Urteil des AG Wiesbaden vom 25.01.2007
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Gericht:
AG Wiesbaden
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
92 C 3398/06 - 28,
92 C 3398/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 558a Abs 1 BGB, § 558a Abs
2 Nr 1 BGB, § 558c Abs 4 BGB
Wohnraummiete: Anspruch des Mieters auf Verschaffung
eines kostenfreien Mietspiegelexemplars im Rahmen des
Zustimmungsverlangens zur Mieterhöhung
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe
Sicherheit leistet.
Tatbestand
Die Klägerin behauptet, sie sei Eigentümerin und Vermieterin der vom Beklagten
gemieteten Wohnung in der I Straße ..., ... W, EG links. Sie sei Rechtsnachfolgerin
der ursprünglichen Eigentümerin und Vermieterin, der D Wohngesellschaft mbH.
Die Wohnung ist nicht preisgebunden; der Mietzins betrug netto 296,14 EUR. Die
Klägerin behauptet, der Mietzins habe unverändert seit mehr als 15 Monaten
bestanden.
Sie ist der Auffassung, dass mit Schreiben der D Wohnungsgesellschaft mbH vom
31.05.2005, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Blatt 24 der
Akte), lediglich die Vorauszahlung auf die Nebenkosten verändert wurde.
Mit Schreiben vom 25.01.2006, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen
wird (Blatt 5 der Akte), hat die Firma ... im Namen und für Rechnung der ... die
Zustimmung des Beklagten zu einer Mieterhöhung begehrt.
Der Beklagte hat der Mieterhöhung nicht zugestimmt.
Die Klägerin trägt vor, dass der Mietspiegel von dem Beklagten bei der
zuständigen Gemeinde eingesehen werden kann.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass sich aus dem Erhöhungsschreiben für den
Beklagten nachvollziehbar die Einstufung der Wohnung innerhalb der
Mietrichtwerttabelle ergebe und trägt vor, dass die Einstufung richtig ist und auch
nach der Erhöhung nicht über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, einer Anhebung der Nettokaltmiete für
die von ihm bei der Klägerin gemieteten Wohnung in der I Straße ...,
... W, EG links von zurzeit 206,14 EUR monatlich um 44,28 EUR
monatlich auf 340,42 EUR monatlich ab dem 01.04.2006 zuzustimmen.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Berufung zuzulassen.
Er bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin.
Er ist darüber hinaus der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine
Mieterhöhung nicht gegeben seien und beruft sich hierfür auf das Schreiben der
Firma ... GmbH vom 31.10.2005.
Er ist insoweit der Auffassung, dass mit diesem Schreiben eine Mieterhöhung
durchgeführt worden sei und der zwingenden Voraussetzung für die Zulässigkeit
einer Mieterhöhung, nämlich dass in den letzten 15 Monaten keine Mieterhöhung
vorgenommen ist, nicht gerecht geworden sei.
Das Gericht hat im Termin vom 12.12.2006 einen rechtlichen Hinweis erteilt.
(Insoweit wird auf die gerichtliche Niederschrift der Sitzung vom 12.12.2006 Bezug
genommen.)
Auf Antrag der Klägerseite hat das Gericht einen Schriftsatznachlass bis zum
29.12.2006 zur Stellungnahme auf diesen Hinweis gewährt.
Auf weiteren Antrag der Klägerseite vom 21.12.2006 hat das Gericht diese Frist auf
den 12.01.2007 verlängert.
Mit Schriftsatz vom 18.01.2007, der per Fax am 18.01.2007 bei Gericht
eingegangen ist, wurde hierzu Stellung bezogen. Wegen der Einzelheiten des
Schriftsatzes wird auf Blatt 78 der Akte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zustimmung zur Erhöhung der Miete für die
streitgegenständliche Wohnung gemäß § 558 Abs. 1 BGB.
Es kann dahin gestellt bleiben, ob die Klägerin überhaupt aktivlegitimiert ist, denn
dem Mieterhöhungsverlangen, das von der Firma ... am 25.01.2006
ausgesprochen wurde, fehlt bereits die formelle Wirksamkeit gemäß § 558 a BGB.
Es kann hierbei dahingestellt bleiben, ob die Firma D Süd-West GmbH, die mit der
Klägerin nicht identisch ist und die das Mieterhöhungsverlangen verfasst hat, im
Namen und für Rechnung der ... Wohnungsgesellschaft mbH bzw. für die Klägerin
in Vollmacht gehandelt hat.
Das Mieterhöhungsverlangen wird den Voraussetzungen des § 558 a Abs. 2 Ziffer
1 BGB nicht gerecht.
Eine wirksame Bezugnahme liegt nach Auffassung des Gerichts nur dann vor,
wenn der Mieter in der Lage ist, sich einen Mietspiegel kostenfrei zum dauerhaften
Verbleib zu beschaffen.
Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Begründungspflicht, nämlich den
Mieter in die Lage zu versetzen, sich ein Bild von der Plausibilität des
Vermieterverlangens zu machen, um sich darüber schlüssig zu werden, ob er dem
Verlangen des Vermieters als sachlich fundiert nachkommen soll oder nicht. Dafür
genügt es, wenn dem Mieter Tatsachen mitgeteilt werden, die er benötigt, um die
Berechtigung des Vermieterverlangens beurteilen zu können (vgl. Staudinger-
Emmerich BGB, Bearb. 2006, § 558 a m.z.N. d. Rspr.). Danach soll der Vermieter
Gelegenheit und Zeit haben, die Berechtigung des Erhöhungsverlangens
eingehend und in Ruhe zu überprüfen.
Bei den Anforderungen ist die Funktion des ausgewogenen Mietrechtes, das von
Verfassung wegen sowohl der sozialen Bedeutung des Mietverhältnisses für die
Mieter Rechnung zu tragen hat, als auch die Interessen der Vermieter an der
Wirtschaftlichkeit der Wohnung zu berücksichtigen hat (vgl. BVerfGE 37, S. 132,
140), zu beachten. Hierbei dürfen einerseits wegen des Schutzes des Eigentums
des Vermieters (Art. 14 GG) keine überspannten Anforderungen an die formelle
Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens gestellt werden. Andererseits muss
dem mit Verfassungsrang versehenen Recht des Mieters, effektiven Rechtsschutz
zu erlangen (Art. 19 Abs. 4 GG) Rechnung getragen werden.
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Ist wie im gesetzlichen Regelfall durch § 558 c Abs. 4 BGB der Mietspiegel
allgemein und kostenlos zugänglich, reicht es aus, wenn der Vermieter zur
Begründung auf einen geeigneten Mietspiegel verweist.
Der Mietspiegel wird abweichend vom gesetzlichen Regelfall des § 558 c Abs. 4
Satz 1 BGB in Wiesbaden nicht von der Gemeinde, sondern von
Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter erstellt (§ 558 c Abs. 1 BGB).
Ebenfalls in Abweichung von dem gesetzlichen Regelfall des § 558 c Abs. 4 Satz 2
BGB wird der Mietspiegel gerichtsbekannter Weise in Wiesbaden nicht
veröffentlicht.
Entgegen dem Vortrag der Klägerin in der Klageschrift ist der Mietspiegel
gerichtsbekannter Weise in Wiesbaden auch nicht bei der Gemeindeverwaltung
einsehbar. Zwar entspricht es einer langjährigen Übung, dass die Tabelle zum
Mietspiegel nach dessen Herausgabe in der Tagespresse veröffentlicht wird.
Darüber hinaus ist es gerichtsbekannt, dass diese Tabelle auch auf den
Internetseiten der Interessenverbände der Mieter und Vermieter eingestellt ist.
Dies reicht jedoch für eine Veröffentlichung gemäß § 558 c Abs. 4 Satz 2 BGB nicht
aus. Denn der Mietspiegel enthält neben der Tabelle einen umfangreichen
Erläuterungsteil, ohne den eine sachgerechte Überprüfung des
Mieterhöhungsverlangens nicht erfolgen kann.
Es ist ebenfalls gerichtsbekannt, dass der Mietspiegel durch die
Interessenverbände der Mieter und Vermieter, nämlich dem Mieterschutzverein W
und Umgebung e. V. und dem Haus- und Grund W e.V. gegen Zahlung eines
Kaufpreises von 3,00 EUR abgegeben wird.
Ist wie in Wiesbaden der Mietspiegel nicht allgemein kostenlos zugänglich, so
ergibt sich aus dem oben aufgezeigten Sinn und Zweck des
Begründungserfordernisses, dass der Vermieter den Mieter so stellt, als ob der
Mietspiegel für ihn allgemein und kostenlos zugänglich ist (vgl. Schmidt-Futterer,
Mietrecht, 8. Aufl., § 558 a, Rz. 39; Münch. Komm. BGB, 4. Aufl. 2004, Artz, § 558 a
Rz. 18; Staudinger-Emmerich § 558 a Rz. 25 Eisenschmidt; NZM 2001, S. 11 u 12;
OLG Braunschweig WuM 1982, 272; LG Berlin WuM 1990, 519; AG Nürnberg, WuM
1996, 1995; AG Wetter, NJWE-MietR 1997, 246; AG Köln MZM 2005, 146).
Diese Auffassung entspricht auch der st. Rspr. des erkennenden Gerichtes (vgl. B.
v. 13.01.2004 zu Az.: 92 C 5553/03 – 28; U. v. 29.06.2004 zu Az.: 92 C 1368/04 –
28; B. v. 26.10.2006 zu Az.: 92 C 4484/06; U. zu Az.: 93 C 3253/06).
Soweit die für Berufungen in Wohnraum-Mietsachen zuständige 3. Zivilkammer in
ihrem Urteil vom 15.04.2005 zu Az.: 3 S 75/04 eine gegenteilige Auffassung
vertreten hat, scheint sie nach einem Hinweisbeschluss in dem Verfahren 3 T
15/06 vom 24.11.2006 diese Auffassung nicht mehr aufrechtzuerhalten und sich
der Auffassung des Amtsgerichts anzuschließen.
Nach dem oben dargestellten Sinn und Zweck des Begründungszwanges kann es
dem Mieter nicht zugemutet werden, finanzielle Aufwendungen zu tätigen, um
Kenntnis von der Begründung, die der Vermieter zu erbringen hat, nehmen zu
können (Münch. Komm. BGB a.a.O; AG Köln a.a.O.; Schmidt-Futterer a.a.O.).
Es entspricht der Billigkeit, dass derjenige, der einen wirtschaftlichen Vorteil durch
die Mieterhöhung erzielt, die Kosten der ihm auferlegten Begründungspflicht trägt.
Es wäre unbillig, dass derjenige, der durch die Mieterhöhung einen wirtschaftlichen
Nachteil erzielt, auch noch Kosten aufwenden müsste, um die von der Gegenseite
zu erbringende Begründung zu finanzieren.
Dies gilt unabhängig davon, ob der Mietspiegel für 25,00 EUR oder für 3,00 EUR
verkauft wird. 3,00 EUR mögen für einen gut verdienenden Mieter ein geringes
Vermögensopfer darstellen; allerdings stellen sie für einen Langzeitarbeitslosen,
dem in der Regel monatliche Leistungen von 345,00 EUR zur Verfügung stehen,
bereits mehr als ¼ des täglich zur Verfügung stehenden Betrages dar.
Es kann dahin gestellt bleiben, ob der Vermieter seiner Begründungspflicht in
Gemeinden, in denen der Mietspiegel nicht kostenfrei allgemein zugänglich ist und
damit seiner Verpflichtung, den Mieter so zu stellen, als ob der Mietspiegel
allgemein kostenfrei zugänglich ist, nur dadurch gerecht werden kann, dass er
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allgemein kostenfrei zugänglich ist, nur dadurch gerecht werden kann, dass er
dem Mieterhöhungsverlangen ein Exemplar des Mietspiegels beifügt oder ob er
auch im Mieterhöhungsverlangen den Mieter darauf verweisen kann, an einer in
zumutbarer Entfernung von der gemieteten Wohnung liegenden Stelle – also in der
Regel in der gleichen politischen Gemeinde – den Mietspiegel zum dauerhaften
Verbleib kostenlos zu erlangen.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin dem Beklagten nicht angeboten, dass er
innerhalb Wiesbadens ein Exemplar des Mietspiegels zum dauerhaften Verbleib
kostenlos erlangen kann.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom
18.01.2007, dass der Mieter die Möglichkeit hatte, kostenlos in den Mietspiegel in
ihrem Kundencenter Einsicht zu nehmen, gemäß § 296 a ZPO als verspätet
zurückzuweisen ist, da dieser Schriftsatz erst nach Ablauf der am 12.01.2007
endenden Frist eingegangen ist. Denn jedenfalls würde das Angebot in den
Mietspiegel Einsicht zu nehmen, nicht ausreichen, um den
Begründungserfordernissen eines Mieterhöhungsverlangens gerecht zu werden.
Dies ergibt sich aus dem Sinn des Begründungszwanges des § 558 a Abs. 1 und 2
BGB i.V.m. der Überlegungsfrist in § 558 b Abs. 2 BGB. Danach soll der Mieter
Gelegenheit und Zeit haben, die Berechtigung des Erhöhungserlangens eingehend
und in Ruhe zu überprüfen. Hierzu gehört es, dem Mieter die Möglichkeit zu
eröffnen, das Mieterhöhungsverlangen unter Zuhilfenahme des Mietspiegels in
Ruhe und ggf. unter Heranziehung sachkundigen Rates zu überprüfen. Diesem
Zweck wird die Einräumung der Möglichkeit der Einsichtnahme in den Mietspiegel
in den Räumlichkeiten der Vermieter nicht gerecht. Zwar wäre dem Mieter
zuzumuten, um die Informationen zu erlangen, sich an eine bestimmte Stelle –
somit auch in das Büro des Vermieters – zu begeben, denn auch in Gemeinden, in
denen der Mietspiegel kostenlos zur Verfügung gestellt wird, muss der Mieter zu
einer bestimmten Stelle gehen, um den Mietspiegel zu erlangen. Jedoch ist in den
Räumen des Vermieters keine unbefangene Überprüfung des
Mieterhöhungsverlangens unter Zuhilfenahme des Mietspiegels und Beiziehung
sachkundigen Rates unter Ausnutzung der zweimonatigen Überlegungsfrist des §
558 b Abs. 2 BGB möglich.
Gegen diese Auffassung mag eingewendet werden, dass in einem anderen Fall, in
dem der Mieter Angaben des Vermieters überprüfen darf, nämlich im Hinblick auf
die Kontrollrechte des Mieters bei der Nebenkostenabrechnung durch
Einsichtnahme in die Belege, nach allgemeiner Ansicht der Vermieter dem Mieter
auch nur eine Einsicht in die Originalunterlagen gewähren muss, der Mieter
allerdings keinen Anspruch darauf hat, dass ihm der Vermieter die Originalbelege
aushändigt oder übersendet.
Nach Auffassung des Gerichts ist der Vergleich des vorliegend zu entscheidenden
Falles mit dem Fall der Einsichtnahme in die Originalbelege im Rahmen der
Kontrollrechte des Mieters bezüglich der Nebenkostenabrechnung nicht zu
vergleichen. Bei den Originalbelegen im Hinblick auf die
Nebenkostenabrechnungen handelt es sich um Urkunden, die einerseits unter
Umständen gesetzlichen Aufbewahrungspflichten des Vermieters unterliegen und
die andererseits der Vermieter vorhalten muss, um einer Vielzahl von Mietern
Einblick zu gewähren.
Im Gegensatz zu den Originalbelegen bezüglich der Nebenkostenabrechnungen
handelt es sich bei dem Mietspiegel um ein in hoher Auflage publiziertes
Druckwerk, für das keinerlei Aufbewahrungspflichten bestehen. Bereits aus diesem
Grund spricht nichts dagegen, dem Vermieter im Rahmen seiner
Begründungspflicht aufzugeben, dem Mieter in Städten wie Wiesbaden die
Möglichkeit einzuräumen, einen Mietspiegel kostenfrei zu erlangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Für eine Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 4 ZPO ist kein Raum, da die
Berufung bereits gemäß § 511 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO zulässig ist, da der
Beschwerdegegenstand 600,00 EUR übersteigt.
Nach der Rechtsprechung des Landgerichts Wiesbaden bestimmt sich dieser nach
dem 36-fachen Erhöhungsbetrag (WuM 1993, 470).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.