Urteil des BGH vom 15.07.2002
BGH (anlage, alv, inventar, zahlung, technik, vergleich, lpg, gutachten, sache, kaufpreis)
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 52/00
Verkündet am:
15. Juli 2002
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 15. Juli 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht
und die Richter Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und die Richte-
rin Münke
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Rostock vom 17. Januar 2000 im Kostenaus-
spruch und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von
50.000,00 DM als unzulässig abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisions-
verfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind aus der LPG P. S. hervorgegangen, die 1983 aufgeteilt
wurde in die LPG (P) S. (Klägerin), die sich seit dem 1. Juni 1991 in Liquidation
befindet, und die LPG (P) K., deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Beide
Genossenschaften kamen überein, ab 1. Januar 1983 die Kosten der Nutzung
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der Anlage zur Aufbereitung, Lagerung und Vermarktung von Speisekartoffeln
(ALV-Anlage) je zur Hälfte zu tragen. Die Eigentumsverhältnisse an der ALV-
Anlage blieben streitig.
Am 15. Mai 1991 vereinbarten die Parteien im Wege des Vergleichs in
dem Verfahren umgekehrten Rubrums vor dem Kreisgericht Sch.
- 1 C 7/91 HS -, dessen Gegenstand ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen
Verfügung war, sich hinsichtlich der ALV-Anlage wie folgt auseinanderzusetzen:
Ausgehend davon, daß beide Seiten an der Anlage je zur Hälfte berechtigt sei-
en, sollte die hiesige Klägerin der hiesigen Beklagten ihren hälftigen Anteil an
der Anlage gegen Zahlung des hälftigen Werts derselben übertragen. Der Ver-
kehrswert sollte durch zwei vom Gericht bestellte unabhängige Gutachter er-
mittelt werden. Mit Zahlung des Übernahmepreises sollte die Anlage der Be-
klagten zum Alleinbesitz und Alleineigentum übergeben werden.
Auf Grund dieses Vergleichs wurde ein Gutachten der Sachverständigen
Sa. und M. eingeholt. In dem Verfahren 10/4 O 531/93 des Landgerichts
R. hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung der Hälfte des von den Sachver-
ständigen ermittelten Verkehrswerts der Anlage in Anspruch genommen. Ihrer
Klage ist durch Urteil vom 29. November 1999 teilweise stattgegeben worden.
Über die Berufung der Klägerin ist noch nicht entschieden.
Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin von der Beklagten
anteilige Nutzungskosten für die ALV-Anlage sowie für verschiedene weitere
Räumlichkeiten, den Kaufpreis für die Technik der ALV-Anlage und Ersatz ihrer
Aufwendungen für die Feldbestellung, insgesamt 167.166,05 DM. Das Landge-
richt hat der Klage unter Abweisung im übrigen überwiegend stattgegeben,
nämlich durch Teilurteil vom 21. September 1998 in Höhe von 41.076,93 DM
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und durch Schlußurteil vom 16. November 1998 in Höhe weiterer 50.000,00 DM
(Kaufpreis für die Technik der ALV-Anlage) nebst Zinsen sowie Zinsen auf ei-
nen der Klägerin bereits mit dem Teilurteil zuerkannten Betrag. Auf die Rechts-
mittel beider Parteien hat das Oberlandesgericht die landgerichtlichen Ent-
scheidungen geändert. Im Revisionsverfahren ist nur noch von Bedeutung, daß
es hinsichtlich der mit dem Schlußurteil zugunsten der Klägerin ausgeurteilten
50.000,00 DM nebst Zinsen die Klage als unzulässig abgewiesen hat. Insoweit
hat der Senat die Revision der Klägerin angenommen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist im Umfang der Annahme begründet und führt insoweit
zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Nach Darstellung der Klägerin haben die Parteien am 21. November
1991 vereinbart, daß die Beklagte das Inventar der ALV-Anlage - Förderbänder,
Fraktionierer, Steintrenner, Sortiertische, Palettenfüllgeräte, Palettenanteil,
E-Ausrüstung, Werkstattausrüstung, diverse Ersatzteile - für 50.000,00 DM er-
werbe. Das Landgericht hat diese Forderung nach Durchführung einer Beweis-
aufnahme für begründet erachtet.
Das Berufungsgericht hält die Klage insoweit für unzulässig, weil die
Parteien sich in dem Vergleich vom 15. Mai 1991 über die Auseinandersetzung
der ALV-Anlage einschließlich der technischen Geräte und das weitere Verfah-
ren bindend geeinigt hätten. Die von der Klägerin behauptete Einigung der
Parteien über einen Eigentumserwerb gegen Zahlung von 50.000,00 DM möge
eine Modifikation oder Ausfüllung des Vergleichs in dem Sinne bedeuten, daß
die Parteien den durch Sachverständige zu bestimmenden Übernahmepreis
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einvernehmlich festsetzten. Auch den behaupteten Übernahmepreis könne die
Klägerin jedoch nur in dem Ursprungsverfahren im Verbund mit den anderen
Positionen geltend machen, was auch wegen der wechselseitigen Verknüpfung
der Werte von Grundstücken, Gebäuden und Geräten wirtschaftlich allein sinn-
voll sei. Die Klägerin müsse ihre Forderung in dem Rechtsstreit 10/4 O 531/93
des Landgerichts R., der das Verfahren 1 C 7/91 HS des Kreisgerichts Sch.
fortsetze, verfolgen. Die dortige Rechtshängigkeit stehe der Zulässigkeit der
Geltendmachung im vorliegenden Rechtsstreit entgegen.
II. Das hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Die Kaufpreisforde-
rung der Klägerin ist weder in dem Verfahren 10/4 O 531/93 des Landgerichts
R. (= 6 U 13/00 des Oberlandesgerichts R.) bereits rechtshängig, noch ist sie
allein in jenem Verfahren, bei dem es sich im übrigen auch nicht um die Fort-
setzung des Verfahrens 1 C 7/91 HS des Kreisgerichts Sch. handelt, geltend zu
machen.
1. Nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO kann eine Streitsache während der
Dauer der Rechtshängigkeit nicht anderweitig anhängig gemacht werden. Eine
später rechtshängig gemachte Klage mit demselben Streitgegenstand einer
bereits anhängigen ist deshalb unzulässig. Voraussetzung für die Unzulässig-
keit der Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit ist demnach die Identität
der Streitgegenstände, die hier jedoch nicht gegeben ist.
Der Kaufpreis für die Technik der ALV-Anlage ist entgegen der Auffas-
sung des Berufungsgerichts nicht schon Gegenstand des Rechtsstreits
10/4 O 531/93 des Landgerichts R.. Jenes Verfahren betrifft das auf das Ver-
kehrswertgutachten der Sachverständigen Sa. und M. gestützte Verlangen der
Klägerin auf Zahlung der Hälfte des von den Sachverständigen ermittelten Ver-
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kehrswerts der ALV-Anlage. Die Sachverständigen haben die
- zusammenfassend als Technik oder Inventar der ALV-Anlage bezeichneten -
Geräte jedoch nicht in ihre Bewertung einbezogen. Sie haben sich, wie im Tat-
bestand des Berufungsurteils auch zutreffend festgestellt ist, lediglich zu den
Werten der Grundstücke und Gebäude der Anlage geäußert, nicht aber zu dem
Wert des Inventars. Da das Inventar von den Sachverständigen nicht berück-
sichtigt worden ist, umfaßt die auf ihrem Gutachten basierende Klage naturge-
mäß nicht den in das Gutachten nicht einbezogenen Wert des Inventars der
ALV-Anlage.
2. Der Geltendmachung der Kaufpreisforderung im hiesigen Verfahren
stehen auch sonstige Rechtsgründe nicht entgegen.
Der Vergleich der Parteien vom 15. Mai 1991 betrifft, wie das Berufungs-
gericht mit Recht annimmt, die ALV-Anlage insgesamt und umfaßt damit auch
deren Inventar. Danach wäre auch insoweit der Verkehrswert durch zwei unab-
hängige Sachverständige zu ermitteln gewesen. Das schließt, wie das Beru-
fungsgericht zutreffend ausführt, jedoch nicht aus, daß die Parteien in Abände-
rung des Vergleichs einvernehmlich auch eine anderweitige Regelung über das
Inventar wirksam treffen konnten. Anhaltspunkte für eine wechselseitige Ver-
knüpfung der Werte von Grundstücken und Gebäuden einerseits und der Tech-
nik der ALV-Anlage andererseits, die nach Ansicht des Berufungsgerichts einer
Geltendmachung in verschiedenen Verfahren entgegenstehen soll, sind dem
Berufungsurteil nicht zu entnehmen und auch sonst nicht ersichtlich.
Die sich auf Grund des Vergleichs ergebenden Forderungen der Parteien
sind in keinem Falle im Ursprungsverfahren 1 C 7/91 HS des Kreisgerichts Sch.
geltend zu machen, das mit Abschluß des Vergleichs endgültig beendet war.
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Auf einem Vergleich beruhende Ansprüche sind - von hier nicht gegebenen
Ausnahmefällen abgesehen - regelmäßig in einem neuen Verfahren zu erhe-
ben. Dementsprechend hat die Klägerin ihren Anspruch auf Auszahlung des
hälftigen Verkehrswerts der Grundstücke und Gebäude auch in einem neuen
Verfahren, dem Rechtsstreit 10/4 O 531/93 des Landgerichts R., geltend ge-
macht, bei dem es sich nicht um eine Fortsetzung des ursprünglichen Verfah-
rens 1 C 7/91 HS des Kreisgerichts Sch. handelt.
III. 1. Die Behauptung der Klägerin, die Parteien hätten sich hinsichtlich
des Inventars der ALV-Anlage dahin geeinigt, daß die Beklagte es zum Preise
von 50.000,00 DM erwerbe, ist mit Rücksicht auf den Inhalt der das Inventar
betreffenden Rechnung der Klägerin vom 30. Januar 1992 dahin zu verstehen,
daß die Einigung der Parteien die Übertragung (lediglich) des Anteils der Kläge-
rin an dem Inventar auf die Beklagte betraf. Es heißt in der Rechnung "Wir be-
rechnen Ihnen den Anteil des Inventars der LPG P S. an der ALV-Anlage".
Nach Sachlage kam auch nur eine solche Anteilsübertragung in Betracht, da
die Parteien an der gesamten ALV-Anlage nach ihrem Vergleich vom 15. Mai
1991 je zur Hälfte berechtigt waren.
2. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es
die - von seinem abweichenden Standpunkt aus unterbliebenen - Feststellun-
gen zu der von der Klägerin behaupteten Einigung der Parteien über den Er-
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werb des Inventars durch die Beklagte zum Preise von 50.000,00 DM treffen
kann, über die das Landgericht bereits Beweis erhoben hatte.
Röhricht
Henze
Goette
Kurzwelly
Münke