Urteil des AG Essen vom 01.09.2009

AG Essen (wirtschaftliche tätigkeit, essen, tätigkeit, wert, auflage, grund, dokumentation, bezirk, umsetzung, schuld)

Amtsgericht Essen, 166 IN 119/09
Datum:
01.09.2009
Gericht:
Amtsgericht Essen
Spruchkörper:
Abt. 166 IN
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
166 IN 119/09
Schlagworte:
Örtliche Zuständigkeit Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen
Tätigkeit
Normen:
InsO § 3 Abs. 1
Leitsätze:
1. Zur Bestimmung des Mittelpunktes der selbständigen wirtschaftlichen
Tätigkeit sind durch Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse der
Schuldnerin Indizien zu gewinnen, die auf die tatsächliche
Willensbildung der Schuldnerin, deren Dokumentation und Umsetzung
schließen lassen, wobei die gefundenen Ergebnisse wertend zu
betrachten sind.
2. Für den Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit ist mit
der überwiegend vertretenen Auffassung auf den Ort abzustellen, an
dem die tatsächliche Willensbildung stattfindet, die Entscheidungen der
Unternehmensleitung getroffen, dokumentiert und umgesetzt werden,
wofür eine gewisse organisatorische Verfestigung zu verlangen ist
Tenor:
wird wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung heute, am
01.09.2009, um 11:09 Uhr das Insolvenzverfahren eröffnet.
Die Eröffnung erfolgt aufgrund des am 09.06.2009 bei Gericht
eingegangenen Antrags der Schuldnerin.
Zum Insolvenzverwalter wird ernannt Rechtsanwalt H, Essen,
Forderungen der Insolvenzgläubiger sind bis zum 26.10.2009 unter
Beachtung des § 174 InsO beim Insolvenzverwalter anzumelden.
Die Gläu¬bi¬ger wer¬den auf¬ge¬for¬dert, dem Insolvenzverwalter
un¬ver¬züg¬lich mit¬zu¬tei¬len, wel¬che Si¬che¬rungs¬rech¬te sie an
be¬weg¬li¬chen Sa¬chen oder an Rech¬ten der Schuldnerin in
An¬spruch neh¬men. Der Ge¬gen¬stand, an dem das
Si¬che¬rungs¬recht beansprucht wird, die Art und der
Ent¬ste¬hungs¬grund des Si¬che¬rungs¬rechts so¬wie die
ge¬si¬cher¬te For¬de¬rung sind zu be¬zeich¬nen. Wer die¬se
Mittei¬lun¬gen schuld¬haft un¬ter-lässt oder ver¬zö¬gert, haf¬tet für den
da¬raus ent¬stehen¬den Scha¬den (§ 28 Abs. 2 InsO).
Wer Ver¬pflich¬tun¬gen ge¬gen¬ü¬ber der Schuldnerin hat, wird
auf¬ge¬for¬dert, nicht mehr an diese zu leis¬ten, son¬dern nur noch an
den Insolvenzverwalter.
Zum Sonderinsolvenzverwalter wird bestellt Rechtsanwalt O, Essen, mit
dem Aufgabenkreis:
• Anmeldung von Insolvenzforderungen der Schuldnerin gegen andere
insolvente Gesellschaften des B-Konzerns und
• Überprüfung, Verhandlung und gegebenenfalls Neuvereinbarung der
Preise für Lieferungen und Leistungen der Schuldnerin an andere
insolvente Gesellschaften des B-Konzerns.
Der im Insolvenzeröffnungsverfahren mit Beschluss vom 07.07.2009
eingesetzte vor-läu¬fi¬ge Gläu¬bigeraus¬schuss wird mit in den in dem
Beschluss vom 11.08.2009 bestellten Mitgliedern, nämlich
• A1 Kreditversicherung,
• C Landesbank,
• CgB,
• D AG,
• Herr N,
• Herr Q,
• Q1-T-Verein VVaG,
• Herr U,
• Herr R,
• Herr L
im eröffneten Verfahren beibehalten.
Ter¬min zur Gläu¬biger¬ver¬samm¬lung, in der auf der Grund¬la¬ge
ei¬nes Be¬richts des Insolvenzverwalters über den Fort¬gang des
Ver¬fah¬rens be¬schlos¬sen wird (Be¬richts¬ter-min) ist am
Mittwoch, 11.11.2009, 10:00 Uhr.
Der Einlass beginnt um 9:00 Uhr.
Der Ter¬min dient zugleich zur Be¬schluss¬fas¬sung der Gläu¬bi¬ger
über
• die Per¬son des Insolvenzverwalters,
• die Person des Sonderinsolvenzverwalters,
• die Ein¬set¬zung und Be¬set¬zung des Gläu¬bigeraus¬schuss (§ 68
InsO),
• ge¬ge¬be¬nen¬falls die nach¬fol¬gend be¬zeich¬ne¬ten
Ge¬gen¬stän¬de:
- Ent¬schei¬dung über die Wirk¬sam¬keit der Ver¬walterer¬klä¬rung zu
Ver¬mö¬gen aus selbst¬stän¬di¬ger Tä¬tig¬keit (§ 35 Abs. 2 InsO),
- Zwi¬schen¬rech¬nungs¬le¬gung ge¬gen¬ü¬ber der
Gläu¬biger¬ver¬samm¬lung (§ 66 Abs. 3 InsO),
- Hin¬ter¬le¬gungs¬stel¬le und Be¬din¬gun¬gen zur An¬la¬ge und
Hin¬ter¬le¬gung von Geld, Wert¬pa¬pie¬ren und Kost¬bar¬kei¬ten (§
149 InsO),
- Ent¬schei¬dung über den Fort¬gang des Ver¬fah¬rens (§ 157 InsO),
- be¬son¬ders be¬deut¬sa¬me Rechts¬hand¬lun¬gen des
Insolvenzverwalters (§ 160 InsO); ins¬be¬son¬de¬re: Ver¬äu¬ße¬rung
des Un¬ter¬neh¬mens oder des Be¬triebs der Schuldnerin, des
Wa¬ren¬la¬gers im gan¬zen, ei¬nes un¬be¬weg¬li¬chen
Ge¬gen¬stan-des aus frei¬er Hand, ei¬ner Betei¬li¬gung der
Schuldnerin an ei¬nem an¬de¬ren Un¬ter¬neh¬men, die der
Her¬stel¬lung ei¬ner dau¬ern¬den Verbin¬dung zu die¬sem
Un¬ter¬neh¬men die¬nen soll, die Auf¬nah¬me ei¬nes Dar¬le¬hens,
das die Mas¬se er-heb¬lich be¬las¬ten wür¬de,
An¬hän¬gig¬ma¬chung, Auf¬nah¬me, Bei¬le¬gung oder Ver-mei¬dung
ei¬nes Rechts¬streits mit er¬heb¬li¬chem Streit¬wert,
- Be¬triebs¬ver¬äu¬ße¬rung an be¬son¬ders In¬te¬res¬sier¬te oder
Be¬triebs¬ver¬äu¬ße¬rung un¬ter Wert (§§ 162, 163 InsO),
- Be¬an¬tra¬gung der An¬ord¬nung oder der Auf¬he¬bung der
An¬ord¬nung ei¬ner Ei-gen¬ver¬wal¬tung (§§ 271 und 272 InsO),
- die Zah¬lung von Un¬ter¬halt aus der In¬sol¬venz¬mas¬se (§§ 100,
101 InsO)
• und un¬ter Um¬stän¬den zur An¬hö¬rung über eine
Ver¬fah¬renseinstel¬lung man¬gels Mas¬se (§ 207 InsO).
Nimmt an der Gläu¬biger¬ver¬samm¬lung kein stimm¬be¬rech¬tig¬ter
Gläu¬bi¬ger teil (Be-schluss¬un¬fä¬hig¬keit), so gilt die Zu¬stim¬mung
zu be¬son¬ders be¬deut¬sa¬men Rechts¬hand-lun¬gen des
Insolvenzverwalters als er¬teilt (§ 160 Abs. 1 Satz 3 InsO).
Eine Gläu¬biger¬ver¬samm¬lung, in der die an¬ge¬mel¬de¬ten
For¬de¬run¬gen ge¬prüft wer¬den (Prü¬fungs¬ter¬min), wird vor¬erst
nicht ein¬be¬ru¬fen. Die For¬de¬run¬gen wer¬den im schrift¬li-chen
Ver¬fah¬ren ge¬prüft (§ 5 InsO). Stich¬tag, der dem Prü¬fungs¬ter¬min
ent¬spricht ist der 23.11.2009.
Die Ta¬bel¬le mit den For¬de¬run¬gen und die
An¬mel¬dungs¬un¬ter¬la¬gen wer¬den spätes¬tens ab dem
04.11.2009 zur Ein¬sicht der Be¬tei¬lig¬ten auf der Ge¬schäfts¬stel¬le
des Amts¬ge-richts Essen nie¬der¬ge¬legt.
Die Niederlegung der Tabelle und der Anmeldeunterlagen erfolgt in
digitaler Form.
Die Anmeldeunterlagen in Papierform werden beim Insolvenzverwalter
in dessen Kanzleiräumen aufbewahrt und können bei Bedarf durch das
Insolvenzgericht zur Einsichtnahme angefordert werden.
Ein schrift¬li¬cher Wi¬der¬spruch, mit dem ein Be¬tei¬lig¬ter eine
For¬de¬rung bestrei¬tet, muss spätes¬tens am Prü¬fungs¬stich¬tag bei
Ge¬richt ein¬ge¬hen. Im Wi¬der¬spruch ist an¬zuge¬ben, ob die
For¬de¬rung nach ih¬rem Grund, ih¬rem Be¬trag oder ih¬rem Rang
bestrit¬ten wird.
Der Insolvenzverwalter wird be¬auf¬tragt, die nach § 30 Abs. 2 InsO zu
be¬wirken¬den Zu-stel¬lun¬gen an die Schuld¬ner der Schuldnerin
(Dritt¬schuld¬ner) so¬wie an die Gläu¬bi¬ger durch¬zu¬füh¬ren (§ 8
Abs. 3 InsO).
Gründe:
1
Das als Insolvenzgericht angerufene Amtsgericht Essen ist örtlich zuständig.
2
Die Schuldnerin übte im Zeitpunkt der Antragstellung eine selbständige wirtschaftliche
Tätigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 S. 2 InsO aus, wobei deren Mittelpunkt im Bezirk des
Amtsgerichts – Insolvenzgerichts – Essen belegen ist. Dies lässt sich auf der Grundlage
3
der vorliegenden Ergebnisse der von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen (§ 5
Abs. 1 S. 1 und 2 InsO), insbesondere unter Berücksichtigung der eigenen Angaben der
Schuldnerin und des Gutachtens des zum Sachverständigen bestellten Rechtsanwalts
X, feststellen.
Übt der Schuldner eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit aus, so ist für das
Insolvenzverfahren das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk der Mittelpunkt
dieser Tätigkeit liegt (§ 3 Abs. 1 S. 2 InsO); andernfalls ist der allgemeine Gerichtsstand
maßgebend (§ 3 Abs. 1 S. 1 InsO). Eine im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung
ausgeübte selbständige wirtschaftliche Tätigkeit der Schuldnerin sperrt, da dieses
Kriterium nach der gesetzlichen Regelung vorrangig ist, bei der Bestimmung des
zuständigen Insolvenzgerichts ein Abstellen auf den für den allgemeinen Gerichtsstands
maßgeblichen Sitz der Schuldnerin (§§ 4 InsO, 17 Abs. 1 S. 1 ZPO). Bei Konzernen ist
die Bestimmung des zuständigen Insolvenzgerichts für jedes einzelne
Konzernunternehmen gesondert vorzunehmen. Diesbezüglich hat der Gesetzgeber für
Konzerne keine Sonderregelungen geschaffen, insbesondere keinen einheitlichen
Gerichtsstand normiert.
4
Zur Bestimmung des Mittelpunktes der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit sind
durch Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse der Schuldnerin Indizien zu gewinnen,
die auf die tatsächliche Willensbildung der Schuldnerin, deren Dokumentation und
Umsetzung schließen lassen, wobei die gefundenen Ergebnisse wertend zu betrachten
sind. Eine gesetzliche Definition des Mittelpunktes der selbständigen wirtschaftlichen
Tätigkeit besteht nicht. Für den Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit
ist mit der überwiegend vertretenen Auffassung auf den Ort abzustellen, an dem die
tatsächliche Willensbildung stattfindet, die Entscheidungen der Unternehmensleitung
getroffen, dokumentiert und umgesetzt werden, wofür eine gewisse organisatorische
Verfestigung zu verlangen ist (Kirchhof in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 4. Auflage, § 3
Rdnr. 9; Ganter in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Auflage, § 3 Rdnr.
10; Rüther in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 2. Auflage, § 3 Rdnr. 13).
5
In dem am 29.06.2009 beauftragten, am 30.06.2009 erstatteten und am 31.06.2009 beim
Amtsgericht Essen eingegangenen Gutachten hat der Sachverständige X Umstände
ermittelt, die die Feststellung tragen, dass die tatsächliche Willensbildung der
Schuldnerin, deren Dokumentation und Umsetzung im Bezirk des Amtsgerichts –
Insolvenzgerichts – Essen erfolgte.
6
Essen, 01.09.2009
7
Amtsgericht
8