Urteil des BGH vom 25.04.2014
BGH: sequester, befragung von zeugen, hinterlegung, vergleich, verbundenes unternehmen, beratung, auszahlung, einzahlung, ernte, wiedereröffnung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
LwZR 2/13
Verkündet am:
25. April 2014
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat auf die mündliche
Verhandlung vom 25. April 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann
und die Richter Dr. Lemke und Dr. Czub sowie die ehrenamtlichen Richter Beer und
Kees
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Senats für
Landwirtschaftssachen des Oberlandesgerichts Rostock vom
13. März 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über
die
Kosten
des
Revisionsverfahrens,
an
das
Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist Eigentümerin landwirtschaftlich genutzter Flurstücke, die
aufgrund schriftlichen Vertrags vom 14. März 2001 an die Rechtsvorgängerin
der Beklagten verpachtet waren. In einem gerichtlichen Verfahren wurde eine
Verlängerung der Pachtzeit bis in das Jahr 2010 vereinbart. Die Beklagte wurde
durch Umwandlung der Rechtsvorgängerin Pächterin der Flächen. Sie gab
diese Ende 2010 nicht an die Klägerin heraus.
Anlässlich der von beiden Parteien auf diesen Flächen im Jahr 2011
begonnenen Rapsernte kam es zu einem einstweiligen Verfügungsverfahren
mit umgekehrtem Rubrum, in dem die Parteien am 21. Juli 2011 einen
Vergleich mit - soweit hier von Interesse - folgendem Inhalt schlossen:
„1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Einbringung und
die Bergung der Ernte auf den streitgegenständlichen Flächen ...
durch den von ihnen beauftragten Sequester ... erfolgen soll. Der
Sequester soll die Ernte bestmöglich verkaufen und den
Ernteerlös bei dem zuständigen Amtsgericht ... zu Gunsten der
Parteien hinterlegen.
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2. ...
3. ...
4. Der Sequester wird vor Aberntung der Flächen angesichts des
Umstands, dass die Parteien bereits in unterschiedlichem
Umfange
Flächen
abgeerntet
haben,
vorab
die
noch
abzuerntende Fläche ermitteln. Der sich aus der Restfläche
ergebende Ertrag (pro ha) wird vom Sequester auf die
Gesamtfläche (142,3332 ha) hochgerechnet und den Parteien
mitgeteilt.
5. Von dem sich so ergebenden Durchschnittsertrag pro Hektar
zahlt die ... [in diesem Rechtsstreit die Klägerin] den sich danach
für fünf Hektar ergebenden Erlös auf das Hinterlegungskonto bei
dem Amtsgericht ... binnen zwei Wochen nach Mitteilung des
Durchschnittsertrags ein.
6. Von dem sich so ergebenden Durchschnittsertrag pro Hektar
zahlt die ... [in diesem Rechtsstreit die Beklagte] den sich danach
für die von ihr abgeerntete Fläche ergebenden Erlös innerhalb von
14 Tagen nach Mitteilung des Durchschnittserlöses auf das
Hinterlegungskonto bei dem Amtsgericht ... ein. Die von ... [hier
der Beklagten] abgeerntete Fläche ergibt sich rechnerisch aus der
Gesamtfläche 142,332 ha abzüglich 5 ha (von der ... [hier der
Klägerin] abgeerntete Fläche) abzüglich der vom Sequester vor
Aberntung noch zu ermittelnden Flächengröße.
.
..“
Kurz nach Abschluss des Vergleichs stellte der Sequester fest, dass ein
Dritter trotz ungünstiger Witterungsverhältnisse (Regen und Hagelschlag) auf
ca. 18 ha die Rapsernte von der Fläche eingebracht hatte, die nach dem
Vergleich von ihm abgeerntet werden sollte. In seinem Bericht vom 10.
Dezember 2011 ordnete der Sequester auch
den von ihm als „gestohlen“
bezeichneten Ernteertrag der Beklagten zu und gab dieser für eine
Gesamtfläche von 76,5 ha eine Einzahlung auf das Hinterlegungskonto von
insgesamt 88.330,70 € auf. Zur Begründung gab er an, dass Anwohner
Fahrzeuge einer Fa. K. gesehen hätten, bei der es sich um ein mit
der Beklagten verflochtenes Unternehmen handele; mit deren Fahrzeugen sei
die Rapsernte auf den von ihm noch abzuerntenden Flächen durchgeführt
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worden. In dem Termin vor dem Amtsgericht legte der Sequester eine neue
Seite 18 seines Berichts vor, auf der eine Fläche von 51,46 ha der Beklagten
und eine Fläche von 16,85 ha als „gestohlen“ ausgewiesen wurde; zwischen
den Parteien ist streitig, ob der Sequester damit seinen Bericht korrigiert hat.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit, dass sie die Einzahlung auf das
Hinterlegungskonto nicht vornehmen werde. Die Klägerin hat Klage erhoben
mit den Anträgen, 1. die Beklagte zu verurteilen, einen Hinterlegungsantrag bei
dem Amtsgericht zu stellen,
2. einen Betrag von 88.330,70 € gemäß dem auf
sie nach dem Bericht des Sequesters entfallenden Anteil auf das
Hinterlegungskonto zu zahlen und 3. hilfsweise für den Fall, dass dem Antrag
zu 2 stattgegeben wird, die Beklagte zu verurteilen, der Auszahlung der
hinterlegten Beträge an die Klägerin zuzustimmen. In der mündlichen
Verhandlung hat die Klägerin den Hilfsantrag vorsorglich im Wege der
Stufenklage als Hauptantrag gestellt. Das Amtsgericht (Landwirtschaftsgericht)
hat durch Teilurteil dem Antrag zu 1 sowie dem Antrag zu 2 in Höhe von
83.031,91
€
nebst
Zinsen
stattgegeben.
Das
Oberlandesgericht
(Landwirtschaftssenat) hat die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil
zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die
Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hält die Klage für begründet, weil die Beklagte
nicht den ihr obliegenden Beweis geführt habe, dass die Feststellungen des als
Schiedsgutachter
tätigen
Sequesters
offenbar
unrichtig
seien.
Der
Schiedsgutachter, der bei der Wahl des Verfahrens zur Aufklärung des
Sachverhalts frei gewesen sei, habe auf Grund der Befragung von Zeugen aus
der Nachbarschaft die Aberntung von ca. 18 ha durch die K. feststellen
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und den darauf entfallenden Ertrag der Beklagten zurechnen dürfen. So sei der
Bericht auch zu verstehen.
II.
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil das Berufungsgericht bei
der Entscheidung nicht vorschriftsmäßig besetzt war.
1. Der Besetzungsfehler ist von dem Senat zu berücksichtigen, da die
Revision eine dahingehende Verfahrensrüge erhoben hat (zu deren
Erforderlichkeit: BGH, Beschluss vom 29. April 2004 - V ZB 46/03, NJW-RR
2004, 1294). Diese Rüge ist auch begründet. Die Revision hat sich bei der Dar-
legung des geltend gemachten Revisionsgrunds (§ 551 Abs. 3 Nr. 2
Buchstabe b ZPO) nämlich nicht lediglich auf bloße Vermutungen gestützt (vgl.
BGH, Beschluss vom 7. Februar 1995 - X ZB 20/92, NJW-RR 1995, 700) oder
ein
vom
Akteninhalt
abweichendes
Prozessgeschehen
ohne
jede
Glaubhaftmachung behauptet (vgl. Senat, Beschluss vom 29. November 2013
- BLw 4/12, NJW-RR 2014, 243 Rn. 35), sondern die den Verfahrensmangel
begründenden Tatsachen anhand der Gerichtsakte aufgezeigt.
2. Das Berufungsgericht hätte, da der Rechtsstreit eine Landpachtsache
nach § 1 Nr. 1a LwVG ist, in der die Oberlandesgerichte - soweit nichts anderes
bestimmt ist - nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 LwVG mit drei Mitgliedern des
Oberlandesgerichts und zwei ehrenamtlichen Richtern tätig, in dieser
Besetzung entscheiden müssen.
a) Das war bei der Entscheidung über den bis zum Schluss der
mündlichen Verhandlung vorgetragenen Sach- und Streitstand auch der Fall.
Das Berufungsurteil ist gemäß § 309 ZPO von allen Richtern (einschließlich der
ehrenamtlichen) gefällt worden, die an der mündlichen Verhandlung
teilgenommen haben. Nach dem Akteninhalt ist davon auszugehen, dass das
Berufungsgericht am Tag der mündlichen Verhandlung unter Beteiligung der
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ehrenamtlichen Richter über das Urteil abschließend beraten und abgestimmt
hat. Anderes wird auch von keiner Partei vorgetragen.
b) Nicht ordnungsgemäß besetzt war das Berufungsgericht jedoch bei
der Entscheidung über den nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung
eingereichten Schriftsatz.
In dem Verfahrensstadium zwischen der Beratung und Abstimmung (hier
am 20. Februar 2013) und der Verkündung (hier am 13. März 2013) ist das
Urteil noch nicht bindend, sondern kann nach nochmaliger Beratung geändert
werden (BGH, Urteil vom 8. November 1973 - VII ZR 86/73, BGHZ 61, 369,
370). Dem Gericht obliegt es deshalb auch nach der Beratung und
Abstimmung, eingehende Schriftsätze zur Kenntnis zu nehmen und eine
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zu prüfen (Senat, Beschluss
vom 15. April 2011 - LwZR 7/10, NL-BzAR 2011, 270 Rn. 12; BGH, Urteil vom
1. Februar 2002 - V ZR 357/00, NJW 2002, 1426, 1427; BAG, NJW 2009,
1163, 1164). Nehmen von einem nachgereichten Schriftsatz nur die
Berufsrichter Kenntnis, wird der Prozesspartei, die diesen Schriftsatz verfasst
hat, der gesetzliche Richter entzogen (BAG, NJW 2009, 1163, 1164). An der
Entscheidung über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung müssen
auch die ehrenamtlichen Richter mitwirken, weil die in § 20 Abs. 1 LwVG
aufgeführten Ausnahmen von der Mitwirkung nicht vorliegen (vgl. Senat, Urteile
vom 23. November 2007 - LwZR 5/07, NJW 2008, 580, 581 Rn. 8 und vom
15. April 2011 - LwZR 7/10, NL-BzAR 2011, 270 Rn. 12). Wird das nicht
beachtet, ist das Gericht bei der Beratung und Entscheidung über das von ihm
verkündete Urteil, mit dem konkludent die Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung aus Anlass des nachgereichten Schriftsatzes abgelehnt wird, nicht
ordnungsgemäß besetzt (Senat, Urteil vom 15. April 2011 - LwZR 7/10, aaO
Rn. 13).
3. So verhält es sich hier.
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a) Aus der Gerichtsakte ist zu ersehen, dass der nachgereichte
Schriftsatz der Beklagten vom 11. März 2013 zur Akte genommen und vom
Senatsvorsitzenden lediglich die Übermittlung einer Durchschrift an die Klägerin
verfügt wurde. Den ehrenamtlichen Mitgliedern des Senats wurde er dagegen
nicht bekannt gegeben, und es hat keine Beratung unter ihrer Beteiligung mehr
stattgefunden. Den Beklagten ist schon durch diese Behandlung ihres
Vorbringens in dem nachgereichten Schriftsatz der gesetzliche Richter
entzogen worden. Aus § 193 Abs. 1 GVG ergibt sich nämlich, dass jede
Entscheidung eines Kollegialgerichts auf einer Beratung und Abstimmung der
zur Entscheidung berufenen Mitglieder beruhen muss (Senat, Beschluss vom
29. November 2013 - BLw 4/12, NJW-RR 2014, 443 Rn. 26). Die
Nichtmitwirkung eines zuständigen Richters verletzt zugleich Art. 101 Abs. 1
Satz 2 GG (Senat, Beschluss vom 28. November 2008 - LwZR 4/08, NJW-RR
2009, 286 Rn. 11).
b) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kommt es deswegen
nicht darauf an, ob das Vorbringen in dem nachgereichten Schriftsatz, nicht der
Schiedsgutachter, sondern erst das Landwirtschaftsgericht habe den Ertrag aus
den „gestohlenen Flächen“ der Beklagten zugerechnet, bereits Gegenstand der
mündlichen Verhandlung und damit auch Grundlage der Urteilsberatung mit
den ehrenamtlichen Richtern war. Die Frage, ob ein nachgereichter Schriftsatz
hinreichenden Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung
gibt, ist von allen Mitgliedern des Gerichts zu entscheiden. Die ehrenamtlichen
Richter dürfen davon nicht ausgeschlossen werden.
c) Ohne Erfolg bleibt auch der von der Revisionserwiderung in der
mündlichen Verhandlung vorgetragene Einwand, es könne - auch wenn aus der
Gerichtsakte sich dazu nichts ergebe - nicht ausgeschlossen werden, dass das
Berufungsgericht noch unter Beteiligung der ehrenamtlichen Mitglieder über
den nachgereichten Schriftsatz beraten habe, weshalb das Revisionsgericht vor
einer Entscheidung über die Besetzungsrüge bei dem Berufungsgericht
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nachfragen müsse. Dieses Vorbringen ist deshalb unbeachtlich, weil die
Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter an der Entscheidungsfindung in einer für
die Parteien und das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise festgehalten sein
muss (Senat, Beschluss vom 20. April 2012 - LwZR 5/11, NJW-RR 2012, 879
Rn. 12; Beschluss vom 29. November 2013 - BLw 4/12, NJW-RR 2012, 243
Rn. 34). Das setzt - da das Urteil nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 LwVG nicht
auch von den ehrenamtlichen Richtern unterschrieben wird - eine
Dokumentation der Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter in den Akten voraus
(Senat, Beschluss vom 20. April 2012 - LwZR 5/11, aaO).
4. Der Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach § 547 Nr. 1
ZPO ein absoluter Revisionsgrund. Die Kausalität der Rechtsverletzung für die
angefochtene Entscheidung wird nach dem Gesetz vermutet. Das
Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
III.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Das Berufungsgericht musste die erstinstanzliche Entscheidung nicht
wegen einer Verletzung der §§ 254, 301 ZPO aufheben.
a) Die Klageverbindung ist zulässig. Richtig ist allerdings der Einwand
der Revision, dass die Voraussetzungen einer Stufenklage nach § 254 ZPO
nicht vorliegen. Bei ihr handelt es sich um eine besondere Form der
Klagehäufung nach § 260 ZPO durch die Verbindung des (noch unbezifferten)
Zahlungsanspruchs mit dem zu seiner Konkretisierung erforderlichen
Hilfsanspruch auf Auskunft und Rechnungslegung (vgl. BGH, Urteil vom
27. November 1998 - V ZR 180/97, VIZ 1999, 161, 162; Urteil vom 29. März
2011 - VI ZR 117/10, BGHZ 189, 79 Rn. 8).
Der Grund der „stufenweisen“
Rechtsverfolgung ist hier jedoch nicht eine durch Auskunft zu behebende
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Ungewissheit über die Höhe des Anspruchs, sondern die in dem Vergleich
getroffene Vereinbarung über das Verfahren in dieser Angelegenheit (nach der
zuerst der gesamte Ernteertrag zu hinterlegen und erst danach über die Rechte
an dem hinterlegten Geldbetrag zu entscheiden ist).
Nicht zu folgen ist jedoch dem daraus von der Revision gezogenen
Schluss, dass in anderen als in den in § 254 ZPO bezeichneten Fällen eine
Klagehäufung dergestalt, dass die Erfüllung des mit einer Klage verfolgten
Anspruchs (auf Hinterlegung) Voraussetzung für den Erfolg der anderen Klage
(auf Zustimmung zur Auszahlung) ist, unzulässig wäre. Die Verbindung der
Klagen auf eine fällige und auf eine künftige Leistung ist zwar nicht nach § 254
ZPO, aber in entsprechender Anwendung des § 259 ZPO zulässig; danach
kann eine Klage auf eine künftige Leistung bereits dann erhoben werden, wenn
den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich
der rechtzeitigen Leistung entziehen werde.
aa) Der Bundesgerichtshof hat eine solche Klageverbindung nach
§§ 259, 260 ZPO im Zusammenhang mit Vorverträgen zugelassen. Der
Gläubiger kann zugleich aus dem Vorvertrag auf Abschluss des Hauptvertrags
und auf dessen Erfüllung klagen. Zwar entsteht in diesen Fällen der Anspruch
auf die Leistung aus dem Hauptvertrag erst nach dessen Abschluss durch eine
rechtskräftige Verurteilung des Schuldners zum Vertragsabschluss. Wenn der
Beklagte aber seine Verpflichtung aus dem Vorvertrag bestreitet, ist dem
Kläger nach dem Rechtsgedanken des § 259 ZPO aus prozessökonomischen
Gründen eine solche Klageverbindung gestattet. Dem Beklagten entstehen
durch diese Verbindung keine Nachteile, da ihm keine Einwendungen (weder
gegen seine Inanspruchnahme aus dem Vorvertrag noch gegen die Ansprüche
aus dem Hauptvertrag) abgeschnitten werden (Senat, Urteil vom 18. April 1986
- V ZR 32/85, NJW 1986, 2820, 2821 und vom 21. Dezember 2000
- V ZR 254/99, NJW 2001, 1285, 1286).
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bb) Aus den gleichen Erwägungen kann der Kläger nach §§ 259, 260
ZPO gleichzeitig auf Hinterlegung und auf Zustimmung zur Auszahlung des
hinterlegten Betrags klagen, wenn die Parteien sich auf ein solches Vorgehen
verständigt haben und das Verhalten des Beklagten die Besorgnis der
Leistungsverweigerung begründet. So verhält es sich hier. Die Parteien haben
sich in dem Vergleich wechselseitig zur Sequestrierung des Ernteertrags von
der streitigen Fläche durch Hinterlegung verpflichtet. Das Verhalten der
Beklagten - das Bestreiten der Pflicht zur Hinterlegung und jeder Berechtigung
der Klägerin an dem Ertrag - begründet die Befürchtung, dass sich die Beklagte
der Leistung entziehen werde. Der Klägerin ist es daher nicht zuzumuten,
hintereinander zwei Prozesse in dieser Angelegenheit zu führen. Die
Möglichkeit einer Klagehäufung ist der Klägerin nach dem Vergleich ungeachtet
dessen einzuräumen, dass sie die Beklagte auch sofort auf Zahlung verklagen
könnte.
b) Die Entscheidung durch Teilurteil verletzt nicht § 301 ZPO. Bei einer
zulässigen Verbindung der Klagen auf Einzahlung zwecks Hinterlegung und auf
Zustimmung zur Auszahlung des hinterlegten Betrags nach §§ 259, 260 ZPO
kann über den Antrag auf Hinterlegung durch Teilurteil nach § 301 Abs. 1 ZPO
entschieden
werden.
Zwar
darf
nach
ständiger
höchstrichterlicher
Rechtsprechung auch bei objektiver Klagehäufung ein Teilurteil nach § 301
ZPO
nur
ergehen,
wenn
die
Gefahr
einander
widersprechender
Entscheidungen - auch infolge einer abweichenden Beurteilung durch das
Rechtsmittelgericht - ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Urteil vom 28. September
2003 - V ZR 123/03, BGHZ 157, 133, 142; Urteil vom 29. März 2011 - VI ZR
117/19, BGHZ 189, 79 Rn. 15 mwN). Diese Gefahr ist bei einer Klagehäufung
zwar gegeben, wenn zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine
materiell-rechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein
Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind (BGH, Urteil vom 28. September 2003
- V ZR 123/03, aaO; Urteil vom 29. März 2011 - VI ZR 117/19, aaO Rn. 16). Bei
einem Anspruch auf Hinterlegung besteht sie aber nicht, wenn die Verpflichtung
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zur Hinterlegung - wie hier vereinbart - eine unverzügliche von der
nachfolgenden Verständigung oder Entscheidung über die Rechte an dem zu
hinterlegenden Betrag gerade unabhängige Sicherung herbeiführen soll.
2. Unbegründet ist der Einwand missbräuchlicher Rechtsausübung
gegenüber der Geltendmachung des Anspruchs auf Hinterlegung, den die
Beklagte darauf stützt, dass ihr der gesamte Ernteertrag zustehe, weil sie
mangels Formwirksamkeit der Befristungsabrede in dem Vertrag über die
Verlängerung der Pacht aus dem Jahr 2007 bei der Ernte im Jahr 2011 noch
Pächterin der Flächen gewesen sei.
Richtig ist allerdings, dass sich die Verfolgung eines Anspruchs
grundsätzlich als rechtsmissbräuchlich darstellt, wenn etwas verlangt wird, was
sofort wieder zurückgewährt werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 1981
- V ZR 58/79, BGHZ 79, 201, 204; Urteil vom 29. April 1985 - II ZR 146/84,
BGHZ 94, 240, 246; Urteil vom 21. Dezember 1989 - X ZR 30/89, BGHZ 110,
30, 33). Dieser Einwand kann jedoch gegenüber dem Anspruch auf eine
Hinterlegung zur Sequestrierung, zu der sich die Parteien wechselseitig in
einem gerichtlichen Vergleich vor einer Regelung über das zwischen ihnen
streitige Recht verpflichtet haben, nicht geltend gemacht werden. In solch
einem Fall kann sich keine Partei darauf berufen, nicht leisten zu müssen, weil
der zur Sicherheit für die andere Seite einzuzahlende Betrag nach materiellem
Recht ihr gebühre und daher wieder an sie auszuzahlen sei. Die Berufung auf
den dolo-agit Einwand widerspricht dem Inhalt und dem Zweck eines solchen
Vergleichs.
3. Unbegründet ist auch der Einwand der Revision,
der „gestohlene“
Ertrag sei der Beklagten zu Unrecht zugeordnet worden.
a) Das Berufungsgericht hat, indem es den Vorgaben des Berichts des
Sequesters gefolgt ist, nicht den Umfang der diesem nach dem Vergleich zuge-
wiesenen Aufgaben verkannt.
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aa) Der Vergleich enthält für den Sequester neben dem Auftrag zur Ein-
bringung der restlichen Ernte und zur Hinterlegung des daraus erzielten Erlöses
auch einen Schiedsgutachtervertrag. Ein Schiedsgutachter übernimmt es,
gemäß § 317 Abs. 1 BGB als Dritter die einer oder beiden Parteien obliegende
Leistung zu bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2008 - IX ZR
133/07, NJW 2008, 3641, 3642). Dies war der Inhalt der Nummern 4 bis 6 des
gerichtlichen Vergleichs, nach denen der Sequester die für die Höhe des bei
dem Amtsgericht zu hinterlegenden Betrags maßgebenden Faktoren
(Durchschnittsertrag und - bei der Beklagten - auch die von ihr abgeerntete
Fläche) zu ermitteln hatte.
bb) Die von dem Schiedsgutachter bestimmte Leistung ist für die
Parteien nur dann nicht verbindlich, wenn sie offenbar unrichtig ist (BGH, Urteil
vom 21. September 1983 - VIII ZR 233/82, NJW 1984, 43, 44). Bloße Zweifel
und kleinere Fehler haben die Parteien hinzunehmen. Die Bestimmung ist für
die Parteien allerdings nicht mehr verbindlich, wenn der Schiedsgutachter den
Vertragsinhalt als Vorgabe des Bereichs des ihm eingeräumten Ermessens
außer Acht gelassen oder seine Bestimmung maßgeblich an einem Kriterium
orientiert hat, das mit sachgerechter Überlegung schlechthin nichts gemein hat
(BGH, Urteil vom 3. November 1995 - V ZR 182/94, NJW-RR 1996, 452, 454).
cc) Der Sequester hat mit der Zuordnung des Ertrags aus der
„gestohlenen“ Fläche auf die Beklagte die Grenzen des ihm als
Schiedsgutachter zustehenden Ermessens nicht überschritten.
(1) Das Berufungsgericht ist allerdings - entgegen der Ansicht der
Erwiderung - davon ausgegangen, dass der Schiedsgutachter nach dem
Vergleich auch für die Einzahlung des aus der als
„gestohlenen“ bezeichneten
Fläche erzielten Ertrags eine verbindliche Feststellung treffen durfte. Es hat die
Bestimmung des Schiedsgutachters gemäß § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB darauf
überprüft, ob die seiner Entscheidung zugrunde liegenden Feststellungen
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wegen offenbarer Unrichtigkeit unverbindlich sind. Dementsprechend ist es von
der Beweislast der Beklagten zur Behauptung offenbarer Unrichtigkeit der
Feststellungen des Schiedsgutachters ausgegangen und hat diesen Beweis als
nicht geführt angesehen.
(2) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Schiedsgutachter habe
eine abschließende, die als gestohlen bezeichnete Fläche einschließende
Entscheidung über den auf das Hinterlegungskonto einzuzahlenden Betrag
treffen können, ist unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Zwecks des
Vergleichs rechtsfehlerfrei. Die Leistungsbestimmung des Schiedsgutachters
entspricht dem Wortlaut der Nummer 6 des Vergleichs, nach der der Ertrag aus
allen in der Nummer 1 des Vergleichs bezeichneten Flächen - mit Ausnahme
der von der Klägerin abgeernteten 5 ha und der von dem Schiedsgutachter als
Sequester abgeernteten Flächen - der Beklagten zugerechnet werden sollte.
Sie beruht vor dem Hintergrund, dass der Schiedsgutachter (u.a. auf Grund der
Mitteilung eines Zeugen über die Aberntung durch die K. ) davon
ausgehen durfte, dass die Aberntung nach Vergleichsschluss durch ein mit der
Beklagten verbundenes Unternehmen erfolgte, auf sachlichen Erwägungen. Es
hätte vor allem dem Zweck des vereinbarten Schiedsgutachtens, eine den
Streit über den zu hinterlegenden Betrag abschließende Bestimmung zu treffen
(vgl. BGH, Urteil vom 3. November 1995 - V ZR 182/94, NJW-RR 1996, 452,
454), widerspr
ochen, wenn die Zuordnung des „gestohlenen“ Ertrags offen
geblieben wäre.
(3) Der Umstand, dass beide Parteien im Revisionsverfahren sich auf
den Standpunkt gestellt haben, die diesbezüglichen Feststellungen seien nicht
der Entscheidung des Sequesters übertragen worden, gibt jedoch Anlass zu
dem Hinweis, dass die Parteien den Vergleich in Bezug auf die dem Sequester
zustehenden Befugnisse möglicherweise übereinstimmend anders verstanden
haben. Wäre das der Fall, stellte sich die Entscheidung des Berufungsgerichts
als rechtsfehlerhaft dar, weil bei der Auslegung vertraglicher Erklärungen
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übereinstimmende Vorstellungen der Parteien vom Inhalt der gewählten
Begriffe jeder anderen Auslegung vorgehen und den Inhalt der Vereinbarungen
bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2001 - V ZR 372/99, BGHZ 146,
280, 287 mwN). In der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht deshalb
seine Auslegung des Vergleichs unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt zu
überprüfen haben.
b) Soweit die Revision schließlich meint, das Berufungsgericht habe
nicht
von einer Zuordnung des Ertrags aus der „gestohlenen Fläche“ durch den
Sequester ausgehen dürfen, übergeht sie den Umstand, dass die Beklagte in
ihrer Berufungsbegründung eine offenkundig unbillige Leistungsbestimmung
durch den Sequester vorgetragen hat, und dass der von ihr zitierte Vortrag sich
so erst in dem nachgereichten, nicht nachgelassenen Schriftsatz befindet. Über
dessen Relevanz hätte das Berufungsgericht allerdings - wie bereits ausgeführt
- nur unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter entscheiden dürfen.
Stresemann
Lemke
Czub
Vorinstanzen:
AG Neubrandenburg, Entscheidung vom 19.10.2012 - 111 XV 3/12 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 13.03.2013 - 14 U XV 14/12 -
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