Urteil des AG Aachen vom 02.11.1990
AG Aachen (nichteheliche lebensgemeinschaft, juristische person, wichtiger grund, vermieter, wohnung, lebensgemeinschaft, mietwohnung, dauer, interesse, aufnahme)
Amtsgericht Aachen, 9 C 382/90
Datum:
02.11.1990
Gericht:
Amtsgericht Aachen
Spruchkörper:
Abteilung 9
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 C 382/90
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Erlaubnis zu erteilen, ihren
Lebensgefährten xxx auf Dauer als Mitbewohner in die Mietwohnung xxx
aufzunehmen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 300,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d
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Mit schriftlichen Mietvertrag vom 17.08.1986 vermietete die Beklagte eine im Hause xxx
gelegene 3-Zimmer-Wohnung an die Klägerin. Diese beabsichtigt, ihren
Lebensgefährten xxx auf Dauer in die Wohnung aufzunehmen. Die Beklagte hat die
hierzu erbetene Erlaubnis verweigert.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen zu erklären, dass sie berechtigt ist, in die
Mietwohnung xxx ihren Lebensgefährten xxx auf Dauer als Mitbewohner
aufzunehmen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, die Erteilung der begehrten Erlaubnis sei ihr nicht zumutbar. Die
nichteheliche Lebensgemeinschaft verstoße gegen die Grundsätze der katholischen
Kirche zu Ehe und Familie. Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, dass sie, die
Beklagte, ihre gesicherte Glaubenshaltung zu einer solchen Frage aufgebe.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist begründet.
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Der Klägerin steht gemäß § 549 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Erlaubniserteilung zu. Sie
hat ein berechtigtes Interesse an der Aufnahme eines Dritten in die Mietwohnung
dargetan. Die Bildung einer auf Dauer angelegten Wohngemeinschaft aus persönlichen
oder wirtschaftlichen Gründen begründet regelmäßig ein berechtigtes Interesse im
Sinne des § 549 Abs. 2 BGB (Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Hamm vom
17.08.1982, NJW 82, 2876). Die Beklagte stellt auch nicht in Abrede, dass ein solches
Interesse bei der Klägerin vorliegt.
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Die Aufnahme des Lebensgefährten der Klägerin in die Mietwohnung ist für die
Beklagte auch nicht unzumutbar im Sinne des § 549 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BGB. Es
liegt weder in der Person des Lebensgefährten der Klägerin ein wichtiger Grund vor,
noch wird der Wohnraum übermäßig belegt. Schließlich lässt sich die Unzumutbarkeit
für die Beklagte nicht daraus herleiten, dass die Klägerin mit ihrem Lebensgefährten
unverheiratet in der Wohnung zusammenleben will. Nichteheliche
Lebensgemeinschaften werden von der Bevölkerung inzwischen weitgehend toleriert.
Dies bedeutet allerdings nicht, dass deswegen dem Vermieter eine solche
Lebensgemeinschaft grundsätzlich immer zugemutet werden kann. Der Vermieter ist mit
dem Einwand, ihm sei die Duldung aus moralischen und ethischen Gründen unzumutar,
nicht von vornherein ausgeschlossen. Auch der Vermieter hat Anspruch auf
Gewissensfreiheit und freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (OLG Hamm a.a.O.;
Rechtsentscheid des OLG Hamm vom 06.04.1983, NJW 83, 1564). Die Frage, ob der
Vermieter seine Anschauung durchsetzen und seine Erlaubnis zu Recht verweigern
kann, hängt davon ab, in welchem Maße er durch das Zusammenleben betroffen wird.
Vorliegend rechtfertigt das Betroffensein der Beklagten nicht die Verweigerung der
begehrten Erlaubnis. Zwar steht die von der Klägerin geplante nichteheliche
Lebensgemeinschaft im Widerspruch zur Morallehre der katholischen Kirche. Hierauf
kann sich die Beklagte jedoch im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung
nicht berufen. Durch das mit der Klägerin begründete Wohnraummietverhältnis nimmt
die Beklagte am allgemeinen Wirtschaftsleben teil. Der Mietvertrag vom 17.08.1986
weist gegenüber anderen Verträgen keine Besonderheiten auf. Die Beklagte muss sich
deshalb wie jeder andere Vermieter behandeln lassen. Für einen anderen Vermieter,
insbesondere wenn es sich um eine juristische Person handelt, wäre die Erteilung einer
Erlaubnis zur Aufnahme eines Lebensgefährten in die Wohnung der Klägerin nicht
unzumutbar. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich um eine Wohnung in
einem Mehrfamilienhaus im städtischen Bereich handelt.
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Wenn die Beklagte auch als Vermieter eine nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht zu
dulden bereit ist, hätte sie die Klägerin hierauf bei Abschluss des Mietvertrages
hinweisen können und müssen. Da sie dies unterlassen hat, ist es ihr heute verweht, die
Erlaubnis, die ein anderer Vermieter hätte erteilen müssen, zu verweigern.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.
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Streitwert:
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X
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Richterin am Amtsgericht
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