Urteil des AG Neuruppin vom 13.03.2017

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Gericht:
AG Neuruppin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
42 C 180/05
Dokumenttyp:
Teilurteil
Quelle:
Normen:
§ 3 NutzEV, § 6 Abs 1 NutzEV
Entgelterhöhung für ein Erholungsgrundstück im Beitrittsgebiet:
Schriftform des Erhöhungsverlangens
Tatbestand
(aus Wohnungswirtschaft und Mietrecht WuM)
Der Beklagte ist Pächter einer Teilfläche eines in N. gelegenen Erholungsgrundstücks;
die Klägerin ist Verpächter. Das Vertragsverhältnis beruht auf dem Nutzungsvertrag
vom 7. November 1979 und richtet sich unstreitig nach den Regelungen der
Nutzungsentgeltverordnung (NutzEV). Ab 1996 betrug das jährlich geschuldete
Nutzungsentgelt 384,00 DM (=196,34 €). Im April 2004 machte die Klägerin eine
Pachtzinsforderung für die Jahre 2001 bis 2004 in Höhe von insgesamt 883,50 € im
gerichtlichen Mahnverfahren geltend. Nach Einlegung des Widerspruchs haben die
Parteien dieses Verfahren bisher nicht weiterbetrieben.
Im September 2004 holte die Klägerin bei dem zuständigen Gutachterausschuss für
Grundstückswerte ein Gutachten über das ortsübliche Nutzungsentgelt für das unter
anderem vom Beklagten genutzte Erholungsgrundstück ein. Mit Schreiben vom 27.
Oktober 2004 erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten auf der Grundlage von § 3
NutzEV die Erhöhung des zu zahlenden Nutzungsentgelts ab 1.1.2005 auf
0,92C/m2/Jahr, insgesamt auf 441,60 €/Jahr. Das ortsübliche Entgelt werde durch diese
Erhöhung nicht überschritten. Das ortsübliche Nutzungsentgelt für das Grundstück liege
laut dem Gutachten des Gutachterausschusses bei 0,92 f/m2/Jahr. Der Beklagte könne
das vollständige Gutachten jederzeit in den Räumen der Stadtverwaltung einsehen. Der
schriftlichen Erhöhungserklärung fügte die Klägerin das Deckblatt des eingeholten
Gutachtens bei, das die Lagebezeichnung des Grundstückes sowie den Betrag von 0,92
€/m2/Jahr als ermitteltes Nutzungsentgelt zum Wertermittlungsstichtag 8.9.2004
enthält. Der Beklagte widersprach der Erhöhungserklärung insbesondere wegen
formeller Mängel. Am 17. Januar 2005 zahlte der Beklagte an die Klägerin 196,34 € mit
der Tilgungsbestimmung „8.800/1.400 PK 3170“, wie in der Erhöhungserklärung als
Verwendungszweckangabe erbeten.
Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe bereits das Nutzungsentgelt für 2001 nicht
gezahlt, so dass die Zahlung von Januar 2005 auf dieses rückständige Entgelt 2001
anrechenbar sei. Die auf ein vorliegendes Gutachten gestützte Erhöhungserklärung
bedürfe für ihre formelle Wirksamkeit der Beifügung des Gutachtens nicht. Sie verlangt
von dem Beklagten die Zahlung des vollständigen Nutzungsentgeltes für 2005.
Der Beklagte behauptet, das Entgelt 2001 bereits mit Überweisung vom 31. Januar 2001
auf das Konto der Klägerin bei der Sparkasse bezahlt zu haben. Die Klägerin dürfe auch
aus Rechtsgründen die im Januar 2005 geleistete Zahlung nicht auf einen etwaigen
Rückstand aus 2001 anrechnen. Dem stehe das unter anderem wegen der Pacht 2001
von der Klägerin anhängig gemachte, nicht aber weiter betriebene Mahnverfahren
entgegen. Das Anerbieten der Klägerin zur Einsichtnahme in das eingeholte Gutachten
des Gutachterausschusses reiche für eine formelle Wirksamkeit der Erhöhungserklärung
nicht aus. Der Beklagte rügt umfangreich weitere angebliche formelle und materielle
Mängel der Erhöhungserklärung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und jedenfalls zum Teil entscheidungsreif. Die Klägerin kann für das
Jahr 2005 jedenfalls kein den Betrag von 196,34 € übersteigendes Nutzungsentgelt
verlangen. Die schriftliche Erhöhungserklärung ist inhaltlich unzureichend.
Will der Überlassende das Nutzungsentgelt nach der NutzEV erhöhen, so hat er dem
Nutzer das Erhöhungsverlangen in Textform zu erklären und zu begründen. Zur
Begründung kann der Überlassende insbesondere auf ein Gutachten des örtlich
zuständigen Gutachterausschusses über die ortsüblichen Nutzungsentgelte für
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zuständigen Gutachterausschusses über die ortsüblichen Nutzungsentgelte für
vergleichbar genutzte Grundstücke Bezug nehmen (§ 6 Abs. 1 Nr.1 NutzEV). Dem
Wortlaut der Vorschrift ist zwar nicht ausdrücklich zu entnehmen, dass das Gutachten
der Erhöhungserklärung in vollem Umfang beizufügen ist. Dem Sinn des
Begründungszwangs der Erhöhungserklärung entnimmt das Gericht aber, dass die
vorgeschriebene Bezugnahme dem Nutzer Gelegenheit einräumen will, die Berechtigung
des Erhöhungsverlangens eingehend und in Ruhe zu überprüfen. Da der
Erhöhungserklärung vom 27.10. 2004 das Gutachten nicht vollständig beigefügt war, ist
sie unwirksam.
Nur wenn dem Nutzer das Gutachten im Wortlaut vorliegt, hat er die Möglichkeit, das
Erhöhungsverlangen angemessen zu prüfen. Anderenfalls müsste der Nutzer das
Gutachten von dem Überlassenden erst anfordern oder aber sich, in den Dienststunden
der Klägerin, in die dortigen Dienststellenräume begeben. Eine Einsichtnahme bei der
Klägerin erschwerte es dem Nutzer, das Gutachten mit Sachkundigen oder
Vertrauenspersonen inhaltlich zu erörtern. Jeweils vom Einzelfall wird es abhängig sein,
ob der Nutzer bei einer Einsichtnahme in den Räumen des Überlassenden die
technische Möglichkeit hat, Fotokopien von dem Gutachten anzufertigen und welche
Kosten hierfür vom Nutzer an den Überlassenden zu entrichten wären. Die
Wahrnehmung einer von der Klägerin angebotenen und angesonnenen Einsichtnahme in
ihren Diensträumen würde von einem nicht im Stadtbereich wohnhaften Nutzer überdies
verlangen, sich über möglicherweise große Entfernungen an den Sitz der Klägerin zu
begeben. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass berufstätige Nutzer die Klägerin zu
deren Dienststunden nur unter besonderen Schwierigkeiten aufsuchen können.
Von der Klägerin würde eine Verpflichtung zur Beifügung einer vollständigen
Gutachtenablichtung zwar den Aufwand erhöhter Papier- und Personalkosten für (hier
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erachtet das Gericht dies dem Überlassenden als nicht unzumutbar, insbesondere wenn
er Ertrag aus eigenem Grundbesitz erzielen will.
Eine nachträgliche Heilungsmöglichkeit sieht die Nutzungsentgeltverordnung, anders als
§ 2 Abs. 3 Satz 2 MHG und § 558 b Abs. 3 BGB n.F., nicht vor.
Das Gericht schließt sich mit seiner Entscheidung dem zum Wohnraummietrecht
ergangenen Rechtsentscheid des OLG Braunschweig (WuM 1982, 272 zu § 2 Abs. 2 Satz
3 MHG), der, soweit ersichtlich, ausnahmslos zustimmenden Praxis zum Wohnraum-
Mietrecht (vgl. Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht 8. Auflage § 558 a BGB Rd.
Ziff. 94) sowie dem zu § 6 NutzEV tendenziell übereinstimmenden AG Köpenick (WuM
1998, 356) an. Da der Beklagte infolge des nicht fehlerfreien Erhöhungsverlangens für
das Jahr 2005 jedenfalls kein den alten Jahresbetrag von 196,34 € übersteigendes
Nutzungsentgelt schuldet, ist die Klage wegen des weitergehenden Betrages
abzuweisen.
Zu den diesbezüglichen Anforderungen des § 6 Abs. 1 NutzEV ist eine obergerichtliche
Entscheidung nicht ersichtlich, ebenso wenig eine höchstrichterliche Entscheidung zur
vergleichbaren Rechtslage im Wohnungsmietrecht (§ 558 a Abs. 2 Nr.3 BGB n.F.). Das
Gericht lässt daher die Berufung auf ausdrückliches Ersuchen der Klägerin, die nach
eigener Angabe etwa 1000 vergleichbare Erholungsgrundstücke verwaltet, wegen
grundsätzlicher Bedeutung zu (§ 511 Abs. 4 Satz 1 Nr.1 ZPO).
Wegen des streitigen Sockelbetrages von 196,34 € bedarf es weiterer Aufklärung und
Beweiserhebung durch das Gericht. Es entscheidet daher über den entscheidungsreifen
Teil des Rechtsstreits vorab (§§3 01; 495 a ZPO).
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