Urteil des ArbG Marburg vom 22.08.2007
ArbG Marburg: betriebskosten, vergleich, verfügung, dienstwagen, beendigung, datum, arbeitsgericht, ergänzung, arbeitsrecht, dienstfahrzeug
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Gericht:
ArbG Marburg 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 Ca 179/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 611 Abs 1 BGB, § 670 BGB
Zum Umfang der Privatnutzung eines Dienstwagens im
Freistellungszeitraum
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 699,99 EUR (in Worten:
Sechshundertneunundneunzig und 99/100 Euro) netto zuzüglich Zinsen i. H. v. 5
Prozentpunkten über den Basiszinsen seit dem 22.05.2007 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 699,99 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erstattung von Kfz-Betriebskosten für den Zeitraum vom
08.12.2006 bis 11.03.2007.
Ergänzend zum Anstellungsvertrag vom 24.02.2004 schlossen die Parteien unter
dem Datum des 19. April 2004 einen Dienstwagennutzungsvertrag in dem es
auszugsweise wie folgt lautet:
„…
§ 2 Privatnutzung
(1) Das Fahrzeug kann vom Mitarbeiter und seinem Ehepartner/Partner privat
genutzt werden.
(2) Urlaubsreisen mit dem Firmenfahrzeug sind im normalen Rahmen zulässig.
…
§ 9 Kosten
(1) Die Kosten für Wartung und Reparaturen übernimmt die Gesellschaft. Der
Mitarbeiter braucht diese Kosten nicht zu verauslagen. Alle Rechnungen, die von
der Gesellschaft zu regulieren sind, müssen auf diese (wegen der Mehrwertsteuer)
ausgestellt sein. Die Rechnungen sind von der Werkstatt direkt an die Gesellschaft
zu senden.
(2) Für die laufenden Betriebskosten (Kraftstoff und Öl) wird dem Mitarbeiter von
der Gesellschaft eine Tankkarte (DKV-Card) zur Verfügung gestellt. Bei Verlust der
Tankkarte ist die Gesellschaft unverzüglich zu informieren.
(3) Urlaubsfahrten mit dem Firmenfahrzeug sind im normalen Rahmen zulässig.
Die laufenden Betriebskosten, die während der Urlaubsfahrten anfallen, gehen zu
Lasten des Mitarbeiters.
…“
Im Übrigen wird zur Ergänzung auf den Dienstwagennutzungsvertrag vom
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Im Übrigen wird zur Ergänzung auf den Dienstwagennutzungsvertrag vom
19.04.2004 (Bl. 16 bis 21 d.A.) verwiesen.
Im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses war ein
Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Marburg unter dem
Aktenzeichen 1 Ca 411/06 anhängig. Im Rahmen dieses Verfahrens schlossen die
Parteien unter dem Datum des 06. November 2006 einen Vergleich mit folgendem
Wortlaut:
1. Das Arbeitsverhältnis endet aufgrund ordentlicher, betriebsbedingter
Beklagtenkündigung vom 14.09.2006 mit Ablauf des 31.03.2007.
2. Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes gemäß §§ 9,
10 KSchG eine Abfindung in Höhe von 5.000,00 EUR (in Worten: Fünftausend und
00/100 Euro).
3. Die Beklagte verpflichtet sich, den Kläger ab dem 01.12.2006 widerruflich von
der Arbeitsleistung freizustellen.
4. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Kläger den ihm zustehenden
Anspruch auf Erholungsurlaub sowie der ihm noch entstehende Anspruch auf
Erholungsurlaub in Natur erhalten hat.
5. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Kläger berechtigt ist, den ihm zur
Verfügung gestellten Dienstwagen bis zum Beendigungszeitpunkt zur privaten
Nutzung weiterzuführen. Der Kläger verpflichtet sich, den Dienstwagen mit einem
Kilometerstand von nicht mehr als 270.000 an die Beklagte zum
Beendigungszeitpunkt zurückzugeben.
6. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.“
Zum Zeitpunkt des Vergleichabschlusses wies der dem Kläger überlassene Pkw
einen Kilometerstand von ca. 247.000 bis 248.000 auf.
Nach Abschluss des Vergleichs forderte die Beklagte den Kläger sodann auf die
ihm zur Verfügung gestellte Tankkarte zurückzugeben. Dem kam der Kläger mit
Wirkung zum 08.12.2006 nach. Im Rahmen der Verdienstabrechnungen fand die
Kfz-Überlassung mit der 1%-Regelung Berücksichtigung. Auch für die Monate
Dezember 2006 bis Januar 2007 wurde die private Nutzung des Dienst-Pkws über
die 1%-Regelung abgerechnet und anteilige Lohnsteuer und
Sozialversicherungsbeiträge abgeführt.
Für den Zeitraum vom 08.12.2006 bis 31.03.2007 wendete der Kläger
Betriebskosten für die private Nutzung in Höhe von insgesamt 699,99 € auf.
Der Kläger ist der Auffassung, gemäß § 9 Abs. 2 des
Dienstwagennutzungsvertrages sei die Beklagte verpflichtet, die laufenden
Betriebskosten für die Dauer seiner Beschäftigung zu tragen.
Der Kläger beantragte zuletzt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 699,99 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten hieraus seit dem 22.05.2007 zu zahlen.
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, ein Aufwendungsersatzanspruch für rein privat veranlasste
Betriebskosten bestehe nicht. Die Beklagte habe weder im Arbeitsvertrag, noch in
dem Vergleich vor dem Arbeitsgericht Marburg die Verpflichtung übernommen,
dem Kläger seine privat angefallenen Treibstoffkosten zu erstatten. Da im
Vergleich vom 06.11.2006 geregelt worden sei, dass dem Kläger bis zum
Beendigungszeitpunkt der Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen bleibe,
habe eindeutig festgestanden, dass auch alle weiteren Nutzungen während der
Freistellung ausschließlich Privat und keinesfalls mehr im Interesse der Beklagten
zu sehen sei. Damit sei der Regelungstatbestand des § 9 Abs. 3 des
Dienstwagennutzungsvertrages betroffen. Die Beklagte habe deutlich gemacht,
dass sie rein privat veranlasste Fahrten, die hinsichtlich des Kraftstoffverbrauches
deutlich von dienstlichen Fahrten abgegrenzt werden können, wie dies im Falle der
Freistellung der Fall gewesen sei, nicht erstatte.
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Da der Kläger unter anderem auch eine Rechnung vom 26.12.2006 und
28.02.2007 aus Würzburg, sowie eine weitere Rechnung vom 09.03.2007 aus
München vorgelegt habe, sei davon auszugehen, dass es sich um Urlaubsfahrten
gehandelt habe. Der Kläger müsse daher substantiiert darlegen und unter Beweis
stellen, wann und wie er das Dienstfahrzeug genutzt habe, um mit seiner
Begründung durchzudringen, die Nutzung sei genauso erfolgt, als habe er das
Fahrzeug nach Abschluss einer Dienstfahrt nur kurz privat weitergenutzt.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die gewechselten
Schriftsätze sowie die Protokollabschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erstattung der Betriebskosten für die Zeit vom
08.12.2006 bis 11.03.2007 in Höhe von 699,99 € zu. Der Anspruch ergibt sich aus
§ 611 BGB i.V.m. § 9 Abs. 2 und 3 des Dienstwagennutzungsvertrages vom 19.
April 2004.
Gemäß § 2 Abs. 1 des Dienstwagennutzungsvertrages ist der Kläger berechtigt,
sein Firmenfahrzeug auch privat zu nutzen. Darüber hinaus hat die Beklagte gem.
§ 9 Abs. 2 dem Kläger für die „laufenden Betriebskosten (Kraftstoff und Öl)“ eine
Tankkarte zur Verfügung gestellt und in § 9 Abs. 3 darüber hinaus geregelt, dass
nur die „laufenden Betriebskosten, die während der Urlaubsfahrten anfallen“ zu
Lasten des Mitarbeiters gehen. Sämtliche weiteren Betriebskosten - auch solche
die während der privaten Nutzung entstehen - werden von der Beklagten
übernommen und finden im Rahmen der von den Parteien vereinbarten „1%-
Regelung“ Berücksichtigung. Weitere Differenzierungen - wie sie die Beklagte
nunmehr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einseitig vornehmen will -
sind weder im Dienstwagennutzungsvertrag geregelt, noch von der Beklagten in
der Vergangenheit gehandhabt worden. In diesem Zusammenhang ist es auch
nicht Aufgabe des Gerichts zu entscheiden, ob eine Fahrt nach Würzburg oder
München nunmehr als „Urlaubsfahrt“ zu werten ist, eine Fahrt im näheren
Umkreis (was hierunter zu verstehen ist, bleibt offen) hingegen von der „privaten
Nutzung“ erfasst ist.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG im
Rahmen der 1%-Regelung pauschal auch die „durch das Kraftfahrzeug insgesamt
entstehenden Aufwendungen“ mit abgegolten. Hierunter fallen nämlich die
Kosten, die unmittelbar dem Halten und dem Betrieb des Fahrzeuges dienen und
im Zusammenhang mit seiner Nutzung zwangsläufig anfallen. Neben den von der
Fahrleistung abhängigen Aufwendungen für Treib- und Schmierstoffe fallen
hierunter auch die regelmäßig wiederkehrenden festen Kosten, etwa für
Haftpflichtversicherung, Kraftfahrzeugsteuer, Absetzung für Abnutzung und
Garagemieten. Insoweit kann auf die Ausführungen des Klägervertreters im
Schriftsatz vom 21.05.2007 ergänzend verwiesen werden.
Auch die Tatsache, dass der Kläger gemäß Vergleich vom 06. November 2006 ab
dem 01.12.2006 widerruflich von der Arbeitsleistung freigestellt war „rechtfertigen
eine anderweitige Beurteilung nicht. So hat das Bundesarbeitsgericht in seiner
Entscheidung vom 23.06.2004, Aktenzeichen 7 AZR 514/03 bereits entschieden,
dass auch ein nach § 37 Abs. 2 BetrVG von der beruflichen Tätigkeit vollständig
befreites Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf Überlassung eines
Firmenfahrzeugs zur privaten Nutzung hat, wenn ihm der Arbeitgeber vor der
Freistellung zur Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben ein Firmenfahrzeug zur
Verfügung gestellt hatte und er dieses aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung
auch privat nutzen durfte. Auch in dem dort genannten Fall enthielt der
Dienstwagennutzungsvertrag die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Übernahme
von Betriebsstoffen die ebenfalls - wie vorliegend - nur „bei Urlaubsfahrten in das
Ausland“ vom Arbeitnehmer zu übernehmen waren.
Letztlich war die Beklagte auch nicht berechtigt, vom Kläger die ihm zur Verfügung
gestellte Tankkarte vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurückzufordern. Die
gegenteilige Auffassung der Beklagten ergibt sich insbesondere nicht aus dem
Vergleich vom 06.11.2006.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Anspruch auf Überlassung eines
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Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Anspruch auf Überlassung eines
Dienstfahrzeuges zuzüglich der Übernahme der Betriebskosten im
Dienstwagennutzungsvertrag ausdrücklich geregelt ist. Die Nutzung des
Dienstwagens und Übernahme der laufenden Betriebskosten wurde auch für
private Fahrten des Klägers im Dienstwagennutzungsvertrag geregelt und dem
Kläger zugebilligt. Die Verpflichtung zur Übernahme von Betriebskosten durch den
Kläger bezog sich lediglich auf solche, die „während“ des Urlaubs anfielen. Genau
genommen bedeutet dies, dass die Betriebskosten für Fahrten „in den Urlaub“
(sofern sich im Tank noch Kraftstoff befand) noch unter die private Nutzung fiel
und lediglich Tankkosten „während des Urlaubs“ vom Kläger zu tragen waren. Für
die pauschale Behauptung der Beklagten, bei den seitens des Klägers geltend
gemachten Betriebskosten habe es sich auch um solche gehandelt, die als
„Urlaubsfahrten“ im Sinne des Dienstwagennutzungsvertrages zu qualifizieren
seien, ist die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Anhaltspunkte hierfür sind
nach Auffassung der Kammer nicht ersichtlich und rein spekulativ. Insoweit hat der
Kläger auch dargelegt, dass es sich hierbei nicht um eine Urlaubsfahrt gehandelt
hat, sondern um eine solche, die auch während des (noch ungestörten) Bestehens
des Arbeitsverhältnisses von der Beklagten als Privatnutzung qualifiziert worden
wäre. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte vergleichbare Fahrten beim Kläger
oder bei anderen ihrer Mitarbeiter zuvor beanstandet hat, sind nicht ersichtlich.
Nach dem Inhalt des Vergleichs vom 06. November 2006 (dort Ziffer 3) wurde der
Kläger auch lediglich „widerruflich von der Arbeitsleistung“ freigestellt. Der Kläger
musste daher davon ausgehen, dass die Beklagte ihn jederzeit zur
Arbeitsaufnahme auffordern konnte. Die wechselseitigen Verpflichtungen des
Arbeitsvertrages waren damit noch voll umfänglich in Vollzug gesetzt.
Die Rückforderung der Tankkarte durch die Beklagte mit Wirkung ab 08.12.2006
steht darüber hinaus in eindeutigem Widerspruch zum Vergleich vom 06.11.2006
und ist nach Auffassung der Kammer als treuwidrig anzusehen.
Gemäß Ziffer 5 des Vergleichs waren sich die Parteien darüber einig, dass der
Kläger berechtigt ist, den ihm zur Verfügung gestellten Dienstwagen bis zum
Beendigungszeitpunkt zur privaten Nutzung weiterzuführen. Der Kläger
verpflichtete sich lediglich, den Dienstwagen mit einem Kilometerstand von nicht
mehr als 270.000 an die Beklagte zum Beendigungszeitpunkt zurückzugeben. Da
der Pkw unstreitig zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses ein Kilometerstand
von ca. 247.000, 248.000 aufwies, durfte der Kläger davon ausgehen, dass die
vertraglichen Konditionen des Dienstleistungsvertrages jedenfalls bis zu einem
Kilometerstand von nicht mehr als 270.000 im vollen Umfang Gültigkeit behielten.
Ansonsten hätte die Begrenzung des Kilometerstandes im Vergleich vom
06.11.2006 keinen Sinn gemacht.
Hätte die Beklagte seiner Zeit im Vergleich vom 06.11.2006 etwas anderes regeln
wollen, wäre dies problemlos möglich gewesen. Dies gilt umso mehr, als die
Beklagte anwaltlich vertreten und die Privatnutzung des Pkws offensichtlich
Gegenstand der Vergleichsverhandlungen war. Sofern die Beklagte nunmehr
behauptet, es sei für sie eine Selbstverständlichkeit, dass die während der
Freistellung vom Kläger verursachten Betriebskosten als „rein private Nutzung“
auch von diesem zu tragen seien, ist nicht verständlich, weshalb sie die dem
Kläger überlassene Tankkarte nicht zeitgleich mit Abschluss des Vergleichs am
06.11.2006, sondern erst einen Monat später zurückgefordert hat. Bei einer
derartigen Eindeutigkeit der Vertragsauslegung durch die Beklagte, hätte auch ein
entsprechend eindeutiges Verhalten bei Vergleichsabschluss erwartet werden
können.
Gemäß § 91 Abs. 1 ZPO hat die Beklagte als die unterlegene Partei die Kosten des
Rechtsstreits zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes ist gem. § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festgesetzt.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.