Naumburg vom 28. Oktober 2008 wird auf Kosten des
Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten aus abgetretenem Recht Räu-
mung und Herausgabe eines Ladengeschäfts.
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Mit Vertrag vom 1. Juni 2007 vermietete die C. Immobilien
GmbH und Co. KG (i. F.: Vermieterin), vertreten durch die Klägerin, an den Be-
klagten in dem von Friedensreich Hundertwasser entworfenen Geschäftshaus
in M. ein Ladengeschäft zum Verkauf von Textilien und Sortimenten im
Outdoorbereich. Bestandteil des Vertrages war eine als Anlage 5 beigefügte
Sortimentsliste vom 23. Mai 2007, die allgemeine Angaben zu dem beabsichtig-
ten Bekleidungsangebot enthält, ohne eine Marke zu nennen. Der Beklagte be-
absichtigte, in den Mieträumen nahezu ausschließlich Waren der Marke "Thor
Steinar" zu verkaufen, die von der M. GmbH, deren Geschäftsführer der
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Beklagte war, vertrieben wird. Diese Marke wird in der Öffentlichkeit in einen
ausschließlichen Bezug zur rechtsradikalen Szene gesetzt.
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Nachdem die Klägerin von dem beabsichtigten Angebot der Marke "Thor
Steinar" erfahren hatte, versuchte sie, den Beklagten zu einem Verzicht auf die
Eröffnung des Ladens oder auf den Vertrieb des Warensortiments der Marke
"Thor Steinar" zu bewegen.
Am 27. Juli 2007, dem Tag der Eröffnung des Ladens, unterzeichnete
der Beklagte auf Wunsch der Klägerin eine Erklärung zum Mietvertrag, in der er
versicherte, dass von seinem Gewerbe keine verfassungsrechtlich relevanten
Aktivitäten ausgingen und er auch keine rechts- oder linksextremistische Par-
teien oder Gruppierungen finanziell unterstütze und unterstützen werde. Diese
Erklärung wurde auch von dem Vertreter der Klägerin unterzeichnet.
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Mit Schreiben vom 27. Juli 2007 kündigte die Vermieterin den Mietver-
trag aus wichtigem Grund. Sie wiederholte die Kündigung mit Schreiben vom
2. August 2007 und erklärte darüber hinaus die Anfechtung des Mietvertrages
wegen arglistiger Täuschung.
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Die Vermieterin hat ihre Ansprüche auf Räumung und Herausgabe des
Mietobjekts an die Klägerin abgetreten
.
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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklag-
ten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revisi-
on verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
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I.
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Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in NZM 2009, 128 veröffent-
licht ist, hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte sei zur
Räumung und Herausgabe verpflichtet. Er habe kein Recht zum Besitz, weil die
Klägerin den Mietvertrag vom 1. Juni 2007 im Namen der Vermieterin mit
Schreiben vom 2. August 2007 wirksam wegen arglistiger Täuschung gemäß
§ 123 Abs. 1 BGB angefochten habe.
Der Beklagte sei unter Zugrundelegung seines eigenen Sachvortrags
verpflichtet gewesen, der Klägerin im Zuge der Vertragsverhandlungen auch
ohne ausdrückliche Nachfrage mitzuteilen, dass er weit überwiegend Ware der
Marke "Thor Steinar" verkaufen wolle. Der Beklagte habe nach seinem eigenen
Vortrag gewusst, dass es Presseberichterstattung gebe, die dem von ihm an-
gebotenen Warensortiment eine hohe Affinität zur rechten Szene zuweise. In
dieser Berichterstattung werde die Meinung vertreten, die Marke "Thor Steinar"
werde bevorzugt von Anhängern und Mitgliedern der rechtsradikalen Szene
gekauft und getragen und als Erkennungssymbol für die Zugehörigkeit zur
"rechten Szene" genutzt. Ausweislich des von dem Beklagten vorgelegten Arti-
kels aus der TAZ vom 2. Mai 2008 sei es in mehreren Fußballstadien der neuen
Bundesländer, im Bundestag und im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern
verboten, Kleidung des Labels "Thor Steinar" zu tragen. Es lasse sich zwar
nach Aktenlage nicht feststellen, dass diese Verbote bereits vor dem Abschluss
des Mietvertrages vom 1. Juni 2007 ausgesprochen worden seien. Es spreche
aber nichts für das Gegenteil. Zumindest die W. GmbH und Co.
KG a.A. habe spätestens am 27. April 2007 für Zuschauer, die Kleidung der
Marke "Thor Steinar" tragen, ein Stadionverbot verhängt
.
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Aus öffentlich zugänglichen Quellen wie dem Artikel "Thor Steinar" in der
Internet-Enzyklopädie Wikipedia sei ersichtlich, dass bereits vor dem 1. Juni
2007 Presseberichterstattung existiert habe, die die Marke "Thor Steinar" mit
Rechtsextremismus in Verbindung gebracht habe. Bereits aufgrund dieses ne-
gativen Bildes der Marke in der Öffentlichkeit sei der Beklagte, unabhängig da-
von, ob dieses Bild zu Recht bestehe, verpflichtet gewesen, die Vermieterin
über den beabsichtigten überwiegenden Verkauf von Waren der Marke "Thor
Steinar" aufzuklären.
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Da das Hundertwasserhaus eine Touristenattraktion darstelle, sei für den
Beklagten offensichtlich gewesen, dass es für die Vermieterin bei der Entschei-
dung über den Abschluss des Mietvertrages von ausschlaggebender Bedeu-
tung gewesen sei, ob eine Presseberichterstattung zu erwarten sei, die den
Käuferkreis einer vom Mieter verkauften Marke in Zusammenhang mit der
rechtsextremen Szene bringe.
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Die Verletzung der Aufklärungspflicht sei auch für den Abschluss des
Mietvertrages ursächlich gewesen. Aus der umfangreichen Presseberichterstat-
tung und den Reaktionen von Parlamenten und Fußballvereinen auf die Marke
"Thor Steinar" könne geschlossen werden, dass die Kenntnis der Vermieterin
von dem beabsichtigten Verkauf dieser Marke Einfluss auf ihre Entschließung
gehabt hätte. Dass dies der Fall gewesen sei, zeige das anschließende Bemü-
hen der Vermieterin um eine Beendigung des Vertragsverhältnisses.
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Den dadurch begründeten Anschein der Ursächlichkeit der Täuschung
für den Vertragsschluss habe der Beklagte nicht entkräftet. Denn es stehe auf-
grund der Beweisaufnahme fest, dass die Vermieterin, wie der Zeuge D.
glaubhaft bekundet habe, bei Nennung der Marke während der Vertragsver-
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handlungen recherchiert, deren Brisanz bemerkt und deshalb den Vertrag nicht
abgeschlossen hätte.
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Der Beklagte habe die Vermieterin auch arglistig getäuscht. Er habe von
der bereits vor Abschluss des Mietvertrages vorhandenen kritischen Pressebe-
richterstattung gewusst und es deshalb mindestens ernsthaft für möglich gehal-
ten und billigend in Kauf genommen, dass der Mietvertrag bei Kenntnis der
Vermieterin von dem beabsichtigten Verkauf der Marke "Thor Steinar" nicht zu-
stande gekommen wäre.
Die Anfechtung sei auch nicht durch eine Bestätigung des Mietvertrages
gemäß § 144 BGB ausgeschlossen. Eine solche Bestätigung sei, wie eine
Würdigung der Zeugenaussagen ergebe, weder durch die schriftliche "Erklä-
rung zum Mietvertrag" vom 27. Juli 2007 noch mündlich erfolgt.
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II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
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Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus abgetretenem Recht einen
Anspruch auf Räumung und Herausgabe.
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Der Beklagte kann ein Recht zum Besitz nicht aus dem Mietvertrag vom
1. Juni 2007 herleiten. Denn die Vermieterin hat den Vertrag wirksam gemäß
§§ 123 Abs. 1, 124 BGB wegen arglistiger Täuschung angefochten. Der Miet-
vertrag ist deshalb als von Anfang an nichtig anzusehen (§ 142 Abs. 1 BGB).
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1. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Be-
klagte die Vermieterin dadurch arglistig getäuscht hat, dass er sie vor Vertrags-
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schluss nicht über seine Absicht, in den Mieträumen nahezu ausschließlich Wa-
ren der Marke "Thor Steinar" zu verkaufen, aufgeklärt hat.
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a) Zwar besteht bei Vertragsverhandlungen keine allgemeine Rechts-
pflicht, den anderen Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die
dessen Willensentschließung beeinflussen könnten (Staudinger/Singer/
v. Finckenstein BGB Bearb. 2004 § 123 Rn. 10; MünchKommBGB/Kramer
5. Aufl. § 123 Rn. 16 bis 18; vgl. zum Kaufvertrag: BGH Urteile vom 13. Juli
1983 -
VIII
ZR
142/82
- NJW
1983, 2493, 2494 und vom 12.
Juli 2001
- IX ZR 360/00 - NJW 2001, 3331, 3332). Vielmehr ist grundsätzlich jeder Ver-
handlungspartner für sein rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich
und muss sich deshalb die für die eigene Willensentscheidung notwendigen
Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst beschaffen (BGH
Urteil vom 13. Juli 1988 - VIII ZR 224/87 - NJW 1989, 763, 764 m.w.N.).
Allerdings besteht nach der Rechtsprechung eine Rechtspflicht zur Auf-
klärung bei Vertragsverhandlungen auch ohne Nachfrage dann, wenn der ande-
re Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschau-
ung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten durfte, die für die Wil-
lensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung
sind (RGZ 111, 233, 234; vgl. zur Aufklärungspflicht des Vermieters: Senatsur-
teile vom 16. Februar 2000 - XII ZR 279/97 - NJW 2000, 1714, 1718; vom
28. April 2004 - XII ZR 21/02 - NJW 2004, 2674; vom 28. Juni 2006
- XII ZR 50/04 - NJW 2006, 2618, 2619 und vom 15.
November 2006
- XII ZR 63/04 - NZM 2007, 144; zur Aufklärungspflicht des Verkäufers: BGH
Urteile vom 12.
Juli 2001 -
IX
ZR
360/00
- NJW
2001, 3331 und vom
25. Oktober 2007 - VII ZR 205/06 - NJW-RR 2008, 258 Rn. 20; Staudinger/
Singer/v. Finckenstein BGB Bearb. 2004 § 123 Rn. 11; MünchKommBGB/
Kramer 5. Aufl. § 123 Rn. 16 bis 18). Davon wird insbesondere bei solchen Tat-
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sachen ausgegangen, die den Vertragszweck vereiteln oder erheblich gefähr-
den können (BGH Urteile vom 13.
Dezember 1990 -
III
ZR
333/89
-
NJW-RR 1991, 439 und vom 8. Dezember 1989 - V ZR 246/87 - NJW 1990,
975, zu Kaufverträgen). Eine Tatsache von ausschlaggebender Bedeutung
kann auch dann vorliegen, wenn sie geeignet ist, dem Vertragspartner erhebli-
chen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.
Die Aufklärung über eine solche Tatsache kann der Vertragspartner red-
licherweise aber nur verlangen, wenn er im Rahmen seiner Eigenverantwortung
nicht gehalten ist, sich selbst über diese Tatsache zu informieren (vgl.
Staudinger/Singer/v. Finckenstein BGB Bearb. 2004 § 123 Rn. 17 m.w.N.).
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In der Gewerberaummiete obliegt es grundsätzlich dem Vermieter, sich
selbst über die Gefahren und Risiken zu informieren, die allgemein für ihn mit
dem Abschluss eines Mietvertrages verbunden sind. Er muss allerdings nicht
nach Umständen forschen, für die er keinen Anhaltspunkt hat und die so au-
ßergewöhnlich sind, dass er mit ihnen nicht rechnen kann. Er ist deshalb auch
nicht gehalten, Internetrecherchen zum Auffinden solcher etwaiger außerge-
wöhnlicher Umstände durchzuführen.
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Für die Frage, ob und in welchem Umfang eine Aufklärungspflicht be-
steht, kommt es danach wesentlich auf die Umstände des Einzelfalls an.
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b) Das Berufungsgericht hat ausgehend von diesen Grundsätzen rechts-
fehlerfrei eine Aufklärungspflicht des Beklagten wegen der besonderen Um-
stände des Falles bejaht.
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Das Mietobjekt lag in dem von dem Künstler Friedensreich Hundertwas-
ser entworfenen, im Zentrum von M. gelegenen so genannten "Hun-
dertwasserhaus", das mit einer Gesamtmietfläche von 7000 qm von der Ver-
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mieterin als Geschäftshaus konzipiert war und aufgrund seiner besonderen
Gestaltung eine Attraktion für Touristen und Kunden sein sollte.
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Nach den revisionsrechtlich nicht angreifbaren Feststellungen des Beru-
fungsgerichts wurde dieses Ziel durch den von dem Beklagten geplanten Ver-
kauf von Waren der Marke "Thor Steinar", die unstreitig in der öffentlichen Mei-
nung ausschließlich der rechtsradikalen Szene zugeordnet werden, gefährdet.
Denn der Verkauf solcher Waren kann zur Folge haben, dass das Hundertwas-
serhaus in den Ruf gerät, Anziehungsort für rechtsradikale Käuferschichten zu
sein und damit ein Ort, an dem - auch aufgrund von Demonstrationen - gewalt-
same Auseinandersetzungen zu erwarten sind. Diese, das gesamte Anwesen
treffende mögliche rufschädigende Wirkung ist geeignet, Kunden und Touristen
fernzuhalten und damit andere Mieter im Anwesen zu einer Minderung oder
Beendigung des Mietvertrages zu veranlassen und potentielle Mieter von dem
Abschluss eines Mietvertrages abzuhalten. Der Verkauf von Waren der Marke
"Thor Steinar" kann deshalb der Vermieterin erheblichen wirtschaftlichen Scha-
den zufügen.
Darüber hinaus ist die Vermietung von Räumen zum Verkauf von Waren,
die in der öffentlichen Meinung ausschließlich der rechtsradikalen Szene zuge-
ordnet werden, geeignet, den Vermieter in der öffentlichen Meinung in die Nähe
zu rechtsradikalem Gedankengut zu stellen und sich auch deshalb geschäfts-
schädigend für ihn auszuwirken.
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Im Hinblick auf diese möglichen gravierenden Auswirkungen war der be-
absichtigte Verkauf von Waren dieser Marke für die Vermieterin von erheblicher
Bedeutung.
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Sie durfte darüber auch redlicherweise eine Aufklärung erwarten. Denn
sie konnte ohne einen Hinweis auf die Marke nicht erkennen, dass der Beklagte
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in den Mieträumen Waren verkaufen wollte, die nahezu ausschließlich rechts-
radikalen Kreisen zugeordnet werden. Sie hatte auch keine Veranlassung, dies
anzunehmen. Denn bei dem Verkauf solcher Waren handelt es sich um einen
außergewöhnlichen Umstand, mit dem sie nicht rechnen musste. Darüber hin-
aus bestand für sie aufgrund der verharmlosenden Angaben des Beklagten
zum Sortiment kein Anlass zu einer Nachfrage.
Im Hinblick auf diese dem Beklagten bekannten Umstände musste es
sich ihm aufdrängen, dass sich die Vermieterin insoweit über die Waren, die er
zum Verkauf anbieten wollte, im Irrtum befand und dass der beabsichtigte Ver-
kauf von Waren der Marke "Thor Steinar" für deren Entscheidung, den Mietver-
trag abzuschließen, von erheblicher Bedeutung war.
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Der Beklagte war deshalb nach Treu und Glauben und den Grundsätzen
eines redlichen Geschäftsverhaltens verpflichtet, die Vermieterin über den be-
absichtigten Verkauf von nahezu ausschließlich Waren der Marke "Thor Stei-
nar" zu informieren.
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c) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch die subjektiven Vorausset-
zungen für eine arglistige Täuschung durch unterlassene Aufklärung bejaht.
Nach seinen Feststellungen wusste der Beklagte, dass die Marke "Thor Stei-
nar" in der öffentlichen Meinung rechtsradikalen Kreisen zugeordnet wird und
dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages zumindest in Fußball-
stadien von W. ein Verbot für das Tragen von "Thor Steinar" be-
stand. Ihm war deshalb bewusst, dass der Verkauf von Waren dieser Marke in
dem von Friedensreich Hundertwasser gestalteten großen Geschäftshaus ge-
eignet war, erhebliche wirtschaftliche Nachteile für die Vermieterin zu verursa-
chen. Daraus ergibt sich, dass er zumindest billigend in Kauf genommen hat,
dass die Vermieterin den Mietvertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn sie vor
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Vertragsschluss Kenntnis von dem beabsichtigten Verkauf der Marke "Thor
Steinar" gehabt hätte.
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d) Das Berufungsgericht hat weiter rechtsfehlerfrei angenommen, dass
die Verletzung der Aufklärungspflicht für den Entschluss der Vermieterin, den
Mietvertrag abzuschließen, ursächlich war. Wie oben ausgeführt, handelte es
sich bei dem beabsichtigten Verkauf von Waren der Marke "Thor Steinar" um
einen Umstand, der angesichts der drohenden wirtschaftlichen Auswirkungen
für die Vermieterin von erheblicher Bedeutung war. Diese Annahme wird zu-
sätzlich gestützt durch das Verhalten der Vermieterin nach Kenntniserlangung
von diesem Umstand. Sie hat nämlich noch am Tag der Eröffnung des Ladens
durch den Beklagten am 27. Juli 2007 versucht, sich von dem Mietvertrag zu
lösen.
2. Entgegen der Ansicht der Revision ist die Anfechtung des Mietvertra-
ges auch nicht gemäß § 144 BGB durch eine Vertragsbestätigung der Vermie-
terin ausgeschlossen.
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Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, dass eine hier al-
lein in Betracht kommende konkludente Bestätigung des anfechtbaren Vertra-
ges nur vorliegt, wenn das Verhalten des Anfechtungsberechtigten eindeutig
Ausdruck eines Bestätigungswillens ist und jede andere, den Umständen nach
einigermaßen verständliche Deutung ausscheidet (Senatsurteil vom 1. April
1992 - XII ZR 20/91 - NJW-RR 1992, 779, 780; BGH Urteil vom 2. Februar 1990
- V ZR 266/88 - BGHZ 110, 220, 222). Das Berufungsgericht hat in revisions-
rechtlich nicht zu beanstandender Weise ebenso wie das Landgericht die Zeu-
genaussagen dahin gewürdigt, dass weder aus der schriftlichen Erklärung des
Beklagten vom 27. Juli 2007
,
noch aus den mündlichen Besprechungen an die-
sem Tag, noch aus der Überreichung eines Hundertwasserbildes anlässlich der
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Geschäftseröffnung auf eine Bestätigung des Mietvertrages durch die Vermiete-
rin geschlossen werden kann. Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts ist
umfassend und in sich widerspruchsfrei. Sie verstößt auch nicht gegen Denk-
gesetze oder allgemeine Erfahrungssätze.
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3. Die Anfechtung ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Miet-
vertrag zum Zeitpunkt der Anfechtung bereits in Vollzug gesetzt war. Eine auf
Abschluss eines Mietvertrages gerichtete Willenserklärung kann auch nach
Überlassung der Mietsache wegen arglistiger Täuschung angefochten werden
(Senatsurteil vom 6. August 2008 - XII ZR 67/06 - BGHZ 178, 16 Rn. 34 f.).
Hahne
RiBGH Prof. Dr. Wagenitz
Vézina
ist urlaubsbedingt an der
Unterschrift
verhindert
Hahne
Dose Schilling
Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 13.02.2008 - 5 O 1879/07 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 28.10.2008 - 9 U 39/08 -