Urteil des BFH vom 14.03.2008
BFH: beweiswürdigung, gegenbeweis, steuerrecht, lebenserfahrung, abgabenordnung, rüge, verfassungsbeschwerde, mangel, offenkundig
BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 14.3.2008, VI B 122/07
Verfahrensfehler - Tatsachenwürdigung und Beweiswürdigung - 1%-Regelung
Gründe
1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. 1. Die Vorinstanz hat unter Würdigung der Umstände des Streitfalles und nach
Vernehmung mehrerer Zeugen entschieden, dass der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) den Beweis des ersten
Anscheins, der für eine private Nutzung des ihm überlassenen Dienstwagens spreche, nicht erschüttert habe.
2 Hiergegen bringen die Kläger mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde im Wesentlichen vor, das Finanzgericht (FG) habe
einen Verfahrensfehler begangen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Es habe die von der
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) aufgestellten Beweisregeln im Zusammenhang mit der privaten Nutzung
eines Dienstwagens (einschließlich der Anwendung des Anscheinsbeweises) fehlerhaft angewendet.
3 2. Mit dieser Rüge kann indessen ein Verfahrensfehler grundsätzlich --wie auch hier-- nicht begründet werden.
Verfahrensfehler sind Verstöße gegen das Gerichtsverfahrensrecht, die das FG bei der Handhabung seines Verfahrens
begeht und die zur Folge haben, dass eine ordnungsgemäße Grundlage für die Entscheidung im Urteil fehlt (ständige
Rechtsprechung; z.B. BFH-Beschlüsse vom 31. Januar 2007 VI B 117/06, nicht veröffentlicht, juris; vom 9. Januar 2006
XI B 25/05, BFH/NV 2006, 1106 - die Verfassungsbeschwerde hiergegen wurde durch Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 29. März 2007 2 BvR 1003/06 nicht zur Entscheidung angenommen; vgl. auch
Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 76, m.w.N.).
4 3. Im Kern richtet sich das Vorbringen der Kläger gegen die vom FG vorgenommene Tatsachen- und Beweiswürdigung
und betrifft damit einen die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht rechtfertigenden vermeintlichen materiell-
rechtlichen Mangel der Vorentscheidung (ständige Rechtsprechung; z.B. BFH-Beschluss vom 25. Januar 2000 VI B
384/98, BFH/NV 2000, 868; vgl. auch Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 81 f.; Seer in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 105 ff.). Überdies kann die Beweiswürdigung des FG in einem
Revisionsverfahren ohnehin nur darauf überprüft werden, ob die Schlussfolgerungen des FG aus den
verfahrensrechtlich einwandfrei festgestellten Tatsachen mit den allgemeinverbindlichen Grundsätzen der
Beweiswürdigung, insbesondere den allgemeinen Erfahrungssätzen und den Denkgesetzen vereinbar sind (§ 118
Abs. 2 FGO; vgl. auch BFH-Beschluss vom 30. Dezember 2004 VI B 67/03, BFH/NV 2005, 702; umfassend zur Frage
der Beweiswürdigung und der Bindung des Revisionsgerichts bei Anwendung der 1 %-Regelung: BFH-Beschluss vom
18. Oktober 2007 VIII B 212/06, BFH/NV 2008, 210, m.w.N.).
5 4. Im Übrigen liegen Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO offenkundig nicht vor. Die Vorinstanz ist
in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BFH davon ausgegangen, dass die
Bewertungsregelungen des § 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes nicht zur Anwendung kommen,
wenn eine Privatnutzung des Dienstwagens ausscheidet (z.B. BFH-Beschluss vom 21. Dezember 2006 VI B 20/06,
BFH/NV 2007, 716; BFH-Urteil vom 7. November 2006 VI R 19/05, BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116). Dabei spricht
indessen aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung der Beweis des ersten Anscheins für eine auch private Nutzung
des Dienstwagens. Der Anscheinsbeweis kann durch den Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu
bedarf es allerdings nicht des Beweises des Gegenteils. Es genügt vielmehr, dass ein Sachverhalt dargelegt wird, der
die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs
ergibt. Jedoch bedürfen die Tatsachen, aus denen die Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs abgeleitet
werden soll, des vollen Beweises (BFH-Urteil in BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 96
FGO Rz 44; vgl. umfassend auch von Bornhaupt, Deutsches Steuerrecht 2007, 792 ff.).
6 Hiervon ausgehend ist das FG in tatrichterlicher Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beweis des ersten
Anscheins vom Kläger aufgrund verschiedener Umstände nicht entkräftet worden sei.
7 Angesichts dessen ist nicht zu erkennen, dass die vorliegende Rechtssache grundsätzliche und fallübergreifende
Rechtsfragen aufwerfen würde, die im allgemeinen Interesse einer Klärung bedürften.