Rechtsanwalt Mathias Münch

BRL BOEGE ROHDE LUEBBEHUESEN
10117, Berlin
Rechtsgebiete
Immobilien, Baurecht, Architektenrecht Wohnungseigentumsrecht Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht
03.12.2014

Zweifelhaft: Mieter darf Transparent an Balkon hängen

Zweifelhaft: Mieter darf Transparent an Balkon hängenDas Amtsgericht Mitte in Berlin hat einem Mieter gestattet, ein Transparent mit der Aufschrift „Wir lassen uns nicht Luxussanieren!“ an der Außenseite der Balkonbrüstung anzubringen. Die Entscheidung ist vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zweifelhaft.

Amtsgericht Mitte, Urteil vom 26.2.2014 – 119 C 408/13

Im Zuge von Modernisierungsarbeiten an einem Berliner Mietshaus hängten die Mieter ein die gesamte Größe der Balkonbrüstung einnehmendes Transparent mit der Aufschrift „Wir lassen uns nicht Luxussanieren!“ an die Außenseite des Balkons, so dass es von der Straße aus leicht wahrnehmbar ist. Für die Arbeiten wurde das Haus eingerüstet und mit Fangnetzen versehen. Der Vermieter klagte auf Beseitigung des Transparents und Unterlassung, der Mieter auf Beseitigung der Netzplanen am Gerüst, die seiner Meinung nach die Sicht auf sein Transparent versperrten und ihn in seiner Meinungsfreiheit einschränkten. Das Amtsgericht gab dem Mieter in vollem Umfang Recht.

Ist der Balkon Teil der Fassade

Das Gericht ist der Ansicht, der Balkon gehöre zur vermieteten Wohnung und nicht zur Fassade. Deshalb schade die Klausel im Mietvertrag auch nicht, dass das Anbringen vom Schildern und Aufschriften jeglicher Art in gemeinschaftlichen Räumen und am Haus der Zustimmung des Vermieters bedarf. Diese Auffassung ist zweifelhaft. Denn ganz offensichtlich möchte diese – allgemein übliche und in AGB zulässige – Klausel verhindern, dass außerhalb der Wohnung Gemeinschaftsflächen und die Außenseite des Gebäudes (Fassade, Dach) vom Mieter ohne Vermieterzustimmung „dekoriert“ werden. In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass auch die Balkonaußenseiten und -unterseite Teil der Fassade ist und eben nicht zur vermieteten Wohnung gehört. Der Mieter mag sich z.B. den Balkonfußboden mit eigenen Bodenbelägen auslegen oder die Innenseiten der Balkonbrüstung dekorieren, die Außenseiten werden aber in der Regel nicht mitvermietet sein. Mit ihrer gegenteiligen Auffassung dürfte die Richterin beim AG Mitte recht allein dastehen.

Ausübung der Meinungsfreiheit vom gemieteten Balkon

Das Amtsgericht ist weiter der Ansicht, dass die Meinungsausübungsfreiheit (Art. 5 GG) gegen das Recht des Vermieters an seinem Eigentum (Art. 14 GG) abgewogen werden muss. Danach soll der Vermieter Transparente am Balkon akzeptieren müssen, wenn die Gebäudesubstanz nicht beschädigt wird und die Meinungsäußerung nicht strafbar oder sittenwidrig ist. Auch diese Auffassung ist fragwürdig und steht nicht im Einklang mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.1.1958 – 1 BvR 184/54. Denn die Meinungsfreiheit ist ein Recht des Bürgers gegen Eingriffe staatlicher Stellen, nicht gegen private Vermieter. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Anspruch des Vermieters gegen den Mieter, dass dieser die Anbringung von politischen Plakaten an den Hausaußenwänden zu unterlassen hat, den Mieter nicht in seiner Möglichkeit beeinträchtigen, seine politische Meinung zu äußern. Mit anderen Worten: Die Meinungsfreiheit ist überhaupt nicht beeinträchtigt, weil dem Mieter viele andere Möglichkeiten zur Meinungsäußerung bleiben. Es gibt kein Recht, seine Meinung an der Fassade eines fremden Hauses anzubringen!

Unverletzlichkeit der Wohnung ist reines Abwehrrecht

Auch aus dem Grundsatz der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) ergibt sich kein Recht des Mieters, die Außenseiten des Hauses zu „gestalten“. Art. 13 ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ein reines Abwehrrecht: Der Mieter soll Eingriffe in seine Mieträume abwehren können. Das gibt dem Mieter aber kein Recht, seine Mieträume auf die Außenfassade – und dazu gehört die Balkonbrüstung – auszudehnen und diese mit zu nutzen.

Es ist davon auszugehen, dass andere Gerichte diesen Fall anders entschieden hätten, so dass die Entscheidung nicht verallgemeinert werden kann.

Rechtsanwalt Mathias Münch
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