Urteil des AG Grevenbroich vom 10.06.2008

AG Grevenbroich: hilfskraft, eltern, pflege, wohnung, krankheit, sozialhilfe, wohnrecht, versorgung, mietzins, behandlung

Amtsgericht Grevenbroich, 11 C 52/08
Datum:
10.06.2008
Gericht:
Amtsgericht Grevenbroich
Spruchkörper:
Richter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 C 52/08
Tenor:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger
4.281,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.03.2008 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.
Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger macht als Sozialhilfeträger übergeleitete Ansprüche aus einem notariellen
Grundstücksvertrag gegen die Beklagten geltend.
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Mit notariellem Vertrag vom 14.12.1982 übertrugen die Eltern des Beklagten zu 1) das
Grundstück Stadionstraße 9 in Grevenbroich zu je einem halben Anteil auf die
Beklagten. Im Gegenzug wurde den Eltern ein lebenslängliches unentgeltliches
Wohnrecht an den Räumlichkeiten im ersten Obergeschoss des Hauses, der Garage
und dem Gartenhäuschen eingeräumt.
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Weiter heißt es in dem Vertrag unter § 2 Nr. 2 b) wörtlich:
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"Der Erwerber verpflichtet sich weiterhin, dem Übergeber unentgeltlich eine gute Pflege,
Betreuung und Aufwartung in Tagen seines Wohlbefindens und der Krankheit zu
gewähren, auf Wunsch des Übergebers insbesondere für die Reinigung und
Instandhaltung von dessen Wohnung, Kleidung und Wäsche zu sorgen.
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Gegen angemessenes Entgelt kann den Übergeber auch die Zubereitung der seinem
jeweiligen Gesundheitszustand angepassten Mahlzeiten verlangen, auf Wunsch des
Übergebers auch die Beköstigung am gemeinsamen Tisch mit der Familie des
Erwerbers.
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Sollte der Erwerber einmal zukünftig die vorstehenden Leistungen nicht persönlich
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erbringen können, so hat er auf seine Kosten für eine entsprechende Hilfskraft zu
sorgen."
Die Mutter des Beklagten zu 1) verstarb Ende 1998. Aufgrund eines ärztlich
psychiatrischen Gutachtens vom 22.07.1999 wurde für den Vater des Beklagten zu 1)
am 30.08.1999 eine Betreuung in den Bereichen Gesundheitsfürsorge,
Aufenthaltsbestimmung und Vermögensangelegenheiten angeordnet. In dem Gutachten
wurde ein hirnorganisches Psychosyndrom mit depressiver Symptomatik bei dem Vater
des Beklagten zu 1) festgestellt. Im Oktober 1999 wurde er in einem Seniorenheim
untergebracht. Die dem Wohnrecht unterliegenden Räumlichkeiten wurden zu einem
monatlichen Mietzins von 400,00 DM weitervermietet.
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Seit Februar 2002 wird dem Vater des Beklagten zu 1) die Pflegestufe 2 gewährt.
Nachdem dieser die Heimkosten seit November 2006 nicht mehr vollständig selbst
tragen kann, gewährt der Kläger ihm Sozialhilfe gemäß § 61 SGB XII. In der Zeit von
November 2006 bis einschließlich Januar 2008 belief sich der Sozialhilfeaufwand auf
insgesamt 5.401,77 €. Bis auf die Monate November 2006 und Februar 2007 überschritt
die monatliche Leistung einen Betrag von 300,00 €. In diesen beiden Monaten wurden
Leistungen lediglich in Höhe von 223,92 € und 157,43 € gewährt.
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Mit Bescheiden vom 25.06., 27.09. und 17.12.2007 leitete der Kläger Ansprüche des
Vaters gegen die Beklagten aus dem notariellen Übertragungsvertrag wegen ersparter
Aufwendungen aus nicht mehr erbrachten Pflegeleistungen gemäß § 93 SGB XII auf
sich über. Hierin setzte der Kläger als ersparte Aufwendungen für die Pflegeleistungen
entsprechend der Pflegestufe 1 einen Betrag von monatlich 225,00 € und für die
ersparten hauswirtschaftlichen Tätigkeiten 75,00 € an.
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Mit seiner Klage macht der Kläger die Erstattung ersparter Aufwendungen für 13 Monate
in Höhe von jeweils 300,00 € zuzüglich der Leistungen für November 2006 in Höhe von
223,92 € und für Februar 2007 in Höhe von 157,43 €, insgesamt ein Betrag von
4.281,35 € geltend.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagten zu verurteilen, an ihn als Gesamtschuldner 4.281,35 € nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
08.03.2008 zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten sind der Ansicht, dass keine überleitungsfähige Forderung des Vaters
gegen die Beklagten bestehe. Die Verpflichtung zur Tragung der Kosten für eine
Hilfskraft sei auf den Fall abgestimmt, dass aus gesundheitlichen Gründen eine
Versorgung des Vaters in der Wohnung nicht mehr sichergestellt werden könne. Eine
solche medizinische Notwendigkeit habe jedoch nicht bestanden, da der Vater des
Beklagten zu 1) freiwillig aus der Wohnung ausgezogen sei. Außerdem sei nach § 2 Nr.
2 b) des notariellen Vertrags die Gestellung eine Hilfskraft nur dann erforderlich, wenn
die Beklagten aus in ihrer Person liegenden Gründen die Pflegeverpflichtung nicht mehr
übernehmen könnten. Schließlich habe der Vater seine Rechte aus dem Vertrag
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verwirkt, da er die Schwester des Beklagten zu 1) über einen längeren Zeitraum
missbraucht habe.
Wegen des weitergehenden Vortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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I.
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Dem Kläger steht aus den Überleitungsbescheiden vom 25.06., 27.09. und 17.12.2007
21
in Verbindung mit § 2 Nr. 2 b) des notariellen Vertrags vom 14.12.1982 ein Anspruch auf
Erstattung ersparter Aufwendungen in Höhe von 4.281,35 € gegen die Beklagten zu.
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Da der Kläger dem Vater des Beklagten 1) seit November 2006 Sozialhilfe gewährt,
konnte er nach § 93 SGB XII Ansprüche des Vaters gegen die Beklagten auf sich
überleiten.
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Aus § 2 Nr. 2 b) des notariellen Vertrags vom 14.12.1982 steht dem Vater des Beklagten
zu 1) ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Pflege-Hilfskraft zu. Entgegen
der Auffassung der Beklagten hält das Gericht die Voraussetzungen des Anspruchs für
gegeben.
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Durch den notariellen Vertrag vom 14.12.1982 haben der Vater des Beklagten 1) und
seine verstorbene Ehefrau ihren Grundbesitz im Wege vorweggenommener Erbfolge auf
die Beklagten übertragen. Im Gegenzug haben die Beklagten den Eltern ein
lebenslängliches unentgeltliches Wohnungsrecht eingeräumt. Außerdem haben sie sich
zur unentgeltlichen Pflege und Betreuung in Zeiten des Wohlbefindens und der
Krankheit sowie zur Reinigung und Instandhaltung von Wohnung und Kleidung der
Eltern verpflichtet. Die Zubereitung von Mahlzeiten sollte nur gegen angemessenes
Entgelt erfolgen. Für den Fall, dass die Beklagten zukünftig die beschriebenen Pflege-
und Betreuungsverpflichtungen "nicht persönlich erbringen können", sollten sie auf ihre
Kosten für eine entsprechende Hilfskraft sorgen.
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Das Unvermögen, die Pflegeleistungen persönlich zu erbringen, muss nach dem Sinn
und Zweck dahingehend ausgelegt werden, dass entweder die Beklagten aus Gründen,
die in ihrer Person liegen, die Pflegeverpflichtung mehr erbringen können, oder der
Vater des Beklagten zu 1) aus Gründen, die in seiner Person liegen, nicht mehr ohne
professionelle Hilfe von den Beklagten gepflegt werden kann. Dass auch medizinische
Notwendigkeiten hinsichtlich des Vaters des Beklagten zu 1) zu berücksichtigen sind,
ergibt sich insbesondere daraus, dass sich die Beklagten auch "in Tagen (…) der
Krankheit" zu einer unentgeltlichen Pflege und Betreuung der Eltern verpflichtet haben.
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Das Gericht geht davon aus, dass spätestens seit Februar 2002 eine medizinische
Notwendigkeit für die Heimunterbringung des Vaters des Beklagten zu 1) besteht. Aus
dem vom Kläger vorgelegten Gutachten aus dem Betreuungsverfahren vom 22.07.1999
ergibt sich, dass eine ursächliche Behandlung des Leidens des Vaters nicht möglich ist
und mit einer entscheidenden Besserung des Zustandes nicht zu rechnen war. Nach
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dem Schreiben der AOK vom 21.08.2002 beträgt der Hilfebedarf des Vaters des
Beklagten zu 1) seit Februar 2002 täglich 189 Minuten, weshalb ihm seither die
Pflegestufe 2 gewährt wird. Aufgrund dieser eindeutigen Aussagen kann nicht davon
ausgegangen werden, dass der Vater des Beklagten ohne medizinischen Hintergrund
allein aus seinem freien Willen heraus in einem Seniorenheim untergebracht ist.
Hinsichtlich der Kosten für eine Hilfskraft hält das Gericht die von dem Kläger
angesetzten Pflegekosten entsprechend der Pflegestufe 1 in Höhe von 225,00 €
monatlich und die Kosten für die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten in Höhe von 75,00 €
monatlich im Wege einer Schätzung nach § 287 ZPO für angemessen.
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Die Kosten für die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten haben die Beklagten daneben auch
aus Gründen ersparter Aufwendungen zu erstatten. Da der Fall der Heimunterbringung
des Vaters des Beklagten zu 1) im notariellen Vertrag nicht geregelt ist, war die
Vertragslücke in der Weise zu schließen, dass sich die Beklagten hinsichtlich der
Leistungen, die infolge der Heimunterbringung nicht mehr in Natur erbracht werden
können, in Höhe der ersparten Aufwendungen an den Pflegekosten zu beteiligen haben
(vgl. BGH Urteil vom 23.01.2003, NJW-RR 2003, 577 ff.).
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Schließlich steht dem Anspruch auch kein Verwirkungseinwand entgegen. Auf den
gerichtlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung vom 29.04.2008 haben die
Beklagten ihren Einwand nicht näher dargelegt und unter Beweis gestellt.
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II.
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Der Zinsanspruch ist aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB begründet.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs.4 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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Streitwert: 4.281,35 €
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