Urteil des BGH vom 10.11.2009

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VI ZR 217/08
vom
10. November 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EG Art. 234; Brüssel I-VO Art. 5 Nr. 3; e-commerce-Richtlinie Art. 3 Abs. 1 und 2,
TMG § 3 Abs. 1 und 2
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Auslegung des Gemein-
schaftsrechts gemäß Art. 234 EGV zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist die Wendung "Ort, an dem das schädigende Ereignis einzutreten droht" in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung
(EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerken-
nung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachfolgend: EuGVVO) bei
(drohenden) Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Inhalte auf einer Internet-Website dahingehend aus-
zulegen,
dass der Betroffene eine Unterlassungsklage gegen den Betreiber der Website unabhängig davon, in wel-
chem Mitgliedstaat der Betreiber niedergelassen ist, auch bei den Gerichten jedes Mitgliedstaats erheben
kann, in dem die Website abgerufen werden kann,
oder
setzt die Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats, in dem der Betreiber der Website nicht niederge-
lassen ist, voraus, dass ein über die technisch mögliche Abrufbarkeit hinausgehender besonderer Bezug
der angegriffenen Inhalte oder der Website zum Gerichtsstaat (Inlandsbezug) besteht?
2. Wenn ein solcher besonderer Inlandsbezug erforderlich ist:
Nach welchen Kriterien bestimmt sich dieser Bezug?
- 2 -
Kommt es darauf an, ob sich die angegriffene Website gemäß der Bestimmung des Betreibers zielgerichtet
(auch) an die Internetnutzer im Gerichtsstaat richtet oder genügt es, dass die auf der Website abrufbaren
Informationen objektiv einen Bezug zum Gerichtsstaat in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der wi-
derstreitenden Interessen - Interesse des Klägers an der Achtung seines Persönlichkeitsrechts und Inte-
resse des Betreibers an der Gestaltung seiner Website und an der Berichterstattung - nach den Umständen
des konkreten Falls, insbesondere aufgrund des Inhalts der beanstandeten Website, im Gerichtsstaat tat-
sächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann?
Kommt es für die Feststellung des besonderen Inlandsbezugs maßgeblich auf die Anzahl der Abrufe der
beanstandeten Website vom Gerichtsstaat aus an?
3. Wenn es für die Bejahung der Zuständigkeit keines besonderen Inlandsbezugs bedarf oder wenn es für die
Annahme eines solchen genügt, dass die beanstandeten Informationen objektiv einen Bezug zum Ge-
richtsstaat in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen im Gerichtsstaat
nach den Umständen des konkreten Falls, insbesondere aufgrund des Inhalts der beanstandeten Website,
tatsächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann, und die Annahme eines besonderen Inlandsbezugs
nicht die Feststellung einer Mindestanzahl von Abrufen der beanstandeten Website vom Gerichtsstaat aus
voraussetzt:
Ist Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni
2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elekt-
ronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (nachfolgend: e-commerce-Richtlinie) dahingehend auszu-
legen,
dass diesen Bestimmungen ein kollisionsrechtlicher Charakter in dem Sinne beizumessen ist, dass sie
auch für den Bereich des Zivilrechts unter Verdrängung der nationalen Kollisionsnormen die alleinige An-
wendung des im Herkunftsland geltenden Rechts anordnen,
oder
handelt es sich bei diesen Vorschriften um ein Korrektiv auf materiell-rechtlicher
Ebene, durch das das sachlich-rechtliche Ergebnis des nach den nationalen Kollisionsnormen für anwend-
bar erklärten Rechts inhaltlich modifiziert und auf die Anforderungen des Herkunftslandes reduziert wird?
Für den Fall, dass Art. 3 Abs. 1 und 2 e-commerce-Richtlinie kollisionsrechtlichen Charakter hat:
Ordnen die genannten Bestimmungen lediglich die alleinige Anwendung des im Herkunftsland geltenden
Sachrechts oder auch die Anwendung der dort geltenden Kollisionsnormen an mit der Folge, dass ein ren-
voi des Rechts des Herkunftslands auf das Recht des Bestimmungslands möglich bleibt?
BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - VI ZR 217/08 - OLG Hamburg
LG Hamburg
- 3 -
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2009 durch
den Vorsitzenden Richter Galke, die Richterin Diederichsen, die Richter Pauge
und Stöhr und die Richterin von Pentz
beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden
folgende Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts ge-
mäß Art. 234 EGV zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist die Wendung "Ort, an dem das schädigende Ereignis
einzutreten droht" in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG)
Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die ge-
richtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstre-
ckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
(nachfolgend: EuGVVO) bei (drohenden) Persönlichkeits-
rechtsverletzungen durch Inhalte auf einer Internet-Website
dahingehend auszulegen,
dass der Betroffene eine Unterlassungsklage gegen den
Betreiber der Website unabhängig davon, in welchem Mit-
gliedstaat der Betreiber niedergelassen ist, auch bei den Ge-
richten jedes Mitgliedstaats erheben kann, in dem die Websi-
te abgerufen werden kann,
oder
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setzt die Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats, in
dem der Betreiber der Website nicht niedergelassen ist, vor-
aus, dass ein über die technisch mögliche Abrufbarkeit hi-
nausgehender besonderer Bezug der angegriffenen Inhalte
oder der Website zum Gerichtsstaat (Inlandsbezug) besteht?
3. Wenn ein solcher besonderer Inlandsbezug erforderlich ist:
Nach welchen Kriterien bestimmt sich dieser Bezug?
Kommt es darauf an, ob sich die angegriffene Website ge-
mäß der Bestimmung des Betreibers zielgerichtet (auch) an
die Internetnutzer im Gerichtsstaat richtet oder genügt es,
dass die auf der Website abrufbaren Informationen objektiv
einen Bezug zum Gerichtsstaat in dem Sinne aufweisen,
dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen - Inter-
esse des Klägers an der Achtung seines Persönlichkeits-
rechts und Interesse des Betreibers an der Gestaltung sei-
ner Website und an der Berichterstattung - nach den Um-
ständen des konkreten Falls, insbesondere aufgrund des
Inhalts der beanstandeten Website, im Gerichtsstaat tat-
sächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann?
Kommt es für die Feststellung des besonderen Inlandsbe-
zugs maßgeblich auf die Anzahl der Abrufe der beanstan-
deten Website vom Gerichtsstaat aus an?
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4. Wenn es für die Bejahung der Zuständigkeit keines beson-
deren Inlandsbezugs bedarf oder wenn es für die Annahme
eines solchen genügt, dass die beanstandeten Informatio-
nen objektiv einen Bezug zum Gerichtsstaat in dem Sinne
aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interes-
sen im Gerichtsstaat nach den Umständen des konkreten
Falls, insbesondere aufgrund des Inhalts der beanstandeten
Website, tatsächlich eingetreten sein kann oder eintreten
kann, und die Annahme eines besonderen Inlandsbezugs
nicht die Feststellung einer Mindestanzahl von Abrufen der
beanstandeten Website vom Gerichtsstaat aus voraussetzt:
Ist Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/31/EG des Euro-
päischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über
bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informations-
gesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäfts-
verkehrs, im Binnenmarkt (nachfolgend: e-commerce-
Richtlinie) dahingehend auszulegen,
dass diesen Bestimmungen ein kollisionsrechtlicher Cha-
rakter in dem Sinne beizumessen ist, dass sie auch für den
Bereich des Zivilrechts unter Verdrängung der nationalen
Kollisionsnormen die alleinige Anwendung des im Her-
kunftsland geltenden Rechts anordnen,
oder
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handelt es sich bei diesen Vorschriften um ein Korrektiv auf
materiell-rechtlicher Ebene, durch das das sachlich-
rechtliche Ergebnis des nach den nationalen Kollisionsnor-
men für anwendbar erklärten Rechts inhaltlich modifiziert
und auf die Anforderungen des Herkunftslandes reduziert
wird?
Für den Fall, dass Art. 3 Abs. 1 und 2 e-commerce-
Richtlinie kollisionsrechtlichen Charakter hat:
Ordnen die genannten Bestimmungen lediglich die alleinige
Anwendung des im Herkunftsland geltenden Sachrechts
oder auch die Anwendung der dort geltenden Kollisions-
normen an mit der Folge, dass ein renvoi des Rechts des
Herkunftslands auf das Recht des Bestimmungslands mög-
lich bleibt?
Gründe:
I.
1. Der in Deutschland wohnhafte Kläger wurde im Jahr 1993 zusammen
mit seinem Bruder wegen Mordes an dem bekannten Schauspieler Walter Sedl-
mayr von einem deutschen Gericht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verur-
teilt. Im Januar 2008 wurde er auf Bewährung entlassen. Die in der Republik
Österreich niedergelassene Beklagte betreibt unter der Adresse
ein Internetportal, das sich laut Impressum als "liberales und
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politisch unabhängiges Medium" an "Schwule, Bisexuelle und Transgender"
richtet. In der Rubrik Info-News hielt sie bis zum 18. Juni 2007 auf den für Alt-
meldungen vorgesehenen Seiten eine auf den 23. August 1999 datierte Mel-
dung zum Abruf bereit. Darin wurde unter Nennung des Namens des Klägers
sowie seines Bruders mitgeteilt, die beiden hätten beim Bundesverfassungsge-
richt in Karlsruhe Beschwerde gegen ihre Verurteilung eingelegt. Neben einer
kurzen Beschreibung der im Jahre 1990 begangenen Tat wird der von den Ver-
urteilten beauftragte Anwalt mit den Worten zitiert, sie wollten beweisen, dass
mehrere Hauptbelastungszeugen im Prozess nicht die Wahrheit gesagt hätten.
Mit Anwaltsschreiben vom 5. Juni 2007 forderte der Kläger die Beklagte
zur Unterlassung der Berichterstattung sowie zur Abgabe einer Unterlassungs-
verpflichtungserklärung auf. Die Beklagte antwortete auf dieses Schreiben
nicht, entfernte aber die beanstandete Meldung am 18. Juni 2007 aus ihrem
Internetauftritt.
2
Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger von der Beklagten, es zu
unterlassen, über ihn im Zusammenhang mit der Tat unter voller Namensnen-
nung zu berichten. Die Beklagte hat in erster Linie die internationale Zuständig-
keit der deutschen Gerichte gerügt. Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen Er-
folg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte
ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
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2. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt: Die deutschen Gerichte seien zur Entscheidung des
Rechtsstreits nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO zuständig. Das schädigende Ereignis
drohe in Deutschland einzutreten, da der Internetauftritt der Beklagten hier ab-
gerufen werden könne. Im Internet frei abrufbare Äußerungen seien zur Kennt-
nisnahme durch jeden Internetnutzer bestimmt, jedenfalls aber für jeden Nutzer,
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der die Sprache, in der der Internetauftritt gehalten sei, verstehe. Deutschspra-
chige Meldungen, die zudem Vorgänge behandelten, die unter Beteiligung von
deutschen Staatsangehörigen in Deutschland stattgefunden hätten, könnten
nicht anders als auch für Internetnutzer in Deutschland bestimmt angesehen
werden. Da es für die Anwendung von Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ausreichend sei,
dass die Rechtsverletzung drohe, komme es nicht darauf an, ob außer dem
Prozessbevollmächtigten des Klägers auch andere Nutzer aus Deutschland die
Meldung abgerufen hätten. Denn da diese über deutschsprachige Suchmaschi-
nen auffindbar gewesen sei, hätte jedenfalls ihre Kenntnisnahme in Deutsch-
land gedroht.
Gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB sei deutsches Recht anwendbar.
Der Internetauftritt der Beklagten sei bestimmungsgemäß auch in Deutschland
abrufbar gewesen. Aus § 3 Abs. 2 TMG folge nichts anderes, da diese Norm so
zu verstehen sei, dass auch danach prinzipiell das Recht des Staates anzu-
wenden sei, in dem der Internetauftritt abgerufen werden könne, und der
Betreiber des Internetauftritts dadurch geschützt werde, dass er nicht hafte,
wenn er nach dem Recht seines Staates, in dem er ansässig sei, von der Ver-
antwortung frei sei. In der Verbreitung der beanstandeten Meldung liege eine
Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers, die einen Unter-
lassungsanspruch aus den §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog in Verbin-
dung mit Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG begründe. Der Kläger habe sich zu der
Zeit, zu der die Meldung noch abrufbar gewesen sei, kurz vor seiner Entlassung
aus der Strafhaft unter Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung befunden.
Das deswegen besonders schutzwürdige Interesse des Klägers, nicht weiter
öffentlich mit der Tat konfrontiert zu werden, überwiege das Interesse an der
weiteren Verbreitung der Meldung. Der Umstand, dass Meldungen im Internet
häufig dauerhaft abrufbar gehalten würden und anhand ihres Datums als ältere
Meldung erkennbar seien, rechtfertige keine andere Beurteilung.
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- 9 -
Aus dem Herkunftslandprinzip des § 3 Abs. 2 TMG folge nichts anderes,
da das weitere Zugänglichhalten der Meldung unter Namensnennung auch
nach österreichischem Recht unzulässig gewesen sei. Nach österreichischem
Recht stehe dem Kläger ein Unterlassungsanspruch aus § 1330 Abs. 1 des Ös-
terreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches in Verbindung mit § 7a
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Österreichischen Mediengesetzes zu. Die große Bedeu-
tung, die das österreichische Recht dem Schutz der Resozialisierung eines aus
der Strafhaft entlassenen verurteilten Straftäters beimesse, komme in § 113 des
Österreichischen Strafgesetzbuches zum Ausdruck.
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II.
Der Erfolg der Revision der Beklagten ist davon abhängig, ob die Vorin-
stanzen ihre gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO (ABl. L 12/01 S. 1 ff.) nach
Maßgabe dieser Verordnung zu beurteilende internationale Zuständigkeit zur
Entscheidung des Rechtsstreits zu Recht bejaht haben. Ob dies der Fall ist,
hängt von der Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ab. Andere Gerichtsstände
sind nicht gegeben. Die Beklagte hat ihren gemäß Artt. 2, 60 EuGVVO zustän-
digkeitsbegründenden Geschäftssitz in Österreich. In Deutschland besteht auch
weder eine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 22 EuGVVO noch ist eine
Zuständigkeit nach Art. 23 f. EuGVVO vereinbart oder gilt als vereinbart. Mithin
sind deutsche Gerichte für die erhobene Unterlassungsklage international nur
dann zuständig, wenn die vom Kläger behauptete Verletzung seines Persön-
lichkeitsrechts durch die beanstandete Meldung auf der Website der Beklagten
in Deutschland eingetreten ist bzw. einzutreten droht.
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1. Gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO kann eine Person, die ihren Wohnsitz in
dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vor dem Gericht desjenigen Ortes,
an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, ver-
klagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer
unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer sol-
chen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Der Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften (nachfolgend: Gerichtshof) legt den Begriff der
"unerlaubten Handlung" und der "Handlung, die einer unerlaubten Handlung
gleichgestellt ist" autonom und sehr weit aus. In diesem Gerichtsstand sind alle
Klagen zulässig, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird, die
nicht an einen Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO anknüpft (vgl. zu
Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ: EuGH, Urteil vom 1. Oktober 2002 - Rs. C-167/00, NJW
2002, 3617 Tz. 36 - Henkel - m.w.N.). Abzugrenzen ist die unerlaubte Handlung
ebenso wie die ihr gleichgestellte Handlung von einem Vertrag, d.h. von einer
freiwillig eingegangenen Verpflichtung. Unter den Begriff der unerlaubten Hand-
lung fallen daher auch Persönlichkeitsrechts- oder Ehrverletzungen (vgl. EuGH,
Urteil vom 7. März 1995 - Rs. C 68/93 - NJW 1995, 1881, 1882 - Shevill;
Schlussanträge des Generalanwalts M. Darmon vom 14. Juli 1994 in der
Rechtssache C-68/93, Rn. 9, 90 m.w.N.; Schlussanträge des Generalanwalts
P. Léger vom 10. Januar 1995 in der Rechtssache C-68/93, Rn. 4; Pichler in
Hoeren/Sieber, Handbuch Multimediarecht, Stand Oktober 2008, Kap. 25
Rn. 178; Roth, Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Persön-
lichkeitsrechtsverletzungen im Internet, S. 149; Kubis, Internationale Zuständig-
keit bei Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtsverletzungen, S. 104, 111).
Erfasst werden neben Ansprüchen auf Geldersatz auch Unterlassungsansprü-
che (EuGH, Urteil vom 1. Oktober 2002 - Rs. C-167/00, aaO, Tz. 44 ff. - Henkel;
BGH, Urteil vom 24. Oktober 2005 - II ZR 329/03 - VersR 2006, 566; Gottwald
in MünchKomm-ZPO, 3. Aufl., Art. 5 EuGVVO, Rn. 56; Roth, aaO, S. 146, 149;
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Kubis, aaO, S. 111 ff.). Auf den Eintritt eines Schadens kommt es nicht an.
Ausweislich des Wortlauts des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO fallen auch vorbeugende
Klagen in den Anwendungsbereich der Bestimmung (vgl. EuGH, Urteil vom
1. Oktober 2002 - Rs. C-167/00 - aaO, Tz. 50; BGH, Urteil vom 24. Oktober
2005 - II ZR 329/03 - aaO).
2. Der Gerichtshof hat noch nicht entschieden, welche Anknüpfungskrite-
rien für die Bestimmung und Abgrenzung des Ortes, an dem das schädigende
Ereignis einzutreten droht, maßgeblich sind, wenn die behauptete Schädigung
durch auf einer Internet-Website eingestellte Inhalte eintritt oder einzutreten
droht. Die richtige Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO in diesen Fällen ist auch
nicht offenkundig (so auch Tribunal de grande instance de Paris, Vorabent-
scheidungsersuchen, eingereicht am 16. Juli 2009, Rs. C-278/09, ABl. C 220
vom 12. September 2009 in einem Verfahren auf Zahlung von Schadensersatz
wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Internet-Veröffentlichungen;
vgl. auch Cour d´appel de Liège, Vorabentscheidungsersuchen, eingereicht am
29. Dezember 2008, Rs. C-584/08, ABl. C 55 vom 7. März 2009 in einem Ver-
fahren auf Zahlung von Schadensersatz im Zusammenhang mit auf Internetsei-
ten angebotenen Wetten).
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a) Unter der Geltung des Art. 5 Nr. 3 des Brüsseler EWG-Übereinkom-
mens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (nach-
folgend: EuGVÜ, BGBl. 1972 II S. 774) hat der Gerichtshof zu einer Schadens-
ersatzklage wegen ehrverletzender Äußerungen in einem Druckerzeugnis ent-
schieden, dass der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, auch
dort gelegen ist, wo die Veröffentlichung verbreitet worden ist und wo das An-
sehen des Betroffenen nach dessen Behauptung beeinträchtigt worden ist
(EuGH, Urteil vom 7. März 1995 - Rs. C-68/93 - aaO). Denn dort habe sich der
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Schadenserfolg verwirklicht (ebenda). Der Gerichtshof hatte in dieser Entschei-
dung keine Veranlassung, den Begriff des Verbreitens näher zu definieren.
b) Zu der Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ im Wesentlichen gleichgelagerten, auch für
die internationale Zuständigkeit maßgeblichen Bestimmung des § 32 ZPO hat
der erkennende Senat entschieden, dass eine auf Äußerungen in einem Pres-
seerzeugnis beruhende Persönlichkeitsrechtsverletzung u.a. an dem Ort be-
gangen werde, an dem das Erzeugnis verbreitet werde (Senatsurteil vom 3. Mai
1977 - VI ZR 24/75 - NJW 1977, 1590). Von einem Verbreiten könne allerdings
nur dann die Rede sein, wenn der Inhalt des Presseerzeugnisses dritten Perso-
nen bestimmungsgemäß und nicht bloß zufällig zur Kenntnis gebracht werde.
Es könne nicht ausreichen, dass nur hier und da einmal durch Dritte ein oder
mehrere Exemplare in ein Gebiet gelangten, das von der Betriebsorganisation
des Verlegers oder Herausgebers nicht erfasst und in das das Druckerzeugnis
nicht regelmäßig geliefert werde (ebenda).
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Die vom Senat zu § 32 ZPO entwickelte Beschränkung des Erfolgsortes
auf bestimmungsgemäße Verbreitungsorte ist aufgrund der parallelen ratio bei-
der Vorschriften in der deutschen Rechtsprechung auf Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ
übertragen worden (vgl. OLG München NJW-RR 1994, 190).
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c) Die genannten Entscheidungen können auf Internet-Delikte allerdings
nicht ohne weiteres übertragen werden. Internet-Inhalte werden regelmäßig
nicht "verbreitet", sondern zum Abruf bereit gehalten (vgl. Pichler in Hoeren/
Sieber, aaO, Rn. 210; vgl. auch die Formulierung in § 7 Abs. 1 TMG: Informati-
onen, die Diensteanbieter "zur Nutzung bereit halten"). Im Gegensatz zu Dru-
ckerzeugnissen lässt sich im Internet auch ein räumlich abgegrenztes Verbrei-
tungsgebiet einer Website nur schwer bestimmen (vgl. Roth, aaO, S. 254 f.).
Dementsprechend ist die Übertragbarkeit der vom Senat entwickelten Ein-
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schränkung auf Delikte im Internet ebenso umstritten wie im Falle der grund-
sätzlichen Bejahung eines Erfordernisses der bestimmungsgemäßen "Verbrei-
tung" dessen Konkretisierung (vgl. zum Meinungsstand Roth, aaO, S. 232 ff.).
aa) Ein Teil der deutschen Instanzgerichte und der deutschen Literatur
hält im Hinblick auf den Charakter des World-Wide-Web eine bloße Abrufbarkeit
der rechtsverletzenden Inhalte im Gerichtsstaat ohne weiteres für zuständig-
keitsbegründend mit der Folge, dass sich regelmäßig eine Zuständigkeit in je-
dem Mitgliedstaat ergibt (vgl. Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und
Schadensersatz in den Medien, 3. Aufl. Rn. 831; Baumbach/Lauterbach/Albers/
Hartmann, ZPO, 67. Aufl. Art. 5 EuGVVO Rn. 23; Bachmann, IPrax 1998, 179,
184; Schack MMR 2000, 135, 138 f.; zum Kennzeichenrecht: OLG Karlsruhe,
MMR 2002, 814, 815; OLG Hamburg, MMR 2002, 822, 823; OLG Hamburg,
IPrax 2004, 125, 126; zum Namensrecht: OLG München, MMR 2002, 166, 167;
zum Persönlichkeitsrecht: KG AfP 2006, 258, 259).
14
bb) Andere nehmen einen Erfolgsort bei Internet-Delikten sowohl im
Rahmen des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ/EuGVVO als auch des § 32 ZPO nur dort an,
wo der Internetauftritt gemäß der zielgerichteten Bestimmung des Betreibers
abrufbar ist (vgl. Pichler in Hoeren/Sieber, aaO, Rn. 207 ff. m.w.N.). So hält der
I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die internationale Zuständigkeit der deut-
schen Gerichte gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ bei Wettbewerbsverletzungen nur
dann für gegeben, wenn sich der beanstandete Internetauftritt bestimmungs-
gemäß im Inland auswirken soll bzw. sich bestimmungsgemäß auch an deut-
sche Internetnutzer richtet (vgl. BGHZ 167, 91, 98 f.). Diese Grundsätze haben
verschiedene Instanzgerichte zur Vermeidung einer uferlosen Gerichtspflichtig-
keit des Beklagten auf Urheberrechtsverletzungen (OLG Köln, GRUR-RR 2008,
71), Namensrechtsverletzungen (KG, NJW 1997, 3321), Kennzeichenverlet-
zungen (LG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 979, 980), Eingriffe in den eingerichte-
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ten und ausgeübten Gewerbebetrieb (LG Krefeld, AfP 2008, 99, 100) und auf
Persönlichkeitsrechtsverletzungen (OLG Celle, OLGR 2003, 47; OLG Düssel-
dorf, AfP 2009, 159; AG Charlottenburg, MMR 2006, 254, 255) übertragen.
cc) Das Tribunal de grande instance de Paris hält die Anzahl der Abrufe
der rechtsverletzenden Inhalte vom Gerichtsstaat für ein maßgebliches Abgren-
zungskriterium (vgl. Ordonnance du Juge de la Mise en Etat, rendue le 27 Avril
2009, 17. Ch. Presse-Civile, Nr. Rg. 08/15331 sowie Ordonnance du Juge de la
Mise en Etat, rendue le 6 Juillet 2009, 17. Ch. Presse-Civile, Nr. Rg. 08/15331 =
Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C-278/09).
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dd) Für Kennzeichenverletzungen neigt der I. Zivilsenat des Bundesge-
richtshofs zu einer Begrenzung der Gerichtsstände auf diejenigen, in deren Zu-
ständigkeitsbereich eine Interessenkollision tatsächlich eingetreten sein kann
(BGH, Urteil vom 13. Oktober 2004 - I ZR 163/02 - NJW 2005, 1435, 1436; ähn-
lich Roth, aaO, S. 277; von Hinden, Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Inter-
net, S. 80 ff., 88). Ähnliche Erwägungen liegen der Entscheidung des
1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 12. Dezember 2000 (BGHSt 46,
212) zugrunde. Danach tritt dann, wenn ein Ausländer von ihm verfasste Äuße-
rungen, die den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen, auf einem ausländi-
schen Server in das Internet einstellt, der Internetnutzern in Deutschland zu-
gänglich ist, ein zum Tatbestand gehörender Erfolg im Inland ein, wenn die Äu-
ßerung konkret zur Friedensstörung im Inland geeignet ist (ebenda).
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d) Der Senat neigt dazu, die internationale Zuständigkeit für Persönlich-
keitsrechtsverletzungen durch Internet-Veröffentlichungen entsprechend der
zuletzt genannten Auffassung zu bestimmen. Die Ansicht, die die bloße Abruf-
barkeit der rechtsverletzenden Inhalte für zuständigkeitsbegründend hält, wi-
derspricht dem Sinn und Zweck des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Nach der ständigen
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Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die besonderen Zuständigkeitsregeln
der Art. 5 und 6 EuGVVO eng auszulegen. Denn sie stellen Ausnahmen von
dem Grundsatz dar, dass der Beklagte vor den Gerichten seines Wohnsitz-
staats zu verklagen ist (EuGH, Urteil vom 27. September 1988 - Rs. 189/87 -
Slg. 1988, 5565, Tz. 19 - Kalfelis; vom 10. Juni 2004 - Rs. C-168/02 - NJW
2004, 2441, 2442 - Kronhofer). Die besondere Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3
EuGVVO beruht darauf, dass eine besonders enge Beziehung zwischen der
Streitigkeit und anderen Gerichten als denen des Ortes des Beklagtenwohnsit-
zes besteht, die aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und einer sachge-
rechten Gestaltung des Prozesses eine Zuständigkeit dieser anderen Gerichte
rechtfertigt (EuGH, Urteil vom 10. Juni 2004 - C-168/02 - aaO). Eine besondere
Beziehung zu einem bestimmten Forum wird durch die bloße Abrufbarkeit der
rechtsverletzenden Inhalte allein jedoch nicht begründet. Denn die Abrufbarkeit
einer Website ist infolge der technischen Rahmenbedingungen in jedem Staat
gegeben. Ließe man die bloße Abrufbarkeit genügen, so käme es zu einer ufer-
losen Ausweitung der Gerichtspflichtigkeit des Beklagten, die den zuständig-
keitsrechtlichen Leitprinzipien der Vermeidung beziehungsarmer Gerichtsstän-
de, der Reduzierung konkurrierender Zuständigkeiten und der Vorhersehbarkeit
und präventiven Steuerbarkeit der potentiellen Gerichtspflichtigkeit eklatant zu-
widerliefe (vgl. Pichler in Hoeren/Sieber, aaO, Rn. 198).
Um das zu vermeiden, ist nach Auffassung des Senats ein über die blo-
ße Abrufbarkeit der rechtsverletzenden Inhalte hinausgehender Inlandsbezug
zu fordern. Ein derartiger Bezug kann jedenfalls bei Persönlichkeitsrechtsverlet-
zungen aber nicht voraussetzen, dass sich die beanstandete Website "gezielt"
oder "bestimmungsgemäß" auch an deutsche Internetnutzer richten soll. Dieses
Einschränkungskriterium, das bei marktbezogenen Delikten wie Wettbewerbs-
verletzungen seine Berechtigung hat, ist für die erforderliche Begrenzung der
ansonsten bestehenden Vielzahl von Gerichtsständen bei Persönlichkeits-
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rechtsverletzungen nicht geeignet. Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung setzt
keine Marktbeeinflussung voraus, sondern tritt unabhängig von den Intentionen
des Verletzers mit der Kenntnisnahme des rechtsverletzenden Inhalts durch
Dritte ein (vgl. Pichler in Hoeren/Sieber, aaO, Rn. 229, 251; von Hinden, aaO,
S. 83).
Der Senat misst auch der Anzahl der Abrufe der rechtsverletzenden In-
halte vom Gerichtsstaat aus jedenfalls bei Unterlassungsansprüchen keine
über ein bloßes Indiz hinausgehende Bedeutung für die Bestimmung des erfor-
derlichen Inlandsbezugs zu. Denn zum einen ist die Anzahl der erfolgten Abrufe
nicht immer zuverlässig feststellbar; zum anderen ist sie dem insoweit darle-
gungs- und beweisbelasteten Kläger schon aus Datenschutzgründen nicht un-
eingeschränkt zugänglich (vgl. Roth, aaO, S. 232 ff.). Abgesehen davon ist der
Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet und setzt keine bereits eingetre-
tene Rechtsgutsverletzung voraus.
20
Nach Auffassung des Senats ist es vielmehr entscheidend, ob die im In-
ternet abrufbaren Informationen objektiv einen Bezug zum Inland in dem Sinne
aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen - Interesse des
Klägers an der Achtung seines Persönlichkeitsrechts bzw. Interesse der Be-
klagten an der Gestaltung ihres Internetauftritts und an einer Berichterstattung -
nach den Umständen des konkreten Falls, insbesondere aufgrund des Inhalts
der beanstandeten Meldung, im Inland tatsächlich eingetreten sein kann oder
eintreten kann.
21
- 17 -
3. Die Frage, wie Art. 5 Nr. 3 EuGVVO in der vorliegenden Fallkonstella-
tion auszulegen ist, ist entscheidungserheblich. Von ihr hängt die internationale
Zuständigkeit der deutschen Gerichte ab. Kann der Betroffene vor den Gerich-
ten eines Mitgliedstaats, in dem der Betreiber der Website nicht niedergelassen
ist, nur dann eine Unterlassungsklage wegen einer Persönlichkeitsrechtsverlet-
zung durch Inhalte auf einer Internet-Website erheben, wenn sich der bean-
standete Internetauftritt gemäß der Bestimmung des Betreibers zielgerichtet
auch an die Internetnutzer im Gerichtsstaat richtet, wäre eine Zuständigkeit der
deutschen Gerichte zu verneinen. Denn nach den Intentionen des Betreibers
der streitgegenständlichen Internetplattform ist diese allein auf Österreich aus-
gerichtet. Dies ergibt sich aus der gewählten Top-Level-Domain der Website
"at" als so genanntem Country-Code für Österreich, insbesondere aber dem
Umstand, dass ausschließlich Veranstaltungen und Adressen in Österreich mit-
geteilt werden und der Betreiber auf der Website unter "Mediadaten" mitteilt, er
könne die reichweitenstärkste Cross-Media-Kampagne für die "lesBiSchwule
Community in Österreich" anbieten.
22
Wenn es maßgeblich auf die Anzahl der Abrufe der rechtsverletzenden
Inhalte von Deutschland aus ankommen sollte, wären die deutschen Gerichte
ebenfalls nicht zuständig. Denn nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu le-
genden Vortrag der Beklagten ist die beanstandete Meldung lediglich einmal
von Deutschland aus - und zwar vom Anwalt des Klägers - abgerufen worden.
23
Dagegen wäre die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte
zu bejahen, wenn zuständigkeitsbegründend bereits die bloße Abrufbarkeit der
rechtsverletzenden Inhalte im Gerichtsstaat oder ein objektiver Inlandsbezug in
dem Sinne wäre, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen nach den
Umständen des konkreten Falles, insbesondere aufgrund des Inhalts der bean-
standeten Meldung, im Forumstaat tatsächlich eingetreten sein kann oder ein-
24
- 18 -
treten kann. Nach den Umständen des Streitfalles lag eine Kenntnisnahme der
beanstandeten Meldung in Deutschland erheblich näher als in den anderen Mit-
gliedstaaten. Die Meldung war auf deutsch abgefasst und hatte die Verurteilung
des in Deutschland wohnhaften Klägers wegen Mordes an einem bekannten
deutschen Schauspieler durch ein deutsches Gericht zum Gegenstand, wobei
sowohl die Tat als auch das Gerichtsverfahren in Deutschland erhebliche öf-
fentliche Aufmerksamkeit erregt hatten. Durch die Kenntnisnahme von dieser
Meldung in Deutschland kann die Resozialisierung des Klägers in Deutschland
erschwert werden.
III.
1. Ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben,
so hängt der Erfolg der Revision von der Auslegung des Art. 3 Abs. 1 und 2
e-commerce-Richtlinie ab. Die Auslegung dieser Bestimmungen ist maßgebend
dafür, ob deutsches oder österreichisches Recht zur Anwendung berufen ist.
Die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Ra-
tes vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzu-
wendende Recht (nachfolgend: Rom II-Verordnung) ist im Streitfall nicht an-
wendbar, da gemäß deren Art. 1 Abs. 2 lit. g außervertragliche Schuldverhält-
nisse aus der Verletzung der Persönlichkeitsrechte vom Anwendungsbereich
der Verordnung ausgenommen sind.
25
a) Artikel 3 Abs. 1 und 2 e-commerce-Richtlinie lauten wie folgt:
26
(1) Jeder Mitgliedstaat trägt dafür Sorge, dass die Dienste der Informati-
onsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen
27
- 19 -
Diensteanbieter erbracht werden, den in diesem Mitgliedstaat geltenden inner-
staatlichen Vorschriften entsprechen, die in den koordinierten Bereich fallen.
(2) Die Mitgliedstaaten dürfen den freien Verkehr von Diensten der In-
formationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat nicht aus Gründen ein-
schränken, die in den koordinierten Bereich fallen.
28
Artikel 3 e-commerce-Richtlinie wurde durch Neufassung des § 4 TDG
mit Wirkung ab 21. Dezember 2001 in nationales Recht umgesetzt. Mit Wirkung
vom 1. März 2007 wurden die Bestimmungen des § 4 TDG und § 5 MDStV in-
haltlich unverändert in § 3 TMG übernommen (vgl. BT-Drucks. 16/3078, S. 14).
Der mit dem Begriff "Herkunftslandprinzip" überschriebene § 3 TMG regelt in
seinem Absatz 1, dass in der Bundesrepublik Deutschland niedergelassene
Diensteanbieter und ihre Telemedien den Anforderungen des deutschen Rechts
auch dann unterliegen, wenn die Telemedien in einem anderen Staat innerhalb
des Geltungsbereichs der e-commerce-Richtlinie geschäftsmäßig angeboten
oder erbracht werden. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 TMG wird der freie Dienstleis-
tungsverkehr von Telemedien, die in der Bundesrepublik Deutschland von
Diensteanbietern geschäftsmäßig angeboten oder erbracht werden, die in ei-
nem anderen Staat innerhalb des Geltungsbereichs der e-commerce-Richtlinie
niedergelassen sind, nicht eingeschränkt.
29
b) Der Gesetzgeber wollte, was die Ausführungen in der Gesetzesbe-
gründung belegen, eine richtlinienkonforme Regelung schaffen. Wegen der im
parlamentarischen Verfahren aufgetretenen Meinungsverschiedenheiten über
die dogmatische Einordnung des in Art. 3 der e-commerce-Richtlinie angeord-
neten Herkunftslandprinzips hat er dessen Rechtsnatur und Reichweite be-
wusst offen gelassen und sich darauf beschränkt, Art. 1 Abs. 4 und Art. 3 Abs. 1
und 2 e-commerce-Richtlinie weitestgehend wörtlich zu übernehmen. Er war
30
- 20 -
der Auffassung, dass die schwierige Umsetzung des Herkunftslandprinzips am
besten bewerkstelligt werden könne, indem man sich möglichst eng an dem
Wortlaut der einschlägigen Richtlinienbestimmungen orientiere (BT-Drucks.
14/7345, S. 31; vgl. auch Nickels, Der Betrieb 2001, 1919, 1923; ders., CR
2002, 302, 304; Brunner in Manssen, Telekommunikations- und Multimedia-
recht, § 4 TDG Rn. 8 m.w.N.).
c) Rechtsnatur und Reichweite des in Art. 3 Abs. 1 und 2 e-commerce-
Richtlinie bzw. § 3 Abs. 1 und 2 Satz 1 TMG angeordneten Herkunftslandprin-
zips sind in der deutschen Rechtsprechung und Literatur umstritten.
31
aa) Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat diese Frage in seinen
Entscheidungen zu § 4 Abs. 2 Satz 1 TDG offen gelassen (vgl. BGHZ 167, 91,
101 f. - Arzneimittelwerbung im Internet; Urteil vom 5. Oktober 2006 - I ZR
229/03 - MMR 2007, 104, 105 - Pietra di Soln). Das Oberlandesgericht Ham-
burg hat § 4 Abs. 2 Satz 1 TDG - allerdings ohne dies zu begründen - als kolli-
sionsrechtliche Norm aufgefasst und in der Sache ausschließlich niederländi-
sches Recht angewendet (OLG Hamburg GRUR 2004, 880, 881). Das Kam-
mergericht hat das in § 5 Abs. 2 und 5 MDStV enthaltene Herkunftslandprinzip
kollisionsrechtlich qualifiziert und den ihm unterbreiteten Fall nach österreichi-
schem Sachrecht entschieden (KG AfP 2006, 258, 259). Demgegenüber hat
das Oberlandesgericht Hamburg in der angefochtenen Entscheidung und im
Urteil vom 24. Juli 2007 (ZUM 2008, 63) § 3 Abs. 2 TMG unter Hinweis auf die
ausdrückliche Regelung in Art. 1 Abs. 4 der e-commerce-Richtlinie und die ent-
sprechende Bestimmung in § 1 Abs. 5 TMG als rein sachrechtlich wirkende
Rechtsanwendungsschranke angesehen, aufgrund derer das deutsche allge-
meine Deliktsrecht lediglich in der Weise modifiziert wird, dass eine Haftung
nach deutschem Recht ausgeschlossen ist, wenn nach dem Recht des Her-
kunftslandes keine Haftung bestände.
32
- 21 -
bb) In der Literatur bietet sich ein uneinheitliches Bild.
33
(1) Nach einer Auffassung stellt das in Art. 3 e-commerce-Richtlinie bzw.
§ 3 TMG verankerte Herkunftslandprinzip ein Korrektiv auf materiell-rechtlicher
Ebene dar. Danach wird das sachlich-rechtliche Ergebnis des nach den Kollisi-
onsregeln des Gerichtsstaats für anwendbar erklärten Rechts im konkreten Fall
gegebenenfalls inhaltlich modifiziert und auf die weniger strengen Anforderun-
gen des Herkunftslandrechts reduziert (vgl. Wagner, Einflüsse der Dienstleis-
tungsfreiheit auf das nationale und internationale Arzthaftungsrecht, S. 188 ff.
m.w.N.; Höder, Die kollisionsrechtliche Behandlung unteilbarer Multistate-
Verstöße, S. 187 ff., 200; Fezer/Koos, IPrax 2000, 349 ff.; Gounalakis/Rhode,
Persönlichkeitsschutz im Internet, Rn. 28; Halfmeier, ZEuP 2001, 837, 841 ff.;
ähnlich Martiny in MünchKomm-BGB, 4. Aufl., Art. 34 EGBGB Anh. III
Rn. 36 f.). Nach dieser Deutung ließe das Herkunftslandprinzip die nationalen
Kollisionsregeln des Forumstaates unberührt und käme - wie die Grundfreihei-
ten des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (nachfolgend:
EGV) - erst im Rahmen eines konkreten Günstigkeitsvergleichs auf materiell-
rechtlicher Ebene zum Einsatz (vgl. Wagner, aaO, S. 188 m.w.N.).
34
Die Vertreter dieser Auffassung berufen sich auf den klaren Wortlaut des
Art. 1 Abs. 4 e-commerce-Richtlinie bzw. des § 1 Abs. 5 TMG sowie auf die in
Erwägungsgrund 23 der Richtlinie erklärte Zielrichtung des Normgebers, das in
den Mitgliedstaaten geltende Internationale Privatrecht nicht antasten zu wollen
(vgl. Wagner, aaO, S. 189; Fezer/Koos, aaO, S. 352; Höder, aaO, S. 187 f.;
Martiny in MünchKomm-BGB, aaO, Rn. 26). Art. 3 Abs. 2 e-commerce-
Richtlinie enthalte keine Verweisung auf das Herkunftsland, sondern nur das
von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Grundfreiheiten als materiell-
rechtliches Korrektiv bekannte Diskriminierungsverbot (Höder, aaO, S. 192).
Abgesehen davon ergebe sich angesichts der noch bestehenden Abweichun-
35
- 22 -
gen der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen die Gefahr, dass Diensteanbieter
in die Mitgliedstaaten mit den geringsten rechtlichen Anforderungen abwander-
ten und es zu einem "Wettbewerb der Rechtsordnungen" komme (Wagner, a-
aO, S. 189 f.; Fezer/Koos, aaO, S. 354).
(2) Nach anderer Auffassung sollte durch Art. 3 e-commerce-Richtlinie
und § 3 TMG ein allgemeines kollisionsrechtliches Prinzip etabliert werden, das
unter Verdrängung der nationalen kollisionsrechtlichen Regelungen zur alleini-
gen Anwendung des im Herkunftsland geltenden Rechts führt (vgl. Brunner in
Manssen, aaO, Rn. 12; Thünken, Das kollisionsrechtliche Herkunftslandprinzip,
S. 84 f.; Naskret, Das Verhältnis zwischen Herkunftslandprinzip und Internatio-
nalem Privatrecht in der Richtlinie zum elektronischen Geschäftsverkehr,
S. 114; Leible/Spickhoff, Die Bedeutung des IPR im Zeitalter der neuen Medien,
S. 89, 117 ff. m.w.N. zum Streitstand; Fallenböck, Internet und Internationales
Privatrecht, S. 188 ff., 202; Dethloff, JZ 2000, 179, 181; Mankowski, IPrax 2002,
257, 262; Lurger/Vallant, RIW 2002, 188, 196). Hierbei ist jedoch umstritten, ob
es sich bei der Anknüpfung an das Herkunftsland des Anbieters um eine reine
Sachnormverweisung oder eine Gesamtverweisung handelt, die einen renvoi
auf das Sachrecht des Bestimmungsstaates zuließe (vgl. zum Meinungsstand
die Darstellung bei Wagner, aaO, S. 186 f.).
36
Die Vertreter der kollisionsrechtlichen Auffassung verweisen darauf, dass
die Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip kollisionsrechtlicher Natur seien
(Thünken, aaO, S. 72; Mankowski, aaO, S. 258; Fallenböck, aaO, S. 201). Dies
gelte beispielsweise für die im Anhang zu Art. 3 e-commerce-Richtlinie aufge-
führte Ausnahme der freien Rechtswahl (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 TMG) sowie für
Art. 27 der Rom II-Verordnung in Verbindung mit deren Erwägungsgrund 35
Satz 4. Nach der zuletzt genannten Bestimmung lässt die Verordnung solche in
Gemeinschaftsrechtsakten enthaltene Vorschriften unberührt, die für besondere
37
- 23 -
Gegenstände Kollisionsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse enthal-
ten (vgl. Thünken, Das kollisionsrechtliche Herkunftslandprinzip, S. 72; Spick-
hoff in BeckOK, Stand: 1. Januar 2008, EGBGB Art. 42, Rn. 145; Pa-
landt/Thorn, BGB, 68. Aufl., Art. 6 Rom II Rn. 3, 15 sowie Art. 27 Rom II Rn. 2;
s. auch Hamburg Group for Private International Law, RabelsZ 67, 1, 45 f.).
Diese eindeutig kollisionsrechtlichen Ausnahmen seien überflüssig, wenn nicht
bereits das Prinzip kollisionsrechtlicher Natur wäre (vgl. Mankowski, aaO,
S. 258 m.w.N.). Die Vertreter der kollisionsrechtlichen Auffassung berufen sich
ferner auf Erwägungsgrund 22 Satz 4 der Richtlinie, wonach die Dienste der
Informationsgesellschaft grundsätzlich dem Rechtssystem desjenigen Mitglied-
staats unterworfen werden sollen, in dem der Anbieter niedergelassen ist, sowie
Erwägungsgrund 5 Satz 2, wonach die bestehende Rechtsunsicherheit hinsicht-
lich der auf die Dienste der Informationsgesellschaft jeweils anzuwendenden
nationalen Regelungen beseitigt werden sollen (Thünken, aaO, S. 72; Naskret,
aaO, S. 61). Nicht die in Art. 1 Abs. 4 e-commerce-Richtlinie bzw. § 1 Abs. 5
TMG enthaltene Absichtserklärung des Normgebers, sondern der tatsächliche
Gehalt einer Norm sei für ihre rechtliche Einordnung maßgeblich. Art. 3 Abs. 1
und Abs. 2 e-commerce-Richtlinie seien als Einheit zu sehen (vgl. Fallenböck,
aaO, S. 200; Thünken, aaO, S. 78; Naskret, aaO, S. 54; Mankowski, aaO,
S. 258). Aus ihrem Zusammenspiel ergebe sich, dass das Recht des Staates
maßgeblich sein solle, in dem der Diensteanbieter seine Niederlassung habe
(Fallenböck, aaO, S. 200). Schließlich machen sie geltend, dass Vorbild für das
Herkunftslandprinzip in der e-commerce-Richtlinie das Herkunftslandprinzip in
Art. 2 Fernsehrichtlinie sei; diese Bestimmung sei aber als Kollisionsnorm aner-
kannt (vgl. Mankowski, aaO, S. 259 m.w.N.).
cc) Österreich, Frankreich und Luxemburg haben Artikel
3 der
e-commerce-Richtlinie als kollisionsrechtliches Prinzip umgesetzt. Gemäß § 20
Abs. 1 des österreichischen e-commerce-Gesetzes richten sich im koordinierten
38
- 24 -
Bereich die rechtlichen Anforderungen an einen in einem Mitgliedstaat nieder-
gelassenen Diensteanbieter nach dem Recht dieses Staats. Der OGH sieht in
dem Herkunftslandprinzip dementsprechend eine die allgemeine Bestimmung
des § 48 Abs. 2 des österreichischen Gesetzes über das Internationale Privat-
recht verdrängende Kollisionsnorm (vgl. OGH, Urteil vom 21. November 2006
- 4 Ob 62/06 f - MMR 2007, 360 - go-limited.de; so auch Zankl, e-commerce-
Gesetz, § 20 Rn. 306, 314 f., 321; ders., Bürgerliches Recht, 4. Aufl., S. 180 f.).
Der französische Gesetzgeber hat die Bestimmungen über das Her-
kunftslandprinzip in Art. 17 Loi pour la confiance dans l'économie numerique
(LCEN) umgesetzt und dort normiert, dass jeder, der einen elektronischen Han-
del i.S.d. Art. 14 LCEN betreibt, im Hinblick auf diese Tätigkeit dem Recht …
jenes Mitgliedstaats unterliegt, in dem er niedergelassen ist. Art. 17 LCEN
lautet: L'activité définie à l'article 14
sous reserve de la
commune intention de cette personne et de celle à qui sont destinés les
biens ou services.
39
Artikel 2 Abs. 4 des luxemburgischen Loi relative au commerce électro-
nique enthält eine vergleichbare Bestimmung. Sie lautet:
aux prestataires et aux services qu' ils prestent, sans préjudice de la
liberté des parties de choisir le droit applicable à leur contrat.
40
d) Die Frage der Rechtsnatur und Reichweite des in Art. 3 e-commerce-
Richtlinie verankerten Herkunftslandprinzips ist in der Rechtsprechung des Eu-
ropäischen Gerichtshofs noch nicht entschieden.
41
- 25 -
2. Die Frage, wie Art. 3 Abs. 1 und 2 e-commerce-Richtlinie und dement-
sprechend § 3 Abs. 1 und 2 Satz 1 TMG auszulegen sind, ist auch entschei-
dungserheblich. Sieht man das in diesen Bestimmungen verankerte Herkunfts-
landprinzip als sachlich-rechtliche Rechtsanwendungsschranke, so wäre deut-
sches Internationales Privatrecht anwendbar und gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2
EGBGB deutsches Sachrecht als Recht des Erfolgsortes berufen. Die ange-
fochtene Entscheidung wäre dann auf die Revision der Beklagten aufzuheben
und die Klage endgültig abzuweisen, da ein Unterlassungsanspruch des Klä-
gers nach deutschem Recht zu verneinen wäre. Misst man dem Herkunftsland-
prinzip dagegen kollisionsrechtlichen Charakter bei, so wäre der Unterlas-
sungsanspruch des Klägers nach österreichischem Recht zu beurteilen. Gemäß
der Bestimmung des § 545 Abs. 1 ZPO in der hier maßgeblichen Fassung vom
5. Dezember 2005, die die Revisibilität ausländischen Rechts ausschließt, wä-
ren entweder die Feststellungen des Berufungsgerichts zugrunde zu legen, wo-
nach nach österreichischem Recht ein Unterlassungsanspruch besteht, und
42
- 26 -
die Revision der Beklagten zurückzuweisen oder das angefochtene Urteil we-
gen unzureichender Ermittlung des österreichischen Rechts aufzuheben und
die Sache - mit offenem Ergebnis - an das Berufungsgericht zurückzuverwei-
sen.
Galke Diederichsen Pauge
Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 18.01.2008 - 324 O 548/07 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 29.07.2008 - 7 U 22/08 -