Urteil des ArbG Essen vom 27.02.2008

ArbG Essen: juristische person, vorstellungsgespräch, weiterbildung, kopie, diskriminierung, arbeitsgericht, behinderung, satzung, qualifikation, anzeige

Arbeitsgericht Essen, 4 Ca 3490/07
Datum:
27.02.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Essen
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 Ca 3490/07
Schlagworte:
ohne
Normen:
ohne
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
kein Leitsatz vorhanden
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
4.. Der Streitwert wird auf 5.926,00 € festgesetzt.
T a t b e s t a n d
1
Der schwerbehinderte Kläger verlangt von der Beklagten eine Entschädigung in Höhe
von zwei Monatsgehältern auf der Basis seiner letzten Vergütung mit der Behauptung,
die Beklagte habe ihn bei seiner Bewerbung wegen seiner Schwerbehinderung
benachteiligt.
2
Die Beklagte suchte mit Anzeige vom 01.06.2007 einen Sachbearbeiter/in,
Gruppenleiter/in für die Abteilung Betriebsorganisation. Im Anforderungsprofil wird unter
anderem eine abgeschlossene Weiterbildung - mindestens zum/r
Sparkassenbetriebswirt/in bzw. mit vergleichbarer Qualifikation - z.B. mit wirtschaftlich
ausgerichtetem Studium verlangt. (Kopie der Anzeige: Bl. 5 d.A. und 41 ff d.A. mit Kopie
der Bewerbungsmappe)
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Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 08.06.2007 unter Hinweis auf seine
Schwerbehinderteneigenschaft (Kopie Bl. 4 d.A.). Unter dem 30.07.2007 erteilte die
Beklagte dem Kläger eine Absage.
4
Er ist der Auffassung, die Beklagte habe ihn dadurch benachteiligt, weil sie ihn nicht zu
einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe, obwohl er nicht offensichtlich ungeeignet
für die ausgeschriebene Stelle gewesen sei. Dies indiziere die Benachteiligung.
Ausreichende Rechtfertigungsgründe für die unterbliebene Einladung zu einem
Vorstellungsgespräch seien nicht ersichtlich.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn als Entschädigung 5.926,00 €
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nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz
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seit dem 25.10.2007 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie macht geltend:
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Die Ablehnung des Klägers beruhe ausschließlich auf sachlichen Gründen.
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Sie habe die Stelle mit einem internen Bewerber besetzt und allen 18 externen
Bewerbern eine Absage erteilt und kein Vorstellungsgespräch geführt.
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Der interne Bewerber erfülle die Voraussetzungen der Stellenausschreibung und
verfüge über einschlägige Organisations- und Projekterfahrungen. Aus den
Bewerbungsunterlagen des Klägers gehe hervor, dass er Organisations-aufgaben
qualifizierter Art nur bis 1992 erledigt habe und seit 2003 ausschließlich im Vertrieb tätig
gewesen sei. Besonders ins Gewicht gefallen sei die fehlende Weiterbildung zum
Sparkassenbetriebswirt. Zwar habe der Kläger nach seinen Angaben an einer
Weiterbildung zum Bankfachwirt teilgenommen, diese unstreitig aber nicht
abgeschlossen und auch keinen Teilnahmenachweis vorgelegt.
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Der Kläger habe unstreitig 2003 eine erfolglose Antidiskriminierungsklage gegen den X.
geführt, 2006 eine vergleichbare Entschädigungsklage gegen die Frankfurter T. geführt,
die im Gütetermin mit der Zahlung von 750,00 € verglichen worden sei und 2007 nach
einer Bewerbung bei der T. Wuppertal Schadensersatzansprüche wegen
Diskriminierung geltend gemacht und sich vergleichsweise auf Zahlung von 1.875,00 €
geeinigt. Dies zeige, ebenso wie das routiniert verfasste vorgerichtliche Schreiben vom
01.08.2007 (Kopie Bl. 73 d.A.), dass er sich nicht ernsthaft auf die Stelle habe bewerben
wollen und seine Schadensersatzforderung deshalb rechtsmissbräuchlich sei.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze, Anlagen und
Protokollerklärungen Bezug genommen.
17
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist nicht begründet.
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Dem Kläger stehen keine Schadensersatzansprüche gem. §§ 15 Abs. 2, 1, 4., 7 AGG in
Verbindung mit § 82 Satz 2 SGB IX zu, weil der Kläger für die vorgesehene Stelle
offensichtlich ungeeignet war im Sinne von § 82 Satz 4. SGB IX. Damit hat sie den gem.
§ 22 AGG erforderlichen Beweis erbracht, dass die Schwerbehinderung nicht der
Anlass für die unterbliebene Einstellung gewesen ist.
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Wie das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 12.09.2006 ausgeführt hat,
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ist die Tatsache der Nichteinladung zu einem Vorstellungsgespräch geeignet die
Vermutung einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung zu begründen. Der
öffentliche Arbeitgeber müsse dem schwerbehinderten Arbeitnehmer die Chance
einräumen, ihn von seiner Eignung zu überzeugen. Werde dem Arbeitnehmer diese
Möglichkeit genommen, werde er weniger günstig behandelt als es das Gesetz für
notwendig erachte. Der damit verbundene Ausschluss aus dem Bewerbungsverfahren
stelle sich damit zugleich als eine Benachteiligung dar, die in einem ursächlichen
Zusammenhang mit der Behinderung stehe. (vgl. BAG Urteil zitiert nach juris
Randnummer 24)
Die Einladung ist entbehrlich und zugleich entfällt die Indizwirkung, wenn der Bewerber
für die Stelle offensichtlich ungeeignet ist.
22
Beim Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, zu der die Beklagte als Anstalt des
öffentlichen Rechts gehört, nimmt das Bundesarbeitsgericht wegen des Grundrechts aus
Art. 33 Abs. 2 GG an, dass dieser einerseits verpflichtet ist, ein Anforderungsprofil für die
zu besetzende Stelle festzulegen, er aber andererseits hierbei nicht frei entscheiden
kann, sondern lediglich einen Beurteilungsspielraum besitzt, um die "Bestenauslese" zu
gewährleisten. Die Festlegung des Anforderungsprofils müsse im Hinblick auf die zu
besetzende Stelle sachlich nachvollziehbar sein und es dürften keine Bewerber
ausgeschlossen werden, die über gleichwertige oder höherwertige Qualifikationen
verfügten (BAG Urteil vom 12.09.2006 - 9 AZR 807/05 zitiert nach juris Randnummern
32 - 34).
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Die Beklagte durfte gem. § 82 Satz 4. SGB IX davon absehen, den Kläger zu einem
Vorstellungsgespräch einzuladen, weil er weder über eine abgeschlossene
Weiterbildung zum Sparkassenbetriebswirt noch über eine mindestens gleichwertige
Qualifikation verfügt.
24
Dass das geforderte Anforderungsprofil der Position eines Gruppenleiters und
Abwesenheitsvertreters des Abteilungsleiters in einer Abteilung mit 25 Mitarbeitern
angemessen und damit sachlich gerechtfertigt ist, hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz
vom 21.12.2007 auf den Seiten 4. und 4 (Bl.32, 33 d.A.) näher ausgeführt. Auch aus der
Beschreibung der Aufgabenschwerpunkte in der Stellenanzeige ist zu entnehmen, dass
es sich um eine anspruchsvolle Position handelt. Eine sachlich nicht zu rechtfertigende
Diskrepanz zum Anforderungsprofil ist nicht zu erkennen. Anhaltspunkte in dieser
Richtung trägt der Kläger auch nicht vor.
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Er verfügt weder über einen Abschluss als Sparkassenbetriebswirt noch über
gleichwertige Kenntnisse und Erfahrungen. Die Teilnahme über drei Semester an einem
Studium zum Bankfachwirt ohne Abschluss und ohne einen einzigen konkreten
Leistungsnachweis kann auf den ersten Blick einer abgeschlossenen
sparkassenspezifischen Weiterbildung mit Aufnahme- und Abschlussprüfung nicht
gleichgesetzt werden. Gleichwertige praktische Kenntnisse vermag der Kläger ebenfalls
nicht konkret vorzutragen.
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Dass die von der Beklagten in ihrer Bewerbung aus nachvollziehbaren Gründen
gestellten Anforderungen vom Kläger nicht erfüllt werden, ist auch offensichtlich. Denn
es geht aus den von ihm eingereichten Unterlagen und aus der Stellenanzeige
unzweifelhaft hervor.
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Da die Beklagte den Kläger nicht zu einem Vorstellungsgespräch einladen musste, ist
die Vermutung der Benachteiligung entkräftet. Andere Gesichtspunkte, aus denen auf
eine Diskriminierung des Klägers wegen seiner Behinderung geschlossen werden
könnte, sind nicht zu erkennen.
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Damit besitzt der Kläger keinen Schadensersatzanspruch wegen Diskriminierung bei
der Einstellung. Auf die weiteren von der Beklagten angeführten Gesichtspunkte kommt
es nicht mehr an.
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Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 91 ZPO. Die Streitwertfsestetzung beruht auf §§
61 Abs. 1 ArbGG, 4. ff ZPO.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
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B e r u f u n g
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eingelegt werden.
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Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
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beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
(0211) 7770 - 2199
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eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung
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Die Berufungsschrift muss von einem Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle
können Vertreter einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von
Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht
zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren
Mitglieder Partei sind. Die gleiche Befugnis haben Angestellte juristischer Personen,
deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten
Organisationen stehen, solange die juristische Person ausschließlich die
Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend
deren Satzung durchführt.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Pannenbäcker
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