Urteil des BGH vom 08.02.2001

BGH (werbung, zpo, uwg, filiale, computer, hamburg, unterlassungsklage, bremen, teilurteil, irreführung)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
TEILURTEIL
I ZR 76/01
Verkündet am:
2. Oktober 2003
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren, in
dem bis zum 4. September 2003 Schriftsätze eingereicht werden konnten,
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Starck,
Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und Dr. Schaffert
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des
Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 8. Februar
2001, soweit es zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 2
ergangen ist, unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen
im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der
Klägerin hinsichtlich der vom Landgericht abgewiesenen Unterlas-
sungsklage gegen den Beklagten zu 2 zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Klägerin gehört der 140 bis 150 Unternehmen umfassenden
M. /S. -Gruppe an. Sie betreibt in B. einen Selbstbedienungsmarkt
für Unterhaltungselektronik, Computer und Computerzubehör.
Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer bis zum Jahr 2000 der Be-
klagte zu 2 war, betreibt den Handel mit Computern und Computerzubehör. Sie
unterhält bundesweit 120 Filialen, darunter auch eine in B. .
Die Beklagte zu 1 (im weiteren: Beklagte) bot am 13. März 1998 in einer
Werbung in der in B. erscheinenden "N. -Zeitung" unter der Überschrift
"PREISBRECHER!" einen Computer mit Intel Pentium Prozessor 200 MHz zum
Preis von 1.499 DM und einen Computer mit Intel Pentium II Prozessor 233
MHz zum Preis von 1.999 DM - wie nachstehend verkleinert wiedergegeben -
zum Kauf an:
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Nach der Behauptung der Klägerin waren die Geräte am 13. März 1998
in der Verkaufsfiliale der Beklagten in B. nicht vorrätig. Die Klägerin hat
die Werbung als irreführend beanstandet und die Beklagten - ebenso wie
Schwesterunternehmen der Beklagten zu 1 - wegen geltend gemachter Vor-
ratsmängel nach derselben Werbung am 6. März 1998 in Filialen der Beklagten
in Rostock, Lüneburg, Erlangen, Hamburg-Billstedt, Hamburg-Nedderfeld und
Hamburg-Wandsbek und am 20. März 1998 in der Filiale der Beklagten in
Saarbrücken - auf Unterlassung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in
Anspruch genommen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbie-
ten, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Compu-
tergeräte blickfangmäßig hervorgehoben zu bewerben, soweit die-
se am Tag des Erscheinens der Werbung nicht zur sofortigen Mit-
nahme vorrätig sind;
2. festzustellen, daß die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin al-
len durch die unter 1. geschilderte Wettbewerbshandlung entstan-
denen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen.
Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten.
Das Landgericht hat die Unterlassungsklage als unbegründet und die
Feststellungsklage mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, es fehle an
dem insoweit erforderlichen Feststellungsinteresse. Die Berufung der Klägerin
hatte keinen Erfolg (OLG Bremen OLG-Rep 2001, 225).
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, ver-
folgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
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Über das Vermögen der Beklagten zu 1 ist am 1. Mai 2003 das Insol-
venzverfahren eröffnet worden.
Entscheidungsgründe:
I. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der
Beklagten zu 1 ist das zwischen dieser und der Klägerin anhängige Verfahren
unterbrochen worden (§ 240 Satz 1 ZPO). Da die beiden Beklagten keine not-
wendigen Streitgenossen i.S. des § 62 ZPO sind, ist über die Revision der Klä-
gerin gegen den Beklagten zu 2 durch Teilurteil zu entscheiden (§ 301 ZPO;
vgl. BGHZ 148, 214, 216; BGH, Urt. v. 19.12.2002 - VII ZR 176/02, NJW-RR
2003, 1002, 1003, jeweils m.w.N.).
II. Das Berufungsgericht hat die Klage als gemäß § 13 Abs. 5 UWG
rechtsmißbräuchlich und daher unzulässig erachtet. Zur Begründung hat es
ausgeführt:
Die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche, die die Klägerin und ihre Schwe-
stergesellschaften wegen der in gleicher Form und mit gleichem Inhalt bereits
eine Woche zuvor bundesweit in verschiedenen Regionalzeitungen und auch
danach noch veröffentlichten Werbeanzeige der Beklagten jeweils gesondert
gerichtlich geltend gemacht hätten, hätten unschwer gemeinsam in einem ein-
zigen Rechtsstreit geltend gemacht werden können. Wenn, wie im Streitfall, an
verschiedenen Orten zur gleichen Zeit oder im kurzen zeitlichen Abstand Wer-
beanzeigen mit demselben konkreten Inhalt veröffentlicht würden, handele es
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sich, sofern diese unlauter oder irreführend i.S. der §§ 1, 3 UWG seien, um ein
und denselben Wettbewerbsverstoß. Bei Einreichung der vorliegenden Klage
seien alle von den Schwesterunternehmen der Klägerin verfolgten angeblichen
Wettbewerbsverstöße bereits erfolgt und der Holding, der die Klägerin angehö-
re, auch bekannt gewesen. Die Rechtsmißbräuchlichkeit der erhobenen Klage
erstrecke sich auch auf den Feststellungsantrag, da die Klägerin keine geson-
derte Klage wegen ihres möglicherweise durch die beanstandete Werbemaß-
nahme erlittenen Schadens habe erheben müssen, sondern diesen in dem ge-
richtlichen Verfahren hätte geltend machen können, an dem sie sich als Streit-
genossin hätte beteiligen können oder welches ihre Holding für alle von dem-
selben angeblichen Wettbewerbsverstoß betroffenen Tochtergesellschaften im
Wege der Prozeßstandschaft hätte durchführen können.
III. Diese Beurteilung hält, was den Unterlassungsanspruch anbelangt,
der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Dessen Geltendmachung
stellt sich nicht als rechtsmißbräuchlich im Sinne des § 13 Abs. 5 UWG dar.
1. Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt allerdings zutreffend an-
genommen, ein Indiz für ein rechtsmißbräuchliches Vorgehen könne darin lie-
gen, daß mehrere Konzernunternehmen, die ihr prozessuales Vorgehen gegen
Mitbewerber untereinander abstimmten und über denselben Rechtsanwalt ko-
ordinierten, jeweils getrennt voneinander parallele Unterlassungsklagen wegen
ein und desselben Wettbewerbsverstoßes anhängig machten (vgl. BGHZ 144,
165, 171 - Mißbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH, Urt. v. 20.12.2001
- I ZR 15/98, GRUR 2002, 713, 714 = WRP 2002, 980 - Zeitlich versetzte Mehr-
fachverfolgung, m.w.N.). Wie der Bundesgerichtshof entschieden hat, werden
durch eine Abstimmung des prozessualen Vorgehens von Konzernunterneh-
men und durch eine zentrale Koordinierung der Rechtsverfolgung gesteigerte
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Rücksichtnahmepflichten ausgelöst. Bedienen sich Konzernunternehmen - wie
dies nach den unbeanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts im
Streitfall geschieht - eines Rechtsanwalts, der die Verfolgung von Wettbe-
werbsverstößen auf der Grundlage der bei ihm zusammenfließenden Informa-
tionen koordiniert, so obliegt es den Konzernunternehmen grundsätzlich, die
daraus erwachsenden Möglichkeiten zu einer den Gegner weniger belastenden
Verfahrenskonzentration zu nutzen und ihr Vorgehen für den Beklagten scho-
nender zu gestalten. Auch Konzernunternehmen, die in verschiedenen Städten
ansässig sind, sind danach in der Regel gehalten, unnötige Parallelprozesse zu
verhindern, indem sie sich beispielsweise darauf verständigen, nur durch ein
Konzernunternehmen vorzugehen, die Muttergesellschaft zur Klage als Prozeß-
standschafterin zu ermächtigen oder - wenn jedes Konzernuntennehmen einen
eigenen Titel erwirken möchte - gemeinsam am Sitz des Beklagten zu klagen
(BGH GRUR 2002, 713, 714 - Zeitlich versetzte Mehrfachverfolgung).
2. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht berücksichtigt, daß der Streitfall
Besonderheiten aufweist, die ein getrenntes Vorgehen mehrerer Konzernunter-
nehmen an verschiedenen Orten als gerechtfertigt erscheinen lassen. Denn
immer dann, wenn die Klagepartei und ihre Konzernschwestern eine Werbung
wegen mangelnder Verfügbarkeit der beworbenen Waren als irreführend bean-
standen und einen unzureichenden Warenvorrat in verschiedenen Filialen der
Beklagten behaupten, geht es - anders als bei den Sachverhalten, die den Ent-
scheidungen "Mißbräuchliche Mehrfachverfolgung" und "Zeitlich versetzte
Mehrfachverfolgung" sowie den weiteren insoweit zu § 13 Abs. 5 UWG ergan-
genen Senatsentscheidungen zugrunde lagen (vgl. BGH, Urt. v. 6.4.2000
- I ZR 67/98, GRUR 2001, 82 = WRP 2000, 1263 - Neu in Bielefeld I; Urt. v.
6.4.2000 - I ZR 114/98, GRUR 2001, 84 = WRP 2000, 1266 - Neu in Bielefeld II;
Urt. v. 24.5.2000 - I ZR 222/97, GRUR 2001, 78 = WRP 2000, 1402 - Falsche
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Herstellerpreisempfehlung; Urt. v. 20.12.2001 - I ZR 215/98, GRUR 2002, 715 =
WRP 2002, 977 - Scanner-Werbung) - nicht um die Verfolgung desselben
(identischen) Wettbewerbsverstoßes, sondern lediglich um gleichartige, ähnli-
che Verstöße. Jedenfalls bei Fällen wie dem hier in Rede stehenden, die sich
durch einen zweigliedrigen Sachverhalt (Anzeigenwerbung, tatsächliche Vor-
ratsmenge in der jeweiligen Filiale) auszeichnen, kann grundsätzlich nicht von
einem mißbräuchlichen Vorgehen ausgegangen werden, wenn verschiedene
Konzernunternehmen das werbende Unternehmen an verschiedenen Standor-
ten in Anspruch nehmen, ohne ihr prozessuales Vorgehen zu bündeln. Denn
bei dieser Fallkonstellation hat grundsätzlich jedes Konzernunternehmen ein
berechtigtes Interesse daran, den Wettbewerber jeweils an dem Ort, an dem
dieser eine Filiale mit unzureichendem Warenvorrat betreibt, in Anspruch zu
nehmen. Dies liegt darin begründet, daß sich derartige Wettbewerbsverstöße,
auch wenn ihnen eine überregional verbreitete Werbung zugrunde liegt, nicht
einheitlich feststellen lassen. Denn die Annahme einer Irreführung über den
Warenvorrat setzt eine doppelte Prüfung voraus: Zum einen sind die durch die
Werbung ausgelösten Verkehrserwartungen, zum anderen die tatsächlichen
Verhältnisse in einer bestimmten Filiale festzustellen. Dieselbe überregional
verbreitete Werbeaussage kann daher hinsichtlich bestimmter Filialen zutreffen
und hinsichtlich anderer irreführend sein. Deshalb sind derartige Fälle für ein
gebündeltes Vorgehen - etwa am Gerichtsstand der beklagten Partei - in aller
Regel nicht geeignet, weil für alle Klagen bedeutsame Tatsachenfeststellungen
nur hinsichtlich der einheitlich zugrunde zu legenden Werbung, nicht aber hin-
sichtlich der Verhältnisse in den einzelnen Filialen getroffen werden können. In
Fällen dieser Art würde, wenn der Prozeß nicht am Ort der jeweiligen Filiale
geführt würde, die Aufklärung des Sachverhalts unter Umständen dadurch er-
schwert, daß Zeugen oder Wissensvertreter (§ 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO) anrei-
sen müßten. Damit ist hier ein vernünftiger Grund für ein getrenntes Vorgehen
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gegeben, der den Vorwurf des mißbräuchlichen Verhaltens im allgemeinen
ausschließt (BGH GRUR 2002, 713, 714 - Zeitlich versetzte Mehrfachverfol-
gung). Dies gilt um so mehr deshalb, weil die von den Schwestergesellschaften
der Klägerin beanstandeten Werbemaßnahmen der Beklagten in einem Fall
eine Woche nach der klagegegenständlichen Werbung und in den anderen
Fällen eine Woche davor durchgeführt worden waren und auch schon deshalb
nicht denselben Sachverhalt betrafen.
IV. Die Abweisung der Feststellungsklage als unzulässig erweist sich als
zutreffend, weil das für diese gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststel-
lungsinteresse bereits im maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung (vgl.
BGH, Urt. v. 18.12.1986 - I ZR 67/85, GRUR 1987, 524, 525 - Chanel No. 5 II;
Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 52
Rdn. 18, je m.w.N.) fehlte. Die Revisionserwiderung weist zutreffend darauf hin,
daß die Klägerin den Schaden, der ihr durch die infolge der beanstandeten
Werbung etwa entstanden sei, nach dem in beiden Tatsacheninstanzen un-
bestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten im Hinblick auf die ihr mit Schrei-
ben der Rechtsanwälte L. vom 8. April 1998 erteilten Auskünfte be-
reits im Zeitpunkt der Klageeinreichung am 5. Mai 1998 abschließend hätte be-
rechnen und beziffern können (vgl. OLG Schleswig NJWE-WettbR 1998, 91,
93; GroßKomm.UWG/Jacobs, Vor § 13 Rdn. D 394; Loewenheim in Pastor/
Ahrens, Der Wettbewerbsprozeß, 4. Aufl., Kap. 69 Rdn. 5).
V. Das Berufungsgericht hat zu der behaupteten Irreführung keinerlei
Feststellungen getroffen. Der Rechtsstreit ist deshalb hinsichtlich des gegen
den Beklagten zu 2 weiterverfolgten Unterlassungsantrags zurückzuverweisen.
Dessen Haftung kommt als handelndes Organ der werbenden Beklagten zu 1 in
Betracht.
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Das Berufungsgericht wird zu beachten haben, daß das begehrte Verbot
ohne eine Beschränkung auf die beanstandete Werbeanzeige nicht ausgespro-
chen werden darf. Mit dem Unterlassungsantrag werden auch Werbehandlun-
gen erfaßt, die wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden sind (vgl. BGH, Urt.
v. 10.12.1998 - I ZR 141/96, GRUR 1999, 509, 511 = WRP 1999, 421 - Vorrats-
lücken).
Ullmann
Starck
Bornkamm
Büscher
Schaffert