Urteil des AG Essen vom 30.12.2002

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Amtsgericht Essen, 14 C 149/02
Datum:
30.12.2002
Gericht:
Amtsgericht Essen
Spruchkörper:
Abt. 14
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 C 149/02
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.246,91 € nebst 5 % Zinsen
seit dem 16.10.02 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 1.650,00 € abzuwenden, wenn nicht der
Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
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Die Mutter des Klägers, deren Alleinerbe dieser ist, war seit dem 06.04.99 in dem
Seniorenheim der Rechtsvorgängerin der Beklagten untergebracht. Es wurde am
15.04.99 ein Heimvertrag geschlossen, in dem das Leistungsentgelt in Höhe von 121,90
DM pro Tag festgelegt wurde. Die Mutter des Klägers war Selbstzahlerin. Auf das
Leistungsentgelt entfielen seit dem 01.01.00 ein Betrag von 41,02 DM und seit dem
01.01.01 ein Betrag von 41,51 DM für Unterkunft und Verpflegung, welche gem. §§ 85,
87 SGB XI mit den Sozialleistungsträgern vereinbart werden. Die täglichen
Verpflegungskosten wurden zuletzt von der Beklagten mit 3,79 € beziffert. In § 3 V des
Heimvertrages heißt es: "Wird eine sonstige Leistung nicht in Anspruch genommen, so
kann das Entgelt nur ermäßigt werden, wenn dadurch eine Kostenersparnis eintritt."
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichte Vertragsurkunde vom
15.04.99 Bezug genommen.
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Ab dem 21.11.00 wurde die Mutter des Klägers mittels einer Magensonde künstlich
ernährt. Die künstliche Ernährung wurde bis zu ihrem Todestag am 15.10.01 in dieser
Form fortgesetzt, ohne dass Frau S noch einmal an der heimüblichen Verpflegung
teilnahm.
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Die Kosten für die Sondernahrung trug die Krankenkasse.
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Der Kläger behauptet, die Beklagte habe durch die Sonderernährung seiner Mutter die
Verpflegungskosten eingespart und beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.246,91 € nebst 5%
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Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.02 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behauptet, dass eine Ersparnis wegen einer Mischkalkulation, die aus Gründen der
Solidargemeinschaft durchgeführt werde, nicht vorgelegen habe.
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Im Übrigen beziehe sich eine Ersparnis nur auf "sonstige Leistungen" im Sinne des § 3
V des Heimvertrages. Die theoretisch niedrigeren Verpflegungskosten seien auch durch
den zusätzlichen Pflegeaufwand für die künstliche Ernährung kompensiert worden. Eine
Ersparnis sei, wie die Beklagte weiter behauptet, nicht möglich gewesen, da die
Bestellungen und Kalkulationen für die Lebensmittel bereits lange im Voraus erfolgte.
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Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet.
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Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 1.246,91 € gemäß § 4 a Heimgesetz in
Verbindung mit dem Heimvertrag vom 15.04.99, weil das Leistungsentgelt auf Grund
des langfristig geänderten Gesundheitszustandes seiner Mutter anzupassen war.
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Dem Anspruch liegt der Heimvertrag vom 15.04.99 zu Grunde. Dieser Vertrag fällt
gemäß § 1 I Heimgesetz unter den Anwendungsbereich des genannten Gesetzes,
welches den allgemeinen Regelungen zum Dienst- oder Mietvertrag vorgeht.
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Die Beklagte ist ihren Pflichten aus § 4 a Heimgesetz nicht nachgekommen. In § 4 a
Heimgesetz wird die Pflicht des Leistungsträgers zur Anpassung der Leistungen an den
Gesundheitszustand des Bewohners und die Pflicht zum Angebot von Änderungen des
Heimvertrages in einem solchen Fall festgelegt.
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Die nicht beanspruchten Kosten für die Verpflegung fallen ferner unter § 3 V des
Heimvertrages. Da § 3 V des Heimvertrages gemäß § 4 d Heimgesetz nicht zum
Nachteil des Bewohners abweichen kann, ist er nur als Konkretisierung der
gesetzlichen Vorschrift zu verstehen und in ihm keine Beschränkung der Leistungen
möglich. Die Vorschrift des § 3 II Heimgesetz bezieht sich unter den Leistungen des
Trägers gerade insbesondere auf die Überlassung der Unterkunft und die Gewährung
von Verpflegung.
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Der Beklagten war es auch möglich, Kosten zu ersparen, da eine heimübliche
Verpflegung der Mutter des Klägers nicht mehr stattfand. Die Verpflegungskosten sind
selbst bei Vorauskalkulation nicht entstanden. Die Beklagte musste für eine bestimmte
Anzahl von Bewohnern planen. Wenn ein Bewohner aus dieser Planung herausfällt
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oder hinzukommt, so muss sie zumindest innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums die
Planung umstellen könne, um eine ausreichende Versorgung garantieren zu können.
Jedenfalls kann sie bei einer fast für ein Jahr bestehenden künstlichen Ernährung nicht
geltend machen, dass eine adäquate Kalkulation nicht möglich gewesen sei.
Eine Kompensation der niedrigeren Ernährungskosten ist schließlich nicht durch die
zusätzlichen Pflegekosten entstanden. Die Beklagte kann die zusätzlichen Pflegekosten
nicht geltend machen. Eine einseitige schriftliche Erklärung, die bei Erhöhung des
Leistungsentgeltes gemäß § 3 VI des Heimvertrages in Verbindung mit § 4 c II, III
Heimgesetz mindestens vier Wochen vorher schriftlich erklärt und begründet werden
muss, liegt nicht vor. Darüber hinaus dürfte ein erhöhter Pflegeaufwand durch
Leistungen der Pflegeversicherung abgegolten sein.
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Die Entscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus §§
91, 708 Nummer 11, 711 ZPO.
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