Urteil des BGH vom 06.04.2006
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 158/05
vom
6. April 2006
in dem Zwangsverwaltungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 709, 714; ZPO § 170 Abs. 1 und 3
Der Vollstreckungstitel, aufgrund dessen die Zwangsvollstreckung in das Vermögen
einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts erfolgen soll, muss an ihren Geschäftsführer
oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, an einen ihrer Gesellschafter zugestellt wer-
den.
BGH, Beschl. v. 6. April 2006 - V ZB 158/05 - LG Berlin
AG Berlin-Charlottenburg
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 6. April 2006 durch den Vor-
sitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-
Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer
des Landgerichts Berlin vom 14. September 2005 wird auf Kosten
der Schuldnerin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt
1.175.971,20 €.
Gründe:
I.
Die Gläubigerin beantragte am 20. September 2004 die Anordnung der
Zwangsverwaltung des in dem Eingang dieses Beschlusses bezeichneten
Grundstücks. In Abteilung I des Grundbuchs sind 42 Eigentümer in Gesellschaft
bürgerlichen Rechts eingetragen. Als Vollstreckungstitel legte die Gläubigerin
die gegen die in dem Grundbuch eingetragenen Eigentümer erteilte vollstreck-
bare Ausfertigung einer auf die Gläubigerin umgeschriebenen notariell beur-
kundeten Grundschuldbestellung vor, in welcher die Unterwerfungserklärung
nach § 800 ZPO enthalten ist. Diese Ausfertigung war am 3. September 2004
an H. -G. S. , einen der Gesellschafter der Schuldnerin, laut Zu-
stellungsurkunde "als GF der BGB" zugestellt worden.
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Mit Verfügung vom 24. September 2004 hat das Amtsgericht der Gläubi-
gerin mitgeteilt, dass dem Antrag noch nicht entsprochen werden könne. Die
Zustellung an H. -G. S. reiche nicht aus, weil die Gläubigerin nicht
bewiesen habe, dass er von allen Gesellschaftern zum geschäftsführenden Ge-
sellschafter bestellt worden sei; deshalb müsse der Vollstreckungstitel nebst -
klausel an alle Miteigentümer bzw. Gesellschafter zugestellt werden. Die dage-
gen gerichtete Beschwerde der Gläubigerin ist erfolgreich gewesen. Das Land-
gericht hat das Amtsgericht unter Aufhebung der angefochtenen Verfügung an-
gewiesen, von den darin geäußerten Bedenken Abstand zu nehmen.
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Mit der von dem Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde
will die Schuldnerin unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und unter
Zurückweisung der Beschwerde die Wiederherstellung der Verfügung des
Amtsgerichts erreichen. Die Gläubigerin beantragt die Zurückweisung des
Rechtsmittels.
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II.
Nach Auffassung des Beschwerdegerichts richtet sich der Vollstre-
ckungstitel auch gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts; einer vollstreck-
baren Ausfertigung gegen diese Gesellschaft bedürfe es nicht. Der Titel sei
ordnungsgemäß zugestellt worden. H. -G. S. sei geschäftsfüh-
render Gesellschafter der Schuldnerin. Ihm habe die Vertretungsbefugnis für
die Entgegennahme von Zustellungen nicht entzogen werden können. Für die
Anordnung der Zwangsverwaltung gegen die Gesellschaft sei es unerheblich,
ob einige Gesellschafter, gegen die die vollstreckbare Ausfertigung der Grund-
schuldbestellungsurkunde erteilt worden sei, aus der Gesellschaft ausgeschie-
den oder niemals Gesellschafter gewesen seien; denn entscheidend sei der
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Inhalt des Grundbuchs. Dieser stimme im Hinblick auf die Eigentümereintra-
gung mit den in dem Vollstreckungstitel genannten Gesellschaftern überein.
Das hält im Ergebnis einer rechtlichen Nachprüfung stand.
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III.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO) und
auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). Sie ist jedoch unbegründet. Das Be-
schwerdegericht hat das Amtsgericht zu Recht angewiesen, von seinen in der
angefochtenen Verfügung geäußerten Bedenken Abstand zu nehmen. Denn die
Zustellung an H. -G. S. ist für die Anordnung der Zwangsverwal-
tung ausreichend. Auf seine Bestellung zum Geschäftsführer der Schuldnerin
und auf die damit verbundene Vertretungsmacht (§ 714 BGB) kommt es entge-
gen der Ansicht der Vorinstanzen allerdings nicht an.
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1. Mit einer rechtlich nicht zu beanstandenden Begründung geht das Be-
schwerdegericht davon aus, dass der von der Gläubigerin vorgelegte Vollstre-
ckungstitel nach §§ 736, 794 Abs. 1 Nr. 5, 795, 800 Abs. 1 ZPO zur Zwangs-
vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen der Schuldnerin geeignet ist (vgl.
BGH, Beschl. v. 16. Juli 2004, IXa ZB 288/03, WM 2004, 1827, 1828 ff.). Dage-
gen erhebt die Rechtsbeschwerde auch keine Einwände.
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2. Gleiches gilt für die weitere Annahme des Beschwerdegerichts, dass
es für die Anordnung der Zwangsverwaltung unerheblich sei, ob einige der in
dem Vollstreckungstitel genannten Personen niemals Gesellschafter gewesen
oder aus der Gesellschaft ausgeschieden seien. Denn maßgeblich ist allein, ob
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sie als Eigentümer in dem Grundbuch eingetragen sind (§ 146 Abs. 1 ZVG
i.V.m. § 17 Abs. 1 ZVG). Das ist hier der Fall.
3. Im Ergebnis zutreffend nimmt das Beschwerdegericht an, dass die Zu-
stellung des Vollstreckungstitels an H. -G. S. für die Anordnung
der Zwangsverwaltung des Grundstücks ausreicht.
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a) Nach § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung u.a. nur
beginnen, wenn der Vollstreckungstitel dem Schuldner bereits zugestellt ist
oder gleichzeitig zugestellt wird. Eine Zustellung durch den Gläubiger im Partei-
betrieb reicht aus (§ 750 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die Zustellung ist wirksam, wenn
sie fehlerfrei nach § 166 ff. ZPO erfolgt ist. Diese Voraussetzungen liegen hier
vor.
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b) Die Schuldnerin ist die richtige Zustellungsempfängerin, weil die
Zwangsvollstreckung in das zu dem Gesellschaftsvermögen gehörende Grund-
stück erfolgen soll. Denn die Gesellschaft bürgerlichen Rechts besitzt Rechts-
fähigkeit, soweit sie - wie hier die Schuldnerin - durch Teilnahme am Rechts-
verkehr eigene Rechte und Pflichten begründet; in diesem Rahmen ist sie
zugleich im Zivilprozess aktiv und passiv parteifähig (BGHZ 146, 341). Zur Ent-
gegennahme der Zustellung war nach § 170 Abs. 1 ZPO der gesetzliche Vertre-
ter der Schuldnerin berufen (Senat, Beschl. v. 26. Januar 2006, V ZB 132/05,
Umdruck S. 9 [zur Veröffentlichung bestimmt]). Gesetzliche Vertreter sind nach
§§ 709 Abs. 1, 714 BGB alle Gesellschafter, wenn nicht der Gesellschaftsver-
trag etwas anderes vorsieht (BGH, Urt. v. 23. Oktober 2003, IX ZR 324/01,
WM 2004, 1290, 1292). Letzteres ist hier der Fall. Das Beschwerdegericht hat
festgestellt, dass H. -G. S. geschäftsführender Gesellschafter
der Schuldnerin ist. Somit ist er ihr alleiniger gesetzlicher Vertreter (§ 714 BGB).
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Deshalb ist die Zustellung an ihn als Geschäftsführer notwendig (vgl. Behr,
NJW 2000, 1137, 1138; Müther, MDR 2002, 987, 989).
aa) Der Wirksamkeit der Zustellung steht nicht entgegen, dass sich der
Umfang der Prüfungspflicht des Vollstreckungsgerichts (vgl. dazu BGH, Beschl.
v. 16. Juli 2004, IXa ZB 288/03, WM 2004, 1827, 1829) nach Ansicht der
Schuldnerin nicht darauf erstreckt, wer zur Geschäftsführung einer Gesellschaft
bürgerlichen Rechts berufen ist. Zwar muss das Vollstreckungsgericht u.a. prü-
fen, ob die für den Beginn der Zwangsvollstreckung erforderlichen Zustellungen
(§ 750 ZPO) wirksam erfolgt sind (OLG Frankfurt Rpfleger 1973, 323). Das ist
bei der Zustellung an den Geschäftsführer einer Gesellschaft bürgerlichen
Rechts in der Regel jedoch nur schwer möglich, weil die Geschäftsführerbestel-
lung und eine Änderung in der Geschäftsführung ein Internum der Gesellschaft
sind und Außenstehende hiervon nicht durch ein öffentliches Register sichere
Kenntnis erlangen können. Insoweit gilt nichts anderes als für die Zustellung an
sämtliche Gesellschafter als gesetzliche Vertreter der Gesellschaft; auch der
Wechsel der Gesellschaftereigenschaft und eine Änderung der Vertretungsbe-
fugnisse werden nicht durch eine Registereintragung nach außen verlautbart
(Senat, Beschl. v. 26. Januar 2006, V ZB 132/05, aaO). Aber hier steht fest,
dass H. -G. S. im Zeitpunkt der Zustellung alleiniger Geschäfts-
führer der Schuldnerin war. Das führt zu der Anwendung von § 170 Abs. 1 ZPO.
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bb) Der Einwand der Schuldnerin, H. -G. S. habe keine
Vertretungsmacht für die Entgegennahme der Zustellung des Vollstreckungsti-
tels gehabt, bleibt ohne Erfolg. Zwar kann der Gesellschaftsvertrag einer Ge-
sellschaft bürgerlichen Rechts nach außen wirkende Regelungen betreffend die
Einschränkung der Vertretungsbefugnis ihrer Geschäftsführer enthalten (BGH,
Urt. v. 6. Februar 1996, XI ZR 121/95, WM 1996, 2233). Ob aber danach auch
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die Befugnis zur Entgegennahme von Zustellungen an die Gesellschaft ausge-
schlossen werden kann, ist zweifelhaft; den Zweifeln braucht hier jedoch nicht
weiter nachgegangen zu werden. Denn wenn H. -G. S. als Ge-
schäftsführer der Schuldnerin keine Zustellungen für sie entgegennehmen durf-
te, galt für die Zustellung die gesetzliche Vertretungsregelung; danach waren
alle Gesellschafter gesetzliche Vertreter der Schuldnerin. In diesem Fall reichte
nach § 170 Abs. 3 ZPO die Zustellung an H. -G. S. als Gesell-
schafter aus. In dieser Eigenschaft war er uneingeschränkt vertretungsberech-
tigt.
cc) Ebenfalls erfolglos wendet die Schuldnerin ein, dass die Zustellung
des Vollstreckungstitels an sämtliche Gesellschafter habe erfolgen müssen,
weil ihnen mit der Anordnung der Zwangsverwaltung die Befugnis zur selbstän-
digen Verwaltung des Gesellschaftsvermögens genommen und damit in die
Grundlagen der Gesellschaft eingegriffen werde. Diese Auffassung trifft nicht
zu. Die Entgegennahme eines Vollstreckungstitels durch einen Gesellschafter
berührt nicht die Grundlagen der Gesellschaft, sondern ist lediglich eine Vor-
aussetzung für die Anordnung der Zwangsverwaltung, ohne dass diese der Zu-
stellung notwendigerweise nachfolgen müsste (vgl. BGHZ 97, 392, 395).
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dd) Der von der Schuldnerin hervorgehobene Grundsatz der Selbst-
organschaft einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der es verbietet, die Ge-
schäftsführung und die Vertretung der Gesellschaft unter Ausschluss sämtlicher
Gesellschafter auf Dritte zu übertragen (BGH, Urt. v. 20. September 1993, II ZR
204/92, WM 1994, 237, 238), spielt hier keine Rolle. Denn H. G.
S. ist Gesellschafter der Schuldnerin.
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ee) Unverständlich ist der Hinweis der Schuldnerin auf die Pflicht des
Vollstreckungsgerichts, bei der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück nach
§ 17 ZVG die Identität zwischen dem eingetragenen Eigentümer und dem Voll-
streckungsschuldner festzustellen. Denn hier stimmen die in dem zugestellten
Vollstreckungstitel genannten Schuldner mit den in dem Grundbuch als Eigen-
tümer eingetragenen Gesellschaftern überein. Das reicht für den Nachweis der
Identität aus und steht auch in Einklang mit der von der Schuldnerin in diesem
Zusammenhang hervorgehobenen Vorschrift des § 15 Abs. 3 GBV.
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ff) Ob - wie die Schuldnerin meint - in dem Rubrum des Beschlusses
über die Anordnung der Zwangsverwaltung eines zu dem Gesellschaftsvermö-
gen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gehörenden Grundstücks sämtliche
Gesellschafter als Eigentümer aufzuführen sind und der Beschluss ihnen zuzu-
stellen ist, braucht der Senat hier nicht zu entscheiden. Denn das Rechtsmittel
richtet sich nicht gegen den Anordnungsbeschluss des Amtsgerichts vom
11. Oktober 2005. Deshalb kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht auf
die Heilung eines etwaigen Mangels der Zustellung des Vollstreckungstitels
nach § 189 ZPO an (siehe dazu OLG Köln JurBüro 2000, 48, 49).
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gg) Schließlich kann die Schuldnerin nicht mit ihrem Einwand durchdrin-
gen, dass der Vollstreckungstitel an H. -G. S. mit dem Zusatz "als
GF der BGB" zugestellt worden ist. Denn die Bezeichnung als Geschäftsführer
in der Zustellungsurkunde ist nicht erforderlich. Aus dem Inhalt des zugestellten
Titels ergibt sich zweifelsfrei, gegen wen er sich richtet. Daraus folgt ohne wei-
teres, dass H. -G. S. die Zustellung als Vertreter der Schuldnerin
entgegengenommen hat (§ 164 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BGB).
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IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 24.09.2004 - 70 L 254/04 -
LG Berlin, Entscheidung vom 14.09.2005 - 81 T 992/04 -