Urteil des BGH vom 21.05.2008
BGH (sexuelle handlung, stgb, nötigung, stpo, strafkammer, schuldspruch, aufhebung, vergewaltigung, bestand, verurteilung)
5 StR 85/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 21. Mai 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Mai 2008
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Braunschweig vom 11. Oktober 2007 nach
§ 349 Abs. 4 StPO
a) dahingehend geändert, dass der Angeklagte hinsicht-
lich der Tat II. 6 der Nötigung und hinsichtlich der Tat
II. 10 der sexuellen Nötigung schuldig ist,
b) in den Einzelstrafaussprüchen für die Taten II. 5 und 6
und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-
richts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs
von Kindern in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem
Missbrauch von Schutzbefohlenen, wegen sexueller Nötigung in acht Fällen,
wegen Vergewaltigung in vier Fällen, sexuellen Missbrauchs von Schutzbe-
fohlenen sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfrei-
heitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine mit der
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Sachrüge und mit Verfahrenrügen geführte Revision hat den aus der Ent-
scheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen aus den Grün-
den der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.
1. Der Schuldspruch im Fall II. 6 der Urteilsgründe kann keinen Be-
stand haben. Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht das festgestellte Tatge-
schehen als sexuelle Nötigung nach § 177 Abs. 1 StGB gewertet. Die Auffor-
derung zum Entkleiden und Spreizen der Beine stellt zwar eine nicht uner-
hebliche sexuelle Handlung dar (BGHSt 43, 366, 368; BGHR StGB § 176
Abs. 5 sexuelle Handlung 1). Der Tatbestand des § 177 Abs. 1 StGB lässt
aber das Abnötigen einer sexuellen Handlung für sich genommen nicht aus-
reichen, vielmehr muss diese Handlung vom Täter oder von einem Dritten
am Opfer oder vom Opfer am Täter oder an einem Dritten vorgenommen
werden. Die Handlung vor dem Täter genügt nicht (vgl. BGH NStZ 1992,
433; Fischer, StGB 55. Aufl. § 177 Rdn. 48). Ein danach erforderlicher sexu-
albezogener Körperkontakt hat aber nicht stattgefunden. Jedoch liegt eine
Nötigung vor. Der Generalbundesanwalt hat hierzu zutreffend ausgeführt:
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„Allerdings ergibt sich bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Ur-
teilsgründe (UA S. 5: ‚Hör auf, sonst kriegst Du eine’) sowie aufgrund der mit
Ver- und Geboten einhergehenden (Stief)Vaterrolle des Angeklagten (vgl. UA
S. 3, 12) und des wegen des erheblichen Altersunterschieds bestehenden
‚Machtgefälles’ als Mittel der Willensbeeinflussung (vgl. hierzu BGHSt 42,
399, 402), dass der Angeklagte insoweit wegen Nötigung gemäß § 240
Abs. 1 StGB zu verurteilen ist.
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§ 265 Abs. 1 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht ent-
gegen. Der Senat wird ausschließen können, dass sich der die sexuellen
Handlungen vollumfänglich bestreitende Angeklagte anders und erfolgreicher
als geschehen gegen den veränderten Schuldvorwurf hätte verteidigen kön-
nen.“
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2. Soweit das Landgericht die Tat zu II. 10 der Urteilsgründe als Ver-
gewaltigung ausgeurteilt hat, ist dies auf Antrag des Generalbundesanwalts
zu berichtigen. Denn der Grundsatz, dass Strafzumessungsvorschriften nicht
in den Urteilstenor aufzunehmen sind (BGH, Beschluss vom 26. August 2005
– 3 StR 260/05), wird nur durchbrochen für Fälle des Beischlafs und solchen,
in denen die besonders erniedrigenden sexuellen Handlungen mit einem
Eindringen in den Körper verbunden sind (BGHR StGB § 177 Abs. 2 Straf-
rahmenwahl 10). Für den Schuldspruch in den Fällen, in denen beischlafähn-
liche besonders erniedrigende Handlungen nicht mit einem Eindringen in den
Körper verbunden sind, § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 2. Variante StGB, gelten
hingegen keine Besonderheiten. Die Verurteilung erfolgt wegen sexueller
Nötigung ohne Kennzeichnung des Strafzumessungsgrundes (Fischer, StGB
55. Aufl. § 177 Rdn. 75).
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3. Hinsichtlich der Tat zu II. 5 der Urteilsgründe hat der Schuldspruch
trotz der teilweise rechtsfehlerhaften rechtlichen Würdigung des Geschehens
Bestand. Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:
„Die Feststellungen der Strafkammer rechtfertigen im Ergebnis auch
hinsichtlich der Tat Ziffer II. 5 eine Verurteilung des Angeklagten wegen se-
xuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen. Zwar ist diesen nicht zu ent-
nehmen, dass der Angeklagte sexuelle Handlungen an der Geschädigten
vorgenommen oder von der Geschädigten an sich hat vornehmen lassen,
§ 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB a. F. Indes liegen die Voraussetzungen des § 174
Abs. 2 Nr. 1 StGB a. F. vor. Den Feststellungen ist noch hinreichend zu ent-
nehmen, dass der Angeklagte vor der Geschädigten sexuelle Handlungen
vorgenommen hat, um sich sexuell zu erregen. Er hielt seinen Penis vor das
Gesicht der Geschädigten, die die Augen weisungsgemäß zunächst ge-
schlossen und den Mund geöffnet hielt (UA S. 5). Soweit der Beschwerde-
führer nunmehr vorträgt, es sei denkbar, dass diese Handlung dazu dienen
sollte, die Geschädigte zu erschrecken (vgl. S. 2 der RB vom 30. Novem-
ber 2007), ist dies mehr als fernliegend; die Wertung der Strafkammer, dass
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eine sexuelle Handlung vorliegt, ist nicht zu beanstanden. Im Übrigen bedurf-
te es angesichts der hier festgestellten besonderen Gesamtumstände nicht
der (zusätzlichen) Feststellung, ob das Geschlechtsteil des Angeklagten zum
Zeitpunkt der Handlung erigiert war. Dass die Handlung Sexualbezug auf-
weist und seitens des Angeklagten erfolgte, um sich sexuell zu erregen, liegt
auf der Hand.
Ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten kam entgegen der Auf-
fassung des Beschwerdeführers nicht in Betracht, weil die Tat – auch ohne
die Durchführung des Oralverkehrs – bereits vollendet war.
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§ 265 Abs. 1 StPO steht der abweichenden rechtlichen Würdigung
nicht entgegen. Der Senat wird ausschließen können, dass sich der die se-
xuellen Handlungen vollumfänglich bestreitende Angeklagte anders und er-
folgreicher als geschehen hätte verteidigen können.“
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Dem schließt sich der Senat an.
4. Die unzutreffende rechtliche Würdigung der Taten zu II. 5 und 6 der
Urteilsgründe hat dazu geführt, dass das Landgericht seiner Strafzumessung
strengere Strafrahmen – dies gilt für die Tat zu II. 5 selbst unter Berücksichti-
gung der Strafzumessungsregel des § 240 Abs. 4 Nr. 1 StGB – zugrunde
gelegt hat. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die für die Taten zu II. 5
(Einzelfreiheitsstrafe: ein Jahr) und II. 6 (Einzelfreiheitsstrafe: ein Jahr und
neun Monate) verhängten Einzelstrafen durch die Wahl des unzutreffenden
Strafrahmens beeinflusst worden sind. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht
die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
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Angesichts der hier vorliegenden Subsumtionsfehler können alle Fest-
stellungen bestehen bleiben.
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Basdorf Raum Brause
Schaal Schneider