Urteil des BAG vom 13.05.2014

Beschluss des Landesarbeitsgerichts ohne Sachverhaltsdarstellung

BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 13.5.2014, 1 ABR
51/11
Beschluss des Landesarbeitsgerichts ohne Sachverhaltsdarstellung
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der
Beschluss des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-
Vorpommern vom 15. Juni 2011 - 2 TaBV 14/10 - aufgehoben
und die Sache zur neuen Anhörung und Entscheidung an das
Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Gründe
1 A. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur
Versetzung von Arbeitnehmern von Potsdam nach Frankfurt (Oder). Das Arbeitsgericht hat -
soweit für das Verfahren noch von Interesse - den Antrag der Arbeitgeberin, die
Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung von Arbeitnehmern von Potsdam nach
Frankfurt (Oder) zum 7. Dezember 2009 zu ersetzen, abgewiesen. Das
Landesarbeitsgericht hat mit Zustimmung der Beteiligten ohne Anhörungstermin „auf die
Beratung vom 15.06.2011 nach § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO“ die Beschwerde der
Arbeitgeberin zurückgewiesen. In der Beschwerdeentscheidung heißt es: „Hinsichtlich des
Sachverhaltes wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts Rostock vom 18.05.2010 - 3 BV
50/09 - Bezug genommen.“ Der Antrag der Arbeitgeberin ist mit einem „Bezug auf die
Zustimmungsersetzung nach den Schlussanträgen der Beschwerdeführerin in der
1. Instanz“ wiedergegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen
Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin die Zustimmungsersetzungsanträge weiter. In
der Rechtsbeschwerdeinstanz hat sie das Verfahren für erledigt erklärt und in diesem
Zusammenhang auf eine von den Betriebsparteien unterzeichnete Vereinbarung vom 2. Juli
2012 verwiesen. Diese lautet auszugsweise:
Auf Grund einer noch ausstehenden Entscheidung des BAG (Az. 6 AZR
221/11)
schließen
die
unterzeichnenden
Parteien
nachstehende
Prozessvereinbarung zur Umsetzung der Repersonalisierung des DTKS
Standortes Berlin:
(1) Bei dem in Berlin in Errichtung befindlichen Standort handelt es sich um einen
eigenständigen Standort iS eines Zielstandortes gem. ZIA / SP zum
Standortkonzept DTKS aus 2008 (i.e. Gesamtbetriebsvereinbarung zwischen
der Geschäftsführung der Deutsche Telekom Kundenservice GmbH (DTKS)
und dem Gesamtbetriebsrat der DTKS (GBR) über einen Interessenausgleich
und Sozialplan nach §§ 111/112 BetrVG zur Umsetzung des
Standortkonzepts in der DTKS (vom 28.11.2008)).
(5) Mitarbeiter, die im Rahmen der Umsetzung des Standortkonzeptes DTKS von
Berlin nach Frankfurt Oder migriert sind (…) erhalten ein Angebot, an den in
Errichtung befindlichen Standort Berlin, Buchberger Straße bzw. an den
Außenstandort Hennigsdorf als Teil des Standortes Berlin zurückzukehren. …
(7) Die Parteien und der Betriebsrat der DTKS Region Nord stimmen überein,
dass durch das in diesem Protokoll festgehaltene gemeinsame Verständnis
ein abschließendes Verfahren für die Lösung der bisher streitigen Thematik
eines Auswahlverfahrens anlässlich Migration der Berliner Standorte nach
Frankfurt Oder verbindlich vereinbart wurde. Unabhängig vom Ausgang der
zurzeit beim BAG anhängigen Verbandsklage werden aus deren Urteil keine
Ableitungen für das hier beschriebene Verfahren getroffen. Das BAG-
Verfahren bleibt unberührt, die Inhalte dieser Prozessvereinbarung werden
von keiner Partei eingeführt. Weitere Rechtsstreite bei denen eine der
unterzeichnenden Parteien Prozesspartei ist (Aktivlegitimation / Antragsteller
in einem Beschlussverfahren) im Zusammenhang mit der Umsetzung des
Standortkonzepts in Bezug auf Migration der Berliner Standorte werden von
den
jeweiligen
Parteien
unverzüglich
beendet.
Erforderliche
Prozesshandlungen werden vorgenommen.
…“
2 Der Betriebsrat hat der Erledigung nicht zugestimmt.
3 B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der
angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das
Landesarbeitsgericht.
4 I. Das Verfahren ist nicht erledigt. Eine auf das gesamte Verfahren bezogene
übereinstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten liegt nicht vor. Es sind auch nach
Anhängigkeit des Beschlussverfahrens keine tatsächlichen Umstände eingetreten, die dazu
führen, dass das Begehren des Antragstellers jedenfalls nunmehr als unzulässig oder
unbegründet abgewiesen werden müsste. Die Prozessvereinbarung vom 2. Juli 2012
erfasst nur Mitarbeiter, die im Rahmen der Umsetzung des Standortkonzepts von Berlin
nach Frankfurt (Oder) migriert sind. Dies ergibt sich aus der Überschrift und aus Nrn. (1), (5)
und (7) der Vereinbarung. Migrationen von und zu anderen Standorten - und insbesondere
Versetzungen der Arbeitnehmer von Potsdam nach Frankfurt (Oder) - sind von ihr nicht
erfasst. Der Wortlaut der Prozessvereinbarung lässt auch nicht darauf schließen, dass die
Betriebsparteien den Standort Potsdam aufgrund regionaler Nähe den Berliner Standorten
zugeordnet haben.
5 II. Die angefochtene Entscheidung unterliegt schon deshalb der Aufhebung, weil sie keine
Sachverhaltsfeststellungen enthält, die dem Senat eine rechtsbeschwerderechtliche
Überprüfung ermöglichen. Die Sache ist deshalb an das Landesarbeitsgericht
zurückzuverweisen (§§ 559, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
6 1. Grundlage der rechtsbeschwerderechtlichen Prüfung ist nach § 559 ZPO grundsätzlich
nur der Tatsachenstoff, der sich aus dem Beschwerdebeschluss einschließlich der in ihm
enthaltenen wirksamen Bezugnahmen und aus dem Sitzungsprotokoll erschließt (vgl. BAG
26. April 2005 - 1 ABR 1/04 - zu B I 1 a der Gründe mwN, BAGE 114, 272). Einem
Beschwerdebeschluss ohne festgestellten Sachverhalt kann in der Regel nicht entnommen
werden, welchen Streitstoff das Beschwerdegericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt
hat. Bereits dies zwingt ohne Feststellung eines Rechtsfehlers des Landesarbeitsgerichts
und ohne entsprechende Rüge des Rechtsbeschwerdeführers grundsätzlich zur Aufhebung
der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das
Landesarbeitsgericht (vgl. BAG 26. April 2005 - 1 ABR 1/04 - zu B I 1 a der Gründe,
BAGE 114, 272). Hiervon kann nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn das
tatsächliche Vorbringen der Beteiligten und deren im Beschwerdeverfahren gestellte
Anträge auf andere Weise als durch eine (gesonderte) Sachverhaltsdarstellung in der
angefochtenen Entscheidung zuverlässig feststellbar sind (vgl. BAG 26. April 2005 - 1 ABR
1/04 - zu B I 1 b der Gründe, BAGE 114, 272).
7 2. Hiernach sind die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die
Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht geboten. Dem Senat ist eine
rechtsbeschwerderechtliche Überprüfung der Beschwerdeentscheidung nicht möglich.
8 a) Das Beschwerdegericht hat von einer Sachverhaltsdarstellung abgesehen und insoweit
auf den arbeitsgerichtlichen Beschluss Bezug genommen. § 69 Abs. 2 ArbGG, wonach im
Berufungsurteil von der Darstellung des Tatbestands abgesehen werden kann, findet auf
den Beschluss des Landesarbeitsgerichts über die Beschwerde aber ebenso wenig
Anwendung wie § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG, wonach bei einem Urteil, gegen das die
Revision statthaft ist, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen eine
Bezugnahme auf das mit der Berufung angefochtene Urteil zulässig ist. Nach § 91 Abs. 2
Satz 2 ArbGG gilt für die Beschwerdeentscheidung (nur) § 69 Abs. 1 Satz 2 ArbGG
entsprechend.
9 b) Von einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im vorliegenden Verfahren nicht
ausnahmsweise abzusehen. Die - sehr knappen - Erwägungen des Landesarbeitsgerichts
zur Zurückweisung der Beschwerde enthalten keine tatsächlichen Feststellungen. Wegen
der Entscheidung des Beschwerdegerichts im „schriftlichen Verfahren“ kann auch auf kein
Sitzungsprotokoll über den Anhörungstermin zurückgegriffen werden. Selbst die Anträge
der Arbeitgeberin sind nicht zuverlässig feststellbar. Sie können allenfalls nach Maßgabe
der erstinstanzlichen Entscheidung, auf die das Beschwerdegericht wegen § 91 Abs. 2
Satz 2 ArbGG nicht wirksam Bezug nehmen konnte, bestimmt werden.
Schmidt
Koch
K. Schmidt
Wisskirchen
Dr. Klebe