Urteil des BGH vom 19.01.2010

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VI ZB 36/08
vom
19. Januar 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
RVG-VV Nr. 1008
Wird ein Rechtsanwalt für eine im Wege des Direktanspruchs mitverklagte Partei und
zugleich für diese als Streithelferin einer anderen Partei tätig, steht ihm keine erhöhte
Gebühr nach Nr. 1008 RVG-VV zu.
BGH, Beschluss vom 19. Januar 2010 - VI ZB 36/08 - OLG Frankfurt in Darmstadt
LG Darmstadt
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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Januar 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll, Wellner, die Richterin Diederich-
sen und den Richter Stöhr
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten zu 3 gegen den Beschluss
des 12. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt
am Main vom 15. Mai 2008 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 358,15 €
Gründe:
I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten zu 1 und 2 als Fahrer bzw. Halter
sowie gegen die Beklagte zu 3 als Haftpflichtversicherer Schadensersatz aus
einem Verkehrsunfall geltend gemacht. Die Beklagte zu 3 ist dem Rechtsstreit
auf Seiten der Beklagten zu 1 und 2, die durch einen eigenen Prozessbevoll-
mächtigten vertreten waren, als Streithelferin beigetreten, weil wegen des Ein-
wands einer Unfallmanipulation eine Interessenkollision nicht auszuschließen
war. Ihr Prozessbevollmächtigter hat "namens und auftrags der Beklagten zu 3"
in deren Eigenschaft als Streithelferin der Beklagten zu 1 und 2 ebenfalls Kla-
geabweisung beantragt.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Klägerin die Kosten
des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebenintervention auferlegt. Bei
der Kostenfestsetzung hat es den Antrag der Beklagten zu 3 abgelehnt, im Hin-
blick auf ihre Nebenintervention eine zweifache Erhöhungsgebühr von 0,3 ge-
mäß Nr. 1008 RVG-VV festzusetzen. Die sofortige Beschwerde der Beklagten
zu 3 hat das Oberlandesgericht durch den angefochtenen Beschluss zurückge-
wiesen. Das Landgericht habe die Voraussetzungen für eine erhöhte Gebühr
gemäß Nr. 1008 RVG-VV zu Recht als nicht erfüllt erachtet. Voraussetzung für
eine Erhöhung sei, dass der Prozessbevollmächtigte mehrere Mandanten ver-
treten habe. Der von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 3 erklärte
Beitritt der Beklagten zu 3 als Streithelfer der Beklagten zu 1 und 2 habe aber
kein Mandat der - anderweitig anwaltlich vertretenen - Beklagten zu 1 und 2 im
Sinne der Nr. 1008 RVG-VV zur Folge gehabt. Vielmehr habe der von der Be-
klagten zu 3 im eigenen Interesse erklärte Beitritt als Nebenintervenient (§ 66
Abs. 1 ZPO) lediglich zur Folge gehabt, dass die Beklagte zu 3 kraft eigenen
Rechts die Rechtsstellung eines Gehilfen der Beklagten zu 1 und 2 im Prozess
erlangt habe. Die erhöhte Gebühr gemäß Nr. 1008 RVG-VV falle im Falle der
Nebenintervention nur an, wenn der von dem Rechtsanwalt vertretene Streithel-
fer und die von ihm vertretene Partei nicht dieselbe Person sei.
Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde ver-
folgt die Beklagte zu 3 den Antrag weiter, ihr eine zweifach erhöhte Gebühr
nach Nr. 1008 RVG-VV zuzubilligen.
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II.
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Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen
zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das Oberlandesgericht hat zu
Recht die Voraussetzungen für die Zubilligung einer erhöhten Gebühr verneint.
1. Zwar gilt im Haftpflichtprozess nach einem Verkehrsunfall im Innen-
verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer § 7 Abs. 2 Nr. 5
AKB. Danach hat der Versicherungsnehmer im Falle eines Rechtsstreits des-
sen Führung dem Versicherer zu überlassen und dem Rechtsanwalt, den der
Versicherer bestellt, Vollmacht zu erteilen (vgl. Senatsbeschluss vom
20. Januar 2004 - VI ZB 76/03 - VersR 2004, 622, 623). Wird gemäß dieser Be-
stimmung im Haftpflichtprozess gegen den Versicherungsnehmer und den Haft-
pflichtversicherer ein einheitlicher Prozessbevollmächtigter bestellt, wird dieser
für mehrere Personen im Sinne der Nr. 1008 RVG-VV tätig.
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2. Im vorliegenden Fall liegt jedoch eine andere Situation vor. Hier ist der
Prozessbevollmächtigte für die Beklagte zu 3 als im Wege des Direktanspruchs
mitverklagte Partei und zugleich für die Beklagte zu 3 als Streithelferin der Be-
klagten zu 1 und 2 tätig geworden. In diesem Fall steht dem Prozessbevoll-
mächtigten keine erhöhte Gebühr nach Nr. 1008 RVG-VV zu, weil er nicht für
verschiedene Personen im Sinne dieser Vorschrift tätig geworden ist.
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Der Nebenintervenient ist nicht Vertreter der von ihm unterstützten Par-
tei. Er beteiligt sich vielmehr nur an einem fremden Prozess und handelt inso-
weit neben der Hauptpartei. Der Nebenintervenient handelt mithin stets in eige-
nem Namen und kraft eigenen Rechts (vgl. Musielak/Weth, ZPO, 7. Aufl., § 67
Rn. 2; PG/Gehrlein, ZPO, § 67 Rn. 1; Zöller/Vollkommer, 27. Aufl., ZPO, § 67
Rn. 1, jeweils m.w.N.).
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Im Hinblick darauf wird zu Recht ein Anspruch auf eine erhöhte Gebühr
nach Nr. 1008 RVG-VV (früher: § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO) verneint, wenn ein
Rechtsanwalt in einem Prozess eine Partei und zugleich diese als Streithelfer
eines Dritten vertritt (vgl. OLG Braunschweig, OLGR Braunschweig 2001, 181,
182; OLG Koblenz, JurBüro 2004, 484; OLG München, OLGR München 1993,
171). Nach dem Sinn und Zweck der Nr. 1008 RVG-VV soll mit der Erhöhung
dem mit dem Vorhandensein mehrerer Beteiligter typischerweise verbundenen
Mehr an Arbeit und Aufwand, insbesondere durch die laufende Informations-
aufnahme und Unterrichtung durch den Rechtsanwalt, in genereller Weise
Rechnung getragen werden. Zudem wird die Erhöhung in solchen Fällen mit
dem für den Prozessbevollmächtigten bestehenden höheren Haftungsrisiko be-
gründet (vgl. BGH, NJW 1987, 2240, 2241; OLG München, aaO; Ge-
rold/Schmidt/Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 18. Aufl., 1008 VV
Rn. 37; BT-Drucks. 7/2016 S. 99; BT-Drucks. 15/1971 S. 205). Nach diesem
Sinn und Zweck ist es zwar grundsätzlich möglich, dass der Rechtsanwalt eine
erhöhte Gebühr erhält, wenn er eine Partei und zugleich einen Streithelfer ver-
tritt, weil es unerheblich ist, in welcher Rolle die mehreren Auftraggeber an ei-
ner Angelegenheit beteiligt sind (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, aaO,
Rn. 40). Der Anwalt muss aber für mehrere Personen tätig werden. Dies ist
nicht der Fall, wenn er einen Auftraggeber vertritt, der in verschiedenen Rollen
am Verfahren teilnimmt, wie hier die Beklagte zu 3 als Partei und zugleich als
Nebenintervenient (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, aaO, Rn. 48). In einem
solchen Fall liegt eine andere Situation vor als in den Verfahren, in denen der
Rechtsanwalt den Nebenintervenienten und die von diesem unterstützte Partei
vertritt (vgl. OLG Hamburg JurBüro, 1984, 702) oder eine Person
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gleichzeitig als Partei kraft Amtes und als natürliche Person gesamtschuldne-
risch in Anspruch genommen wird (vgl. OLG Köln, OLGR Köln 2009, 64).
Galke Zoll Wellner
Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 06.03.2008 - 3 O 16/06 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 15.05.2008 - 12 W 43/08 -